Leitsatz (amtlich)

›1. Der Bürge kann sich auf ein Fehlen der Geschäftsgrundlage nicht deswegen berufen, weil die Parteien des Bürgschaftsvertrages bei Vertragsschluß nicht damit gerechnet haben, daß im Insolvenzfall die Bürgschaft mit der Hauptforderung auf den Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung übergeht.

2. Hat der Versorgungsberechtigte ungeachtet der gesetzlichen Insolvenzsicherung seinen Versorgungsanspruch durch einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen absichern lassen, sind § 67 Abs. 2 VVG, § 116 Abs. 6 SGB X auf den Forderungsübergang nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG nicht entsprechend anwendbar.

 

Tatbestand

Der Kläger erbringt als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung Versorgungsleistungen an den Ehemann der Beklagten, dem aus seiner Tätigkeit für die inzwischen in Konkurs gefallene H. D. GmbH & Co. KG (im folgenden: KG) Ruhegehaltsansprüche zustehen. Die Beklagte hat für die Erfüllung der Ansprüche ihres Ehemannes aus der Ruhegehaltszusage der KG selbstschuldnerisch gebürgt.

Der Kläger nimmt die Beklagte gemäß den §§ 9 Abs. 2 BetrAVG, 412, 401 BGB aus übergegangenem Recht als Bürgin in Anspruch.

Der auf Zahlung von 122910, 50 DM sowie monatlich 4522, 90 DM ab 1. August 1991 gerichteten Klage hat das Landgericht im wesentlichen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dem Bürgschaftsvertrag fehle die Geschäftsgrundlage, weil die Beklagte und deren Ehemann bei Vertragsabschluß nicht mit der Möglichkeit des Übergangs von Rechten aus der Bürgschaft auf Dritte, insbesondere den Kläger, gerechnet hätten. Andernfalls hätten sie die Bürgschaft dahin beschränkt, daß die Beklagte für die Ruhegehaltsansprüche des Ehemannes nur insoweit eintrete, als deren Erfüllung nicht anderweitig gewährleistet sei. Die Vertragschließenden hätten keinerlei Anlaß gehabt, die Last der durch den Kläger als Träger der Insolvenzsicherung zu erfüllenden Ruhegehaltszusage wirtschaftlich auf die Beklagte abzuwälzen. Der Kläger könne daher gemäß § 242 BGB aus dem Bürgschaftsvertrag keine Rechte gegen die Beklagte herleiten.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Der Umstand, daß mit Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG die Ansprüche des Ehemannes der Beklagten aus der Ruhegehaltszusage mitsamt der Bürgschaft (§§ 412, 401 Abs. 1 BGB) auf den Kläger übergegangen sind (§ 9 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1, 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG), kann selbst dann nicht zur Anwendung der Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage führen, wenn den Vertragsparteien bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages diese Rechtsfolge unbekannt war und sie im Falle der Kenntnis den Vertrag nicht oder in anderer Form abgeschlossen hätten.

a) Eine Anpassung des Vertrages wegen fehlender oder weggefallener Geschäftsgrundlage gemäß § 242 BGB scheidet nach allgemeiner Ansicht aus, wenn die Umstände, aus denen das Fehlen oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage hergeleitet wird, in den Risikobereich dessen fallen, der die Anpassung des Vertrages an die veränderten Umstände verlangt (BGHZ 74, 370, 373; 101, 143, 152; BGH, Urt. v. 8. Februar 1984 - VIII ZR 254/82, NJW 1984, 1746, 1747; v. 27. Februar 1985 - VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693; v. 4. Juni 1987 - IX ZR 123/86, WM 1987, 1006, 1007; v. 14. Mai 1991 - X ZR 2/90, NJW-RR 1991, 1269).

Die Aufteilung der vertraglichen Risikosphären kann sich aus der vertragstypischen Regelung durch das dispositive Gesetzesrecht und dem darin zum Ausdruck kommenden Beurteilungsmaßstab ergeben. Sie kann aber auch aus den - einer Auslegung zu unterziehenden - ausdrücklichen oder stillschweigenden Absprachen der Parteien folgen (BGHZ 74, 370, 373). Im vorliegenden Fall kann weder dem einen noch dem anderen entnommen werden, daß die Beklagte des Risikos, von dem Gläubiger oder dessen Rechtsnachfolger in Anspruch genommen zu werden, enthoben ist.

aa) Bei einer Haftungsübernahme für fremde Schulden - z. B. im Wege einer Bürgschaft - ist an die Bejahung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein strenger Maßstab anzulegen. Denn bei solchen Geschäften übernimmt der eine Teil schlechthin und uneingeschränkt das Risiko, daß der Schuldner bei Fälligkeit der Schuld leistungsfähig und leistungswillig ist (BGHZ 88, 185, 191; 107, 92, 104; BGH, Urt. v. 16. März 1983 - VIII ZR 347/81, WM 1983, 499, 500; v. 4. Juni 1987 - IX ZR 123/86, WM 1987, 1006, 1007).

