Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Verjährungsfrist bei der Sekundärhaftung eines Steuerberaters

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Wegfall des verjährungsrechtlichen Sekundäranspruchs, wenn der geschädigte Mandant rechtzeitig vor Eintritt der Primärverjährung einen Rechtsanwalt mit der Prüfung des Regreßanspruchs beauftragt.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Steuerberater ist – ebenso wie ein Rechtsanwalt – verpflichtet, den Auftraggeber auf die Möglichkeit einer eigenen Regreßhaftung und die dafür geltende Verjährungsfrist nach § 68 StBerG hinzuweisen, wenn sich für ihn während des Mandats ein begründeter Anlaß zur Überprüfung seiner Tätigkeit ergibt und er erkennt oder bei gehöriger Sorgfalt erkennen muß, daß er durch einen Fehler dem Mandanten einen Schaden zugefügt hat. Verletzt er diese Pflicht, dann beginnt mit Eintritt der Primärverjährung die dreijährige Verjährungsfrist von neuem zu laufen.

2. Trotz unterlassener Belehrung über den etwaigen Regreßanspruch und dessen Verjährung entfallen der Sekundäranspruch und damit die Verlängerung der Verjährungsfrist, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Primärverjährung anderweitig anwaltlich zum Zweck der Prüfung des Regreßanspruchs beraten wird. In diesem Fall treten die Hinweispflichten des mit dieser Prüfung betrauten Rechtsanwalts an die Stelle derjenigen des ursprünglichen Beraters; der Mandant ist durch die Haftung des (neuen) Anwalts hinreichend gesichert.

 

Normenkette

BGB § 675; StBerG § 68

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf

LG Kleve

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das „Grundurteil” des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. September 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Im Jahre 1980 erwarb die Klägerin ein unbebautes Grundstück, um es zu parzellieren und zu bebauen sowie die so entstehenden bebauten Einzelgrundstücke zu verkaufen. In der „Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG”, die der Beklagte als Steuerberater der Klägerin und ihres Ehemannes zur Ermittlung der Einkünfte aus den Grundstücksgeschäften mit der Steuererklärung für 1980 beim Finanzamt einreichte, waren die Anschaffungskosten für das Grundstück nicht berücksichtigt. Auch die im Jahre 1985 aufgewandten Kosten für den Bau von Eigentumswohnungen zog der Beklagte bei der Gewinnermittlung für dieses Jahr nicht als Betriebsausgaben ab. Er setzte diese Kosten sowie einen Teil der Grundstücksanschaffungskosten erst für 1986 als Betriebsausgaben an, als ein Teil der bis dahin hergestellten Eigentumswohnungen veräußert und ein anderer Teil ins Privatvermögen überführt wurden. Nach einer im Jahre 1990 durchgeführten Betriebsprüfung erkannte das Finanzamt diesen Abzug in einem geänderten Steuerbescheid vom 14. September 1990 mit der Begründung nicht an, bei der gewählten Gewinnermittlungsart seien die genannten Kosten im Jahr ihrer jeweiligen Entstehung anzusetzen gewesen. Die Einkommensteuer für das Jahr 1986 wurde für die Klägerin und ihren Ehemann auf 222.522 DM festgesetzt. Ein dagegen vom Beklagten eingelegter Einspruch wurde mit Bescheid vom 27. Januar 1993 zurückgewiesen; die dagegen – wiederum vom Beklagten – erhobene Klage wies das Finanzgericht Düsseldorf durch Urteil vom 4. Februar 1997 ab.

Die Klägerin, die sich die Ansprüche ihres Ehemannes hat abtreten lassen, wirft dem Beklagten vor, er hätte, da es in den Jahren der Entstehung der Anschaffungs- und Herstellungskosten an ausreichenden Einnahmen und sonstigen Einkünften gefehlt habe, mit denen jene Ausgaben hätten verrechnet werden können, die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG schaffen müssen. Sie verlangt von ihm Ersatz des Schadens, der ihr und ihrem Ehemann durch eine auf 160.000 DM errechnete Steuermehrbelastung in den Jahren 1980 bis 1986 entstanden sein soll, sowie Feststellung der Pflicht zum Ersatz von dadurch verursachten Zinsschäden. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung der Klageansprüche abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr dem Grunde nach stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil, jedoch unter umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage zu entscheiden (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff).

