Leitsatz (amtlich)

Ein formell rechtskräftiger Berichtigungsbeschluß ist – von Fällen der nachträglichen Eröffnung oder Änderung eines Instanzenzuges abgesehen – nicht ohne weiteres deswegen unwirksam, weil das Gericht einen (offenbaren) Fehler bei seiner Willensbildung berichtigt hat.

Wird einem zunächst aussichtsreich erscheinenden Rechtsmittel eines Dritten durch nachträgliche Berichtigung der angefochtenen Entscheidung die Grundlage entzogen, so kann es jedenfalls dann nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt werden, wenn die ursprünglichen Parteien den Prozeß gegenüber dem Rechtsmittelführer nicht aufnehmen.

 

Normenkette

ZPO §§ 319, 91a

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 22.09.1993; Aktenzeichen 9 U 279/92)

LG Trier

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. September 1993 wird auf Kosten des Revisionsführers zurückgewiesen.

Gerichtskosten sind für das Berufungs- und das Revisionsverfahren nicht zu erheben.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Revisionsführer ist Verwalter im Konkurse über das Vermögen der D. B.-I. GmbH in T. (künftig: Gemeinschuldnerin). Gegen diese hatte der Kläger eine Stufenklage auf Auskunfterteilung und Zahlung erhoben. Nach streitiger mündlicher Verhandlung am 19. November 1992 wurde am 10. Dezember 1992 das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und der jetzige Revisionsführer zum Konkursverwalter ernannt. In dem am 19. Dezember 1992 verkündeten Teilurteil nannte das Landgericht als Beklagten den Revisionsführer „als Konkursverwalter über das Vermögen der Gelneinschuldnerin”; es verurteilte ihn – teilweise durch Aufrechterhaltung eines früheren Versäumnisurteils – zur Zahlung von 386.322,70 DM an den Kläger. Dagegen hat der Revisionsführer am 15. Januar 1993 Berufung eingelegt. Durch Beschluß vom 8. – zugestellt am 19. – Januar 1993 berichtigte das Landgericht auf übereinstimmenden Antrag beider (ursprünglichen) Parteien Rubrum und erkennenden Teil seines Teilurteils dahin, daß es die Gemeinschuldnerin anstelle des Revisionsführers als zur Zahlung verurteilte Beklagte bezeichnete. Daraufhin hat der Revisionsführer gegenüber dem Berufungsgericht „die Hauptsache” für erledigt erklärt. Der Kläger hat sich am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Urteil als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision des Konkursverwalters.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel ist im Ergebnis nicht begründet (§ 563 ZPO).

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Rechtsmittelführer sei durch die angefochtene – unkorrigierte – Entscheidung des Landgerichts weder persönlich noch als Konkursverwalter beschwert. Denn das Urteil habe in jedem Falle die Masse betroffen, unabhängig davon, ob die Verurteilung des Konkursverwalters oder die der Gemeinschuldnerin ausgesprochen gewesen sei. Da die zuerkannte Forderung schon vor Konkurseröffnung begründet gewesen sei, sei sie Konkursforderung im Sinne des § 3 Abs. 1 KO geblieben.

II.

