Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatz der Naturalrestitution

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Ermittlung und Bemessung des Schadens bei Zerstörung eines Baumes.

 

Normenkette

BGB § 249 S. 2, § 251 Abs. 2, §§ 91, 94; BBauG § 141 Abs. 4; WertV § 16 Abs. 5

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 21. Februar 1974 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Zweitbeklagte verursachte am 23. August 1972 auf der M-Straße in B mit einem Pkw des Erstbeklagten schuldhaft einen Verkehrsunfall. Dabei zerstörte er einen etwa 40 Jahre alten Kastanienbaum, der auf dem Mittelstreifen der Straße in einer Reihe weiterer, gleichartiger Bäume gestanden hatte. Das klagende Land ließ den ihm gehörenden Baum durch einen neuen 5jährigen Kastanienbaum ersetzen. Den Anschaffungspreis für diesen Baum in Höhe von 270,00 DM sowie weitere 150,00 DM für Pflanz-, Anfangspflege- und Risikokosten hat der Haftpflichtversicherer der Beklagten dem klagenden Land gezahlt.

Das klagende Land begehrt die Zahlung weiterer 2.188,26 DM als Ersatz für die Kastanie. Es berechnet seinen Schaden in Anlehnung an ein Privatgutachten, indem es den "Anfangswert" des Baumes von angeblich 420,00 DM sowie die jährlichen Pflegekosten von 10,43 DM jeweils für 35 Jahre mit 5% verzinst und von dem so errechneten Gesamtschaden in Höhe von 3.260,33 DM einen Abzug von 20% für eine schon vor dem Unfall vorhandene Verletzung des Stammes der Kastanie macht. Mit diesem Betrag werde, so meint das klagende Land, an sich nur ein Teil des Schadens ausgeglichen, weil durch das Pflanzen eines jungen Baumes der alte Zustand nicht wieder hergestellt werde. Der Wiederbeschaffungspreis für eine Kastanie im Alter und Zustand der zerstörten belaufe sich auf über 10.000,00 DM, wozu noch Pflanz- und Pflegekosten in Höhe von 6.000 - 8.000,00 DM kämen.

Die Beklagten haben sich gegen die Berechnungsmethode des klagenden Landes gewandt und den Standpunkt vertreten, eine Naturalherstellung sei nicht möglich, mindestens wirtschaftlich nicht sinnvoll. Der Schaden könne nur, wie geschehen, durch Anpflanzen eines neuen, jungen Kastanienbaumes ausgeglichen werden. Ersatz dafür, daß das klagende Land auf Jahre hinaus die Vorteile eines älteren und größeren Baumes entbehren müsse, könne nicht verlangt werden, weil es sich insoweit um immaterielle Schäden handele.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht diese - über die bereits gezahlten 420,00 DM hinaus - nur zur Zahlung von 365,05 DM verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen.