I.

Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch „dem Grunde nach (für) berechtigt” erklärt und am Ende der Entscheidungsgründe bemerkt, über die Höhe des Schadens sei im Betragsverfahren zu entscheiden. Zu dem neben dem Zahlungsantrag gestellten Feststellungsantrag hat es sich nicht geäußert.

Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Erlaß eines Grundurteils durch das Berufungsgericht zulässig war (BGH, Urt. v. 17. Februar 2000 – IX ZR 436/98, WM 2000, 1345, 1346 m.w.N.). Das ist im vorliegenden Fall zweifelhaft, soweit sich das Grundurteil jedenfalls seinem Wortlaut nach auch auf den Feststellungsanspruch bezieht. Bei einer unbezifferten Feststellungsklage kommt eine auf den Grund des Anspruchs beschränkte Entscheidung nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 27. Januar 2000 – IX ZR 45/98, WM 2000, 966, 967). Es ist freilich denkbar, daß das Berufungsgericht mit dem Ausspruch zum Grund des Anspruchs gleichzeitig abschließend dem Feststellungsantrag stattgeben wollte. Ob sich in dem Urteil ausreichende Anhaltspunkte für eine solche Auslegung finden lassen, mag offenbleiben, weil das Berufungsurteil bereits aus anderen Gründen aufgehoben werden muß.

II.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG durch Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und Einrichtung einer ordnungsmäßigen kaufmännischen Buchführung zu schaffen. Durch die für die Klägerin und deren Ehemann ungünstige Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sei ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden, dessen Höhe im Betragsverfahren noch ermittelt werden müsse. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision nicht. Sie lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen.

III.

Das Berufungsurteil beruht jedoch auf Verfahrensfehlern, soweit das Berufungsgericht gemeint hat, der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt.

1. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, die Verjährung habe mit Ablauf des 17. September 1990 begonnen; denn an diesem Tag sei der Klägerin und ihrem Ehemann der Änderungsbescheid vom 14. September 1990 zugegangen. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG sei jedoch alsbald danach gehemmt gewesen, denn die Parteien hätten nach Erlaß des Bescheids im September 1990 vereinbart, daß der Anspruch gegen den Beklagten bis zum Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht habe geltend gemacht werden sollen. Diese Feststellung hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der Aussagen des in beiden Vorinstanzen vernommenen Ehemannes der Klägerin, des Zeugen Sch., sowie nach Anhörung des Beklagten persönlich getroffen. In jener Vereinbarung, so hat das Berufungsgericht gemeint, liege ein Stillhalteabkommen. Die Verjährung sei danach erst nach Erlaß des finanzgerichtlichen Urteils vom 4. Februar 1997 weitergelaufen und jedenfalls bei Einreichung der Klage am 30. Dezember 1997 noch nicht vollendet gewesen.

2. Die Revision macht geltend, die Annahme eines Stillhalteabkommens werde von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen. Bei der Absprache der Parteien müsse es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung gehandelt, sondern sie könne sich auch in der Zusage des Beklagten erschöpft haben, sich bis zum Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht auf Verjährung zu berufen. Im letzteren Fall hätte der Beklagte nach dem Urteil des Finanzgerichts nicht noch mehr als zehn Monate mit der Klageerhebung warten dürfen.