Demgegenüber ist dem Revisionsführer zuzugeben, daß diese Ausführungen die Bedeutung der vom Landgericht zuerst gewählten Urteilsfassung verkennen. Da es den namentlich aufgeführten Konkursverwalter zur Zahlung verurteilt hat, hat es ihn prozessual gerade zur Erfüllung einer Masseschuld im Sinne des § 59 KO angehalten, obwohl das der Sache nach – wie das Berufungsgericht insoweit richtig gesehen hat – nicht berechtigt war. Das Oberlandesgericht legt zu Unrecht die nicht berichtigte Fassung des landgerichtlichen Teilurteils im Sinne der materiellen Rechtslage aus. Nach Konkurseröffnung kann eine bloße Konkursforderung grundsätzlich nur noch durch Feststellung zur Konkurstabelle (§§ 144 ff KO) oder – wenn, wie hier, die maßgebliche mündliche Verhandlung vor der Konkurseröffnung stattgefunden hat – ausnahmsweise durch Verurteilung des Gemeinschuldners persönlich tituliert werden. Hingegen drückt die Verurteilung des Konkursverwalters zur Zahlung seine Pflicht zur Leistung aus der Konkursmasse aus. Daß in Einzelfällen die Umstände eine berichtigende Auslegung ermöglichen können (vgl. BGH, Urt. v. 10. Juni 1963 – II ZR 137/60, LM § 146 KO Nr. 9; v. 29. Juni 1994 – VIII ZR 28/94, z.V.b.), ändert daran hier nichts.

III.

Die Berufung ist aber unzulässig (§ 519 b ZPO), weil die durch Beschluß vom 8. Januar 1993 berichtigte Fassung des landgerichtlichen Teilurteils maßgebend ist. Danach ist der Konkursverwalter nicht Partei des Rechtsstreits, so daß er nicht rechtsmittelbefugt ist; er hat nicht etwa den Rechtsstreit für die Gemeinschuldnerin aufgenommen.

1. Die Klage war gegen die Gemeinschuldnerin erhoben; und diese hatte auch mündlich verhandelt. Gemäß § 249 Abs. 3 ZPO änderte die Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen (§ 240 ZPO) nichts daran, daß das Urteil gegen sie zu verkünden war. Wenn das Landgericht statt dessen von sich aus den Rechtsmittelführer als „Beklagten” bezeichnet hat, so hat es damit einen anderen, formal selbständigen Vermögensträger verurteilt. Die prozessualen Folgen dieses Rechtsfehlers sollte der Berichtigungsbeschluß vom 8. Januar 1993 beseitigen. Dieser ist im vorliegenden Revisionsverfahren gemäß § 319 ZPO rechtsverbindlich.

a) Gerichtliche Beschlüsse, die im Rahmen eines Zivilverfahrens ergehen, äußern die ihnen prozessual zugeordneten Wirkungen in aller Regel auch dann, wenn sie fehlerhaft zustande gekommen, aber nicht aufgrund eines zulässigen Rechtsbehelfs beseitigt worden sind. Sie sind – wie Urteile – nur ausnahmsweise nichtig. Von dieser Möglichkeit abgesehen, können sie nur im Rahmen der dagegen vorgesehenen Rechtsbehelfe, nicht aber in jeder Lage eines Verfahrens darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für ihren Erlaß erfüllt sind.

b) Das gilt grundsätzlich auch für den Berichtigungsbeschluß gemäß § 319 ZPO (vgl. MünchKomm-ZPO/Musielak, § 319 Rdn. 18; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20. Aufl. § 319 Rdn. 15 f; Jonas JW 1936, Anm. auf S. 103; Pohle in Anm. AP § 319 ZPO Nr. 1 unter 2; Schumann in Anm. AP § 319 ZPO Nr. 14 unter 2; Grunsky in Anm. AP § 319 ZPO Nr. 15 unter 2). Ist er – wie hier – im Hinblick auf § 319 Abs. 3, 2. Halbs. ZPO formell rechtskräftig geworden, so ist er regelmäßig nicht in anderem Zusammenhang darauf zu überprüfen, ob er die Grenzen des § 319 ZPO einhält (RG JW 1930, 1001; BGH, Urt. v. 12. Januar 1984 – III ZR 95/82, LM § 319 ZPO Nr. 12 Bl. 2).