Mit der zugelassenen Revision erstrebt das klagende Land

die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht führt aus, das klagende Land könne nicht nach § 249 Satz 2 BGB den für die Herstellung (Ersatz des zerstörten durch einen gleich großen und gleich alten Kastanienbaum) erforderlichen Geldbetrag als Schadensersatz verlangen, weil dazu unverhältnismäßig hohe Aufwendungen erforderlich seien, die aber nach § 251 Abs. 2 BGB nicht ersetzt zu werden brauchten. Selbst wenn die Neuanpflanzung einer dem zerstörten Straßenbaum gleichwertigen Kastanie technisch möglich sein sollte, sei es angesichts des objektiven Wertes der zerstörten Kastanie schlechthin unzumutbar, die Beklagten mit Kosten zu belasten, die diesen Wert um ein Vielfaches überstiegen. Eine Ersatzbeschaffung für ausgewachsene Bäume komme allein bei wertvollen Gehölzen an bestimmenden Standorten in Betracht. Der danach nur zu ersetzende wirtschaftliche, dem zerstörten Straßenbaum innewohnende objektive Sachwert sei aber unter Außerachtlassung der vielfältigen nicht berechenbaren Faktoren, die ein Straßenbaum erfülle, lediglich nach dem Katalogpreis einer Baumschule für ein Gehölz in dieser Größe zu bemessen, wie es üblicherweise gepflanzt werd Hinzuzurechnen seien wohl die Kosten für das Einpflanzen und den Pflegeaufwand für die ersten Anwachsjahre, ferner ein Zuschlag von etwa 10% für das Anwachsrisiko, woraus sich der - vom Haftpflichtversicherer der Beklagten bereits ersetzte - Schadensbetrag von 420,00 DM ergebe. Hinzu kommt noch der Umstand, daß der zerstörte, 40 Jahre alte Baum seine Funktionen weit besser erfüllen könne als ein neu gepflanzter junger Baum. Dies, so meint das Kammergericht lasse sich wirtschaftlich dadurch bewerten, daß die weiteren Pflegekosten errechnet und dem Anfangswert zugeschlagen würden. Dieser Gesamtbetrag sei dann allerdings nicht wegen der schon vor dem Unfall bestehenden Verletzung des Stammes zu mindern, weil sie das Wachstum der Kastanie und deren Funktionen nicht beeinträchtigt habe. Somit ergebe sich, da der jährliche Pflegeaufwand (unstreitig) 10,43 DM betrage, für die weiteren 35 Jahre ein weiterer Betrag von 365,05 DM.

II.

Die Angriffe der Revision, die sich gegen die Schadensberechnung durch das Berufungsgericht richten, haben im Ergebnis Erfolg.

1.

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Schädiger nach § 249 BGB grundsätzlich den Zustand herzustellen hat, der sich ohne das schädigende Ereignis voraussichtlich ergeben hätte, d.h. Herstellung in Natur (Naturalrestitution) schuldet.

a)

Soweit die Revision meint, das klagende Land könnte ohne weiteres einen Baum in der Art des zerstörten verlangen, mithin sogar den Betrag, der im Handel dafür zu zahlen sei, irrt sie freilich. Wollte man, ihrer Ansicht folgend, den Baum rechtlich isoliert betrachten, so dürfte er als unvertretbare Sache i.S. von § 91 BGB anzusehen sein. Da er zerstört ist, wäre die Herstellung (Naturalrestitution) unmöglich, so daß der Anspruch des Gläubigers auf Geldentschädigung nicht aus § 249 Satz 2, sondern aus § 251 Abs. 1 BGB herzuleiten wäre (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 34. Aufl., § 251 Anm. 1a; Erman/Sirp, BGB 5. Aufl., § 249 Rdn. 104). Es könnte nicht der zur "Herstellung" erforderliche Geldbetrag verlangt werden; die Beklagten hätten vielmehr das klagende Land "in Geld zu entschädigen", mithin Wertersatz zu leisten.

b)

Hier ist jedoch nicht der Kastanienbaum als eine rechtlich selbständige Sache zerstört worden. Vielmehr hat der Zweitbeklagte das Straßengrundstück beschädigt, auf dem der Baum gestanden hat. Der Baum ist nämlich nach § 94 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks gewesen. Das ist auch wirtschaftlich gesehen der richtige Ausgangspunkt: Der Baum ist ein wertbildender Faktor des Grundstücks, auf dem er wächst. Er beeinflußt dessen Verkehrs- und Nutzungswert. Wird er zerstört oder beschädigt, so wird in die Substanz des Grundstücks eingegriffen. Mithin haben die Beklagten wegen Beschädigung einer Sache, hier des Straßengrundstücks, auf dem der zerstörte Kastanienbaum in der Reihe der anderen Alleebäume gestanden hat, Schadensersatz zu leisten (vgl. die ähnliche Frage bei § 77 Abs. 1 BLG: BGH Urt. vom 19. März 1964 - III ZR 141/63 - LM Nr. 2 zu § 77 BLG).