Nach der gesetzlichen Regelung trägt der Bürge auch das Risiko, daß bei einer Abtretung oder einer Legalzession der gesicherten Forderung die Rechte aus der Bürgschaft nicht erlöschen, sondern auf den neuen Gläubiger übergehen (§§ 401, 412 BGB). Diese Regelung bezweckt, die mit der Forderung verbundenen Nebenrechte dem neuen Gläubiger zu erhalten. Die Lage des Schuldners soll sich durch den Forderungsübergang nicht verschlechtern (vgl. §§ 404, 406 - 410 BGB), aber auch nicht verbessern. Das gilt ebenso für denjenigen, der - wie der Bürge - für den Schuldner haftet.

Daß der Übergang akzessorischer, d. h. vom Bestand der Hauptschuld abhängiger und deren rechtliches Schicksal teilender Nebenrechte wie z. B. einer Bürgschaft im Falle des § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG ausgeschlossen sei, läßt sich dieser oder einer anderen Bestimmung des Betriebsrentengesetzes nicht entnehmen.

bb) Eine abweichende Risikoverteilung ergibt sich hier auch nicht unter Berücksichtigung der sonstigen, letztlich in der Ehe wurzelnden wirtschaftlichen Beziehungen der Vertragspartner.

Mit dem Hinweis darauf, daß dem Ehemann nicht damit gedient gewesen sei, im Falle einer Leistungsübernahme durch die Beklagte zwar sein Ruhegeld zu bekommen, zugleich aber im gleichen Ausmaß eine Beeinträchtigung der ehelichen Lebensgrundlage durch entsprechende Einbußen im Vermögen der Beklagten hinnehmen zu müssen, will das Berufungsgericht anscheinend zum Ausdruck bringen, daß der Eintritt der sich aus den §§ 412, 401 BGB ergebenden Rechtsfolgen im vorliegenden Fall ausnahmsweise auch die Interessen des Ehemannes als des ursprünglichen Gläubigers beeinträchtigen würde. Ob von einer derartigen mittelbaren Beeinträchtigung ausgegangen werden kann, erscheint zweifelhaft, weil das Berufungsgericht die Vermögensverhältnisse der - in Gütertrennung lebenden - Eheleute nicht ermittelt hat. Letztlich kann die Frage aber offenbleiben. Denn es ist nicht erkennbar, daß die Beklagte und ihr Ehemann die dargestellte Interessenlage zum Anlaß genommen haben, den Übergang der Bürgschaft auf einen Dritten durch eine anderweitige vertragliche Abrede aus der Risikosphäre der Beklagten herauszulösen und zur "gemeinsamen Sache" beider Vertragsparteien zu machen.

b) Im übrigen löst das Fehlen oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 242 BGB für sich allein noch keine Rechtsfolgen aus. Beides wird nur dann rechtlich erheblich, wenn und soweit das Festhalten an den Bestimmungen des Vertrages wegen der veränderten Situation zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (BGHZ 40, 334, 337; 65, 320, 324 f; 68, 299,. 302 ff; 82, 227, 232 ff; 115, 132, 136, 138). Dies bedarf stets einer sorgfältigen Prüfung und setzt voraus, daß ein weiteres Festhalten an dem Vereinbarten für die eine Partei schlechthin unzumutbar ist und daß der anderen Partei ein Abgehen von dem Vereinbarten zugemutet werden kann (BGHZ 58, 355, 363).