Allerdings wird derartigen Beschlüssen insoweit nur eingeschränkte Bindungswirkung zuerkannt, als durch sie nachträglich erstmals ein Rechtsmittel zugelassen wird (BGH, Urt. v. 25. September 1958 – VII ZR 104/57, NJW 1958, 1917; BAGE 3, 21, 22; 9, 205, 207 ff; BAG AP § 319 ZPO Nr. 2, 11, 14 und 15; BSG AP § 138 SGG Nr. 1). Diese Einschränkung beruht aber letztlich auf der Erwägung, daß nicht die zwingenden Vorschriften über den prozessualen Instanzenzug unterlaufen werden sollen (BAG AP § 319 ZPO Nr. 17 und 20; vgl. auch BGHZ 2, 396, 398 f; 20, 188, 189; BSG AP § 150 SGG Nr. 3). Genau so verhält es sich mit dem Rechtssatz, daß der Amtsrichter in aller Regel nicht nachträglich gemäß § 319 ZPO seinen Ausspruch abändern darf, ob er als Familien- oder als allgemeiner Zivilrichter entschieden hat (BGH, Beschl. v. 9. Dezember 1992 – XII ZB 114/92, NJW 1993, 1399, 1400 = FamRZ 1993, 690 f; der XII. Zivilsenat hat auf Anfrage mitgeteilt, daß er in dieser Auslegung seines Beschlusses keine Divergenz sieht). Denn dadurch würde die in §§ 72, 119 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GVG vorgeschriebene formelle Anknüpfung des Instanzenzuges beeinträchtigt. In beiden Fallgruppen würde eine nachträgliche „Berichtigung” unmittelbar das öffentliche Interesse an der Einhaltung des als ausschließlich gedachten Rechtsmittelweges verletzen. Wegen dieses Verstoßes gegen zwingende prozessuale Grundsätze bleibt der Änderungsbeschluß allgemein unwirksam. Ob aus gleichartigen Erwägungen eine weitere Ausnahme dann anzuerkennen ist, wenn ein berichtigender Beschluß seinerseits wieder zurückgenommen wird (so BGH, Urt. v. 9. Dezember 1987 – IVa ZR 155/86, NJW-RR 1988, 407, 408 f), braucht nicht entschieden zu werden, weil eine solche Ansicht nicht die Bindungswirkung von Berichtigungsbeschlüssen im allgemeinen betrifft.

Der hier zu beurteilende Berichtigungsbeschluß beeinträchtigt nicht unmittelbar den gesetzlichen Instanzenzug: Er eröffnet nicht ein sonst ausgeschlossenes Rechtsmittel und verändert nicht die gesetzlich vorgesehene Zuständigkeit der Gerichte. Er beeinflußt die Zulässigkeit der Berufung nur mittelbar, indem er nachträglich dem Rechtsmittelführer im Einzelfall die Beschwer nimmt. Das bedeutet keinen Eingriff in das Rechtsmittelgefüge im allgemeinen und ist deshalb nicht aus diesem Grunde ohne weiteres unwirksam (ebenso im Ergebnis RGZ 110, 427, 429). Dadurch werden zugleich die Rechtsmittelkosten so gering wie möglich gehalten. Das Interesse des betroffenen Dritten, sie nicht tragen zu müssen, begründet noch kein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Rechtsmittels.

c) Der vorliegende Berichtigungsbeschluß des Landgerichts vom 8. Januar 1993 ist im wesentlichen wie folgt begründet:

„Ein Parteiwechsel tritt … nicht ein, wenn – wie hier – der Konkurs über das Vermögen einer Partei nach Schluß der mündlichen Verhandlung eröffnet und die Entscheidung erst danach verkündet wird. Denn die nach der mündlichen Verhandlung weggefallene Prozeßführungsbefugnis der in Konkurs geratenen Partei hat auf den Inhalt der Entscheidung keinen Einfluß (vgl. § 296 a ZPO). Das Teilurteil vom 17.12.1992 ist dementsprechend trotz der Unterbrechung, die durch die Konkurseröffnung erfolgte, unter der alten Parteibezeichnung zu verkünden …

Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 17.12.1992 …, wonach aufgrund der Konkurseröffnung „weiterhin kraft Gesetzes ein Parteiwechsel” eintrat, sind mithin offensichtlich unrichtig.

