Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorenthalten von Arbeitsentgelt

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 18. September 2000 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 36 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Seine auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte im Tatzeitraum Inhaber der Einzelfirma S. und Geschäftsführer der S. Wild- und Geflügelzerlege GmbH sowie der SU. Wild- und Geflügelzerlege GmbH. Über diese Firmen setzte er in den Jahren 1989 bis 1991 in großer Zahl „selbständige” Lohnschlachter in Zerlegebetrieben ein, davon einzelne auch als sogenannte Subunternehmer, welche nach den getroffenen Vereinbarungen eigene Beschäftigte entweder als selbständige Unternehmer beauftragen oder als Arbeitnehmer bzw. geringfügig Beschäftigte anstellen und für alle gesetzlichen Pflichten selber haften sollten. Die „Subunternehmer” meldeten zum Teil auch Arbeitnehmer bei den zuständigen Kassen an, in der Regel „auf wöchentlicher 15-Stunden-Basis” und einem Monatseinkommen von 650 DM, wobei die tatsächliche Arbeitsleistung jedoch wesentlich höher lag.

Tatsächlich waren sämtliche eingesetzten Zerleger nach den dem Angeklagten bekannten tatsächlichen Verhältnissen zu keiner Zeit selbständig, sondern Arbeitnehmer in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Unter Vorarbeitern in Kolonnen zusammengefaßt, hatten sie sich nach der Arbeitszeit des Zerlegebetriebes zu richten und waren den Weisungen ihres Vorarbeiters oder auch eines Angestellten des Zerlegebetriebes unterworfen. Als Vergütung war ein fester Stundenlohn vereinbart, wobei nur die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden entlohnt wurden.

Für die zwölf Monate von September 1990 bis August 1991 kam der Angeklagte der ihm als dem Verantwortlichen seiner drei Firmen obliegenden Verpflichtung nicht nach, spätestens bis zum 15. des auf die Entstehung des Lohnanspruchs folgenden Monats Arbeitnehmerbeiträge an die drei zuständigen Einzugsstellen AOK C., AOK O. und AOK V. abzuführen. Die vorenthaltenen Beiträge hat das Landgericht wie folgt ermittelt: Pro Monat wurde die Summe der S.-Ausgangsrechnungen an alle von ihm betreuten Zerlegebetriebe im Bundesgebiet im einzelnen erfaßt und die prozentuale Beteiligung eines jeden Zerlegebetriebes bestimmt. Die Löhne der „Selbständigen” (einschließlich der „Subunternehmer”) wurden monatlich zusammengefaßt, so daß sich eine Gesamtlohnsumme ergab. Diese Gesamtlohnsumme hat es monatlich mit der pro Zerlegebetrieb ermittelten monatlichen Prozentzahl multipliziert. Dadurch ergab sich für jeden Zweigbetrieb eine monatliche Lohnsumme. Die so ermittelten Lohnsummen pro Zerlegebetrieb hat es innerhalb eines AOK-Bezirks addiert. Nach dem jeweils gültigen AOK-Beitragssatz hat es den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ermittelt. Das ist nach der Wertung des Landgerichts die Summe der Arbeitnehmerbeiträge, welche der jeweils zuständigen Einzugsstelle zum Fälligkeitstermin vorenthalten wurden (vgl. UA S. 10). Um Fehlerquellen etwa im Hinblick auf die Beitragsbemessungsgrenzen auszugleichen, hat das Landgericht von den als vorenthalten angenommenen Beiträgen einen Sicherheitsabschlag von 20 % vorgenommen und die so gewonnenen Beträge zwischen 1.156 DM und 53.670 DM (UA S. 104 f.) in den abgeurteilten 36 Fällen seiner Strafzumessung zugrundegelegt.