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht nur gesagt, daß der Ehemann der Beklagten sich auf eine eingeschränkte Bürgschaft, bei der die Beklagte lediglich subsidiär hinter dem Kläger gehaftet hätte, "billigerweise hätte einlassen müssen". Ob umgekehrt der Beklagten ein Festhalten an dem Vereinbarten schlechterdings nicht zugemutet werden kann, hat es nicht festgestellt. Dagegen spricht das Vorbringen der Beklagten, bei Abschluß des Vertrages angenommen zu haben, daß die Bürgschaft wegen fehlender sonstiger Sicherheiten für den Versorgungsanspruch des Ehemanns erforderlich sei. Sie habe nicht gewußt, daß im Falle der Insolvenz der KG ein Dritter, der Kläger, für den Pensionsanspruch des Ehemannes eintreten werde (BU 5). Wenn die Beklagte damit rechnete, daß sie bei Insolvenz der KG die Pension selbst würde aufbringen müssen (falls der Ehemann nicht mit Rücksicht auf eine etwa bestehende "Wirtschaftsgemeinschaft" der Ehegatten darauf verzichtete), dann steht sie heute durch den Rückgriff des Klägers um nichts schlechter, als sie stünde, wenn es - entsprechend ihren Vorstellungen bei Vertragsschluß - den Kläger nicht gäbe.

2. Der von der Beklagten behauptete Irrtum - dem angeblich auch ihr Ehemann unterlegen ist -, für die betriebliche Ruhegehaltszusage bestehe bei Insolvenz des Betriebes keine Absicherung, wenn nicht sie - die Beklagte - durch Übernahme der Bürgschaft persönlich dafür einstehe, rechtfertigt die Anwendung des § 242 BGB ebensowenig wie die beiderseitige Unkenntnis der Rechtsfolge aus §§ 412, 401 BGB.

III. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).

1. Allerdings wäre die Klage zu Recht abgewiesen, wenn der übereinstimmende Wille der Vertragschließenden darauf gerichtet gewesen wäre, daß die Beklagte für die Ruhegehaltsansprüche ihres Ehemannes nur eine Ausfallbürgschaft übernimmt.

Der übereinstimmende Wille der Parteien ist für den Inhalt einer Vereinbarung auch dann maßgebend, wenn er in den Erklärungen keinen oder nur einen unvollkommenen Niederschlag gefunden hat (BGHZ 20, 109, 110; 71, 243, 247; BGH, Urt. v. 1. Oktober 1987 - IX ZR 117/86, WM 1987, 1520, 1522; v. 25. März 1991 - II ZR 169/90, BGHR BGB § 157 "Wille 2"). Ist ein solcher Wille feststellbar, bedarf es weder einer Auslegung noch eines Zurückgreifens auf die Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage.

Das Berufungsgericht hat indessen nicht festgestellt, daß die Beklagte nur für einen etwaigen Ausfall - insbesondere einen Ausfall durch unvollständige Leistung des Klägers - eintreten wollte. Daß eine derartige Feststellung - nach Aufhebung und Zurückverweisung - noch getroffen werden könnte, ist nach dem eigenen Vortrag der Beklagten auszuschließen. Wenn diese - wie sie behauptet - nicht gewußt hat, daß im Falle der Insolvenz der KG ein Dritter, der Kläger, für den Pensionsanspruch des Ehemannes eintreten wird (BU 5), und gebürgt hat, weil sie dies "wegen fehlender sonstiger Sicherheiten" für erforderlich hielt, wollte sie keine eingeschränkte, sondern eine umfassende Haftung übernehmen (vgl. GA 41, 42, 69, 70, 116 f, 164).

2. Das Berufungsgericht hat die Bürgschaftserklärung nicht ausgelegt. Eine Auslegung hat ebenfalls Vorrang vor einer Anpassung nach den Grundsätzen der fehlenden oder weggefallenen Geschäftsgrundlage (BGHZ 81, 135, 143; 90, 69, 74; BGH, Urt. v. 24. November 1988 - VII ZR 222/87, BGHR BGB § 157 "ergänzende Auslegung 4"). Im vorliegenden Fall kommt indessen weder eine "einfache" noch eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht.

a) Die Erklärung der Beklagten schließt an die Ruhegehaltszusage der KG an und hat folgenden Wortlaut: "Zugleich übernehme ich für die Erfüllung der Ansprüche... (aus der Ruhegehaltszusage) die selbstschuldnerische Bürgschaft". Die objektive Erklärungsbedeutung ist klar. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Erklärungsempfänger nur von einer eingeschränkten Bürgschaft ausgehen konnte, liegen nicht vor. Die Interessenlage allein reicht dafür nicht aus, zumal die Vertragsparteien nach dem Vortrag der Beklagten hier nicht erkannt haben, daß ihre Interessen durch eine uneingeschränkte Bürgschaft möglicherweise gefährdet wurden.