Aus dem Urteil der Kammer geht hervor, daß der Konkursverwalter allein aus verfahrensrechtlichen Gründen in das Rubrum und damit auch in den Tenor aufgenommen worden ist. Die Kammer wollte jedoch erkennbar keine Entscheidung darüber treffen, ob die eingeklagte Forderung konkursrechtlich als Konkursforderung oder Masseanspruch zu qualifizieren ist. Soweit aus Rubrum und Tenor des Urteils das Gegenteil zu entnehmen wäre, liegt mithin eine fehlerhafte gerichtliche Erklärung vor, was einer Berichtigung nach § 319 ZPO zugänglich ist.”

aa) Daraus ergibt sich, daß das Landgericht bei Erlaß des Teilurteils die rechtlichen Auswirkungen der einseitig vorgenommenen Parteiänderung verkannt hatte. Es wollte nur den vermeintlich richtigen Repräsentanten der beklagten Partei nennen, hat aber damit zugleich infolge Rechtsirrtums die Rechtsnatur der zuerkannten Forderung geändert. Die Parteibezeichnung als solche hat es nicht versehentlich abgewandelt, sondern insoweit seinen ursprünglichen – auf Rechtsirrtum beruhenden – Willen zutreffend ausgedrückt.

Ein derartiger Fall fehlerhafter Willensbildung wird nach überwiegender Meinung von § 319 ZPO nicht erfaßt, sondern fällt unter die Bindungswirkung des § 318 ZPO (RGZ 23, 399, 410; RG SeuffA 53 Nr. 194; BayObLGZ 1948 – 1951, 342, 344; OLG Düsseldorf NJW 1973, 1132 m.w.N.; OLG Frankfurt OLGZ 1979, 390 f und NJW-RR 1989, 640; SchlHOLG SchlHA 1980, 213; MünchKomm-ZPO/Musielak aaO Rdn. 4; Stein/Jonas/Leipold aaO Rdn. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO 18. Aufl. § 319 Rdn. 4; Thomas/Putzo, ZPO 18. Aufl. § 319 Rdn. 3). Eine Gegenmeinung tritt dafür ein, auch Mängel der Willensbildung nach § 319 ZPO berichtigen zu lassen (OLG Dresden ZZP 62, 384, 385 m.abl.Anm. v. Köst; OLG Frankfurt NJW 1970, 436, 437; OLG Hamm MDR 1986, 594; LAG München MDR 1985, 170, 171; LG Stade NJW 1979, 168 f m.abl.Anm. v. Pruskowski 931 f; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 52. Aufl. § 319 Rdn. 8; Jonas in Anm. JW 1936, 103; Fischer in Anm. LM § 319 ZPO Nr. 3).

Diese Streitfrage braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn auch wenn man im Ansatz der überwiegenden Meinung folgt, führt das abweichende Verständnis des § 319 ZPO jedenfalls nicht schon von sich aus zur Unwirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses (ebenso im Ergebnis RG JW 1928, 709, 710). Gerichtliche Entscheidungen sind, wie sich im Umkehrschluß aus §§ 579, 580 ZPO ergibt, trotz Fehlerhaftigkeit nur in seltenen Ausnahmefällen unwirksam. Vorauszusetzen ist dafür ein besonders schwerer Mangel, der zudem aus Gründen der Rechtsklarheit regelmäßig offenkundig sein muß (MünchKomm-ZPO/Musielak aaO Vorbem. Rdn. 4 vor § 300; vgl. auch BGHSt 29, 216, 219 und 351, 353; BVerfGE 29, 45, 49 und BVerfG NJW 1985, 125; für gerichtliche Vollstreckungsakte ferner BGHZ 121, 98, 102 f).