2. Die getroffenen Feststellungen tragen die rechtliche Wertung des Landgerichts, daß der Angeklagte als Arbeitgeber in 36 Fällen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit der jeweils zuständigen Einzugsstelle vorenthalten hat.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen eine Arbeitgeberstellung des Angeklagten im Sinne von § 266 a Abs. 1 StGB. Die zwischen den Firmen des Angeklagten und den Zerlegebetrieben abgeschlossenen „Werkverträge” hatten jeweils die Überlassung von Arbeitnehmern zur Arbeitsleistung zum Gegenstand. Denn sämtliche vom Angeklagten in der beschriebenen Weise eingesetzten „Selbständigen” einschließlich der „Subunternehmer” waren nach den allein maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen – umfassende Weisungsgebundenheit, Entlohnung nach festen Stundensätzen, Einbindung in den Betriebsablauf des jeweiligen Zerlegebetriebes, kein eigenes unternehmerisches Risiko – Arbeitnehmer in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Trotz der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung gilt der Angeklagte als lohnzahlender Verleiher gemäß § 10 Abs. 3 AÜG, § 28 e Abs. 2 Sätze 3 und 4 SGB IV gegenüber der Einzugsstelle als Arbeitgeber und hat neben dem Entleiher für den auf das Arbeitsentgelt entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag einzutreten (vgl. Gribbohm in LK 11. Aufl. § 266 a Rdn. 16 m.w. Nachw.).

3. Auch die Bedenken gegen die vom Landgericht vorgenommene Berechnung der vorenthaltenen Arbeitnehmerbeiträge greifen im Ergebnis nicht durch.

Die Höhe der geschuldeten Beiträge bestimmt sich auf der Grundlage des nach § 14 SGB IV zu berechnenden Arbeitsentgelts nach den gesetzlich oder durch Satzung der jeweiligen Krankenkasse festgelegten Beitragssätzen (vgl. § 241 SGB V). Deshalb sind grundsätzlich bei der Feststellung der monatlich vorenthaltenen Beiträge für jeden Fälligkeitszeitpunkt gesondert die genaue Anzahl der Arbeitnehmer, ihre Beschäftigungszeiten und Löhne sowie die Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen AOK festzustellen (BGHR StGB § 266 a Sozialabgaben 3 und 4 m.w.Nachw.).

Das Landgericht hat jedoch mangels entsprechender Buchführung des Angeklagten keine Berechnung vorgenommen, sondern auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der für § 266 a StGB rechtlich erheblichen tatsächlichen Umstände die Höhe der jeweils vorenthaltenen Sozialbeiträge geschätzt. Eine solche Vorgehensweise ist unter den hier gegebenen Umständen zulässig (vgl. BGHSt 38, 186, 193). Dabei hat sich das Landgericht zwar nicht ausdrücklich damit auseinandergesetzt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Beitragsschuld des Angeklagten durch Zahlungen seiner „Subunternehmer” erfüllt wurde, obwohl nach den Feststellungen zumindest einzelne „Subunternehmer” – ihre Gesamtzahl wird im Urteil nicht mitgeteilt – entsprechend einer mit dem Angeklagten getroffenen Vereinbarung tatsächlich Arbeitnehmer bei den zuständigen Kassen angemeldet (UA S. 5) und – was nicht fernliegt – auch Beiträge für sie entrichtet hatten. Die Subunternehmer sind nicht als Arbeitgeber anzusehen; soweit sie für Arbeitnehmer des Angeklagten fristgerecht Beiträge an die zuständige Einzugsstelle abgeführt haben, können ihre Zahlungen dem Angeklagten jedoch zugute kommen mit der Folge, daß hinsichtlich der von den „Subunternehmern” gezahlten Beträge bereits der objektive Tatbestand des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in der Person des Angeklagten nicht erfüllt sein könnte. Dem wollte das Landgericht aber ersichtlich dadurch Rechnung tragen, daß es bei der tabellarischen Auflistung der ausgezahlten Nettolöhne „die den zuständigen AOKs – zumeist als geringfügig Beschäftigte – gemeldeten Arbeitnehmer und deren Löhne unberücksichtigt” gelassen hat (vgl. UA S. 11).

 

Unterschriften

Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, von Lienen, Schaal

 

Fundstellen

Haufe-Index 625169

NStZ 2001, 599

wistra 2001, 464

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