b) Eine ergänzende Auslegung setzt eine Regelungslücke voraus (BGHZ 40, 91, 103; 77, 301, 304; st. Rspr.). Eine solche liegt vor, wenn der Regelungsplan der Parteien vervollständigungsbedürftig ist, mithin ohne diese Vervollständigung eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGHZ 90, 69, 74; BGH, Urt. v. 12. Juli 1989 - VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115, 116). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Vertragsparteien nicht bedacht, was mit der Bürgschaft geschieht, wenn die KG insolvent wird und der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung für sie einspringt. Das ist indes keine planwidrige Regelungslücke. Da die Vertragsparteien - wie die Beklagte behauptet - nicht damit gerechnet haben, daß es im Falle der Insolvenz der KG einen Dritten gibt, der - neben oder anstelle der Beklagten - für das Ruhegehalt aufkommen muß, bestand der Regelungsplan darin, daß die Beklagte als Bürgin in jedem Falle haftet, sobald die KG zur Leistung nicht mehr in der Lage ist. Ob die Bürgin unmittelbar an den Versorgungsberechtigten oder aber an einen Dritten leistet, der seinerseits die Versorgungsbezüge an den Berechtigten auszahlt, macht nach dem Regelungsplan der Vertragsparteien keinen Unterschied.

3. Die von der Beklagten erklärte Anfechtung der Bürgschaftserklärung hat das Berufungsgericht u. a. wegen Versäumung der Anfechtungsfrist nicht durchgreifen lassen. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

Der Kläger hat seinen Bürgschaftsanspruch spätestens mit Schreiben vom 28. Januar 1991 (GA 24) geltend gemacht. Daraufhin hat die Beklagte mit Schreiben vom 28. Februar 1991 (GA 26) ihre Bürgschaftserklärung angefochten. Ob bereits der dazwischenliegende Zeitraum von einem Monat zu groß ist, um die Anfechtung noch als "unverzüglich" im Sinne von § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ansehen zu können (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1990, 523; Palandt/Heinrichs, BGB 52. Aufl. § 121 Rdnr. 3), braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn den im Schreiben vom 28. Februar 1991 genannten Anfechtungsgrund hat die Beklagte später ausdrücklich fallengelassen. Als sie die Anfechtung mit neuer Begründung wiederholte - frühestens mit der Klageerwiderung vom 3. Juli 1991 (GA 39, 40) -, war die Ausschlußfrist des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB längst abgelaufen.

4. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG schließt die Geltendmachung des Übergangs der Ansprüche aus der Bürgschaft nicht aus.

Diese Bestimmung soll verhindern, daß der Übergang der Forderung - und der unselbständigen Nebenrechte (§§ 412, 401 BGB) - vom Träger der Insolvenzsicherung zum Nachteil des Versorgungsberechtigten geltend gemacht werden kann. Eine entsprechende Klausel findet sich auch in anderen Fällen des gesetzlichen Forderungsübergangs (vgl. z. B. §§ 268 Abs. 3 Satz 2, 426 Abs. 2 Satz 2, 774 Abs. 1 Satz 2, 1143 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 67 Abs. 1 Satz 2 VVG, § 87 a BBG, § 130 Abs. 1 Satz 2 BRAGO).

Ihre Bedeutung liegt zunächst darin, daß der Dritte - hier der Kläger als Träger der Insolvenzsicherung - dann zurückstehen muß, wenn seine Interessen nach dem Forderungsübergang mit denen des Gläubigers - hier des Versorgungsberechtigten - kollidieren (RGZ 131, 323, 325; vgl. weiterhin Staudinger/Selb, aaO § 268 Rdnr. 14; Münch-Komm/Keller, BGB 2. Aufl. § 268 Rdnr. 10; zum BetrAVG vgl. Blomeyer/Otto, § 9 Rdnr. 60). Deshalb darf der Träger der Insolvenzsicherung, wenn die von ihm gesicherte Leistung geringer ist als nach der Zusage des Arbeitgebers (etwa aufgrund der Höchstbegrenzung gemäß § 7 Abs. 3 BetrAVG), Ansprüche aus übergegangenem Recht nur insoweit erheben, als sie zur Abdeckung des von ihm gesicherten Teils benötigt werden (Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG 3. Aufl. § 9 Anm. 2. 5. 3. 2). Daß die Leistungen des Klägers hinter der betrieblichen Zusage zurückbleiben und die Bürgschaft deshalb noch benötigt wird, um den Ausfall abzudecken, behauptet aber auch die Beklagte nicht. Damit ist das Befriedigungsvorrecht des Versorgungsberechtigten nicht gefährdet.

