Leitsatz (amtlich)

Die in § 1587 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB getroffene Regelung, an vor der Ehe erworbenen Anwartschaften und Aussichten auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung den anderen Ehegatten weder im Rahmen des Versorgungsausgleichs noch im Rahmen des Zugewinnausgleichs teilhaben zu lassen, schließt auch die Einbeziehung einer Heiratserstattung nach § 1304 RVO a.F. in den Zugewinnausgleich aus.

Ein solcher vom Gesetzgeber nicht gewollter Ausgleich ist technisch auf dem durch § 1374 Abs. 2 BGB vorgezeichneten Weg dadurch zu vermeiden, daß die nach § 1304 RVO a.F. erstatteten Beiträge der Ehefrau ihrem Anfangsvermögen hinzugerechnet werden.

 

Normenkette

RVO § 1304 a.F.; BGB §§ 1374, 1587 Abs. 1 S. 1, Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Überlingen

OLG Karlsruhe

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats in Freiburg (Familiensenat) des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 5. Mai 1993 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die am 18. August 1967 geschlossene Ehe der Parteien wurde am 5. September 1991 geschieden. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin Zugewinnausgleich. Durch gerichtlichen Teilvergleich verpflichtete sich der Beklagte zur Zahlung von 40.000 DM. Die Parteien streiten nur noch darüber, ob der Betrag, den sich die Klägerin nach der Eheschließung vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege der Heiratserstattung nach § 1304 RVO a.F. hatte erstatten lassen, ihrem Anfangsvermögen zuzurechnen ist oder ob er in ihren Zugewinn fällt und die ihr zustehende Ausgleichsforderung entsprechend niedriger anzunehmen ist.

Das Amtsgericht rechnete den Betrag zum Anfangsvermögen und sprach der Klägerin zum Ausgleich des Zugewinns der Parteien antragsgemäß die Hälfte des indexierten Erstattungsbetrages, nämlich 6.156,28 DM, nebst Zinsen als weitere Ausgleichsforderung zu.

Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Beklagten zurück. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Klage auf restlichen Zugewinnausgleich im Ergebnis zu Recht für begründet erachtet.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in FamRZ 1993, 1447 veröffentlicht ist, hat dem Anfangsvermögen der Klägerin zwar nicht den Erstattungsbetrag selbst zugerechnet, weil dieser ihr erst nach Eintritt des Güterstandes zugeflossen sei. Es hat jedoch die bei Eheschließung bestehende Erwartung der Klägerin, die Hälfte ihrer vorehelichen Beiträge zur Rentenversicherung nach § 1304 RVO a.F. erstattet zu bekommen, als gesicherte Anwartschaft bewertet und diese ihrem Anfangsvermögen im Sinne des § 1374 BGB mit dem Nennwert des späteren Erstattungsbetrages zugerechnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, auch Anwartschaftsrechte unterfielen dem Zugewinnausgleich, wenn der Ehegatte im maßgeblichen Zeitpunkt bereits in bestimmter und berechenbarer Weise bereichert sei. Dies gelte auch für nicht übertragbare und nicht vererbliche Rechte, sofern diese einen wirtschaftlichen Wert hätten. Diese Voraussetzung sei bei dem Anspruch auf Beitragsrückerstattung gegeben.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand; die angefochtene Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der nach § 1304 RVO a.F. erstattete Betrag kein Anfangsvermögen darstellt, ist rechtlich nicht zu beanstanden, denn dieser Betrag ist der Klägerin erst nach der Eheschließung zugeflossen.

Nichts anderes gilt für den Anspruch auf Beitragsrückerstattung, der nach § 1304 RVO a.F. erst mit der Eheschließung entstehen konnte und damit nicht zu dem bei der Eheschließung vorhandenen Vermögen gehört. Unter anderem aus dem gleichen Grunde hat der Bundesgerichtshof es auch abgelehnt, den erst durch die Eheschließung begründeten Anspruch der Witwe auf Rentenabfindung nach § 1302 Abs. 1 RVO dem Anfangsvermögen zuzurechnen (BGHZ 82, 149, 150).

Hinzu kommt, daß der Anspruch auf Heiratserstattung nach § 1304 RVO a.F. – im Gegensatz zur Witwen- und Witwerrentenabfindung – als zunächst nur „latenter” Anspruch von der weiteren materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzung eines entsprechenden Antrags der Versicherten abhängig war, der frühestens im Zeitpunkt der Eheschließung gestellt werden konnte (vgl. Gernhuber, Festschrift für Lange S. 853, 874; MünchKomm/Gernhuber, BGB 3. Aufl. S 1375 Rdn. 10; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Bd. IV, 744m).

2. Die nach der Eheschließung gezahlte Heiratserstattung unterfällt jedoch aus anderen Gründen nicht dem Zugewinnausgleich.

Sie ist mit der nach Wiederverheiratung gezahlten Abfindung für die Witwenrente (§ 1302 RVO) nicht vergleichbar, weil diese im Gegensatz zur Heiratserstattung nach § 1304 RVO a.F. den Ausgleich für eine bereits bezogene Rente darstellt; wenn derartige Renteneinkünfte auch während der neuen Ehe weiter bezogen und nicht für den Lebensunterhalt verbraucht würden, müßten sie ebenfalls – wie jeder andere auf laufenden Einkünften eines Ehegatten beruhende Vermögenszuwachs – als Zugewinn ausgeglichen werden.

