Entscheidungsstichwort (Thema)

Einordnung von Beihilfen als andere Leistung im Sinne des § 103 Hessisches Beamtengesetz (HBG)

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Bei der Gewährung von Beihilfe handelt es sich jedenfalls dann, wenn der Dienstherr zu ihrer Leistung verpflichtet ist, um eine "andere Leistung" im Sinne der genannten Bestimmungen,
  2. Zur Beurteilung der sachlichen Kongruenz von Leistungsverpflichtung des Dienstherrn und Ersatzpflicht des Schädigers.
  3. Zur Gesamtgläubigerschaft von öffentlichem Dienstherrn und SVT.
 

Normenkette

BBG § 87a; HBG § 103; HBeihVO § 2; BGB § 428; RVO § 1542

 

Tenor

Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Mai 1980 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die bei der Klägerin freiwillig krankenversicherte Professorin Dr. M., eine Beamtin des beklagten Landes, erlitt am 16. Dezember 1973 bei einem Verkehrsunfall, den der bei der H.-N. Versicherungsanstalt haftpflichtversicherte S. allein verursacht und verschuldet hatte, schwere Verletzungen. Sie wurde in der Zeit vom 16. Dezember 1973 bis zum 30. April 1974 stationär behandelt, und zwar bis zum 13. Januar 1974 in der allgemeinen Pflegeklasse und ab 14. Januar 1974 auf eigenen Wunsch in einer höheren Pflegeklasse. Die Klägerin übernahm die bis zum 13. Januar 1974 entstandenen Krankenhauskosten vollständig und für die Folgezeit die Kosten der allgemeinen Pflegeklasse, insgesamt 18.119,00 DM. Die Verletzte selbst trug die Mehrkosten der höheren Pflegeklasse in Höhe von 11.780,70 DM. Auf ihren Antrag gewährte ihr das beklagte Land eine Beihilfe von 11.446 DM. Dabei erkannte es die Krankenhauskosten (Kosten der allgemeinen Pflegeklasse sowie Zuschlag für die höhere Pflegeklasse) als beihilfefähig an, die bis zum 13. Januar 1974 entstandenen Kosten allerdings mit Rücksicht auf die Leistungen der Klägerin gemäß § 4 Abs. 5 der Hessischen Beihilfeverordnung in der Fassung vom 29. Januar 1974 (GVBl I S. 65 ff.; im folgenden: HBeihVO) nur in Höhe der Krankenversicherungsbeiträge, die die Verletzte im letzten Jahr vor der Antragstellung entrichtet hatte. Den Beihilfebetrag von 11.446 DM machte das beklagte Land gegenüber der H.-N. Versicherungsanstalt geltend, bei der zugleich die Klägerin Regreßansprüche wegen der von ihr übernommenen Kosten der allgemeinen Pflegeklasse angemeldet hatte. Daraufhin hinterlegte die H.-N. Versicherungsanstalt den Betrag von 11.446 DM unter Verzicht auf Rücknahme zu Gunsten der Parteien. Nach Freigabe und Auszahlung eines Teilbetrages von 6.469,27 DM an die Klägerin begehrt diese mit der vorliegenden Klage die Zustimmung des beklagten Landes zur Herausgabe des hinterlegten Restbetrages an sie.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit seiner (zugelassenen) Revision erstrebt das beklagte Land die endgültige Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der hinterlegte Restbetrag der Klägerin zu. Zu diesem Ergebnis gelangt das Berufungsgericht aufgrund folgender Erwägungen:

