Entscheidungsstichwort (Thema)

Altlastengelände, hier: ehemaliges Industriegelände, als Wohngebiet: arglistiges Verschweigen der möglichen Schadstoffbelastung beim Verkauf; amtshaftungsrechtlicher Sorgfaltsmaßstab bei Planaufstellung; ersatzfähige Sanierungskosten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Frage, wann ein arglistiges Verschweigen der möglichen Schadstoffbelastung eines für eine Wohnhausbebauung veräußerten Grundstücks anzunehmen ist.

2. Zum Sorgfaltsmaßstab, der einzuhalten ist, wenn ein ehemaliges Industriegelände durch Bebauungsplan als Wohngebiet ausgewiesen wird (hier: das Gelände einer Chemiefabrik und eines Gaswerks).

3. Zur Frage, ob und inwieweit Aufwendungen, die für die Sanierung eines durch Altlasten kontaminierten Grundstücks getätigt werden, in den Schutzbereich der Amtshaftung der Gemeinde wegen der planerischen Ausweisung des betreffenden Altlastengeländes als Wohngebiet fallen.

 

Orientierungssatz

1. Erkennbare Anhaltspunkte für eine Schadstoffbelastung vermögen lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf zu begründen, wenn die positive Kenntnis des Veräußerers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses durch den Umstand geprägt ist, daß bei der zwischenzeitlichen Verlegung der Kanalisation und der Versorgungsleitungen in dem Plangebiet keine Schadstoffbelastungen zutage getreten sind. Die Schwelle zum bedingten Vorsatz wäre damit nicht überschritten.

2. In Kenntnis des Umstands, daß es sich bei dem zu beplanenden Gelände um das ehemalige Gelände einer Chemiefabrik und/oder eines Gaswerks handelt, hat die Gemeinde zumindest die Pflicht, sich im einzelnen über die Art der hergestellten Stoffe und das Risiko, ob mit giftigen Rückständen gerechnet werden muß, zu vergewissern, und gegebenenfalls eingehendere Bodenuntersuchungen vorzunehmen (Fortführung BGH, 1991-02-21, III ZR 245/89, BGHZ 113, 367; BGH, 1992-07-09, III ZR 78/91, UPR 1992, 438 und BGH, 1992-07-09, III ZR 105/91, UPR 1992, 438; vergleiche BGH, 1993-07-13, III ZR 22/92).

3. Mehraufwendungen des Eigentümers für ein durch Altlasten kontaminiertes Grundstück sind insoweit ersatzfähig, als sie unmittelbar der Beseitigung der Gesundheitsgefahren dienen. Das sind bei der Tiefergründung eines Hauses die Mehrkosten, die ausschließlich durch die Reinigung kontaminierten Bodens verursacht worden sind; nicht aber Kosten, die aus statischen Gründen für die Herstellung der erforderlichen Standfestigkeit aufgewendet werden mußten, weil der Boden, sei es durch die Altlastenlagerung im Boden, nicht hinreichend tragfähig war. Auch wenn in einem solchen Fall die aus statischen Gründen erforderliche Herstellung der Standfestigkeit zugleich den Zweck verfolgt und erreicht, das Eindringen von Schadstoffen in das Gebäude abzuwehren, fallen die erforderlichen Aufwendungen dem Eigentümer selbst zur Last (vergleiche BGH, 1992-07-09, III Zr 87/91, UPR 1992, 439 und BGH, 1992-12-17, III ZR 114/91, UPR 1993, 143).

 

Normenkette

BGB § 463 S. 2, § 839 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.11.1992; Aktenzeichen 22 U 63/91)

LG Darmstadt (Entscheidung vom 30.01.1991; Aktenzeichen 9 O 611/89)

 

Fundstellen

Haufe-Index 542238

BGHZ, 363

NJW 1994, 253

NVwZ 1994, 309

DNotZ 1994, 452

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