Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 20. Januar 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger, Inhaber eines Kantinenbetriebs und Geschäftsführer einer Dienstleistungs-GmbH, verlangt von der Beklagten, einer Klinik, die Bezahlung von Lieferungen und Leistungen.

Anfang Januar 1997 übermittelte der Kläger der Beklagten eine Aufstellung über die gegenseitigen Forderungen und bat um Erklärung ihres Einverständnisses. Die Beklagte akzeptierte die Aufstellung nicht, sondern erhob eine Reihe von Einwendungen. Unter Berücksichtigung zwischenzeitlich geleisteter Zahlungen der Beklagten und Streichung einzelner Positionen fertigte der Kläger eine neue Aufstellung. Diese schloß mit Forderungen der Dienstleistungs-GmbH von 198.999,40 DM, der Kantinenbetriebe von 267.380,94 DM und Gegenansprüchen der Beklagten von 227.305,31 DM ab. Die neue Aufstellung enthält den mit dem Namenszug des Geschäftsführers der Beklagten versehenen Vermerk „Einverstanden”, der auf den 24. Januar 1997 datiert ist. Wie es dazu gekommen ist, ist streitig.

Der Kläger hat unter Beweisantritt behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe diesen Vermerk eigenhändig unterzeichnet. Im Laufe des Rechtsstreits hat er sich den Vortrag der Beklagten, der Vermerk trage den Abdruck des Faksimilestempels der Geschäftsführerunterschrift, hilfsweise zu eigen gemacht und behauptet, der Stempel sei stets nur vom Geschäftsführer selbst benutzt worden.

Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von 211.912,97 DM stattgegeben, das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Abweisungsantrag weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.

1. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Die mit dem Vermerk „Einverstanden” versehene Aufstellung sei ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, das sich auf die Forderungen der GmbH und der Kantinenbetriebe des Klägers beziehe, den Streit über die Höhe der wechselseitigen Forderungen beilege und alle bei Abgabe der Erklärung bekannten Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Natur ausschließe. An dieses Schuldanerkenntnis sei die Beklagte gebunden, sei es, daß – wie der Kläger behaupte – der Geschäftsführer der Beklagten den Vermerk eigenhändig unterschrieben oder den Faksimilestempel selbst angebracht habe, sei es, daß ein Dritter aus dem Betrieb der Beklagten den Stempel benutzt habe. Im letztgenannten Fall hafte die Beklagte aufgrund zurechenbaren Rechtsscheins einer Bevollmächtigung des tatsächlichen Stempelverwenders. Den Vortrag des Klägers, er sei von einer eigenhändigen Unterschrift des Geschäftsführers der Beklagten ausgegangen, die Existenz eines Faksimilestempels sei ihm nicht bekannt gewesen, habe die Beklagte nicht entkräftet.

2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts, die Einverständniserklärung unter der Forderungsaufstellung des Klägers sei als deklaratorisches Schuldanerkenntnis auszulegen. Die vom Kläger vorformulierte Einverständniserklärung hatte den für ein kausales Schuldanerkenntnis typischen Sinn (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 - VII ZR 120/98, WM 1999, 2119, 2120), die in der Aufstellung aufgeführten Forderungen dem Streit oder der Ungewißheit zu entziehen. Auch die Revision erhebt gegen die tatrichterliche Auslegung keine Einwendungen.

b) Das Berufungsgericht durfte indessen nicht dahinstehen lassen, ob der Geschäftsführer der Beklagten, wie der Kläger unter Beweisantritt behauptet, das Anerkenntnis eigenhändig unterzeichnet oder selbst unterstempelt hat – dann wäre das Anerkenntnis für die Beklagte verbindlich –, und unter Zugrundelegung des Vortrags der Beklagten annehmen, die Beklagte hafte jedenfalls nach den Grundsätzen über die Anscheinsvollmacht. Das ist rechtsirrig; das Vorbringen der Beklagten ist dem Klagevorbringen, zu dem das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, nicht gleichwertig, sondern erheblich.

Dabei kann offenbleiben, ob dadurch, daß vorliegend jedenfalls in zwei Fällen der Faksimilestempel von einem Dritten benutzt worden ist, bereits ein für die Anscheinsvollmacht ausreichender Rechtsschein erzeugt worden ist (vgl. dazu Staudinger/Schilken, BGB 13. Bearb. § 167 Rdn. 35). Für die Annahme einer solchen Rechtsscheinhaftung fehlt es nämlich daran, daß der Kläger auf einen Rechtsschein vertraut hat, und damit an der Ursächlichkeit des Rechtsscheins für die geschäftliche Entschließung des Klägers.

Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum kommt eine Haftung des Vertretenen aufgrund Anscheinsvollmacht nur in Betracht, wenn der Geschäftsgegner die den Rechtsschein einer Vollmacht begründenden und dem Vertretenen zurechenbaren Umstände im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses gekannt, auf den Rechtsschein vertraut hat und dieses Vertrauen für seine geschäftliche Entschließung ursächlich geworden ist (BGHZ 17, 13, 18; 22, 234, 238; 86, 273, 276; BGH, Urteile vom 4. April 1957 - VII ZR 283/56, WM 1957, 926, 927; vom 23. Juni 1960 - II ZR 172/59, WM 1960, 863, 866; vom 7. Oktober 1960 - VI ZR 101/59, WM 1960, 1326, 1329; vom 5. November 1962 - VII ZR 75/61, WM 1963, 58, 60; vom 5. März 1998 - III ZR 183/96, WM 1998, 819, 820; Staudinger/Schilken aaO § 167 Rdn. 43; MünchKomm/Schramm, 3. Aufl. § 167 BGB Rdn. 56 und 59; Palandt/ Heinrichs, BGB 59. Aufl. § 173 Rdn. 17).

Zu diesen Voraussetzungen hat das Berufungsgericht keinerlei Feststellungen getroffen. Auch das Vorbringen der Beklagten enthält dazu nichts. Selbst dem Vortrag des Klägers ist insoweit nichts zu entnehmen. Das Berufungsgericht befaßt sich nur mit der Veranlassung eines Rechtsscheins durch Benutzung des Faksimilestempels, mit der Zurechenbarkeit des Rechtsscheins und damit, daß der Kläger nicht bösgläubig gewesen sei. Es stellt dagegen nicht fest, ob der Kläger den vom Berufungsgericht angenommenen Rechtsschein einer Bevollmächtigung gekannt, darauf vertraut hat und daß dieses Vertrauen für eine auf das Schuldanerkenntnis bezogene geschäftliche Entschließung ursächlich geworden ist.

3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Zu der Frage, ob evtl. eine Haftung der Beklagten deshalb in Betracht kommt, weil diese in zurechenbarer Weise den Zugriff Unbefugter auf den Faksimilestempel und dessen Verwendung im vorliegenden Fall ermöglicht hat, fehlen ausreichende tatrichterliche Feststellungen. Der Kläger hat behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe den Stempel stets nur selbst benutzt.

4. Das Berufungsurteil war danach aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird insbesondere aufzuklären haben, ob der Geschäftsführer der Beklagten selbst unterschrieben oder unterstempelt hat, und die dazu vom Kläger angebotenen Beweise erheben müssen.

 

Unterschriften

Nobbe, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. van Gelder, Dr. Müller

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 14.03.2000 durch Weber, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Dokument-Index HI541429

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