Leitsatz (amtlich)

›Zur Rückforderung eines nach §§ 1360a Abs. 4, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB geleisteten Prozeßkostenvorschusses, für den die gesetzlichen Voraussetzungen von vornherein nicht vorlagen (Fortführung von BGHZ 56, 92).‹

 

Tatbestand

Die Ehe der Parteien wurde Ende 1984 geschieden. Im Scheidungsverfahren wurde dem Kläger auf Antrag der Beklagten durch Einstweilige Anordnung vom 9. Dezember 1983 die Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses von 3.055,20 DM aufgegeben. Die Beklagte, angestellte Friseurmeisterin, verdiente damals monatlich netto 1. 897 DM, unter Berücksichtigung eines dreizehnten Monatsgehalts im Jahresdurchschnitt 2. 055 DM. Das Einkommen des Klägers aus seiner Berufstätigkeit als Architekt und aus Erträgen eines Mehrfamilienhauses, das ihr nicht bekannt gewesen war, hatte sie in ihrem Antrag auf zumindest monatlich netto 5. 000 DM geschätzt. Der anwaltlich nicht vertretene Kläger, der zu dem Antrag nicht gehört worden war, zahlte den Vorschuß. Sein steuerpflichtiges Jahreseinkommen belief sich im Jahre 1981 auf 15. 551 DM, 1982 auf 16. 469 DM, 1983 auf 2. 340 DM, 1984 auf 8. 251 DM und im Jahre 1986 auf 12. 816 DM.

In einem Scheidungsfolgenvergleich vom 22. November 1984 vereinbarten die Parteien u.a. einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht "für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft".

Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung des Prozeßkostenvorschusses. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht, ohne dies in der Urteilsformel ausdrücklich zu sagen, die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert und hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 3. 055, 20 DM nebst 4% Verzugszinsen seit dem 29. März 1985 verurteilt. Hiergegen wendet sie sich mit der zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Ebenso wie der Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß nach §§ 1360a Abs. 4, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB, der unterhaltsrechtlicher Natur ist (BGHZ 56, 92, 94; Senatsurteil BGHZ 89, 33, 38 f), läßt sich auch der Anspruch auf Rückzahlung eines geleisteten Prozeßkostenvorschusses aus den Vorschriften des Unterhaltsrechts herleiten. Mangels einer speziellen gesetzlichen Regelung ist dabei der den §§ 1360 ff BGB zugrundeliegende Rechtsgedanke heranzuziehen, und zwar unter Berücksichtigung des Vorschußcharakters der Leistung (BGHZ 56, 96 f; Senatsurteil BGHZ 94, 316, 318). Hiernach kann der Vorschuß zurückgefordert werden, wenn die Voraussetzungen, unter denen er verlangt werden konnte, nicht mehr bestehen, insbesondere weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers wesentlich gebessert haben; ferner, wenn die Rückzahlung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht (BGHZ 56, 96, 97; Senatsurteil BGHZ 94 aaO.).

2. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hat sich das Einkommen der Beklagten nach Einleitung des Scheidungsverfahrens verbessert. Dies hat das Berufungsgericht aus ihrem eigenen Vortrag im Unterhaltsprozeß mit der Tochter der Parteien hergeleitet, wo sie in einem Schriftsatz vom 7. November 1987 ihr monatliches Nettoeinkommen mit 2.477 DM angegeben hat. Ob der Kläger von der Beklagten wegen dieser Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse Rückzahlung des Prozeßkostenvorschusses verlangen kann oder ob dem, wie die Revision geltend macht, ihre Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter entgegensteht, kann indessen auf sich beruhen. Denn die angefochtene Entscheidung wird jedenfalls durch die Beurteilung des Berufungsgerichts getragen, die Beklagte sei aus Gründen der Billigkeit zur Rückzahlung verpflichtet, weil sie den Prozeßkostenvorschuß aufgrund irrtümlicher Vorstellungen des die Einstweilige Anordnung erlassenden Gerichts von den Einkommensverhältnissen des Klägers erlangt habe. Ein zur Rückzahlung verpflichtender Billigkeitsgrund kann grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn sich nachträglich herausstellt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung des Vorschusses nach § 1360a Abs. 4 BGB nicht gegeben waren (ebenso Johannsen LM Nr. 6 zu § 1360a Abs. 4 BGB in der Anmerkung zum Urteil BGHZ 56, 92). Ob der Vorschuß in solchen Fällen auch nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangt werden kann, kann hier auf sich beruhen (allgemein für diese Anspruchsgrundlage: Olzen in JR 1990, 1, 8).

Das Berufungsgericht hat zutreffend festgestellt, daß nach den Einkommensverhältnissen der Parteien keine Grundlage für eine Prozeßkostenvorschußpflicht des Klägers bestand. Allerdings hat es nicht ermittelt, von welchem Einkommen des Klägers zur Zeit des Erlasses der Einstweiligen Anordnung genau auszugehen ist. Sein anhand der Steuerbescheide festgestelltes steuerpflichtiges Einkommen in den Jahren 1983 und später ist seinem unterhaltsrechtlich erheblichen Einkommen nicht ohne weiteres gleichzusetzen, weil das Steuerrecht Abschreibungen und Absetzungen erlaubt, denen keine entsprechenden Vermögenseinbußen oder Aufwendungen gegenüberstehen (Senatsurteile vom 16. Januar 1985 - IVb ZR 59/83 - FamRZ 1985, 357, 359; vom 15. Oktober 1986 - IVb ZR 79/85 - FamRZ 1987, 46, 48, jeweils m.w.N.). Das Berufungsgericht hat aber festgestellt, die Einkommenssituation des Klägers sei nicht nur im Jahre 1983, sondern auch in der folgenden Zeit "schlecht" gewesen, wie zwischen den Parteien unstreitig sei; sein Einkommen habe nicht einmal seinen notwendigen Eigenbedarf gedeckt. Schon diese Feststellung, die von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wird und daher den Senat bindet (§ 561 ZPO), rechtfertigt die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß es nicht der Billigkeit entsprach, dem Kläger die Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses aufzuerlegen (§§ 1360a Abs. 4, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB).

3. Daraus folgt allerdings nicht ohne weiteres, daß eine Rückzahlung des Vorschusses der Billigkeit entspricht. Vielmehr sind die weiteren Umstände in die Beurteilung einzubeziehen. Auch insofern hält die - freilich knapp begründete - Wertung im angefochtenen Urteil der rechtlichen Nachprüfung aber im Ergebnis stand.

a) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die Beklagte die Einstweilige Anordnung vom 9. Dezember 1983 durch Täuschung des Gerichts über die Einkommensverhältnisse erlangt hat. In Übereinstimmung mit der Begründung ihres damaligen Antrages vom 29. November 1983 ist es vielmehr davon ausgegangen, daß ihr das Einkommen des Klägers unbekannt war und sie die Abgabe, es belaufe sich auf monatlich mindestens 5. 000 DM netto, als Schätzung kenntlich gemacht hat. Sein Hinweis, dem Kläger habe im Herbst 1983 erst der Steuerbescheid für das Jahr 1981 vorgelegen, während ihm der Bescheid für 1982 erst im März oder April 1984 zugegangen sei und der Bescheid für 1983 vom 18. Oktober 1985 datiere, läßt darüber hinaus den Schluß zu, daß er selbst bei Erlaß der Einstweiligen Anordnung keine abschließende Vorstellung von der Höhe seines damaligen Einkommens gehabt hat. Wenn die Beklagte den ihr nicht zustehenden Prozeßkostenvorschuß, wie hiernach zugrunde zu legen ist, gutgläubig erlangt hat, ist ihre Rückzahlungspflicht indessen nicht ausgeschlossen. Die Rückzahlung eines durch Täuschung oder sonstige Arglist erlangten Prozeßkostenvorschusses mag in besonderem Maße ein Gebot der Billigkeit sein. Soweit die Revision aber die Ansicht vertreten wollte, in anderen Fällen komme eine solche Verpflichtung nicht in Betracht, könnte ihr nicht gefolgt werden.

b) Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner Billigkeitsprüfung zutreffend darauf hingewiesen, daß die Beklagte bei Erlaß der Einstweiligen Anordnung über ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als 2. 000 DM verfügt hat, das sich später noch verbessert hat. Diese Einkommensverhältnisse stehen der Beurteilung, daß sie den Prozeßkostenvorschuß billigerweise zurückzuzahlen hat, unter den hier gegebenen Umständen jedenfalls nicht entgegen. Zwar weist die Revision zutreffend darauf hin, daß die Beklagte nach dem Scheidungsfolgenvergleich vom 22. November 1984 an die im Juli 1966 geborene Tochter der Parteien ab 1. Dezember 1984 monatlich 315 DM Kindesunterhalt sowie Rückstände von 3. 000 DM für die Zeit ab November 1983 zu zahlen hat. Auch wenn die Unterhaltspflicht gegenüber der Tochter - was nicht festgestellt ist - noch fortbesteht, ist die Beklagte aber ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts in der Lage, von ihrem Einkommen die begehrte Rückzahlung zu leisten. Jedenfalls im Hinblick auf die deutlich schlechteren finanziellen Verhältnisse des Klägers konnte das Berufungsgericht daher ohne Rechtsverstoß zu der Beurteilung gelangen, daß die Rückzahlung des zu Unrecht erlangten Prozeßkostenvorschusses auch unter Berücksichtigung ihres Einkommens der Billigkeit entspricht.

Es ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht nicht ausdrücklich erwogen hat, der Beklagten die Rückzahlung nur eines Teiles des - ohnehin nicht sehr hohen - Betrages aufzuerlegen. Daß die Frage der Billigkeit anders zu beurteilen sei, weil der Kläger Eigentümer des Mehrfamilienhauses ist, hat die Beklagte in den Vorinstanzen selbst nicht geltend gemacht; auch die Revision stützt sich hierauf nicht.

c) Die Revision beruft sich darauf, daß der Beklagte auf die Einstweilige Anordnung den Prozeßkostenvorschuß widerspruchslos gezahlt habe, obwohl ihm habe klar sein müssen, daß die Beklagte ein höheres Einkommen als er erziele und daher keinen Anspruch habe. Auch als juristischem Laien und ohne anwaltlichen Beistand habe ihm bewußt sein müssen, daß die Einstweilige Anordnung auf einem Irrtum des Familiengerichts über seine Einkommensverhältnisse beruhe.

Auch dieser Gesichtspunkt stellt die angefochtene Entscheidung nicht in Frage.

Die Vorschrift des § 814 BGB, die die Revision ihrem Rechtsgedanken nach heranziehen möchte, greift nicht ein, da es sich nicht um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch handelt (s. oben zu 1. und 2.). Dasselbe gilt nach herrschender Meinung für die von der Revision hier genannte Vorschrift des § 1360b BGB, wonach ein Ehegatte, der zum Familienunterhalt einen höheren Beitrag leistet, als ihm obliegt, im Zweifel nicht beabsichtigt, von dem anderen Ehegatten Ersatz zu verlangen (OLG Stuttgart FamRZ 1981, 36; MünchKomm/Wacke BGB 2. Aufl. § 1360a Rdn. 31; Göppinger, Unterhaltsrecht 5. Aufl. Rdn. 567; ähnlich Soergel/H.Lange BGB 12. Aufl.: Vermutung bei Prozessen zwischen Ehegatten i.d.R. widerlegt). Eine andere Beurteilung wäre auch nicht mit dem rechtlichen Ausgangspunkt zu vereinbaren, daß der Vorschuß zurückgefordert werden kann, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers wesentlich bessern oder es sonst der Billigkeit entspricht.

Wird die Rückforderung - wie hier - damit begründet, daß von vornherein kein Anspruch auf Vorschuß bestanden habe, kann es die Billigkeitserwägungen allerdings beeinflussen, wenn der Vorschuß im Bewußtsein geleistet worden ist, daß dazu - zweifelsfrei oder auch nur möglicherweise - keine Verpflichtung bestand. Denn die Leistung kann beim Empfänger u.U. ein schutzwürdiges Vertrauen begründen, sie später nicht erstatten zu müssen. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor.

Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen schon nicht die Annahme, daß der Kläger bei der Leistung des Vorschusses gewußt hat, dazu nicht verpflichtet zu sein, oder zumindest damit gerechnet hat. Vielmehr liegt es nahe, daß er lediglich der von ihm für verbindlich und unabänderlich gehaltenen Einstweiligen Anordnung nachgekommen ist. Vor allem ist aber nicht ersichtlich, daß die Leistung bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen begründet hat, sie auf Dauer behalten zu dürfen. Insbesondere kann sie sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, sie hätte Prozeßkostenhilfe in Anspruch genommen, wenn sie von dem Kläger keinen Prozeßkostenvorschuß hätte erlangen können (vgl. BGHZ 56, 92, 96). Denn bei ihrem damaligen Einkommen hätte ihr auch unter Berücksichtigung ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind der Parteien Prozeßkostenhilfe nur gegen Raten von monatlich 210 DM oder sogar 240 DM bewilligt werden dürfen (§ 114 Satz 2 ZPO und die dort in Bezug genommene Tabelle). Sie hätte ihre Prozeßkosten daher (auch) in diesem Falle im Ergebnis selbst tragen müssen.

d) Auf eine Entreicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB beruft die Revision sich schon deshalb zu Unrecht, weil diese Vorschrift hier nicht eingreift (ebenso Göppinger aaO. Rdn. 565). Außerdem ist die Beklagte nicht entreichert, weil sie mit dem Vorschuß Prozeßkosten bezahlt hat, die sie sonst aus ihrem Einkommen und Vermögen hätte bestreiten müssen.

e) Ohne Erfolg hält die Revision dem Rückzahlungsbegehren schließlich entgegen, daß die Klage erst im Juni 1985 eingereicht worden sei, nachdem der Kläger spätestens Anfang April 1984 Kenntnis davon erlangt habe, daß die Voraussetzungen eines Prozeßkostenvorschusses nicht vorlagen. Abgesehen davon, daß insoweit tatrichterliche Feststellungen fehlen, könnte der Einwand der Revision nur unter den Voraussetzungen einer Verwirkung Erfolg haben, die aber ersichtlich nicht vorliegen.

4. Der Unterhaltsverzicht der Parteien im Vergleich vom 22. November 1984 hat den Rückzahlungsanspruch des Klägers nach der bindenden, von der Revision nicht angegriffenen Auslegung des Berufungsgerichts unberührt gelassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993659

BGHZ 110, 247

BGHZ, 247

NJW 1990, 1476

BGHR BGB § 1360a Abs. 4 Satz 1 Rückforderung 1

BGHR BGB § 1361 Abs. 4 Satz 4 Prozeßkostenvorschuß 1

DRsp I(165)207c

FamRZ 1990, 491

JR 1991, 25

MDR 1990, 623

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