Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlerhafter Gebrauch einer Auflassungsvollmacht durch Notariatsangestellte. Primäre Notarhaftung. Haftung des Notariatsangestellten keine anderweitige Schadensersatzmöglichkeit i.S.v. § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO

 

Leitsatz (amtlich)

a) Zur Haftung des Angestellten des Urkundsnotars, wenn von einer dem Angestellten von den Vertragsparteien erteilten Auflassungsvollmacht fehlerhaft Gebrauch gemacht wird.

b) Die Haftung des Angestellten stellt für den Geschädigten keine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO dar.

 

Normenkette

BGB § 662; BNotO § 19 Abs. 1, § 19a Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 26.11.2001; Aktenzeichen 13 U 91/01)

LG Aurich

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 26. November 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 30. September 1999 verkauften die klagenden Eheleute eine in ihrem Eigentum stehende Grundstücksteilfläche an ihre Schwiegertochter zum Preis von 50.000 DM. Der Kaufvertrag wurde von dem Notar V. beurkundet, bei dem die Beklagte als Bürovorsteherin tätig ist.

Nach § 5 des Vertrags sollte die Auflassung nach Vorliegen der Abschreibungsunterlagen des Katasteramtes und Zahlung des Kaufpreises erfolgen. In der Vertragsurkunde erteilten die Vertragsparteien der Beklagten und einer weiteren Notariatsangestellten unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB Auflassungsvollmacht. Darüber hinaus bevollmächtigten sie die beiden Angestellten, alle zur Durchführung des Kaufvertrags etwa noch notwendig werdenden Erklärungen für die Beteiligten allen Behörden gegenüber abzugeben und Anträge jeder Art zu stellen und zurückzunehmen.

Obwohl der Kaufpreis nicht bezahlt war, beurkundete der Notar V. am 1. Dezember 1999 die von der Beklagten unter Bezugnahme auf die im Kaufvertrag erteilte Vollmacht abgegebene Auflassungserklärung.

Am 23. Dezember 1999 bewilligte und beantragte die Käuferin zugunsten der O. L.-Bank die Eintragung zweier Briefgrundschulden über 50.000 DM und 25.000 DM. Die Grundschulden wurden zugleich mit der Eigentumsumschreibung am 11. Januar 2000 in das Grundbuch eingetragen.

Die Kläger nahmen zunächst den Notar V. vor dem Landgericht auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Die Klage wurde abgewiesen, weil nach Auffassung des Landgerichts der gegen die Erwerberin gerichtete Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO darstellte.

Nunmehr nehmen die Kläger die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgen die Kläger ihr Zahlungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Erteilt eine Vertragspartei zur Durchführung eines Grundstückskaufvertrags einem Dritten Auflassungsvollmacht, so liegt der Vollmachterteilung, wenn der Bevollmächtigte – wie hier – unentgeltlich tätig werden soll, regelmäßig ein Auftrag (§ 662 BGB) zugrunde. Die Begründung einer „Vollmacht ohne Innenverhältnis” (sog. isolierte Vollmacht) ist zwar möglich (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1990 – V ZR 244/88 – NJW 1990, 1721, 1722), aber unüblich (Staudinger/Schilken, BGB, 13. Bearb., § 167 Rn. 2). Von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis kann angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung eines Grundstücksgeschäfts und der erheblichen Schadensfolgen, die – für den Bevollmächtigten erkennbar – bei einem fehlerhaften Gebrauch der Vollmacht eintreten können, nicht ausgegangen werden (vgl. BGHZ 21, 102, 107).

Demzufolge kommt bei einem abredewidrigen Gebrauch der Vollmacht eine Haftung des Bevollmächtigten aus positiver Vertragsverletzung des Auftrags in Betracht. Diese Vertrags- und Haftungslage stellt sich auch dann nicht grundsätzlich anders dar, wenn es sich bei dem Bevollmächtigten – wie hier – um einen Angestellten des Urkundsnotars handelt.

1. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung steht die Annahme eines unmittelbaren privatrechtlichen Auftragsverhältnisses zwischen der Vertragspartei und dem Notariatsangestellten nicht in Widerspruch zu der Funktion des Urkundsnotars.

Bei Ausübung der Urkundstätigkeit einschließlich der der Beurkundung vorangehenden Aufklärungs- und Beratungstätigkeit und der der Beurkundung nachfolgenden Vertragsdurchführungs- und Abwicklungstätigkeit handelt der Notar ausschließlich als Träger eines öffentlichen Amtes. Die Rechtsuchenden treten ihm nicht als Vertragspartner, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis als Verfahrensbeteiligte gegenüber. Die im Zusammenhang mit einem Urkundsersuchen stehenden Rechte und Pflichten treffen grundsätzlich den Notar allein. Die hoheitliche Funktion des Notars als unabhängiger Amtsträger und seine Verpflichtung zur persönlichen, selbständigen Amtsausübung haben zur Folge, daß die Notariatsangestellten bei Erledigung der ihnen übertragenen Arbeiten im allgemeinen weder (öffentlich-rechtliche) Amts- noch (privatrechtliche) Vertragspflichten gegenüber den an einem Urkundsgeschäft beteiligten Personen haben (Haug, Die Amtshaftung des Notars, 2. Aufl., Rn. 154). Dies gilt unabhängig davon, ob und inwieweit der Notar bei Erfüllung seiner originären Amtspflichten zu seiner Arbeitserleichterung ausnahmsweise seine Angestellten heranziehen darf und ob und inwieweit er sich im Rahmen seiner Haftung nach § 19 Abs. 1 BNotO das Verschulden dieser Personen entsprechend dem Grundgedanken des § 278 BGB wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muß (vgl. hierzu BGHZ 131, 200, 205 ff).

Die in der Natur der notariellen Amtstätigkeit liegenden Gründe, die der Annahme besonderer Rechtsbeziehungen zwischen einem Urkundsbeteiligten und einem Angestellten des Notars entgegenstehen, kommen jedoch dann nicht zum Tragen, wenn es – wie hier – um die dem Vertragschluß nachfolgende Auflassung des verkauften Grundbesitzes geht. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG ist die Beurkundung von Willenserklärungen unwirksam, wenn der Notar selbst an der Beurkundung beteiligt ist. Dem Notar ist es daher nicht möglich, im Rahmen des ihm als Amtsträger anvertrauten Vollzugs des beurkundeten Kaufvertrags die Auflassung im Namen der Vertragschließenden selbst zu erklären. Wird nun zur Vermeidung der Unwirksamkeitsfolge des § 6 BeurkG einem Notariatsangestellten Auflassungsvollmacht erteilt, so tritt dieser, wenn er von dieser Vollmacht Gebrauch machen und die Auflassung erklären will, dem Urkundsnotar als Verfahrensbeteiligter mit einem (weiteren) Urkundsersuchen entgegen. Insofern stellt sich die Rechtslage beurkundungsrechtlich nicht wesentlich anders dar als in den Fällen, in denen die Vertragsparteien selbst oder sonstige für sie handelnde Vertreter den Notar um die Beurkundung der Auflassung ersuchen.

Da mithin der Gebrauch der Vollmacht außerhalb des notariellen Tätigkeitsbereichs liegt, besteht kein Grund, die Begründung besonderer privatrechtlicher Rechtsbeziehungen zwischen der Vollmacht erteilenden Vertragspartei und dem bevollmächtigten Büroangestellten für unvereinbar mit der Amtstätigkeit des Notars und dem dieser Tätigkeit zugrundeliegenden öffentlich-rechtlichen Verhältnis der Vertragsparteien zu dem Urkundsnotar zu erachten.

2. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht angenommen, daß die Kläger bei Abschluß des notariellen Kaufvertrags den darin namentlich aufgeführten Notariatsangestellten konkludent das Angebot zum Abschluß eines Auftrags gemacht haben, das die Beklagte spätestens bei Erklärung der Auflassung angenommen hat. Dies läßt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. § 151 BGB). Weiter hat das Berufungsgericht gemeint, daß zwischen den klagenden Grundstücksverkäufern und den Notariatsangestellten stillschweigend ein Haftungsausschluß vereinbart worden sei; zumindest sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung von einem derartigen Haftungsausschluß auszugehen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Für die Urkundsbeteiligten habe bei der Erteilung der Vollmacht nicht die Person der Bevollmächtigten oder ein zu diesen Personen bestehendes Vertrauensverhältnis im Vordergrund gestanden; maßgeblich sei vielmehr die Überlegung gewesen, daß jemand zur Verfügung stehe, der im Rahmen der weiteren Abwicklung des notariellen Grundstückskaufvertrags „unter Federführung des Notars” für sie auftreten könne. Die Beteiligten des Auftragsverhältnisses seien ferner davon ausgegangen, daß dann, wenn der notarielle Kaufvertrag fehlerhaft abgewickelt werde und den Kaufvertragsparteien hieraus ein Schaden entstehe, der Urkundsnotar zu haften habe. Es habe kein Anlaß bestanden, daneben die Grundlage für eine Haftung der bevollmächtigten Notariatsangestellten zu schaffen.

Dem ist nicht zu folgen.

a) Dem Parteivorbringen und den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen läßt sich kein Anhalt dafür entnehmen, daß die Parteien bei Erteilung der Auflassungsvollmacht die Frage der Haftung bedacht haben. In einem solchen Falle ist für die Annahme eines stillschweigend vereinbarten Haftungsverzichts kein Raum. Auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB kann eine Haftungsbeschränkung nur ausnahmsweise bejaht werden. Voraussetzung hierfür ist, daß der Geschädigte sich dem ausdrücklichen Ansinnen einer solchen Haftungsfreistellungsvereinbarung billigerweise nicht hätte versagen können. In diesem Zusammenhang sind die versicherungsrechtlichen Gegebenheiten von wesentlicher Bedeutung. Das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes für den Schädiger spricht regelmäßig gegen eine Haftungsbeschränkung (vgl. BGH, Urteile vom 18. Dezember 1979 – VI ZR 52/78 – NJW 1980, 1681, 1682 f.; vom 13. Juli 1993 – VI ZR 278/92 – NJW 1993, 3067, 3068 m.w.N.). Insoweit gilt vorliegend:

aa) Es spricht vieles dafür, daß für die Auswahl der zu bevollmächtigenden Personen deren berufliche Stellung als Notariatsangestellte und das sich hieraus ergebende Näheverhältnis zu dem – auch und gerade mit der Vertragsabwicklung und -durchführung „federführend” betrauten – Urkundsnotar ausschlaggebend war. Ist aber ein Arbeitnehmer gerade mit Blick auf sein bestehendes Arbeitsverhältnis bereit, mit einem Dritten besondere vertragliche Abreden zu treffen, so ist es nach allgemeinen Grundsätzen in erster Linie Sache des Arbeitgebers, seinem Arbeitnehmer die daraus entstehenden Haftungsrisiken abzunehmen. Dagegen ist der Umstand, daß der Vertragspartner des Arbeitnehmers um diese Zusammenhänge weiß oder sie zumindest erkennen kann, für sich allein kein ausreichender Sachgrund dafür, ihn nach Treu und Glauben als verpflichtet anzusehen, bei einem vertragswidrigen Verhalten auf die Schadensersatzansprüche zu verzichten, die das Gesetz für diesen Fall bereithält (vgl. BGHZ 108, 305, 315 ff.).