Dem Berufungsgericht ist jedoch darin zuzustimmen, daß das klagende Land hier dennoch keinen Anspruch auf volle Naturalrestitution hat. Die Vorschrift des § 251 Abs. 2 BGB enthält nämlich eine Begrenzung der Schadensersatzpflicht unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit: Wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist, kann sich der Ersatzpflichtige darauf beschränken, dem Gläubiger lediglich seine Werteinbuße zu entschädigen. Da auch der Geldanspruch nach § 249 S. 2 BGB seinem Wesen nach nur ein modifizierter Herstellungsanspruch ist, ist auch er unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 BGB begrenzt (so schon RGZ 71, 212, 214; BGHZ 63, 295, 297 m. w. Nachw. ).

aa)

Die Revision zieht das im Grunde nicht in Zweifel, meint aber, ein unverhältnismäßiges Opfer für den Ersatzpflichtigen liege niemals darin, daß er den Wert der zerstörten Sache ersetzen müsse. Das Berufungsgericht habe übersehen, daß § 251 Abs. 2 BGB nur in dem Fall eingreife, in welchem die Herstellung mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden sei. Da hier der Baum als solcher zerstört worden sei, eine Herstellung aber ausscheide, könne das klagende Land sogar den für den Kauf eines gleichartigen, ausgewachsenen Baumes erforderlichen Geldbetrag ersetzt verlangen, mithin mindestens 10.308,00 DM. Eine Einschränkung der Ersatzpflicht gemäß § 251 Abs. 2 BGB könne nur die darüber hinaus gehenden Beträge in Höhe von 6.000 bis 8.000,00 DM für den Antransport, das Anpflanzen und die Anfangspflege des Baumes betreffen.

bb)

Wie schon ausgeführt, ist aber bei zutreffender rechtlicher Sicht das Straßengrundstück mit seinen Alleebäumen durch die Zerstörung des streitigen Kastanienbaumes beschädigt worden. Es bleibt mithin zu prüfen, ob die (volle) Wiederherstellung des früheren Zustandes dieses Grundstücks, die durch das Anpflanzen eines gleichartigen ausgewachsenen Baumes erfolgen könnte, nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich wäre oder nicht.

Das Berufungsgericht hat jedoch ohne Rechtsirrtum das Vorliegen der Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 BGB bejaht. Im wesentlichen handelt es sich dabei um eine Frage tatrichterlicher Würdigung (Senatsurteil vom 17. November 1961 - VI ZR 66/61 - VersR 62, 137). Die Beurteilung durch das Berufungsgericht kann revisions-rechtlich nur darauf nachgeprüft werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände fehlerfrei berücksichtigt worden sind. Dazu gehören Art und Umfang des angerichteten Schadens und weitere Besonderheiten des Falles.(Senatsurteil vom 20. Juni 1972 - VI ZR 61/71 - VersR 72, 1024).

Das Berufungsgericht erwägt dazu, schon der vom klagenden Land angegebene Kaufpreis für eine 40-jährige Kastanie übersteige den "objektiven Wert" des zerstörten Baumes um ein Vielfaches. Eine Ersatzbeschaffung könne nur bei wertvollen Gehölzen an bestimmenden Standorten in Betracht kommen (im Anschluß an Koch, VersR 69, 17 und VersR 70, 709). Die Berufung auf die Ausführungen Kochs macht ausreichend klar, was mit dem objektiven Wert gemeint ist: Nicht ein fiktiver Verkaufswert des Baumes und nicht sein Nutzungswert, sondern ein auf der Grundlage wirtschaftlich vernünftiger Anknüpfungspunkte geschätzter Wert, der die Differenz der Vermögenslagen vor und nach dem schaden stiftenden Ereignis zutreffend wiedergeben könnte. Richtigererweise ist, wie schon hervorgehoben, dieser Vergleich der Vermögenslagen auf das Straßengrundstück vor und nach der Zerstörung des Baumes zu beziehen. Im Ergebnis ist dem Berufungsgericht aber jedenfalls darin zuzustimmen, daß ein Vergleich zwischen den im Falle der Naturalrestitution erforderlichen Aufwendungen und dem, was das klagende Land bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise an seinem Vermögen verloren hat, das Urteil rechtfertigt, Aufwendungen in dieser Höhe seien den Beklagten unter voller Berücksichtigung der Interessen des klagenden Landes nicht zuzumuten. Ersatzbäume im Alter und in der Größe des zerstörten werden zwar von Spezialbaumschulen angeboten. Sie sind aber schon im Einkauf (jedenfalls nach bisher üblichen und bekannten Beschaffungsmethoden) äußerst kostspielig, von den erheblichen Aufwendungen für Transport und Pflanzen ganz abgesehen. Dem entspricht sicher nicht der Verlust durch die Wertminderung des Grundstücks. Die vollen Wiederbeschaffungskosten zuzubilligen wäre deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahe legen würden. Nur dann wäre das Interesse des Geschädigten an Naturalrestitution gegenüber dem außergewöhnlich hohen Vermögensopfer des Schädigers schutzwürdig. So liegt es aber nicht, wenn es sich wie hier um einen Straßenbaum an nicht exponierter Stelle handelt, der in einer Reihe anderer Bäume gestanden hat.