Dieser Revisionsangriff ist unbegründet. Ein die Hemmung der Verjährung nach § 202 Abs. 1 BGB auslösendes Stillhalteabkommen setzt allerdings – darin hat die Revision recht – voraus, daß der Schuldner aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung berechtigt sein soll, vorübergehend die Leistung zu verweigern, und der Gläubiger sich umgekehrt der Möglichkeit begibt, seine Ansprüche während dieses Zeitraums weiterzuverfolgen (BGH, Urt. v. 6. Juli 2000 – IX ZR 134/99, WM 2000, 1812, 1813 m.w.N.). Das hat das Berufungsgericht jedoch nicht verkannt. Es ist in rechtlicher Hinsicht ausdrücklich davon ausgegangen, daß bei einem Stillhalteabkommen der Schuldner „vorübergehend zur Leistungsverweigerung berechtigt” ist. Ein solches Recht hat das Berufungsgericht der zwischen den Parteien getroffenen Absprache entnommen. Ein Rechtsfehler läßt sich darin nicht erkennen.

3. Die Revision hat jedoch mit ihrer Verfahrensrüge Erfolg, die sich gegen die Feststellung des Berufungsgerichts richtet, jene Vereinbarung sei alsbald nach dem Erlaß des Steuerbescheids vom 14. September 1990 getroffen worden.

a) Der Ehemann der Klägerin hat als Zeuge ausweislich des Protokolls vom 16. Juli 1998 vor dem Landgericht ausgesagt, nach der Betriebsprüfung habe er die Sache mit dem Beklagten durchgesprochen; dieser habe ihm seinerzeit gesagt, er wolle gegen den Bescheid Einspruch einlegen. Vor dem Berufungsgericht hat er am 17. Juni 1999 bekundet, bei jener Aussage müsse er bei der Vernehmung etwas mißverstanden haben. Es sei zwar bereits nach Eingang des Betriebsprüfungsberichts zu einem Gespräch mit dem Beklagten gekommen; dabei sei es aber nur um die Richtigkeit dieses Berichts und noch nicht um Steuernachforderungen gegangen. Die Themen „Steuernachforderung” und „Regreß” hätten erst angestanden, als die „Steuerbescheide” vorgelegen hätten.

Das Berufungsgericht hat, wie es im einzelnen dargelegt hat, aus diesen Bekundungen des Zeugen die Überzeugung gewonnen, daß das Gespräch zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Beklagten, bei dem die Stillhaltevereinbarung getroffen wurde, nach Eingang des Steuerbescheids vom 14. September 1990 stattgefunden habe. Der Zeuge sei, so hat es ausgeführt, bei der Vernehmung vom 17. Juni 1999 darauf hingewiesen worden, daß es wichtig sei, die Gespräche zeitlich genau einzuordnen. Das habe zu der Äußerung des Zeugen geführt, daß das Thema „Steuernachforderungen” noch nicht nach dem Betriebsprüfungsbericht, sondern erst nach Eingang der „Bescheide” Gegenstand der Erörterung gewesen sei. Hiermit seien „eindeutig” die Steuerbescheide vom 14. September 1990 gemeint gewesen; denn zusammen mit dem Bescheid für 1986 sei damals auch der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1985 erlassen worden.