Folgt ein Gericht im Ergebnis der Meinung, daß auch eine fehlerhafte Willensbildung nach § 319 ZPO berichtigt werden darf, so liegt darin jedenfalls kein besonders schwerer Mangel, der bewirken könnte, daß das Wesen der Berichtigung gemäß § 319 ZPO schlechthin verfehlt würde, daß es also der Sache nach nicht mehr um einen Berichtigungsbeschluß ginge. Die bezeichnete Rechtsansicht führt insbesondere nicht dazu, daß dem Grunde nach in neuer Weise andere Rechtsprinzipien zurücktreten müßten. Vielmehr schränkt jede Berichtigung – auch die gemäß § 319 ZPO nach einhelliger Auffassung zulässige – zwangsläufig die Bindungswirkung nach § 318 ZPO ein. Es geht allein um die Grenzlinie zwischen der Unabänderlichkeit von Entscheidungen einerseits sowie der Berichtigung offenbarer Fehler andererseits.

Erst recht ist es durchweg nicht „offenkundig”, wenn Fehler in der gerichtlichen Willensbildung – statt nur von Ausdrucksmängeln – berichtigt werden. Auch diejenigen, die eine engere Anwendung des § 319 ZPO befürworten, räumen ein, daß die Unterscheidung im einzelnen schwierig sein kann (Stein/Jonas/Leipold, Zöller/Vollkommer und Pruskowki aaO; vgl. auch RGZ 90, 228, 232). Dann ist sie kein geeignetes Kriterium für die Abgrenzung zwischen uneingeschränkter Gültigkeit einerseits und völliger Rechtsunwirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses andererseits.

Ferner sprechen praktische Erwägungen entscheidend gegen die Unwirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses allein aus dem aufgezeigten Grunde. Die Betroffenen haben regelmäßig die Möglichkeit, die in § 319 Abs. 3 ZPO vorgesehene sofortige Beschwerde einzulegen. Finden sie sich aber, wie hier, sämtlich mit der Berichtigung ab, so besteht kein Anlaß, diese dennoch ohne weiteres für unwirksam zu halten. Die gegenteilige Auffassung würde den Rechtsfrieden über den Ablauf der Beschwerdefrist hinaus auf unabsehbare Zeit durch die Ungewißheit darüber gefährden, was letztlich verbindlich angeordnet ist. Dies könnte wiederum die Parteien zu neuen Klagen – etwa gemäß § 826 BGB oder § 256 ZPO – oder zu materiell-rechtlichen Verzichtsvereinbarungen zwingen. Die Möglichkeit der bestandskräftigen Berichtigung ist in den Fällen besonders bedeutsam, in denen die Ausgangsentscheidung gerade wegen ihrer Fehlerhaftigkeit – etwa im vorliegenden Falle aufgrund eines verfahrensmäßigen Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG – mit der Verfassungsbeschwerde (§ 90 BVerfGG) oder einem außerordentlichen Rechtsbehelf wegen sogenannter greifbarer Gesetzwidrigkeit (vgl. BGHZ 119, 372, 374; BGH, Beschl. v. 4. März 1993 – V ZB 5/93, NJW 1993, 1865; v. 16. September 1993 – IX ZB 45/93, WM 1994, 182, 183) angefochten werden könnte. Sehen alle Beteiligten das ein und nehmen sie deshalb die Berichtigung gemäß § 319 ZPO schon in der Ausgangsinstanz hin, so erübrigt sich der Rechtsbehelf. Es besteht regelmäßig kein Anlaß, eine solche Streiterledigung mit dem Risiko der Unwirksamkeit zu erschweren, nur weil ein Fehler in der gerichtlichen Willensbildung berichtigt werden muß.