Geht ein solcher Baum verloren., ist es üblich und allein sinnvoll, einen jungen Baum nachzupflanzen. Der Senat verkennt nicht, daß ein älterer Straßenbaum in einer Großstadt vielfältige nützliche und schwer entbehrliche Funktionen hat. Neben seiner ästhetischen Wirkung gibt er Schutz vor Lärm, Staub und übermäßiger Sonneneinstrahlung, schützt damit auch den Straßenbelag und hat schließlich seine Bedeutung für den Sauerstoffhaushalt der Luft. Das alles sind Faktoren, die sich einer exakten Berechnung entziehen. Ein wirklicher Ausgleich des entstandenen Schadens wäre insoweit nur durch Naturalrestitution möglich. Die Einbuße an diesen Werten muß aber unter Verzicht auf den Herstellungsanspruch hingenommen werden, wenn der Geschädigte sie selbst nicht so hoch einschätzt und vernünftigerweise einschätzen darf, daß er für die vollständige Wiederherstellung auch beträchtliche Mittel einsetzt.

Dabei konnte auch der Umstand, daß sich das klagende Land tatsächlich mit der unzulänglichen Naturalherstellung durch Einpflanzen eines jungen Baums begnügt hat, mit herangezogen werden. Zwar steht es nach ständiger Rechtsprechung dem Geschädigten auch bei dem nach § 249 S. 2 BGB geforderten Geldbetrag grundsätzlich frei , ob er ihn effektiv zur Wiederherstellung verwenden will. Doch kann der Entschluß des Landes für die "kleinere Lösung" gerade deshalb, weil es angesichts seines ausgedehnten Stadtgebiets in solchen Entscheidungen - auch abgesehen von Fall fremdverursachter Schäden - über große Erfahrung verfügt, einen weiteren Hinweis darauf bilden, daß sich im gegebenen Fall das aufwendige Einsetzen eines aus-gewachsenen Baumes nach den Grundsätzen wirtschaftlicher Vernunft verboten hätte (vgl. auch Koch aaO).

2.

Somit kommt es letztlich nicht darauf an, ob das klagende Land seinen Ersatzanspruch von vorneherein, weil die Herstellung des durch die Zerstörung des Baumes beschädigten Grundstücks unmöglich ist, nur auf § 251 Abs. 1 BGB stützen kann oder ob es deshalb auf diesen Anspruch, der auf Wertersatz geht, beschränkt ist, weil und soweit die Beklagten seinem Ersatzanspruch aus § 249 S. 2 BGB mit Erfolg die Opfergrenze des § 251 Abs. 2 BGB entgegenhalten. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt, wie auch die Revision nicht verkennt, davon ab, in welcher Weise der geschuldete Wertersatz zu berechnen ist. Insofern greift die Revision die Ermittlung und Schätzung der von den Beklagten an das klagende Land zu zahlenden Geldentschädigung, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, mit Erfolg an.

a)

Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht zunächst die Kosten für den Erwerb und das Anpflanzen eines jungen Baumes anstelle des zerstörten als erstattungspflichtig angesehen. Dabei handelt es sich um diejenigen Aufwendungen, die das klagende Land für eine insoweit jedenfalls mögliche und auch den Beklagten zuzumutende Teil Wiederherstellung des beschädigten Straßengrundstücks gehabt hat. Dafür, nämlich für die Kosten des Erwerbs eines jungen Baumes im pflanzfähigen Alter, für die Kosten des Anpflanzens und für die in der Anwachszeit entstehenden höheren Pflegekosten kann das beklagte Land sicherlich schon nach § 249 S. 2 BGB Ersatz verlangen; auch gegen die Zubilligung eines Zuschlages für das Anwachsrisiko bestehen keine Bedenken. Insoweit besteht zwischen den Parteien auch kein Streit, zumal diese Beträge mit der Zahlung von 420,00 DM vom Haftpflichtversicherer der Beklagten bereits bezahlt worden sind.

b)

Die Parteien streiten in Wahrheit über die Höhe der dem klagenden Land zustehenden Geldentschädigung für den nach der Teilwiederherstellung verbleibenden, nach § 251 BGB auszugleichenden Rest schaden, d.h. um den fortbestehenden Minderwert. Bei dessen Ermittlung und Schätzung war das Berufungsgericht allerdings weitgehend freigestellt (§ 287 ZPO). Indessen sind ihm dabei Fehler unterlaufen.

aa)

Auch das Berufungsgericht sieht, daß nach der Anpflanzung eines jungen Ersatzbaumes wirtschaftlich ein verbleibender Wertverlust auszugleichen bleibt. Es erwägt dazu, es müsse dem Umstand Rechnung getragen werden, daß der zerstörte Baum schon 40 Jahre alt war und in diesem Alter seine vielfältigen Funktionen weitaus besser erfüllen könne als der neu gepflanzte, junge Baum. Wirtschaftlich bewerten lasse sich das, so meint es, in der Weise, daß die künftigen Pflegekosten von jährlich 10,43 DM für 35 Jahre (Zeitraum vom Abschluß der Anwachsphase bis zum Erreichen des Alters des zerstörten Baumes) den Teilwiederherstellungskosten zugeschlagen würden. Eine nach Auffassung des klagenden Landes im Anschluß an Koch (aaO, ferner VersR 73, 10 ff und VersR 74, 1154 ff) zusätzlich in Ansatz zu bringende Verzinsung des "Anfangswertes" und der weiteren Pflegekosten lehnt das Berufungsgericht ab, weil es dafür an einer rechtlichen Grundlage fehle.

bb)