bb) Nach § 19 a Abs. 1 Satz 1 BNotO ist der Notar verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten zur Deckung der Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden, die sich aus seiner Berufstätigkeit und der Tätigkeit von Personen ergeben, für die er haftet. Inwieweit aufgrund der Risikobeschreibung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Notaren (abgedruckt in DNotZ 1995, 721 ff.) das „Bevollmächtigtenrisiko” für Notariatsangestellte vollständig abgesichert ist (vgl. hierzu Haug aaO Rn. 158; Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler BNotO, 4. Aufl., § 19 a Rn. 20 unter Hinweis auf die Auffassung der Bundesnotarkammer, wonach jedenfalls die Haftung nach § 179 BGB mitversichert ist, DNotZ 1998, 513, 522), kann dahinstehen. Jedenfalls bestätigen die Vorschrift des § 19 a Abs. 1 Satz 1 BNotO und die Versicherungsbedingungen für die Berufshaftpflicht den Befund, daß die mit der Erteilung einer Auflassungs- und Vollzugsvollmacht an Notariatsangestellte verbundenen Risiken billigerweise nicht dem Notar und seinen Angestellten abgenommen und durch die Konstruktion eines Haftungsverzichts dem Vollmachtgeber aufgebürdet werden dürfen.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich auch nicht feststellen, daß für eine Haftung des Notariatsangestellten neben der Notarhaftung kein Bedürfnis besteht.

Allerdings ist der Revisionserwiderung zuzugeben, daß der mit dem Urkundsvollzug betraute Notar kraft seines Amtes die Prüfung, ob die kaufvertraglich festgelegten Voraussetzungen für die Auflassung vorliegen, nicht seinem Personal überlassen darf (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1988 – IX ZR 31/88 – NJW 1989, 586), und zwar selbst dann nicht, wenn seinem Personal Auflassungs- oder Vollzugsvollmacht erteilt worden ist. Daher wird dann, wenn – wie hier – von einer Auflassungsvollmacht fehlerhaft Gebrauch gemacht worden ist, regelmäßig ein Notarverschulden vorliegen. Das bedeutet indes nicht, daß die Haftung des Notariatsangestellten aus positiver Vertragsverletzung völlig zu vernachlässigen ist. Sie kann etwa dann bedeutsam werden, wenn der Notar keinen hinreichenden Versicherungsschutz hat und selbst illiquide ist (Haug aaO Rn. 158). Auch dann, wenn der Notariatsangestellte von seiner Vollmacht gegenüber einem anderen Notar Gebrauch macht (vgl. den der Entscheidung OLG Celle DNotZ 1973, 503, 504 zugrundeliegenden Sachverhalt), besteht die Gefahr einer Haftungslücke, sofern man die Haftung des bevollmächtigten Notariatsangestellten für vertraglich abbedungen hält.

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich einer möglichen Inanspruchnahme des von einer Auflassungsvollmacht fehlerhaft Gebrauch machenden Notariatsangestellten auch nicht entgegenhalten, auf diese Weise würde die Subsidiarität der Notarhaftung unterlaufen.

Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, daß die Haftung eines Notariatsangestellten aus positiver Vertragsverletzung des der Auflassungsvollmacht zugrundeliegenden Auftrags mittelbar zu einer Erweiterung der Notarhaftung führen kann.

a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO kann ein amtspflichtwidrig handelnder Notar, dem lediglich Fahrlässigkeit zur Last fällt, nur dann auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Als anderweitige Ersatzmöglichkeit kommen auch Ansprüche gegen den Vertragspartner oder solche Personen in Betracht, die als Vertreter des Geschädigten aufgetreten sind und ihrem Vollmachtgeber nach Auftrags- oder Dienstvertragsrecht haften (Schippel/Haug, BNotO, 7. Aufl., § 19 Rn. 86, 88; Haug aaO Rn. 190, 197). Im Anschluß daran wird in der Literatur die Meinung vertreten, die Haftung des Vertreters stelle auch dann eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO dar, wenn es sich bei dem Vertreter um einen Angestellten des Notars handelt (so Sandkühler aaO § 19 Rn. 6; Haug aaO Rn. 156, 158). Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Aufgrund des in der Regelung über die Berufshaftpflichtversicherung (§ 19 a Abs. 1 Satz 1 BNotO) mit berücksichtigten Umstands, daß es wegen der bestehenden arbeitsvertraglichen Verbundenheit auch bei einer derartigen Fallkonstellation letztlich Sache des Notars ist, für „Bürofehler” einzustehen, ist es allein sach- und interessengerecht, daß der Geschädigte gleich den Notar in Anspruch nehmen kann, er also nicht die „bürointernen” Verantwortlichkeiten abklären und gegebenenfalls erst den Umweg über die Auftragshaftung des Angestellten einschlagen muß mit der Folge, daß sich der Notariatsangestellte seinerseits gezwungen sieht, seinen Freistellungs- oder Regreßanspruch gegen den Notar geltend zu machen.