Ob die Rechtslage anders wäre, wenn das Teilurteil des Landgerichts vom 17. Dezember 1992 im Zeitpunkt der Berichtigung bereits rechtskräftig gewesen wäre (vgl. dazu Pruskowski aaO S. 932), braucht hier nicht entschieden zu werden.

bb) Das Landgericht hat nicht die Voraussetzung der Offenbarkeit des zu berichtigenden Fehlers verkannt. Eine Unrichtigkeit ist nach insoweit einhelliger Auffassung jedenfalls dann im Sinne des § 319 ZPO „offenbar”, wenn sie sich bereits unmittelbar aus der Entscheidung selbst feststellen läßt, also nicht gerichtsintern bleibt (MünchKomm-ZPO/Musielak aaO Rdn. 7; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, aaO § 319 Rdn. 11; Zimmermann, ZPO 3. Aufl. § 319 Rdn. 5, jeweils m.w.N.). Davon ist hier auszugehen, soweit man eine rechtsirrtümliche Willensbildung überhaupt als „Unrichtigkeit” im Sinne des § 319 ZPO noch hinnimmt. Denn das Landgericht hatte in den Entscheidungsgründen des Teilurteils dazu ausgeführt:

„Aufgrund der Eröffnung des Konkursverfahrens ist … kraft Gesetzes ein Parteiwechsel eingetreten, was beim Rubrum dieses Urteils … entsprechend zu berücksichtigen ist.”

Daraus ergab sich auch für die Verfahrensbeteiligten ohne weiteres, daß das Landgericht die Bedeutung der Konkurseröffnung verkannt hatte, ohne sich darüber nähere Gedanken gemacht zu haben, sowie daß es nicht die Frage entscheiden wollte, ob der zuerkannte Anspruch eine Konkurs- oder eine Masseforderung begründete. Nicht erforderlich ist, daß die Unrichtigkeit auf den ersten Blick erkennbar ist, sondern es genügt, wenn sie – erst – aufgrund sorgfältiger Prüfung und rechtskundiger Beratung für Dritte evident wird (MünchKomm-ZPO/Musielak aaO m.w.N.; vgl. auch BGHZ 78, 22 f).

cc) Teilweise wird angenommen, ein Berichtigungsbeschluß sei wirkungslos, wenn er eine neue Partei in das Prozeßrechtsverhältnis einführe (LG Koblenz RPfleger 1972, 458 m.zust.Anm. von Petermann; Vollkommer MDR 1992, 642 – dagegen OLG Koblenz WRP 1980, 576, 577). Das traf vorliegend jedoch ebenfalls nicht zu. Die Identität des Vermögensträgers auf Beklagtenseite blieb gewahrt. Zwar handelt der Konkursverwalter als Partei kraft Amtes, nicht als Stellvertreter des Gemeinschuldners. Die Änderung trat dennoch allein hinsichtlich der für dessen Vermögen handlungsbefugten Person ein. Der dies aussprechende Beschluß konnte sich somit noch auf das durch die ursprüngliche Klage begründete Prozeßrechtsverhältnis stützen.

2. Die bindende Berichtigung nach § 319 ZPO wirkt auf den Zeitpunkt des Erlasses der berichtigten Entscheidung zurück. Diese ist grundsätzlich so zu behandeln, als habe sie von vornherein in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses bestanden (RGZ 29, 403, 406 f; RG JW 1898, S. 661 Nr. 15; BGHZ 89, 184, 186; BGH, Beschl. v. 25. Januar 1989 – VIII ZB 37/88, VersR 1989, 530; v. 9. Dezember 1992 – XII ZB 114/92, aaO). Dies kann dazu führen, daß ein zunächst vermeintlich wirksam eingelegtes Rechtsmittel (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 9. November 1977 – VIII ZB 34/77, MDR 1978, 307) sich später als unzulässig erweist (RGZ 110, 427, 429; BayObLGZ 1968, 190, 194 f; Stein/Jonas/Leipold aaO Rdn. 13; MünchKomm-ZPO/Musielak aaO Rdn. 15).