Der Revision ist zuzugeben, daß mit der bloßen Addierung der künftigen Pflegekosten für den Ersatzbaum der Wertverlust des Grundstücks durch die Zerstörung des Baumes wirtschaftlich nicht sinnvoll erfaßt werden kann und damit auch nicht annähernd ausgeglichen wird. Das Berufungsgericht trägt schon dem Umstand nicht genügend Rechnung, daß es nicht um die Differenz zwischen dem Wert eines ausgewachsenen und eines jungen Baumes geht, sondern um die Minderung des Grundstückswertes infolge des Verlustes der auf ihm gewachsenen Kastanie (vgl. auch Koch VersR 1969, 16). Verglichen werden müßte mithin etwa der Verkaufswert des in Frage stehenden Grundstücks vor dem schaden stiftenden Ereignis und dem im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (so schon für die Verunstaltung von Kastanienbäumen und Sträuchern eines Ziergartens RG JW 09, 275 Nr. 9). Die für die Pflege eines Baumes alljährlich anfallenden Kosten sind allenfalls ein Faktor unter anderen, um die Herstellungskosten eines bewachsenen Grundstücks und daraus wiederum seinen Sachwert zu berechnen. Für sich allein sind sie ungeeignet, die Werterhöhung des Grundstücks zu ermitteln, die dadurch entsteht, daß auf ihm stehende Bäume wachsen. Schon die Ermittlung des Wertes eines individuell bebauten Grundstücks bereitet Schwierigkeiten; hier kann die Schätzung nach dem Sachwert an Hand der Herstellungskosten erfolgen (vgl. BGHZ 13, 45, 47/48;-17, 236, 241), sie kann sich aber auch nach dem Verkehrs- oder dem Ertragswert richten; eine bestimmte Bewertungsmethode gibt es in der Regel nicht (vgl. BGH Urteil v. 23. November 1962 - V ZR 148/60 - MDR 1963, 396). Bei dem hier in Frage stehenden Straßengrundstück scheidet ein Verkehrswert aus, ebenso ein Ertragswert, so daß sich die Ermittlung des Sachwerts an Hand normaler Herstellungskosten anbietet. Davon geht, wie soeben erörtert, zutreffend auch das Berufungsgericht hinsichtlich der Kosten für Beschaffung des Jungbaumes, seiner Kosten für Anpflanzung und Anwachspflege aus - insoweit der von Koch aaO näher ausgearbeiteten Berechnungsmethode folgend. Wenn es ihm aber im übrigen nicht folgen will, so mißversteht es die rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen dieser Schätzmethode. Koch geht von der für Entschädigungsfälle auf Grund des § 141 Abs. 4 BBauG erlassenen Wertermittlungs-Verordnung (WertV) vom 7. August 1961/10. August 1972 (BGB 1961 I 1183) aus, die in § 16 Abs. 5 auch Richtlinien für die Schätzung des Wertes von Anpflanzungen ("Außenanlagen" i.S. der Anlage 2) enthält. Zutreffend nimmt er an, daß im allgemeinen die Wertermittlung nach dem sog. Vergleichswertverfahren mangels vergleichbarer Objekte bei Zierpflanzen ebenso ausscheiden dürfte wie die nach dem sog. Ertragswertverfahren. Übrig bleibt ein (modifiziertes) Sachwertverfahren, das auf dem Herstellungswert basiert, der nach den §§ 16 bis 18 WertV zu ermitteln ist. Koch errechnet danach zunächst die gewöhnlichen Herstellungskosten, das sind die Kosten, die für eine Bepflanzung aufzuwenden sind; dazu gehören auch die für die Erhaltung (Pflege) der Bepflanzung zu erbringenden Aufwendungen . Betriebswirtschaftlich unanfechtbar setzt Koch aber auch die Verzinsung des Kapitalaufwands ein (vgl. dazu seine Tabellen in VersR 1970, 790 und 1974, 1157). Diese Verzinsung hat allerdings nichts mit Zinsen im Rechtssinn zu tun (etwa Verzugszinsen, wie die Revision meint; vgl. auch die Verzinsung einer Enteignungsentschädigung: BGH Urteil v. 14. November 1963 - III ZR 141/62 NJW 1964, 294), sondern stellt die wirtschaftliche Berücksichtigung der Vorhaltekosten des Eigentümers dar. Sie kann durchaus einen praktisch brauchbaren Anhalt für die Schätzung der trotz Pflanzung des Jungbaums verbleibenden, von Jahr zu Jahr abnehmenden Wertdifferenz zwischen dem mit dem jungen Baum und dem mit dem zerstörten Baum bewachsenen Grundstück abgeben. So mag die Methode Kochs eine geeignete Schätzgrundlage für die Berechnung öffentlich-rechtlicher Entschädigungen abgeben. Zwar beruft er sich nicht ganz zu Recht auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Januar 1963 - III ZR 149/61 - NJW 1963, 906 (von ihm irrtümlich als "Miele-Urteil" bezeichnet, das allerdings unter dem Aktenzeichen III ZR 150/61 am selben Tag mit im wesentlichen gleicher Begründung ergangen ist). Denn in diesem Urteil hat sich der Bundesgerichtshof mit einer Entschädigungsforderung nach dem Bundesleistungsgesetz befaßt. Die dort niedergelegten Rechtsgrundsätze sind auf Schadensersatzansprüche nach bürgerlichem Recht nicht ohne weiteres übertragbar, schon weil die Begrenzung der Höhe der Ersatzleistung auf den "gemeinen Wert" der Sache (§ 26 Abs. 3 S. 3 BLG) im Schadensersatzrecht nicht gilt. Wohl aber trifft der Ansatzpunkt für die Berechnung des Wertverlustes, daß nämlich rechtlich Grundstück und Bepflanzung ein und dieselbe Sache sind, für beide Fälle zu. Zudem schreibt § 26 Abs. 3 BLG ausdrücklich vor, daß bei der Bemessung der Ersatzleistung eine durch die Instandsetzung nicht zu behebende Wertminderung zu berücksichtigen ist, also mit einer zusätzlichen Leistung auszugleichen ist (so BGH aaO). Eben diese zusätzliche Leistung will Koch durch "Aufzinsung" des Kapitaleinsatzes ausgleichen Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist daher aus Rechtsgründen nichts dagegen einzuwenden, wenn sich das klagende Land dieser "Methode Koch", die auch im übrigen in der Praxis Eingang gefunden hat, bedient.