Nach § 1542 RVO, der auch für freiwillig versicherte Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse gelte, sei der Anspruch der Verletzten gegen den Schädiger auf Erstattung der in der Zeit vom 16. Dezember 1973 bis zum 30. April 1974 entstandenen Krankenhauskosten auf die Klägerin übergegangen. Der hinterlegte Betrag sei die Ersatzleistung des Schädigers und seines Haftpflichtversicherers für diese Kosten. Demgegenüber könne das beklagte Land nicht mit Erfolg einen Übergang des Anspruchs der Verletzten gemäß § 103 des hessischen Beamtengesetzes (HBG) geltend machen. Das Land sei nicht verpflichtet gewesen, der Verletzten für die Zeit vom 16. Dezember 1973 bis zum 13. Januar 1974 eine Leistung zu gewähren. Die bis zu diesem Tag entstandenen Kosten seien voll von der Klägerin getragen worden, so daß beihilfefähige Aufwendungen der Verletzten nicht verblieben seien. Bei den Krankenversicherungsbeiträgen, die für diesen Zeitraum der Beihilfeberechnung zugrunde gelegt worden seien, handele es sich nicht um unfallbedingte Aufwendungen. Im übrigen scheitere insoweit ein Anspruchsübergang jedenfalls am Erfordernis der sachlichen Gleichartigkeit zwischen dem Schaden der Verletzten und der Beihilfeleistung. Dies gelte auch, soweit das beklagte Land für die Zeit vom 14. Januar bis zum 30. April 1974 die von der Klägerin erbrachten Leistungen für die Inanspruchnahme der allgemeinen Pflegeklasse als beihilfefähige Aufwendungen der Verletzten behandelt und darauf Beihilfe gewährt habe. Die Beihilfeleistung erfolge im Rahmen der Fürsorge- und Treuepflicht des öffentlichen Dienstherrn und diene damit nicht dem gleichen Zweck wie die Leistung des Sozialversicherungsträgers. Allerdings sei auf das beklagte Land insoweit ein Schadensersatzanspruch übergegangen, als der Verletzten Beihilfe auf die Mehraufwendungen für die Inanspruchnahme der höheren Pflegeklasse gewährt worden sei. Der von der H.-N. Versicherungsanstalt hinterlegte Betrag sei aber nicht zur Befriedigung der Ansprüche bestimmt, die durch die Inanspruchnahme einer höheren Pflegeklasse entstanden seien. Im übrigen sei der Ersatzanspruch der Klägerin, soweit er mit einem Anspruch des beklagten Landes konkurriere, wegen der subsidiären Rechtsnatur der Beihilfe vorrangig.

II.

Das angefochtene Urteil hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1.

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß es sich bei § 103 HBG um revisibles Recht im Sinne des § 549 ZPO handelt. Die Vorschrift stimmt, soweit es vorliegend auf sie ankommt, wörtlich mit § 87 a BBG überein und entspricht den zwingenden Rahmenvorschriften des Bundes, die die einheitliche Regelung der Rechtsverhältnisse der öffentlichen Bediensteten bezwecken (§§ 1, 52 BRRG). Eine solche bewußte Abstimmung zum Zwecke der Vereinheitlichung des Beamtenrechts begründet die Revisibilität (vgl. Senatsurteil vom 13. Juni 1967 - VI ZR 8/66 - VersR 1967, 902 m.w.Nachw.).

2.

In der Sache begegnet der Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts indes in wesentlichen Punkten durchgreifenden Bedenken.

a)

Allerdings ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß der Schadensersatzanspruch der Verletzten nach § 1542 RVO auf die Klägerin übergegangen ist. Diese Vorschrift gilt nicht nur bei bestehender Pflichtmitgliedschaft des Versicherten, sondern auch für den hier vorliegenden Fall der freiwilligen Versicherung des Verletzten bei einer gesetzlichen Krankenkasse (vgl. Senatsurteil vom 11. Mai 1976 - VI ZR 51/74 - VersR 1976, 756).

b)

Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht indes, soweit es einen Anspruchsübergang auf das beklagte Land gemäß § 103 HBG verneint. Vielmehr liegen die Voraussetzungen, von denen diese Vorschrift einen Anspruchsübergang abhängig macht, hier vor.

aa)

Das beklagte Land war aus Anlaß des Unfalls nach § 2 HBeihVO verpflichtet, der Verletzten Beihilfe zu gewähren. Die Festsetzung der Beihilfe erfolgte nach Maßgabe des § 4 HBeihVO. Daß diese Festsetzung, die auf einer korrigierten Berechnung beruht, über den Beihilfeanspruch der Verletzten hinausgeht, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.

bb)

Bei der Gewährung von Beihilfe handelt es sich jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Dienstherr zu ihrer Leistung verpflichtet ist, um eine "andere Leistung" im Sinne des § 103 HBG. Das entspricht der im neueren Schrifttum zur gleichlautenden Bestimmung des § 87 a BBG - soweit ersichtlich - einhellig vertretenen Auffassung (vgl. u.a. Battis, BBG, § 87 a Anm. 5 a; Fürst, GKÖD, § 87 a BBG Rdn. 25. Geigel/Schlegelmilch, 17. Aufl., S. 1343; Plog/Wiedow/Beck, BBG § 87 a, Rdn. 16; Wussow, Das Unfallhaftpflichtrecht, 12. Aufl., S. 959). Sie liegt auch dem Senatsurteil vom 18. Januar 1977 (VI ZR 250/74 - VersR 1977, 427) zugrunde.