b) Unabhängig von der Frage der primären Notarhaftung kann der Anspruch des Angestellten auf Freistellung von Schadensersatzansprüchen aus positiver Vertragsverletzung des Auftrags – die ihrerseits unbeschadet von etwaigen sonstigen Ansprüchen des Auftraggebers gegen Dritte bestehen – dazu führen, daß der Notar auf diesem Wege für Schäden aufkommen muß, die er selbst als Anspruchsverpflichteter nach § 19 Abs. 1 BNotO wegen der Subsidiarität seiner eigenen Haftung von sich weisen könnte.

Diese mittelbare Haftungserweiterung ist jedoch weder systemwidrig noch belastet sie den Notar unbillig. Denn sie beruht allein darauf, daß der Notariatsangestellte auf Veranlassung seines Arbeitgebers vertragliche Bindungen eingegangen ist, aufgrund derer er Willenserklärungen mit Wirkung für und gegen seinen Vertragspartner abzugeben hat, die – wie die Auflassung des verkauften Grundbesitzes – außerhalb der notariellen Amtstätigkeit liegen.

II.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Eine abschließende sachliche Entscheidung des Senats (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F.) kommt nicht in Betracht.

1. Das Berufungsgericht hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagte ihre Pflichten als Beauftragte der Kläger schuldhaft verletzt hat. Dies ist nachzuholen. Hierzu ist zu bemerken:

Das Bestehen selbständiger vertraglicher Beziehungen zwischen den Urkundsbeteiligten und dem Notariatsangestellten, die bei einem fehlerhaften Gebrauch von der Auflassungsvollmacht Grundlage von Schadensersatzansprüchen der geschädigten Vertragsparteien gegen den bevollmächtigten Angestellten sein können, darf nicht den Blick darauf verstellen, daß es regelmäßig nach den Vorstellungen aller Beteiligten unbeschadet der Vollmachtserteilung vorrangig Sache des mit dem Urkundsvollzug betrauten Notars ist zu prüfen, ob die vertraglich festgelegten Voraussetzungen für die Auflassung erfüllt sind. Die Abgabe der Auflassungserklärung, bei der der Notariatsangestellte formal wie jeder andere Verfahrensbeteiligte mit einem Urkundsersuchen an den Notar herantritt, soll unter der Anleitung oder, wie es das Berufungsgericht formuliert hat, „unter der Federführung” des Notars erfolgen. Diese der Erteilung einer Auflassungsvollmacht an Notariatsangestellte regelmäßig zugrundeliegende Willensrichtung der Beteiligten ist von entscheidender Bedeutung bei der Bestimmung der dem Bevollmächtigten bei Durchführung des Auftrags obliegenden Vertragspflichten. So ist er dann, wenn der Notar die Auflassungsvoraussetzungen für gegeben erachtet, im allgemeinen nicht dazu verpflichtet nachzuprüfen, ob die Vorgehensweise des Notars in Einklang mit der Sach- und Rechtslage steht. Aufgrund dessen wird es in vielen Fällen, in denen ein Notariatsangestellter von einer ihm erteilten Auflassungsvollmacht objektiv fehlerhaft Gebrauch macht, schon an einer (schuldhaften) Pflichtverletzung fehlen, so daß die „Außenhaftung” des Angestellten nur selten neben der Haftung des Notars nach § 19 Abs. 1 BNotO zum Tragen kommen wird.