3.

Obwohl das klagende Land seinen Schadensersatzanspruch nach der von Koch vorgeschlagenen Methode berechnet hat und das Zahlenwerk als solches von den Beklagten nicht bestritten worden ist, kann der Senat noch nicht abschließend über die Klageforderung entscheiden.

a)

Für die Ermittlung des Schadens, der an Grundstücken durch den Verlust von Zierpflanzen entsteht, kann nämlich eine Schätzung nach der "Sachwertmethode " wie schon gesagt, nur einen Anhalt bieten (§ 287 ZPO). Inwieweit das betroffene Grundstück infolge der Zerstörung eines auf ihm wachsenden Baumes an Wert verloren hat, wird sich nicht schematisch durch Heranziehung der sog. Herstellungskosten beantworten lassen. Je nachdem, welche Bedeutung und Funktion der Baum für das Grundstück gehabt hat, ob er etwa allein gestanden hat oder in einer Reihe mit anderen Bäumen, ob er dort am Anfang oder Ende der Reihe oder mitten unter den anderen seinen Platz hatte (um nur einige Beispiele zu nennen.), wird die Bewertung des Vermögens Verlust es verschieden ausfallen müssen. Immer wird es im Streitfall Aufgabe des Gerichts sein, sachverständig beraten unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalls den Schaden zu schätzen, um die wirtschaftliche Einbuße des Grundstückseigentümers möglichst sachgerecht zu erfassen. Besondere Schwierigkeiten können sich gerade in einem Fall wie dem vorliegenden ergeben, wenn ein öffentliches Grundstück beschädigt worden ist, da für dieses ein eigentlicher Verkehrswert kaum jemals wird festgestellt werden können, weil es nicht Gegenstand des Grundstückverkehrs ist. Auf der anderen Seite aber wird auch die öffentliche Hand als Grundstückseigentümer, so wie ein privater Eigentümer, durch Zerstörung oder Beschädigung eines auf ihrem Grundstück wachsenden Baumes in der Substanz ihres Eigentums geschädigt. Auch sie hat, soweit sie selbst Anpflanzungen vorgenommen, solche beim Erwerb mitbezahlt und sie gepflegt hat, Vorhaltekosten gehabt. Sie erfüllt überdies wichtige Aufgaben, wenn sie der Bevölkerung mit den ihr gehörenden Grundstücken die darauf wachsenden Bäume und Pflanzen zur Verfügung stellt. Deswegen wird die Bewertung des auf einem entsprechenden Privatgrundstück entstandenen Schadens auch ein Anhalt für die Berechnung des Schadens sein können, der auf einem öffentlichen Grundstück entsteht.

b)

Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung dieser Grundsätze die dem klagenden Land über die Teilwiederherstellungskosten hinaus zustehende "zusätzliche Leistung" neu zu ermitteln und zu schätzen haben. Dabei kann, wie oben erörtert, mangels anderer Schätzungsgrundlagen die für die Wertermittlung in Entschädigungssachen entwickelte und dort anerkannte Methode von Koch einen Anhaltspunkt liefern. Sache der Parteien wäre es, dem Gericht Grundlagen für eine Schadens Schätzung zu unterbreiten, die eine davon abweichende Bewertung erfordern können.

 

Unterschriften

Dr. Weber

Dunz

Dr. Steffen

Dr. Kullmann

Dr. Ankermann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456255

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