In dieser Beurteilung liegt, wie die Revision zu Recht rügt, eine unvollständige Würdigung des Beweisergebnisses. Der in der Beweisaufnahme dem Zeugen erteilte Hinweis auf die Notwendigkeit der genauen zeitlichen Einordnung der Gespräche sollte offenbar der Klärung dienen, ob mit ihnen nicht etwa Erörterungen im unmittelbaren Anschluß an den Betriebsprüfungsbericht und damit noch vor der Entstehung des mit dem Erlaß des Steuerbescheids für 1986 eingetretenen Schadens, d.h. vor Beginn der Verjährung gemeint waren. Von solchen Besprechungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem Betriebsprüfungsbericht hatte der Zeuge bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung berichtet. Dieser stellte nunmehr vor dem Berufungsgericht klar, daß es damals weder um Steuernachforderungen noch um die Regreßfrage gegangen sei. Diese sei erst zum Thema geworden, als die „Bescheide” eingegangen seien. Der Schluß des Berufungsgerichts, damit seien „eindeutig” die Bescheide vom 14. September 1990 gemeint gewesen, berücksichtigt, wie die Revision zutreffend beanstandet, nicht, daß der Zeuge bei der Fragestellung, der er sich gegenüber sah, möglicherweise nur die Alternative zwischen dem Betriebsprüfungsbericht und den späteren „Bescheiden” im Auge hatte, in denen sich das steuerliche Ergebnis niederschlug. Mit diesen Bescheiden müssen nicht zwingend die unter dem gleichen Datum ergangenen Einkommensteuerbescheide für verschiedene Jahre, sondern damit können auch zusammengefaßt die allein das Jahr 1986 betreffenden „Bescheide”, nämlich der Steuerbescheid vom 14. September 1990 und der spätere Einspruchsbescheid vom 27. Januar 1993 gemeint gewesen sein. Zu einer solchen Deutung könnte der weitere Inhalt der Aussage des Zeugen vor dem Landgericht Anlaß geben. Ausweislich des Protokolls vom 16. Juli 1998 hat der Zeuge im Anschluß an die Erwähnung der Besprechung nach der Betriebsprüfung gesagt: „Er (der Beklagte) sagte mir seinerzeit, er wolle gegen den Bescheid Einspruch einlegen. Das hat er dann auch getan. Nachdem – ich meine es war 1993 – der ablehnende Bescheid auf den Einspruch kam, habe ich den Beklagten nochmals angesprochen. Zu der Zeit wurde mir klar, daß es nun ernst würde mit der Steuernachforderung. Ich habe den Beklagten damals gefragt, wie es denn nun weitergehen solle. Er sagte mir, er könne das auch noch nicht ganz beurteilen, ich solle mir aber keine Sorgen machen. Mir sollten keine Schäden entstehen. Der Beklagte forderte mich auf, ihn für solche Schäden haftbar zu machen.” Diese Darstellung des Zeugen legt das Verständnis nahe, über die Regreßfrage sei erst gesprochen worden, als sich herausstellte, daß der gegen den Steuerbescheid eingelegte Einspruch erfolglos geblieben war. Das würde auch zu der bei der Vernehmung durch das Berufungsgericht gebrauchten Formulierung des Zeugen passen, „letztlich zur Sache gehen sollte es … erst nach Abschluß eines möglichen finanzgerichtlichen Verfahrens”. Denn erst nach Erlaß des Einspruchsbescheids stand die Frage einer Klage vor dem Finanzgericht im Raum. Daß die Absprache, den Ausgang des Finanzgerichtsprozesses abzuwarten, schon getroffen worden ist, bevor überhaupt der Einspruch eingelegt und das Ergebnis des Einspruchsverfahrens abzusehen war, erscheint demgegenüber eher fernliegend.

Die Frage, ob die Absprache, die Geltendmachung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten bis zur Erledigung des Finanzgerichtsrechtsstreits zurückzustellen, tatsächlich bereits im September 1990 getroffen worden ist, kann nur im Wege einer Gesamtwürdigung aller Umstände beantwortet werden. Das Berufungsgericht hat eine solche umfassende Würdigung unter Berücksichtigung der soeben genannten Gesichtspunkte unterlassen. Wären dabei Zweifel verblieben, so hätte es den Zeugen fragen müssen, was er mit den „Bescheiden”, nach deren Erlaß es zur Erörterung der Regreßfrage kam, gemeint habe. Das Berufungsgericht hat sich dies alles durch die unzutreffende Annahme, die Aussage des Zeugen sei insoweit eindeutig, unmöglich gemacht.