Danach ist der Rechtsmittelführer im vorliegenden Falle nicht durch das Teilurteil des Landgerichts vom 17. Dezember 1992 – in seiner berichtigten Fassung – Prozeßpartei geworden. Ob durch den Berichtigungsbeschluß für die ursprünglichen Prozeßparteien neue Rechtsmittelfristen in Lauf gesetzt worden wären, ist hier unerheblich.

3. Der Rechtsmittelführer hat nach dem Berichtigungsbeschluß vor dem Oberlandesgericht beantragt, „die Hauptsache” für erledigt zu erklären. Diese Erklärung ist einseitig geblieben, weil sich der Kläger am Berufungsverfahren nicht beteiligt hat. Sie ändert an der Unzulässigkeit des Rechtsmittels nichts.

Teilweise wird zwar die Ansicht vertreten, § 91 a ZPO sei entsprechend anzuwenden, wenn einer zunächst begründet erscheinenden Berufung durch Berichtigung des erstinstanzlichen Urteils die Grundlage entzogen werde (LG Bochum ZZP 97, 215 f m.zust.Anm. v. Waldner; Stein/Jonas/Leipold aaO Rdn. 13). Dem kann der Senat jedenfalls für die hier zu beurteilende Fallgestaltung, daß – wenngleich für eine identische Vermögensmasse – eine neue Partei das Rechtsmittel eingelegt hat und die ursprünglichen Parteien gegen sie den Prozeß nicht aufnehmen, nicht zustimmen. Auch wenn man die Erledigungserklärung bezüglich eines Rechtsmittels grundsätzlich für zulässig erachtet (vgl. Stein/Jonas/Leipold aaO § 91 a Rdn. 52), ist die Parteistellung des Rechtsmittelführers infolge des Berichtigungsbeschlusses rückwirkend entfallen. § 91 a ZPO kann nicht einmal entsprechend zugunsten einer Person angewendet werden, die letztlich nie als Partei gegolten hat. Eine solche Parteistellung ist hier auch nicht etwa dadurch begründet worden, daß die ursprünglichen Beteiligten den Prozeß gegen den Revisionsführer aufgenommen hätten. Sie haben vielmehr an den Rechtsmittelverfahren nicht mitgewirkt.

Die gegenteilige Auffassung würde zudem – wie gerade der vorliegende Fall verdeutlicht – zu einem unbilligen Ergebnis für den Prozeßgegner führen. Der Kläger hat hier die fehlerhafte Fassung des Teilurteils vom 17. Dezember 1992 nicht veranlaßt. Er hat im Gegenteil dessen Berichtigung schon mit Schriftsatz vom 30. Dezember 1992 zugestimmt. Die Kosten beider Rechtsmittelverfahren hat er so niedrig wie möglich gehalten, indem er sich daran nicht beteiligt hat. Demgegenüber war für den Rechtsmittelführer nur die sechsmonatige Rechtsmittelfrist nach § 516 2. Halbs. Fall 2 ZPO in Gang gesetzt worden, weil ihm das Teilurteil nicht wirksam zugestellt worden war. Auch wenn wegen der sofortigen Berufungseinlegung möglicherweise kein Schuldvorwurf gegen den Rechtsmittelführer erhoben werden kann, so erscheint es jedenfalls nicht gerechtfertigt, die ihm durch den Fehler des Gerichts bedauerlicherweise entstandenen Kosten auch nur teilweise auf den Kläger abzuwälzen.

4. Der Senat hat gemäß § 8 GKG angeordnet, daß für beide Rechtsmittelverfahren Gerichtskosten nicht zu erheben sind. Die Kosten der Revision sind durch die fehlerhafte Begründung des Berufungsurteils (oben II) mitverursacht worden.

 

Unterschriften

Brandes, Schmitz, Kreft, Kirchhof, Fischer

 

Fundstellen

Haufe-Index 839032

BGHZ

BGHZ, 74

NJW 1994, 2832

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1994, 1388

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