Leitsatz (amtlich)

Den Mieter trifft auch nach Beendigung des Mietvertrages bis zur Rückgabe der Mietsache eine vertragliche Obhutspflicht.

Verlangt der Eigentümer eines Hausgrundstücks Schadenersatz, weil das Haus beschädigt und zeitweise unbenutzbar geworden sei, so braucht er nicht im einzelnen darzulegen, daß er in der Zeit der Unbenutzbarkeit das Haus selbst bewohnt oder gegen Entgelt anderen zur Benutzung überlassen hätte.

 

Normenkette

BGB §§ 556, 249

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Urteil vom 07.10.1964)

LG Weiden i.d.OPf.

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 7. Oktober 1964 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin vermietete durch schriftlichen Vertrag vom 6./11. November 1957 das in ihrem Eigentum stehende Villenanwesen in W./Oberpfalz, P. straße … an die Beklagte, die es vereinbarungsgemäß den amerikanischen Streitkräften, für die es früher in Anspruch genommen war, zur Nutzung überließ. In Nr. 10 Abs. 2 des Vertrages war bestimmt:

„Kann die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses ganz oder zum Teil nicht alsbald genutzt werden, weil während der Zeit der Inanspruchnahme und/oder während der Vertragszeit am Grundstück entstandene Schäden behoben werden müssen, so wird der Vermieterin bis zur Beseitigung dieser Schäden, längstens jedoch für die Dauer von 6 Monaten von dem auf die Beendigung des Mietverhältnisses folgenden Tage ab, die Mieter weitergezahlt.”

Die Klägerin kündigte den Vertrag zum 31. Januar 1960. Die amerikanischen Streitkräfte räumten das Anwesen am 18. August 1961. Sich anschließende Auseinandersetzungen der Parteien über die an dem Grundstück erforderlichen Instandsetzungen führten zu keinem Ergebnis. Die Beklagte, die bis 31. März 1962 eine monatliche Entschädigung von 985,50 DM geleistet hatte, stellte am 1. April 1962 ihre Zahlungen ein. Die ihr im April 1962 übersandten Hausschlüssel schickte die Klägerin wieder zurück.

Sie hat neben anderen Ansprüchen, die nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens sind, für die Zeit vom 1. April 1962 bis 31. März 1963 Zahlung von monatlich 985,50 DM, insgesamt also 11.826 DM nebst Zinsen verlangt und vorgetragen, die Beklagte sei nicht nur bis 31. März 1963 außerstande gewesen, das Anwesen in ordnungsgemäßem Zustand zurückzugeben, vielmehr sei im Dezember 1961 aus Verschulden eines ihrer Bediensteten, des Regierungsinspektors Sch., ein weiterer erheblicher Schaden durch Einfrieren der Zentralheizung entstanden. Bis 31. März 1963 sei das Haus unbenutzbar gewesen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, nach der Räumung das Grundstück sofort zurückzunehmen und die entstandenen Schäden selbst, wenn auch auf Kosten der Beklagten, zu beseitigen. Die Schäden an der Heizung wären, wenn die Klägerin sich nicht geweigert hätte, den Besitz am Grundstück zu übernehmen, nicht eingetreten. Hilfsweise werde mit Gegenforderungen in einer Gesamthöhe von 16.119,77 DM aufgerechnet.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Ob das erstinstanzliche Urteil verfahrensrechtlich bedenklich ist, weil das Landgericht die von der Klägerin geltend gemachte Anspruchsgrundlage der unerlaubten Handlung nicht gewürdigt und deshalb, wie die Revision meint, in Wahrheit kein Teilurteil, sondern ein unzulässiges Zwischenurteil erlassen hat, bedarf keiner Erörterung. Das Berufungsgericht hat auf entsprechende Rüge der Klägerin sich in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich mit einem Anspruch aus unerlaubter Handlung auseinandergesetzt und damit die vermeintlich fehlende Begründung des Urteils des Landgerichts in zulässiger Weise (§§ 539, 540 ZPO) nachgeholt. Daß der vom Berufungsgericht bestätigte Urteilsausspruch auf Abweisung des Begehrens einer Nutzungsentschädigung die in zweiter Instanz erfolgte Abweisung eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung nicht decke, kann der Revision schon deshalb nicht zugegeben werden, weil die Urteilsformel nicht allein aus sich heraus, sondern im Zusammenhang mit den Entscheidungsgründen auszulegen ist.

II.

1. Der Zahlungsanspruch kann nicht auf § 557 BGB gestützt werden. Die Beklagte hat der Klägerin den Besitz an dem Anwesen nicht vorenthalten. Die Klägerin hat im April 1962 die Annahme der Hausschlüssel verweigert und sich im übrigen bis zuletzt auf den Standpunkt gestellt, sie sei vor Instandsetzung der Schäden am Haus nicht verpflichtet, das Grundstück zurückzunehmen.

2. Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung scheidet gleichfalls aus. Die Beklagte hat den Besitz an dem Grundstuck im April 1962 aufgegeben. Ihr sind danach keine Vorteile mehr zugeflossen, durch die sie ungerechtfertigt bereichert sein konnte.

3. Ansprüche nach den §§ 990 ff BOB scheitern bereits daran, daß die Beklagte in der streitigen Zeit nicht mehr Besitzerin des Grundstücks war.

4. Nach Nr. 10 Abs. 2 des Mietvertrages hat die Beklagte bei Unbenutzbarkeit des Anwesens den Mietzins bis längstens sechs Monate nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weiter zu zahlen. Tatsächlich hat sie längere Zeit als sechs Monate nach dem Auszug der amerikanischen Streitkräfte monatlich 985,50 DM geleistet. Auf Nr. 10 Abs. 2 des Mietvertrages kann die Klage demnach ebenfalls nicht gestützt werden.

5. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, nach Nr. 10 Abs. 2 des Mietvertrages sei es Sache der Klägerin gewesen, die an dem Grundstück entstandenen Schäden selbst zu beseitigen. Die Kosten der Instandsetzung habe allerdings die Beklagte zu tragen. Diese Regelung sei auch nicht nachträglich zugunsten der Klägerin geändert worden. Soweit Bedienstete der Beklagten eine andere Auffassung vertreten hätten, handele es sich um eine unzutreffende Rechtsmeinung, durch die der Inhalt des Vertrages nicht geändert worden sei.

Diese Feststellungen lassen keinen Rechtsirrtum erkennen. Sie werden von der Revision auch nicht angegriffen. Diese wendet sich aber gegen die vom Berufungsgericht gezogene rechtliche Schlußfolgerung, die Klägerin könne deshalb aus der Verzögerung der Beseitigung der während der Mietzeit entstandenen Schäden keine Rechte herleiten. Sie meint, die Beklagte müsse sich nach § 242 BGB entgegenhalten lassen, daß ihre Organe, nämlich Bedienstete der Bundesvermögensstelle Amberg wiederholt erklärt hätten, die Beklagte werde das Grundstück erst nach völliger Instandsetzung zurückgeben.

Ob diese Auffassung zutrifft und ob sich mit ihr eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Nutzungsentschädigung begründen läßt, bedarf keiner Entscheidung. Denn das angefochtene Urteil muß schon aus einem anderen Grunde aufgehoben werden.

6. a) Unstreitig hätten die von den amerikanischen Streitkräften verursachten Schäden in bedeutend kürzerer Zeit als sechs Monate behoben werden können. Anders verhält es sich mit dem Schaden, der durch das Einfrieren der Zentralheizung entstanden ist und der nicht nur die Heizanlage selbst betraf, sondern dessen Beseitigung auch umfangreiche und zeitraubende Eingriffe in das Gebäude erforderlich machte. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die von der Klägerin behauptete Unbenutzbarkeit des Anwesens zwar nicht vor, aber jedenfalls spätestens nach der Beseitigung der durch das Einfrieren der Zentralheizung entstandenen Schäden aufgehoben war. Hat die Beklagte dafür einzustehen, daß das Haus wegen des Schadens an der Zentralheizung in der Zeit vom 1. April 1962 bis 31. März 1963 nicht benutzt werden konnte, so kommt es deshalb nicht mehr darauf an, ob auch die Verzögerung der Beseitigung der von den amerikanischen Streitkräften verursachten Schäden als Haftungsgrund in Betracht kommt.

b) Die Heizungsanlage wurde – unstreitig durch Verschulden eines Bediensteten der Bundesvermögensstelle Amberg, des Regierungsinspektors Schwinger – im Dezember 1961 schadhaft, also zu einer Zeit, als der Mietvertrag beendet war.

Da die Beklagte das Grundstück noch in Besitz hatte, oblag ihr aber als Auswirkung des beendeten Mietverhältnisses bis zur Rückgabe einer Obhutspflicht. Für deren Verletzung durch Schwinger hat sie nach § 278 BGB einzustehen.