Die Heiratserstattung ist hingegen bei der Berechnung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich wie Anfangsvermögen der Ehefrau zu behandeln.

a) zwar lassen sich andere als die in § 1374 Abs. 2 BGB aufgezählten Vermögenswerte entgegen Schwab (FamRZ 1984, 429, 431; ders., Handbuch des Scheidungsrechts 2. Aufl. VII Rdn. 32) grundsätzlich nicht über eine analoge Anwendung des § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen zurechnen. Der Gesetzgeber hat sich in den §§ 1374 ff. BGB bewußt für eine schematische und starre Regelung entschieden (vgl. MünchKomm/Gernhuber aaO § 1374 Rdn. 14 m.N.). Deshalb muß die abschließende Regelung privilegierten Erwerbs in § 1374 Abs. 2 BGB grundsätzlich hingenommen werden (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 14. Januar 1981 – IVb ZR 525/80 FamRZ 1981, 239, 240 und vom 27. Januar 1988 – IVb ZR 13/87FamRZ 1988, 593, 594; ebenso die ganz herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. Ermann/Heckelmann, BGB 9. Aufl. S 1374 Rdn. 7; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht 2. Aufl. § 1374 BGB Rdn. 27; Palandt/Diederichsen, BGB 53. Aufl. 5 1374 Rdn. 26; Gernhuber, Festschrift für Lange S. 853, 868, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

b) Etwas anderes gilt jedoch, wenn und soweit der Gesetzgeber Rechte und Vermögenswerte in anderen Vorschriften als § 1374 Abs. 2 BGB ausdrücklich dem Zugewinnausgleich entzogen und Regelungen vorgesehen hat, die eine Teilhabe des anderen Ehegatten an ihnen ausschließen sollen. Derartige Rechte und Vermögenswerte sind rechnerisch aus dem Zugewinnausgleich herauszuhalten, indem sie dem Anfangsvermögen hinzugerechnet werden.

Ein solcher Ausschluß des güterrechtlichen Ausgleichs folgt aus § 1587 Abs. 1 und 3 BGB. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift finden die güterrechtlichen Vorschriften keine Anwendung auf Anwartschaften oder Aussichten, über die der Versorgungsausgleich stattfindet.

Bei dem gesetzlichen Ausschluß des Zugewinnausgleichs verbleibt es auch dann, wenn es im Einzelfall nicht zu einem Ausgleich der Versorgungsanwartschaften kommt, etwa in den Fällen § 1587c BGB oder weil die Ehegatten den Versorgungsausgleich ausgeschlossen haben (MünchKomm/Gernhuber aaO vor § 1363 Rdn. 24 und MünchKomm/Dörr aaO § 1587 Rdn. 37; Wagenitz in GW FamK-Rolland § 1587 Rdn. 82; Palandt/Diederichsen aaO § 1587 Rdn. 48; Jauernig/Schlechtriem BGB 7. Aufl. § 1587 Anm. 4; Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich und steuerliche Folgen der Ehescheidung, Rdn. 29; Bastian/Klinkhardt/Körber/Schmeiduch, 1. EheRG, § 1587 BGB Rdn. 11; Schwab FamRZ 1984, 429, 431).

Soweit Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung vor Beginn der Ehezeit erworben wurden, sollen sie nach § 1587 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB dem anderen Ehegatten weder im Rahmen des Versorgungsausgleichs noch im Rahmen des Zugewinnausgleichs zugute kommen. Sie müssen dem Ehegatten, der sie vor der Ehezeit erworben hat, allein verbleiben.

Diese aus § 1587 BGB abzuleitende Sperrwirkung muß auch dann eingreifen, wenn der Ehefrau allein zustehende voreheliche Anwartschaften nach §§ 1304, 1303 Abs. 7 RVO a.F. als solche erloschen sind, der durch sie verkörperte Vermögenswert jedoch – teilweise – in Form der Heiratserstattung erhalten bleibt. Zwar soll der Erstattungsbetrag, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, nach dem Sinn und Zweck der Heiratserstattung der Verschaffung zusätzlicher Mittel zum Aufbau eines gemeinsamen Hausstandes dienen. Er beruht aber nicht auf einer gemeinsamen Lebensleistung der Ehegatten, sondern ebenso wie die durch ihn abgegoltenen Anwartschaften allein auf den vorehelichen Beitragszahlungen der Ehefrau. Es wäre daher nicht gerechtfertigt, den Ehemann im Falle des Scheiterns der Ehe durch Einbeziehung der Heiratserstattung in den Zugewinn entgegen der Konzeption des Gesetzes an den vor der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften der Ehefrau teilhaben zu lassen (ebenso, wenn auch mit anderer Begründung, AG Stuttgart FamRZ 1990, 1358 f.).

Ein solcher vom Gesetzgeber nicht gewollter Ausgleich läßt sich in Fällen der vorliegenden Art technisch auf dem durch § 1374 Abs. 2 BGB vorgezeichneten Weg dadurch vermeiden, daß die Beitragserstattung dem Anfangsvermögen hinzugerechnet wird.

Infolgedessen ist ein entsprechend geringerer Zugewinn der Klägerin zugrunde zu legen, so daß ihr die mit der Klage geltend gemachte restliche Ausgleichsforderung zusteht. Deren Berechnung durch das Amtsgericht, der sich das Oberlandesgericht angeschlossen hat, läßt Fehler nicht erkennen; sie wird von der Revision auch nicht angegriffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609871

NJW 1995, 523

DNotZ 1995, 680

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