Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen groben Undanks, wenn der Beschenkte vertragswidrig den geschenkten Gegenstand (hier: eine Eigentumswohnung) veräußert und sich dabei zumindest subjektiv in einer wirtschaftlichen Zwangslage befand. Widerruf einer Schenkung gem. § 530 Abs. 1 BGB

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt der Widerruf einer Schenkung gem. § 530 Abs. 1 BGB nicht nur eine objektiv schwere Verfehlung des Beschenkten voraus, sondern erfordert auch, dass die Verfehlung Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten ist, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann.

 

Normenkette

BGB § 530 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 05.11.2002; Aktenzeichen 34 U 149/99)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 34. Zivilsenats des OLG Hamm v. 5.11.2002 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte ist die Nichte der Klägerin zu 2), die gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Kläger zu 1), der Beklagten mit notariellem Vertrag v. 31.3.1992 eine Eigentumswohnung übertrug. Im Vertrag wurde ein "Kaufpreis" von 53.000 DM vereinbart, der im Wesentlichen durch Übernahme von Grundpfandrechten und diesen zu Grunde liegenden Darlehensverbindlichkeiten zu zahlen war. Ferner verpflichtete sich die Beklagte u.a., den Klägern auf Lebenszeit eine wertgesicherte Monatsrente von 400 DM zu zahlen; diese Verpflichtung wurde durch eine Reallast gesichert.

Vor Abschluss des notariellen Vertrages hatten die Parteien privatschriftlich vereinbart, dass die Wohnung "nicht an Fremde verkauft" werden dürfe.

Nach einem Familienstreit entzweiten sich die Parteien.

Mit Schreiben des mit dem folgenden Verkauf befassten Notars v. 19.12.1995 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie wolle die Wohnung aus finanziellen Gründen verkaufen. Sie bot den Klägern die Zahlung von 75.000 DM gegen Verzicht auf die Zahlung der vereinbarten Rente und Löschung der Reallast im Grundbuch an. Ehe noch die Kläger widersprachen, veräußerte die Beklagte eine Woche später die Wohnung mit notariellem Vertrag v. 27.12.1995.

Die Kläger widerriefen daraufhin die von ihnen als Schenkung angesehene Zuwendung der Eigentumswohnung wegen groben Undanks.

Das LG hat nach Einholung eines Gutachtens zum Wert der Eigentumswohnung der auf Zahlung von 137.000 DM gerichteten Klage i.H.v. 81.479,34 DM stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf Klageabweisung weiter.

Die Kläger treten dem Rechtsmittel entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen ist.

I. Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Übertragung der Eigentumswohnung liege eine gemischte Schenkung zu Grunde. Das greift die Revision ohne Erfolg an.

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Leistung der Kläger und Gegenleistung der Beklagten stünden objektiv in einem auffallenden Missverhältnis. Der Verkehrswert der Wohnung habe 300.000 DM betragen, dem Gegenleistungen im Wert von 175.110 DM gegenübergestanden hätten (53.000 DM "Kaufpreis", 25.000 DM für gleichfalls übernommene Beerdigungs- und Grabpflegekosten, 10.000 DM für Arbeitsleistungen (Malerarbeiten) des Ehemannes der Beklagten und 87.110 DM Barwert des Rentenanspruchs der Kläger). Den Parteien sei - wie die Beweisaufnahme ergeben habe - auch bewusst gewesen, dass die Gegenleistung nicht den vollen Wert der Wohnung abgedeckt habe und ein überschießender - nicht summenmäßig feststehender - Teil Schenkung gewesen sei.

2. Die Revision beanstandet zunächst, dass das Berufungsgericht unter Berufung auf höchstrichterliche Rechtsprechung angenommen hat, ein auffallendes, grobes Missverhältnis zwischen den wirklichen Werten von Leistung und Gegenleistung lasse auf die Einigkeit der Vertragspartner über die teilweise Unentgeltlichkeit schließen. Die vom Berufungsgericht angeführten Entscheidungen (BGH v. 23.9.1981 - IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274 [281] = MDR 1982, 124; Urt. v. 6.3.1996 - IV ZR 374/94, NJW-RR 1996, 754 [755]) beträfen gemischte Schenkungen im Rahmen insb. von Pflichtteilsergänzungsansprüchen und seien auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art schwerlich übertragbar. Darauf kommt es indessen schon deshalb nicht an, weil das Berufungsgericht den von der Revision beanstandeten Rechtssatz zwar angeführt hat, seine Überzeugung davon, dass sich die Parteien über die (teilweise) Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig gewesen seien, aber rechtsfehlerfrei auf das Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme gestützt hat.

3. Die Revision rügt ferner, das Berufungsgericht habe verkannt, dass nicht die objektiven Werte, sondern die subjektiven Vorstellungen der Parteien nicht nur dafür maßgeblich seien, ob überhaupt (teilweise) eine Schenkung gewollt gewesen sei, sondern auch dafür, wie hoch der Schenkungsanteil habe sein sollen. Abgesehen davon, dass dies die Frage, ob überhaupt eine (gemischte) Schenkung vorliegt, nicht berührt, ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich das Berufungsgericht bei der tatrichterlichen Feststellung des Schenkungsanteils am objektiven Wertverhältnis orientiert hat, nachdem es gleichfalls und unbeanstandet festgestellt hat, dass sich die Parteien hierzu keine konkreten Vorstellungen gemacht haben. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auf der Grundlage eines dazu eingeholten Sachverständigengutachtens den abgezinsten Barwert der Rentenverpflichtung ermittelt und dem Wert der Eigentumswohnung gegenübergestellt; die Abzinsung dient der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von Leistung und Gegenleistung zum Zeitpunkt der Schenkung und ist daher entgegen der Auffassung der Revision sachlich geboten.