Bei Eintritt des Schadens befand sich die Klägerin nicht in Annahmeverzug; denn unbeschadet der Tatsache, daß sie an sich nach Beendigung des Mietvertrages verpflichtet war, das Grundstück zurückzunehmen, hat die Bundesvermögensstelle Amberg im Dezember 1961 noch den Standpunkt vertreten, die Beklagte werde das Haus erst nach seiner Instandsetzung zurückgeben. Sie hat es der Klägerin also nicht zur Rücknahme angeboten. Eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit ist daher nicht eingetreten (§§ 294, 300 Abs. 1 BGB).

c) Die durch das Einfrieren der Zentralheizung entstandenen Schäden hatte nach allgemeinen Grundsätzen die Beklagte, nicht die Klägerin zu beseitigen (§ 249 Satz 1 BGB). Nr. 10 Abs. 2 des Mietvertrages gilt insoweit nicht. Diese Vertragsbestimmung bezieht sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut ausschließlich auf Schäden, die während der Vertragszeit entstanden sind. Eine Ausdehnung auf später entstandene Schäden ist nicht zulässig. Die Bestimmung enthält eine Beschränkung der Rechte der Klägerin, Sie gilt deshalb nur für die bei Vertragsschluß vorhersehbare Vertragsdauer 9 nicht aber für die sich daran anschließende, bei Eingehung des Vertrages noch nicht abzusehende Zeitspanne bis zur Rückgabe der Mietsache.

Ist Nr. 10 Abs. 2 des Vertrages aber hier nicht anwendbar, so geht auch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretene Auffassung der Beklagten fehl, die Klägerin könne im Hinblick auf diese Vertragsbestimmung allenfalls eine Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 1. April bis 30. September 1962, also nur für 6 Monate, verlangen.

d) Ob die Beklagte außer nach § 278 BGB auch aus unerlaubter Handlung (§§ 823, 831, 89, 31 BGB) haftet, bedarf keiner Entscheidung. Das angefochtene Urteil war jedenfalls wegen der aufgezeigten Rechtsfehler aufzuheben; denn es wird auch nicht von der weiteren Begründung des Berufungsgerichts getragen, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, daß sie das Anwesen, wenn es benutzbar gewesen wäre, entweder selbst bewohnt oder vermietet hätte.

Ein Hausgrundstück dient in aller Hegel der Nutzung durch den Eigentümer, sei es, daß er es selbst bewohnt, sei es, daß er gegen Entgelt die Nutzung Dritten überläßt. Deshalb kann aus denselben Erwägungen, aus denen der Bundesgerichtshof in der vorübergehenden Unmöglichkeit der Benutzung eines Kraftwagens bereits einen Vermögensschaden gesehen hat (BGHZ 40, 345, 348 – 351; 45, 212, 215 – 217), der Hauseigentümer von dem, der das Haus schuldhaft beschädigt hat, für die Zeit der Unbenutzbarkeit ohne weiteres Schadensersatz verlangen. So wenig der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, um einen Vermögensschaden darzulegen, zusätzlich und substantiiert vorzutragen hat, daß und wie er in der Zeit der Unbenutzbarkeit den Wagen auch wirklich benutzt hätte (BGH Urt. v. 30. September 1963 – III ZR 186/61 = LM BGB § 249 (A) Nr. 14 = NJW 1964, 717), so wenig brauchte die Klägerin zu beweisen, daß sie das Haus selbst bewohnt öder vermietet hätte. Auch hier gilt der Satz, daß bei Verletzung ausschließlicher Rechte, zu denen insbesondere das Eigentum gehört, eine Schadensberechnung auf hypothetischer Grundlage möglich ist, auch wenn sich beim Verletzten eine konkrete Vermögensminderung nicht feststellen läßt (BGH Urt. v. 11. Juli 1963 – III ZR 55/62 = BGH Warn-Rspr 1963, 166 = NJW 1963, 2020). Davon abgesehen durfte das Berufungsgericht aus der Tatsache, daß die Klägerin keinen bestimmten Mietinteressenten benannt hat, nicht schließen, daß sie nicht vermietet hätte, wenn das Anwesen bei Einstellung der Zahlung durch die Beklagte benutzbar gewesen wäre; denn bei der hier zu unterstellenden Unbenutzbarkeit des Hauses war von der Klägerin nicht zu erwarten, daß sie sich um Mietinteressenten bemühte.

7. In der erneuten Berufungsverhandlung wird zu prüfen sein, wie lange das Anwesen der Klägerin wegen der eingetretenen Schäden nicht benutzt werden konnte, ob eine etwaige Verzögerung der Instandsetzung, wie die Beklagte behauptet, von der Klägerin verschuldet worden ist (§ 254 BGB), und schließlich ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Beklagten aufrechnungsfähige Gegenansprüche zustehen.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits hängt von der Entscheidung in der Sache selbst ab. Sie war daher gleichfalls dem Berufungsgericht zu übertragen.

 

Unterschriften

Dr. Haidinger, Artl, Dr. Messner, Dr. Weber, Braxmaier

 

Fundstellen

Haufe-Index 950570

NJW 1967, 1803

Nachschlagewerk BGH

MDR 1967, 835

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge