Leitsatz (amtlich)

Die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof zur Aufklärungspflicht des Vermittlers von Warentermin-Optionen entwickelt hat, finden auch auf Stillhalteroptionsgeschäfte Anwendung.

 

Normenkette

BGB § 276

 

Verfahrensgang

Saarländisches OLG (Urteil vom 06.12.1991)

LG Saarbrücken (Urteil vom 18.09.1990)

 

Tenor

I. Auf die Rechtsmittel Klägers werden – unter Zurückweisung weitergehenden Rechtsmittel –

  1. Urteil 4. Zivilsenats Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 6. Dezember 1991 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die die Beklagte zu 2) gerichtete Berufung Klägers zurückgewiesen wurde, sowie
  2. Urteil der 8. Zivilkammer Landgerichts Saarbrücken vom 18. September 1990 unter Abweisung der Klage im übrigen dahin abgeändert, daß die Beklagte zu 2) als Gesamtschuldnerin der Beklagten zu 1) zur Zahlung von 91.380,28 DM nebst 4 % Zinsen seit 19. Mai 1989 an den Kläger verurteilt wird.

II. Die Kosten Rechtsstreite werden wie folgt verteilt:

  1. Von Kosten der ersten Instanz tragen die Beklagten jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten sowie als Gesamtschuldner die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten Klägers.
  2. Von Kosten Berufungsverfahrens tragen die Beklagten jeweils ihre außergerichtlichen Kosten sowie als Gesamtschuldner 42,8 % Gerichtskosten und 73,3 % der außergerichtlichen Kosten Klägers; 57,2 % der Gerichtskosten und 26,7 % der außergerichtlichen Kosten Klägers trägt die Beklagte zu 2) allein.
  3. Die Kosten Revisionsverfahrens trägt die Beklagte zu 2).

III. Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte zu 2) auf Schadensersatz für Verluste Stillhalteroptionsgeschäften an amerikanischen Börsen in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger kam im März 1988 in Kontakt mit A.gesellschaft mbH in S., der früheren Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 2) war deren Geschäftsführerin, hatte aber keine persönlichen Kontakte mit dem Kläger. Dieser wurde vielmehr von anderen Mitarbeitern der Beklagten zu 1) beraten.

Am 22. März 1988 schlossen der Kläger und die Beklagte zu 1) einen „Verwaltungsvertrag”, in dem diese sich verpflichtete, gegen eine Verwaltungsgebühr von 5 % und eine Beteiligung von 20 % an jedem über 10 % hinausgehenden Jahresgewinn im eigenen Namen, aber für Rechnung Klägers u.a. Stillhalteroptionsgeschäfte auf verschiedenen Terminmärkten durchzuführen. Der Kläger zahlte im Laufe des Jahres 1988 insgesamt 106.340 DM bei Beklagten zu 1) ein. Dem stehen Rückflüsse an den Kläger in Höhe von insgesamt 8.702,57 US-Dollar gegenüber. Der Rest der eingezahlten Gelder ging durch Verluste aus Stillhalteroptionsgeschäften an amerikanischen Börsen verloren, die die Beklagte zu 1) für den Kläger vorgenommen hat.

Der Kläger behauptet, die Beklagte zu 1) habe ihn nicht über die Risiken der Börsenspekulationsgeschäfte aufgeklärt. Er macht geltend, dafür sei auch die Beklagte zu 2) verantwortlich, da sie als Geschäftsführerin die Arbeitsweise der Beklagten zu 1) gekannt und diese vorsätzlich veranlaßt habe, die Kunden nicht in der gebotenen Weise aufzuklären.

Der Kläger hat beantragt, beide Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 91.871,58 DM zu verurteilen. Das Landgericht hat die Beklagte zu 1) unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 71.491,16 DM an den Kläger verurteilt. In der Berufungsinstanz hat Kläger beantragt, beide Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 91.380,28 DM nebst 4 % Zinsen seit 10. Februar 1989 zu verurteilen. Das Berufungsgericht hat der die Beklagte zu 1) gerichteten Berufung stattgegeben und die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit Revision verfolgt Kläger hinsichtlich der Beklagten zu 2) seine zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Da die Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war, ist über die Revision antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 331, 557 ZPO; vgl. BGHZ 37, 79, 81). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (BGH a.a.O. S. 82).

Die Revision führt zur Aufhebung Berufungsurteils, soweit darin zum Nachteil Klägers erkannt worden ist, und – mit Ausnahme eines unerheblichen Teils der geltend gemachten Zinsforderung – zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten zu 2).

II.

Das Berufungsgericht hält Ansprüche Klägers gegen die Beklagte zu 2) nicht für gegeben. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:

Dem Landgericht sei darin beizutreten, daß vertragliche Ansprüche, Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluß oder Ansprüche ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Beklagte zu 2) nicht in Betracht kämen. Der Kläger könne die Beklagte zu 2) aber auch nicht nach § 826 BGB in Anspruch nehmen. Eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2) aus § 826 BGB könne nämlich auch dann nicht bejaht werden, wenn man der Ansicht Klägers folge, daß die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze über die Haftung Geschäftsführers einer GmbH, die Londoner Warenterminoptionen vermittelt, auf die Vermittlung von Stillhalteroptionsgeschäften an Börsen in den USA entsprechend anzuwenden seien. Dabei könne es dahinstehen, ob eine vom Mitarbeiter H. der Beklagten zu 1) verfaßte Aufklärungsbroschüre Kläger zugegangen sei und ob diese Broschüre eine hinreichende Belehrung über die hier interessierenden Börsenspekulationsgeschäfte enthalte. Der Kläger habe nämlich weder behauptet, daß die Beklagte zu 2) den Zugang der Broschüre an ihn bewußt vereitelt habe, noch habe er vorgetragen, daß sie den Inhalt der Broschüre und die darin etwa enthaltenen Aufklärungsmängel sowie die Verwendung der Broschüre gegenüber Kunden der Beklagten zu 1) gekannt habe. Angesichts der Behauptung Klägers, die Broschüre sei ihm unbekannt geblieben, sei auch nicht davon auszugehen, daß die etwaigen Mängel der Broschüre Entschluß Klägers zur Vornahme der Börsenspekulationsgeschäfte zumindest mitverursacht hätten. Aus den gleichen Gründen könne der Kläger die Beklagte zu 2) nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 89 BörsG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.

III.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2) nach § 826 BGB gegeben; es kann daher dahinstehen, ob solche Ansprüche auch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 89 BörsG gestützt werden könnten.

1. Auszugehen ist von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Anbieter oder Vermittler von Börsentermingeschäften ihre in die Einzelheiten der Geschäftsabwicklung nicht eingeweihten Kunden über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die Risiken derartiger Geschäfte sowie über Höhe und Bedeutung der börsenmäßigen Optionsprämien und etwaiger Aufschläge auf diese Prämien aufzuklären (vgl. 80, 80, 81 ff.; 105, 108, 110; BGH, Urteil vom 6. Juni 1991 – III ZR 116/90 = WM 1991, 1410, 1411; jeweils m.w.Nachw.). Die genannten Grundsätze sind zunächst für Londoner Warenterminoptionen entwickelt, dann aber auch auf Aktien- und Aktienindex-Optionen (Senatsurteil vom 27. November 1990 – XI ZR 115/89 = WM 1991, 127, 128) sowie unter entsprechender Anpassung auf Warentermindirektgeschäfte (Senatsurteil vom 17. März 1992 – XI ZR 204/91 = WM 1992, 770, 771) angewandt worden.

Verletzt eine GmbH diese Aufklärungspflichten, so kann nicht nur Schadensersatzansprüche des betroffenen Kunden gegen die GmbH zur Folge haben. Vielmehr kann auch der Geschäftsführer einer solchen Gesellschaft nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er veranlaßt oder bewußt nicht verhindert, daß die Gesellschaft die in die Einzelheiten der Geschäftsabwicklung nicht eingeweihten Kunden über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die Risiken des Geschäfts nicht aufklärt (BGHZ 105, 108, 109 f.). Das gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer mit dem betreffenden Kunden keinen unmittelbaren Kontakt hatte und lediglich versäumt hat, seine Mitarbeiter zur ordnungsgemäßen Aufklärung der Kunden anzuhalten (BGH a.a.O. S. 115).

2. Die genannten Rechtsgrundsätze sind auch auf die Anbieter und Vermittler von stillhalteroptionsgeschäften anzuwenden.

Stillhalteroptionsgeschäfte sind das Gegenstück zum Erwerb von Terminoptionen. Während der Erwerber einer Option gegen Zahlung einer Prämie (und ggf. von zusätzlichen Prämienaufschlägen) das Recht erhält, zu einem bestimmten Termin Lieferung oder Abnahme einer bestimmten Menge des Basiswerts (Waren, Wertpapiere oder Währungen) zu einem bestimmten Kurs zu verlangen, erhält der Stillhalter umgekehrt eine Prämie dafür, er eine Option ausgibt, d.h. sich verpflichtet, zu einem bestimmten Termin eine bestimmte Menge des Basiswerts zu einem bestimmten Kurs zu liefern oder abzunehmen. Beide Geschäfte entsprechen einander in ihrer Struktur, unterscheiden sich aber sehr wesentlich hinsichtlich des Verhältnisses von Chancen und Risiken. Während der Erwerber einer Option im ungünstigsten Fall die investierte Optionsprämie verliert und im günstigsten Fall ein Vielfaches davon als Gewinn erzielen kann, verbucht der Stillhalter im für ihn günstigsten Fall – wenn der Kurs des Basiswerts sich so entwickelt, daß der Optionsinhaber die Option ungenutzt verfallen läßt – die empfangene Prämie ungeschmälert als Gewinn, muß aber im ungünstigsten Fall mit Verlusten rechnen, die ein Vielfaches der Prämie ausmachen und im Falle einer Lieferverpflichtung theoretisch sogar unbegrenzt hoch sein können. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Stillhalterposition von einer Person übernommen wird, die nicht im Besitz entsprechender Mengen des jeweiligen Basiswerts ist. In solchen Fällen ist die Übernahme der Stillhalterposition ein hochriskantes Geschäft, dessen Gefahren noch weit über die des Optionserwerbs hinausgehen (vgl. Nach, Der Terminhandel in Recht und Praxis, 1986, Rdn. 74 ff., insbes. Rdn. 82; Häuser/Welter in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1990, § 16 Rdn. 410).

Der in die Einzelheiten der Geschäftsabwicklung nicht eingeweihte Kunde bedarf daher beim Stillhaltergeschäft einer gleich intensiven Aufklärung über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und über die Funktionsweise der jeweils in Betracht kommenden Terminmärkte wie beim Optionserwerbsgeschäft und muß auf die besonders großen Stillhalter-Risiken eher noch nachdrücklicher hingewiesen werden. Ähnlich wie beim Optionserwerbsgeschäft Prämienzuschläge, die der Kunde an einen gewerblichen Vermittler zahlen muß, das Verhältnis von Chancen und Risiken aus dem Gleichgewicht bringen und den. Kunden häufig im Ergebnis praktisch chancenlos machen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1991 – III ZR 116/90 = WM 1991, 1410, 1411 m.w.Nachw.), tritt dieser Effekt beim Stillhaltergeschäft dann ein, wenn der Stillhalter die erhaltenen Prämien mit dem gewerblichen Vermittler teilen muß. In solchen Fällen muß der Kunde über diesen Punkt besonders eingehend aufgeklärt werden.

3. Die Beklagte zu 1) war daher zur Aufklärung des Klägers über die Einzelheiten der angebotenen Stillhaltergeschäfte verpflichtet. Für die Einhaltung dieser Pflicht war die Beklagte zu 2) als Geschäftsführerin der Beklagten zu 1) verantwortlich.

Diese Aufklärungspflicht entfiel nicht etwa deshalb, weil der Kläger nicht aufklärungsbedürftig wäre. Die Beklagten sind zwar der Behauptung des Klägers, er sei in Börsentermingeschäften unerfahren gewesen, entgegengetreten und haben ihrerseits behauptet, er sei bereits vorinformiert gewesen. Die Beklagten haber jedoch keine detaillierten Kenntnisse des Klägers über das Optionsgeschäft im allgemeinen und über die besonderen Risiken der Stillhalterposition im besonderen dargelegt.

4. Die dem Kläger geschuldete Aufklärung hatte ihn über die Einzelheiten der Funktionsweise der Terminmärkte und der auf ihnen möglichen Optionsgeschäfte ins Bild zu setzen und dabei speziell die Position des Stillhalters sowie die mit ihr verbundenen besonders hohen Risiken zu erläutern. Diese Risiken waren für Kläger zwar ihrer Höhe nach dadurch begrenzt, daß nach § 1 Abs. 4 und § 4 Abs. 3 des Verwaltungsvertrags mit der Beklagten zu 1) für ihn keine Nachschußpflicht und keine über die geleistete Einlage hinausgehende Haftung bestand. Das änderte jedoch an der Qualität der mit dem Stillhaltergeschäft verbundenen Risiken nichts Entscheidendes. Die bei diesem Geschäft drohenden besonders hohen Verluste konnten den Kläger zwar nicht um sein gesamtes Vermögen bringen, ihn aber in kurzer Zeit die hohen Beträge kosten, die er bei der Beklagten zu 1) eingezahlt hatte.

Die Frage, ob die dem Kläger zustehenden Optionsprämien in einer Weise vermindert wurden, die ähnlich wie Prämienaufschläge beim Optionserwerbsgeschäft eine grundsätzliche Verschiebung des Chance-Risiko-Verhältnisses bewirkte und damit eine gesonderte Aufklärungspflicht auslöste, kann offen bleiben. Auf die vom Kläger nach § 5 Verwaltungsvertrags geschuldete einmalige Verwaltungsgebühr und Beteiligung der Beklagten zu 1) an etwa anfallenden Jahresgewinnen traf dies jedenfalls nicht zu. Die dem Kläger in Rechnung gestellten Broker-Provisionen von 120 $ pro „Roundturn” hätten nur dann eine aufklärungsbedürftige Verschiebung des Chance-Risiko-Verhältnisses bewirkt, wenn sie das Maß des an den betreffenden Terminmärkten Üblichen überschritten hätten. Zu der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob das der Fall war, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

5. Die Beklagte zu 1) ist ihrer Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger nicht nachgekommen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die vom Kläger bestrittene Behauptung der Beklagten zutrifft, der Mitarbeiter H. der Beklagten zu 1) habe den Kläger wiederholt fernmündlich und mündlich über alle Einzelheiten des Stillhaltergeschäfts aufgeklärt. Die hier erforderliche Aufklärung kann ebenso wie in den Fällen des Optionserwerbsgeschäfts (vgl. dazu BGHZ 105, 108, 110 f.) und Warentermindirektgeschäfts (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. März 1992 – XI ZR 204/91 = WM 1992, 770, 771) ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie schriftlich erteilt wird. Eine hinreichende schriftliche Aufklärung über die Einzelheiten des Stillhalteroptionsgeschäfts, seine Chancen und Risiken, hat die Beklagten zu 1) dem Kläger nicht gewährt.

a) Der Verwaltungsvertrag zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger gibt nicht die erforderliche umfassende Aufklärung. In seinen Text sind zwar einige pauschale Hinweise auf die spekulative Natur Geschäfts und die Möglichkeit eines Totalverlusts des eingesetzten Kapitals eingestreut. Der Vertrag enthält jedoch keine eingehenden Informationen, die zum Verständnis des Stillhaltergeschäfts und zu einer realistischen Risikobewertung beitragen könnten.

b) Auch die Broschüre „Termingeschäfte – Die hohe Schule der Spekulation” verschafft Leser nicht die notwendige detaillierte Information über die von der Beklagten zu 1) angebotenen Stillhaltergeschäfte. Diese Broschüre war vom Zeugen H. verfaßt worden, als er noch nicht Mitarbeiter Beklagten zu 1), sondern Inhaber eines eigenen Vermögensberatungsunternehmens war. Sie enthält neben kürzeren Ausführungen zum Wesen des Terminhandels und zum Termindirektgeschäft umfangreiche Darlegungen zum Optionsgeschäft, letztere aber ausschließlich aus der Sicht des Erwerbers von Optionen und mit Blick auf die damals vom Zeugen H. angebotenen Optionserwerbsgeschäfte. Auf die Eigenheiten des Stillhaltergeschäfts im allgemeinen und die mit ihm verbundenen speziellen Risiken sowie auf das Angebot der Beklagten zu 1) im besonderen geht die Broschüre nicht ein. Auf die zwischen den Partelen umstrittene Frage, ob der Kläger diese Broschüre überhaupt erhalten hat, kommt es daher nicht an.