b) Unter den gegebenen Umständen hätte das Berufungsgericht – diese Rüge der Revision ist ebenfalls begründet – jedenfalls der Klage nicht stattgeben dürfen, ohne auf den nachgereichten Schriftsatz des Beklagten vom 20. Juli 1999 die mündliche Verhandlung erneut zu eröffnen. In dem Schriftsatz hat der Beklagte auf die Doppeldeutigkeit des vom Zeugen gebrauchten Ausdrucks „Bescheide” hingewiesen und zum Beleg dafür, daß dieser die Zeit nach Erlaß des Einspruchsbescheids im Auge gehabt habe, ein Schreiben der Klägerin an ihn, den Beklagten, vom 30. April 1993 und ein von ihm verfaßtes Schreiben an seinen Haftpflichtversicherer vom 12. August 1993 vorgelegt. In dem Schreiben der Klägerin heißt es, sie beabsichtige, den Beklagten, wie sie ihm bereits mündlich mitgeteilt habe, im Fall einer negativen Entscheidung des Finanzgerichts „wegen fehlerhafter Beratung haftbar zu machen”. Diese Absicht teilte der Beklagte in seinem Schreiben vom 12. August 1993 unter Darlegung des Sachverhalts dem Haftpflichtversicherer mit. Das hätte den Blick des Berufungsgerichts darauf lenken müssen, daß der Zeuge am 17. Juni 1999 weiter bekundet hatte, die „Verabredung” mit dem Beklagten sei dahin gegangen, daß er, der Zeuge, den Schaden habe „geltend machen” sollen, „damit der Beklagte an seine Versicherung herantreten” könne, daß es letztlich aber erst nach Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens habe „zur Sache gehen” sollen. Die dieser Abrede entsprechenden Schreiben vom 30. April und 12. August 1993 waren geeignet, zusätzliche Zweifel darüber aufkommen zu lassen, ob die Vereinbarung selbst tatsächlich schon rund drei Jahre zuvor getroffen worden war. Das unterstrich die verfahrensrechtliche Notwendigkeit, den Zeugen notfalls zu einer Präzisierung seiner Aussage zu veranlassen. Zeigt es sich, daß die bisherige Verhandlung lückenhaft war, dann muß sie gemäß § 156 ZPO wieder eröffnet werden (BGHZ 53, 245, 262; BGH, Urt. v. 7. Oktober 1992 – VIII ZR 199/91, NJW 1993, 134).

c) Schließlich weist die Revision zutreffend darauf hin, daß der Ehemann der Klägerin trotz Abtretung seines eigenen Anspruchs an diese am Ausgang des Rechtsstreits kaum weniger interessiert ist, als die Klägerin selbst. Das nimmt der Abtretung zwar nicht wegen der damit erreichten Zeugenstellung des Ehemannes die Wirksamkeit. In einem solchen Fall ist aber das starke Eigeninteresse des Zeugen bei der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 8. Januar 1976 – III ZR 148/73, WM 1976, 424). Die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils, in denen jeder Hinweis auf diesen Gesichtspunkt fehlt, deuten darauf hin, daß das Berufungsgericht ihn bei seiner Beweiswürdigung nicht in Betracht gezogen hat.

4. Die Frage, ob die vom Berufungsgericht festgestellte Vereinbarung, den Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten bis zur Beendigung des Finanzgerichtsrechtsstreits zurückzustellen, schon im September 1990 oder erst nach Erlaß des Einspruchsbescheids vom 27. Januar 1993 getroffen worden ist, kann entscheidungserheblich sein. War letzteres der Fall, dann waren zu diesem Zeitpunkt von der am 18. September 1990 beginnenden dreijährigen Primärverjährungsfrist bereits mehr als zwei Jahre und vier Monate abgelaufen. Da die Hemmung der Verjährung mit der Zustellung des Urteils des Finanzgerichts vom 4. Februar 1997 endete – nach dem Vortrag des Beklagten war das am 23. Februar 1997 –, wäre der noch verbleibende Teil der Verjährungsfrist verstrichen gewesen, als die Klage am 30. Dezember 1997 beim Gericht eingereicht wurde.

IV.

Das Berufungsurteil ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 563 ZPO). Das Berufungsgericht konnte sich von seinem Standpunkt aus nicht mit der Frage befassen, ob die Verjährung unter dem Gesichtspunkt eines Sekundäranspruchs gegen den Beklagten bei Klageeinreichung noch nicht eingetreten war.