Trotz dieser wesentlichen Einschränkungen der „Angestelltenhaftung” kommt vorliegend ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Betracht:

Die Revision verweist auf die in dem zwischen den Klägern und dem Urkundsnotar geführten Vorprozeß gemachte Zeugenaussage der Beklagten, wonach sie aufgrund der zahlreichen Vorsprachen des Klägers zu 1 den Eindruck gewonnen habe, daß die Sache sehr eilig sei; wegen der verwandtschaftlichen Beziehungen der Vertragsparteien habe es sich nach ihrem Gefühl ohnehin um ein „In-Sich-Geschäft” gehandelt; darauf sei es wohl zurückzuführen, daß sie hinsichtlich der Zahlung des Kaufpreises „offensichtlich nicht hinreichend aufgepaßt” habe.

Sollte die tatrichterliche Würdigung dieser Aussage und des weiteren Parteivorbringens ergeben, daß die konkrete Entscheidung über das Ob und Wie der Grundstücksauflassung die Beklagte getroffen hat, so ist es nur folgerichtig, wenn sie bei Überschreitung der ihr vertraglich eingeräumten Befugnisse den geschädigten Urkundsbeteiligten gegenüber selbst zu haften hat.

2. Die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht gibt den Klägern Gelegenheit, ihren Klageantrag zu überdenken.

Die Kläger verlangen von der Beklagten Zahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen die Abtretung ihrer Ansprüche gegen die Käuferin aus dem notariellen Vertrag vom 30. September 1999. Die Erfüllung des Kaufvertrags können die Kläger indes von der Beklagten keinesfalls verlangen.

Diese hat die Kläger allenfalls wirtschaftlich so zu stellen, wie sie bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten gestanden hätten. Da nach dem Vorbringen der Kläger die Käuferin zur Finanzierung des Grundstückskaufs nicht in der Lage war und ist, war eine Realisierung der Kaufpreisforderung unabhängig vom Verhalten der Beklagten nicht zu erreichen. Der der Beklagten zuzurechnende Schaden der Kläger kann daher, wie sie im übrigen selbst vorgetragen haben, nur darin bestehen, daß sie aufgrund des Fehlgebrauchs von der Auflassungsvollmacht ihr Eigentum verloren haben und wegen der eingetragenen Grundschulden keine Aussicht mehr besteht, bei einem Vorgehen nach § 326 Abs. 1 BGB a.F. gegen die Käuferin ihr Eigentum lastenfrei zurückzuerhalten.

Inwieweit sich dieser, mit dem entgangenen Kaufpreis nicht deckungsgleiche, ersatzfähige Schaden bereits jetzt beziffern läßt, bedarf näherer Prüfung.

In diesem Zusammenhang wird sich das Berufungsgericht gegebenenfalls mit Blick auf § 254 BGB mit dem Vorbringen der Beklagten auseinanderzusetzen haben, die Kläger seien auf das Angebot der Beklagten nicht eingegangen, auf eine Rückabwicklung des Kaufvertrags und eine Löschung – jeden falls – der als dingliche Sicherheit für die Kreditierung der Kaufpreisforderung gedachten Grundschuld über 50.000 DM hinzuwirken.

 

Unterschriften

Rinne, Streck, Schlick, Kapsa, Galke

 

Fundstellen

Haufe-Index 884668

BGHZ 2003, 391

BGHZ

DStZ 2003, 212

NJW 2003, 578

NWB 2003, 740

BGHR 2003, 165

BGHR

EBE/BGH 2002, 406

DNotI-Report 2003, 14

Nachschlagewerk BGH

WM 2003, 85

WuB 2003, 487

ZAP 2003, 171

ZfIR 2003, 84

DNotZ 2003, 836

MDR 2003, 216

VersR 2003, 1265

NotBZ 2003, 111

RNotZ 2003, 62

ZGS 2003, 4

ZNotP 2003, 71

LMK 2003, 21

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