II. Dagegen hält die Begründung der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand, mit der das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines Widerrufs der Schenkung wegen groben Undanks bejaht hat.

1. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt: Der grobe Undank liege in dem Weiterverkauf der Wohnung ohne Rücksprache mit den Klägern. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Kläger ihr die Wohnung überlassen hätten, um sie im Familienbesitz zu halten. Die Beklagte hätte vor einer Veräußerung der Wohnung diesen Wunsch der Kläger berücksichtigen und hierüber mit ihnen sprechen müssen, um ihnen so die Gelegenheit zu geben, die Wohnung eventuell zurückzukaufen. Dies gelte selbst dann, wenn die Wohnung, wie die Beklagte behaupte, sich nicht vollständig selbst getragen habe, wobei sich jedoch allenfalls eine geringe Differenz ergebe. Eine Veräußerung der Wohnung ohne Rücksprache mit den Klägern zum Zwecke der Kapitalisierung des Wohnungswertes einschließlich des Schenkungsanteils allein zum eigenen Vorteil sei daher grob undankbar.

2. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe verkannt, dass wirtschaftliche Zwänge, die den Beschenkten zu seiner Verhaltensweise zwängen, die Bejahung von grobem Undank ausschließen könnten. Die Beklagte habe dargelegt, dass die monatlichen Kosten der Wohnung (einschließlich der an die Kläger zu zahlenden Rente) 1.427,21 DM bzw. seit Ende 1995 1.466,41 DM betragen hätten, während die Bruttomiete 1.328,30 DM betragen habe, so dass sich ein monatliches Minus von 98,91 DM bzw. 138,11 DM ergeben habe, das für eine vierköpfige Familie mit einem Netto-Durchschnittseinkommen von 2.235,22 DM nicht tragbar gewesen sei. Habe demzufolge die Beklagte die Wohnung nicht mehr halten können, folge aus dem Verkauf keineswegs automatisch eine undankbare Gesinnung. Das Berufungsgericht stelle im Übrigen zu geringe Anforderungen an die Erfüllung der Rechtsbegriffe "grober Undank" und "schwere Verfehlung".

3. Die Rüge hat im Ergebnis Erfolg.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt der Widerruf einer Schenkung nach § 530 Abs. 1 BGB nicht nur eine objektiv schwere Verfehlung des Beschenkten voraus, sondern erfordert auch, dass die Verfehlung Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten ist, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann (s. statt aller nur BGH v. 11.7.2000 - X ZR 89/98, BGHZ 145, 35 [38] = MDR 2000, 1423). Zu dieser subjektiven Voraussetzung für die Herausgabeverpflichtung des Beschenkten hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

Zwar trifft die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die wirtschaftliche Zwangslage der Beklagten verkannt, die Begründung des Berufungsgerichts nicht unmittelbar. Denn dieses hat die Undankbarkeit der Beklagten nicht aus dem Verkauf als solchem, sondern aus der unterlassenen Rücksprache mit den Klägern hergeleitet, zu der ihre wirtschaftliche Situation die Beklagte durchaus nicht zwang. Wenn sich jedoch, was die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausschließen, die Beklagte zumindest subjektiv in einer wirtschaftlichen Zwangslage befand, die es ihr wirtschaftlich untragbar erscheinen ließ, die Eigentumswohnung zu halten, versteht es sich andererseits auch nicht von selbst, dass die Veräußerung ohne Rücksprache mit den Klägern Ausdruck einer undankbaren Einstellung der Beklagten diesen gegenüber war. Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang von einer Veräußerung der Wohnung zum Zwecke der Kapitalisierung des Wohnungswertes einschließlich des Schenkungsanteils allein zum eigenen Vorteil spricht, lässt es unberücksichtigt, dass sich die Beklagte wirtschaftlich allein selbst geschädigt hat, indem sie sich der (teilweise) geschenkten Wohnung deutlich unter Wert begeben hat, während den Klägern der durch die Reallast gesicherte Rentenanspruch erhalten blieb. Jedenfalls aus der - zu unterstellenden - subjektiven Sicht der Beklagten konnte in der gegebenen Situation eine Rücksprache mit den Klägern wirtschaftlich nur den Sinn haben, diese zu weiteren finanziellen Leistungen zu veranlassen, wie sie das Berufungsgericht mit der Möglichkeit eines Rückkaufs selbst anspricht. Eine andere Möglichkeit wäre ein (teil- oder zeitweiser) Verzicht der Kläger auf die Rentenzahlung gewesen, der die Beklagte und ihre Familie finanziell entlastet hätte. Wenn die Beklagte es angesichts der entstandenen Zwistigkeiten zwischen den Parteien unterlassen hat, mit einem solchen Ansinnen an die Kläger heranzutreten, muss dies nicht notwendigerweise auf eine undankbare Einstellung ggü. den Klägern hindeuten. Vielmehr ist es möglich, dass die Beklagte weniger aus Undankbarkeit und Gleichgültigkeit ggü. den Klägern, denn aus Unbeholfenheit und Scham die Veräußerung ohne Rücksprache mit den Klägern in die Wege geleitet hat. In diesem Fall lägen die Voraussetzungen für einen Schenkungswiderruf nicht vor.

III. Der Rechtsstreit ist daher zur erneuten Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei dieser Prüfung wird das Berufungsgericht das gesamte Vorbringen der Parteien, einschließlich der Angaben, die die Beklagte bei ihrer persönlichen Anhörung gemacht hat, in die Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen des groben Undanks einzubeziehen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1304533

BGHR 2005, 480

FamRZ 2005, 511

ZEV 2005, 213

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