1. Ein Steuerberater ist – ebenso wie ein Rechtsanwalt – verpflichtet, den Auftraggeber auf die Möglichkeit einer eigenen Regreßhaftung und die dafür geltende Verjährungsfrist nach § 68 StBerG hinzuweisen, wenn sich für ihn während des Mandats ein begründeter Anlaß zur Überprüfung seiner Tätigkeit ergibt und er erkennt oder bei gehöriger Sorgfalt erkennen muß, daß er durch einen Fehler dem Mandanten einen Schaden zugefügt hat (BGHZ 94, 380, 386; BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 – IX ZR 100/95, WM 1996, 2066, 2068). Verletzt er diese Pflicht, dann beginnt mit Eintritt der Primärverjährung die dreijährige Verjährungsfrist von neuem zu laufen.

Begründeten Anlaß zur Überprüfung seiner Beratungstätigkeit hatte der Beklagte sowohl bei Eingang des Einspruchsbescheids vom 27. Januar 1993 als auch nach Erlaß des Finanzgerichtsurteils vom 4. Februar 1997. Tatsächlich hat er die Klägerin und ihren Ehemann – offenbar mehrfach – auf die Möglichkeit eines Regreßanspruchs gegen sich hingewiesen. Über die Verjährung eines solchen Anspruchs scheint er sie aber nicht belehrt zu haben; er selbst hat jedenfalls schriftsätzlich vorgetragen, die Möglichkeit der Verjährung sei nie erwähnt worden. Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu fehlen.

2. Trotz unterlassener Belehrung über den etwaigen Regreßanspruch und dessen Verjährung entfallen der Sekundäranspruch und damit die Verlängerung der Verjährungsfrist, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Primärverjährung anderweitig anwaltlich zum Zweck der Prüfung des Regreßanspruchs beraten wird. In diesem Fall treten die Hinweispflichten des mit dieser Prüfung betrauten Rechtsanwalts an die Stelle derjenigen des ursprünglichen Beraters; der Mandant ist durch die Haftung des (neuen) Anwalts hinreichend gesichert (BGH, Urt. v. 14. November 1991 – IX ZR 31/91, WM 1992, 579, 581 f; v. 28. September 1995 – IX ZR 227/94, WM 1996, 33, 34). Diese Einschränkung der Sekundärhaftung rechtfertigt sich aus dem Gedanken, daß die nachrangige Hinweispflicht des Rechtsanwalts oder Steuerberaters den Auftraggeber gegen die Gefahr des unwissentlichen Anspruchsverlusts schützen soll, daß es eines solchen Schutzes durch den Anspruchsgegner selbst aber nicht mehr bedarf, wenn der Mandant die Wahrnehmung seiner Interessen in der Regreßfrage einem (anderen) Rechtsanwalt übertragen hat, der insoweit eine primäre Vertragspflicht übernimmt. Das gilt unabhängig davon, ob bei Eintritt einer dieser Voraussetzungen das Mandat des in Anspruch genommenen Rechtsberaters noch fortbestand oder bereits beendet war.

Bislang fehlt es an einer Feststellung dazu, wann die Klägerin sich erstmals in der Frage eines Regreßanspruchs gegen den Beklagten anwaltlich hat beraten lassen.

V.

Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses – gegebenenfalls nach nochmaliger Vernehmung des Ehemannes der Klägerin – die noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen kann. Die Parteien erhalten durch die Zurückverweisung Gelegenheit, ihr Vorbringen unter dem Gesichtspunkt der Sekundärverjährung zu ergänzen.

 

Unterschriften

Kreft, Stodolkowitz, Zugehör, Ganter, Raebel

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 14.12.2000 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

DStRE 2001, 392

NJW 2001, 826

NWB 2001, 484

BGHR 2001, 189

Nachschlagewerk BGH

WM 2001, 736

MDR 2001, 505

VersR 2002, 720

MittRKKöln 2001, 63

BRAK-Mitt. 2001, 70

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