6. Die unzureichende Unterrichtung über die Funktionsweise und Risiken des Stillhaltergeschäfts hatte zur Folge, daß der Kläger sich auf diese Geschäfte einließ und dadurch den geltend gemachten – der Höhe nach unstreitigen – Schaden erlitt. Davon ist auszugehen, weil die Beklagten die Behauptung des Klägers, er hätte bei ausreichender Information über den Charakter der Stillhalteroptionsgeschäfte die Verträge nicht abgeschlossen, nicht substantiiert bestritten haben und im übrigen eine Vermutung für ein „aufklärungsrichtiges” Verhalten spricht (st.Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 28. April 1992 – XI ZR 165/91 = WM 1992, 1310, 1311 m.w.Nachw.). Die Verneinung eines ursächlichen Zusammenhangs durch Berufungsgericht beruht darauf, daß es unter Verkennung des Vertrags des Klägers einseitig auf den Inhalt der Broschüre statt auf das Fehlen ausreichender Informationen abgestellt hat. Die Annahme Berufungsgerichts, daß der Kläger den Inhalt der Broschüre nicht zur Kenntnis genommen hat und durch ihn nicht getäuscht worden sein kann, schließt nicht aus, daß seine Geschäftsabschlüsse auf dem Fehlen ausreichender Informationen über Funktionsweise und Risiken des Stillhaltergeschäfts beruhen. Auf die Frage, ob die zur Aufklärung ohnehin ungeeignete Broschüre dem Kläger zugegangen ist und von ihm zur Kenntnis genommen wurde, kann es daher nicht ankommen.

7. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten zu 2) für die Versäumnisse der Beklagten zu 1) aus § 826 BGB verneint.

Die Tatsache, daß der Kläger alle Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB darzulegen und notfalls zu beweisen hat, ändert nichts daran, daß es Sache Beklagten zu 2) war, zunächst einmal im einzelnen vorzutragen, was sie unternommen hat, um eine gehörige Aufklärung der Kunden durch die Verkäufer sicherzustellen (BGHZ 105, 108, 115). Daran fehlt es. Die Beklagte zu 2) ist deshalb dem Vortrag des Klägers, sie habe die Arbeitsweise der Verkäufer gekannt und vorsätzlich veranlaßt, daß eine ausreichende Aufklärung unterblieb, nicht substantiiert entgegengetreten. Ob sie den Inhalt der unzureichenden Broschüre kannte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Entscheidend ist, daß sie eine Schulung und Überwachung der Verkäufer unterließ und so vorsätzlich veranlagte oder jedenfalls nicht verhinderte, daß Interessenten, die infolge ihrer mangelnden Erfahrung in dieser Art von Geschäften die ungewöhnlich hohen Risiken nicht zutreffend einschätzen konnten und deshalb auf eine umfassende Aufklärung angewiesen waren, die Stillhalterposition übernahmen. Ein solches Verhalten ist ein grob anstößiger Mißbrauch des eigenen Wissens- und Erfahrungsvorsprungs (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1988 – II ZR 134/87 = WM 1988, 291, 294).

IV.

Das Berufungsurteil konnte somit, soweit es angefochten ist, keinen Bestand haben. Lediglich für die Zeit vom 10. Februar 1989 bis zum 18. Mai 1989 mußte es bei der Abweisung der gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Zinsforderung verbleiben. Insoweit kann nämlich das Anwaltsschreiben vom 9. Februar 1989, in dem nur namens der Beklagten zu 1) die Erfüllung der Ansprüche des Klägers verweigert wurde, keinen Verzug begründet haben. Da der Kläger hinsichtlich der Beklagten zu 2) keine weiteren Umstände vorgetragen hat, sind Zinsen erst ab Rechtshängigkeit zuzusprechen (§ 284 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 253 Abs. 1 ZPO).

Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, war das landgerichtliche Urteil abzuändern und der die Beklagte zu 2) gerichteten Klage im wesentlichen stattzugeben.

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Halstenberg, Dr. Schramm, Dr. Siol, Dr. Bungeroth

 

Fundstellen

Haufe-Index 1553232

BB 1992, 2462

NJW 1993, 257

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1992, 1614

ZBB 1993, 33

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