cc)

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß nach § 103 HBG ein Forderungsübergang nur stattfindet, soweit sich die Ersatzpflicht des Schädigers und die Leistungsverpflichtung des Dienstherrn ihrer Bestimmung nach decken (Erfordernis der sog. sachlichen Kongruenz, vgl. hierzu Senatsurteil vom 18. Januar 1977 aaO). Dieses Erfordernis ist in der vollen Höhe der Beihilfeleistungen des beklagten Landes erfüllt. Die in diesem Punkt abweichende Auffassung des Berufungsgerichts hält einer Überprüfung nicht stand.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 18. Januar 1977 (aaO) die Gesichtspunkte aufgezeigt, auf die für die Beurteilung der sachlichen Kongruenz von Leistungsverpflichtung des Dienstherrn und Ersatzpflicht des Schädigers abzustellen ist. Danach ist entscheidend, ob die Leistung des Dienstherrn und der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz dem Ausgleich ein und derselben Einbuße des Geschädigten dienen. Kongruenz ist anzunehmen, wenn die Leistung des Dienstherrn bei einer Gesamtbetrachtung zumindest auch dazu bestimmt ist, einen Ausgleich der unfallbedingten Aufwendungen des Geschädigten herbeizuführen. Dabei wird der materiale Bezug der Leistung des Dienstherrn zum unfallbedingten Aufwand des Geschädigten durch Berechnungsmodalitäten nicht in Frage gestellt; ausschlaggebend ist allein das wirtschaftliche Ergebnis der Leistung des Dienstherrn für den Geschädigten.

Nach diesen Grundsätzen sind die hier zur Erörterung stehenden Leistungen des Dienstherrn der Ersatzpflicht des Schädigers sachlich kongruent. Sie dienen insgesamt dem Ausgleich der unfallbedingten Heilungskosten. Dies gilt auch, soweit die Beihilfe für die Zeit bis zum 13. Januar 1974 auf der Grundlage der im letzten Jahr vor der Antragstellung entrichteten Krankenversicherungsbeiträge der Verletzten berechnet worden ist. Hierbei handelt es sich nicht - wie das Berufungsgericht meint - um eine Beihilfe zu den Versicherungsbeiträgen, sondern um eine beihilfespezifische Berechnungsmodalität, nach der die Beihilfe für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Beamte zu berechnen war, wenn sie aus ihrer Krankenversicherung Sachleistungen erhielten (§ 4 Abs. 5 Satz 2 HBeihVO). Ebenso dienten die Leistungen, die auf der Grundlage der Krankenhauskosten ab 14. Januar 1974 erfolgten, nach ihrer Zweckbestimmung (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 HBeihVO) als Beitrag zu den Aufwendungen der Verletzten zu den Heilungskosten. Damit ist dem Erfordernis der sachlichen Kongruenz genügt.

c)

Da mithin sowohl auf die Klägerin als auch auf das beklagte Land ein Anspruch übergegangen ist, zu dessen Befriedigung der hinterlegte Betrag dienen soll, stellt sich die Frage nach der Anspruchskonkurrenz zwischen Sozialversicherungsträger und öffentlichem Dienstherrn.

aa)

Bei dieser Entscheidung kann nicht - wie das Berufungsgericht meint - davon ausgegangen werden, daß der hinterlegte Betrag nicht dazu bestimmt sei, Ersatzansprüche des beklagten Landes abzudecken, die dadurch entstanden sind, daß die Verletzte eine höhere Pflegeklasse in Anspruch genommen hat. Daß die H.-N. Versicherungsanstalt Ersatzleistungen für die Inanspruchnahme einer höheren Pflegeklasse aus dem hinterlegten Betrag ausgenommen wissen wollte, ist nicht feststellbar. Die Hinterlegung erfolgte ohne Verwendungsbestimmung. Auch aus der Höhe des hinterlegten Betrages läßt sich nicht auf eine Verwendungsbestimmung schließen. Der Betrag entspricht nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sowohl der Restforderung der Klägerin als auch der Forderung des beklagten Landes. Aus dem Schreiben der H.-N. Versicherungsanstalt an den Präsidenten der Technischen Hochschule vom 19. Mai 1976 (GA 135) ergibt sich im übrigen, daß für den Haftpflichtversicherer bei der Hinterlegung der von dem beklagten Land geforderte Betrag maßgebend war. Dieser Betrag enthält aber auch Leistungen, die auf die Mehraufwendungen der Verletzten für die Inanspruchnahme der höheren Pflegeklasse gewährt worden sind.

bb)

Der erkennende Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß dann, wenn der Schädiger - wie hier - voll haftet und damit ein Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers nicht besteht, der öffentliche Dienstherr und der Sozialversicherungsträger Gesamtgläubiger sind, soweit sie konkurrieren (Urteile vom 17. November 1959 - VI ZR 207/58 - VersR 1960, 85 und vom 16. November 1962 - VI ZR 11/62 - VersR 1963, 239; Beschluß vom 28. November 1967 - VI ZB 21/67 - VersR 1968, 197). An dieser Rechtsprechung, die im Schrifttum überwiegend Zustimmung gefunden hat (vgl. u.a. Geigel/Schlegelmilch, 17. Aufl., S. 1343; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., § 1542, S. 1415 Nr. 8; Plog/Wiedow/Beck, BBG § 87 a, Rdn. 23; RVO-Gesamtkommentar, § 1542, S. 84/15; Wussow, WI 1978, 111; a.A. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, S. 982 d - Teilgläubigerschaft), wird festgehalten. Für den Ausgleich zwischen den Anspruchsträgern ist grundsätzlich das Verhältnis ihrer beiderseitigen Leistungen maßgebend (vgl. Senatsurteile vom 27. Juni 1958 - VI ZR 98/57 - BGHZ 28, 68, 76 und vom 11. Februar 1964 - VI ZR 249/62 - VersR 1964, 376).

cc)

Von der Gesamtgläubigerschaft ist allerdings der Erstattungsanspruch ausgenommen, den das beklagte Land wegen Leistungen geltend macht, die es auf die Mehraufwendungen der Verletzten für die Inanspruchnahme der höheren Pflegeklasse erbracht hat. Dieser Anspruch wird von dem Anspruchsübergang auf die Klägerin nach § 1542 RVO nicht erfaßt, so daß er für den Innenausgleich mangels sachlicher Kongruenz ausscheidet (vgl. Senatsurteil vom 20. März 1973 - VI ZR 19/72 - VersR 1973, 566).

dd)

Damit ergibt sich für den hinterlegten Betrag folgender Verteilungsschlüssel: Die Leistungen, die das beklagte Land wegen der Mehraufwendungen für die Inanspruchnahme der höheren Pflegeklasse erbracht hat, und die nach dem Vorstehenden in den hinterlegten Betrag einbezogen werden müssen, sind zu den gesamten Heilungskosten ins Verhältnis zu setzen. Entsprechend dieser Quote ist das beklagte Land aus dem hinterlegten Betrag wegen seiner Leistungen für die Inanspruchnahme der höheren Pflegeklasse zu befriedigen. Der verbleibende hinterlegte Betrag ist zwischen den Parteien in dem Verhältnis aufzuteilen, in dem die Leistungen der Klägerin und die übrigen Leistungen des beklagten Landes auf die Aufwendungen für die allgemeine Pflegeklasse zueinander stehen. Allerdings steht der Klägerin an dem Hinterlegungsbetrag höchstens derjenige Betrag zu, der sich ergibt, wenn man von dem ihr letztlich zustehenden Anteil an dem Ersatzanspruch der Verletzten für die Kosten der allgemeinen Pflegeklasse diejenigen Leistungen abzieht, die sie bereits von dem Haftpflichtversicherer erhalten hat; diesen Leistungen steht derjenige Betrag gleich, den die Klägerin nach dem Teilungsabkommen selbst tragen muß (zur Berechnung vgl. BGHZ 40, 108).

III.

Das angefochtene Urteil war mithin aufzuheben. Die Sache muß zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit eine Aufteilung des hinterlegten Betrages nach Maßgabe der oben aufgezeigten Verteilungsgrundsätze erfolgen kann.

 

Unterschriften

Dr. Hiddemann

Dunz

Scheffen

Dr. Steffen

Dr. Lepa

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456289

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