Allerdings wird die Wirkung des § 9 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG - weitergehend - auch dahin umschrieben, daß der Gläubiger (Berechtigte) nicht schlechter stehen soll, als er stünde, wenn der Schuldner (Arbeitgeber) selbst geleistet hätte (vgl. RGZ 131, 323, 325; BGH, Urt. v. 19. Mai 1983 - II ZR 49/82, Betrieb 1983, 1440, 1441 r. Sp.; MünchKomm/Keller, aaO; Blomeyer/Otto, aaO § 9 Rdnr. 60). Wäre im Streitfall die KG nicht in Konkurs gefallen und hätte sie deshalb die Ruhegehaltszusage weiter erfüllt, wäre die Beklagte nicht in Anspruch genommen worden, und ihr Ehemann hätte mittelbare Einbußen hinsichtlich der gemeinschaftlichen Lebensführung nicht zu befürchten. Daraus kann indessen noch nicht abgeleitet werden, daß der Kläger sich auf den Übergang nicht berufen darf. § 9 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG soll nicht eine Belastung des mit dem Versorgungsberechtigten in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten des Berechtigten verhindern. Dies zeigt ein Vergleich mit der rechtsähnlichen Vorschrift des § 67 Abs. 1 Satz 2 VVG. Könnte der Übergang der Ersatzansprüche wegen Nachteiligkeit für den Versicherungsnehmer schon dann nicht geltend gemacht werden, wenn sich die Ersatzansprüche gegen Familienangehörige richten, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, hätte es der Vorschrift des § 67 Abs. 2 VVG nicht bedurft.

5. Richtig ist freilich, daß der Bundesgerichtshof diese Vorschrift entsprechend auf den Forderungsübergang nach § 1542 RVO (BGHZ 41, 79, 81 ff; 54, 256, 257 ff; 66, 104, 111; BGH, Urt. v. 21. September 1976 - VI ZR 210/75, NJW 1977, 108; v. 5. Dezember 1978 - VI ZR 233/77, NJW 1979, 983), nach § 4 LFZG (BGHZ 66, 104, 105 ff) und nach § 87 a BBG (BGHZ 43, 72, 78) angewandt hat. Ausschlaggebend war hierfür die Erwägung, daß der Berechtigte häufig im praktischen Ergebnis das, was er mit der einen Hand erhalten hat, mit der anderen herausgeben müßte und so durch den Rückgriff selbst in Mitleidenschaft gezogen werden würde, falls man den Übergang der Forderung gegen einen Familienangehörigen zuließe.

Diesen Schutz verdient aber nicht, wer ungeachtet der gesetzlichen Insolvenzsicherung seinen Versorgungsanspruch durch einen Familienangehörigen hat absichern lassen. Denn in diesem Falle hat der Versorgungsberechtigte - eine wirtschaftliche Einheit mit dem einstandspflichtigen Familienangehörigen vorausgesetzt - von vornherein damit gerechnet, seinen Versorgungsanspruch notfalls "mitfinanzieren" zu müssen.

6. Aus den gleichen Gründen scheidet auch eine rechtsähnliche Anwendung des - dem § 67 Abs. 2 VVG nachgebildeten (vgl. Grüner/Dalichau, SGB X § 116 Abs. 6 Anm. 1) - § 116 Abs. 6 SGB X aus.

IV. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Da weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat in der Sache abschließend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und die Berufung der Beklagten zurückweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993202

BB 1993, 1739 (Ls)

DB 1993, 2191

DB 1993, 2192

NJW 1993, 2935

NJW 1993, 2937

BGHR BGB § 242 Geschäftsgrundlage 40

BGHR BGB § 765 Ausfallbürgschaft 3

BGHR BetrAVG § 9 Abs. 2 Forderungsübergang 2

BGHR SGB X § 116 Abs. 6 Familienangehörige 3

BGHR VVG § 67 Abs. 2 Analogie 2

DRsp I(138)681d

KTS 1993, 644

NZA 1994, 365

WM 1993, 1233

ZIP 1993, 903

MDR 1994, 32

ZBB 1993, 187

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