Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzanspruch. Löschung Vorkaufsrecht. Ungerechtfertigter Antrag. Gutgläubiger Erwerb. Anhörung Erbe

 

Leitsatz (amtlich)

a) Der ungerechtfertigte Antrag auf Löschung eines Rechts durch Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuches löst grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch des Betroffenen infolge gutgläubigen Erwerbs eines Dritten aus. Eine Ausnahme gilt auch dann nicht, wenn dem Antragsteller grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, er sich aber nicht in einer vorsatznahen Weise der Einsicht in die wahre Rechtslage verschlossen hat.

b) Zu dem Antrag auf Löschung eines Vorkaufsrechts wegen des Todes des Berechtigten ist dessen Erbe vom Grundbuchamt zu hören, wenn eine Vererblichkeit des Rechts in Frage kommt.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 823; GBO §§ 13, 22

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 19.11.2002; Aktenzeichen 3 U 262/03)

LG Traunstein (Urteil vom 18.03.2002)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Streithelfers und der Beklagten werden das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG München v. 19.11.2003 aufgehoben und das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Traunstein v. 18.3.2003 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits sowie die durch die Nebenintervention verursachten Kosten trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte war bis zum Jahr 2000 Eigentümerin eines Hausgrundstücks in T. Bereits im Jahr 1954 hatte der Vater der Klägerin einige Räume des Anwesens, das sich zum damaligen Zeitpunkt im Eigentum der Großmutter der Beklagten befand, angemietet. Die Mietparteien hatten darüber hinaus vereinbart, "gesondert von diesem Vertrag dem Mieter ein dingliches Vorkaufsrecht ... zu bestellen". In Vollzug dieser Verpflichtung räumte die Großmutter der Beklagten dem Vater der Klägerin durch notarielle Urkunde v. 9.2.1954 ein vererbliches Vorkaufsrecht ein, das "für den ersten Fall einer Veräußerung, in welchem nach den gesetzlichen Vorschriften ein Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann", gelten sollte. Die Eintragung im Grundbuch beschränkte sich auf die Bezeichnung des Rechts als Vorkaufsrecht und auf den Berechtigten, die Vererblichkeit war (nur) aus der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ersichtlich.

Im Wege der Erbfolge gelangte das Hausgrundstück zunächst in das Eigentum einer Erbengemeinschaft, bestehend aus der Beklagten und deren Mutter. Auf Grund eines von dem Streithelfer als Notar beurkundeten Erbauseinandersetzungsvertrags v. 16.8.1994 erwarb die Beklagte schließlich Alleineigentum an dem Anwesen. In der Folge beantragte der Streithelfer beim Grundbuchamt in Vollzug des Erbauseinandersetzungsvertrags die Löschung des Vorkaufsrechts. Dabei ging er mangels Einsichtnahme in die Grundakten rechtsirrig davon aus, dass das Vorkaufsrecht entsprechend dem gesetzlichen Regeltatbestand nicht vererblich und damit mit dem Tod des Vaters der Klägerin erloschen sei. Tatsächlich war das Vorkaufsrecht jedoch im Wege der Erbfolge auf die Klägerin und deren Schwester, die auf die Ausübung des Vorkaufsrechts verzichtet hat, übergegangen. Auch das Grundbuchamt erkannte die Vererblichkeit des Vorkaufsrechts nicht und nahm am 29.12.1994 die Löschung vor.

Mit notariellem Vertrag v. 1.3.2000 verkaufte die Beklagte das Hausgrundstück an einen gutgläubigen Dritten, der zwischenzeitlich im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz für den Verlust des Vorkaufsrechts. Das LG hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt der Streithelfer die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Gegenstand nachwirkender Pflichten aus dem 1954 abgeschlossenen Vertrag sei das Gebot, alles zu unterlassen, was die Realisierung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin gefährde oder vereitle. Hiergegen habe die Beklagte durch den ungerechtfertigten Löschungsantrag verstoßen. Das Handeln des Streithelfers sei ihr gem. § 278 BGB zuzurechnen. Zwar sei der Schaden letztlich nur deshalb eingetreten, weil zu dem Löschungsantrag der Beklagten noch ein weiteres schadensstiftendes Ereignis, das fehlerhafte Handeln des Grundbuchamts, hinzugetreten sei. Dieses habe jedoch die von der Beklagten ausgelöste Ursachenkette nicht in einer völlig ungewöhnlichen und unsachgemäßen Weise unterbrochen und damit als ursprüngliche Schadensursache verdrängt.

Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Beklagte gegenüber der Klägerin wegen des Verlusts des Vorkaufsrechts unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Schadensersatz verpflichtet.

1. Auf eine deliktsrechtliche Grundlage, die in Fällen der ungerechtfertigten Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens in Rechtsprechung und Literatur im Vordergrund steht, lässt sich der Anspruch nicht stützen.

a) Der objektive Tatbestand des § 823 Abs. 1 oder des § 831 BGB wird durch das Handeln der Beklagten und des Streithelfers freilich erfüllt. Bei dem dinglichen Vorkaufsrecht handelt es sich um ein sonstiges Recht im Sinne dieser Vorschriften, zu dessen Untergang die Beklagte bzw. der Streithelfer mit dem Löschungsantrag beigetragen haben. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hatte das Vorkaufsrecht noch Bestand. Die Nachlassauseinandersetzung zwischen der Klägerin und ihrer Mutter hatte das Recht nicht berührt. Nach der Rechtsprechung des Senats begründet die Auseinandersetzung keinen Vorkaufsfall, da das erwerbende Mitglied einer Erbengemeinschaft nicht Dritter i.S.d. § 463 BGB (entspricht § 504 BGB a.F.) ist (BGH, Urt. v. 15.6.1957 - V ZR 198/55, LM § 1098 BGB Nr. 3; v. 14.11.1969 - V ZR 115/66, WM 1970, 321; vgl. ferner zur Auseinandersetzung einer Bruchteilsgemeinschaft BGHZ 13, 133; BGHZ 48, 1). Mithin handelte es sich bei der Veräußerung des Grundstücks im Jahr 2000 um den ersten Vorkaufsfall, der zur Ausübung des Vorkaufsrechts berechtigte. Dass die Beklagte hierbei, abweichend vom Regeltatbestand des § 1097 1. Halbs. BGB, das Grundstück nach der Auseinandersetzung als Sonderrechtsnachfolgerin des ursprünglichen Bestellers veräußerte, ist unschädlich. Der Wortlaut der Bewilligung war nämlich unmissverständlich darauf gerichtet, die in § 1097 1. Halbs. BGB auf den ursprünglichen Besteller und dessen Gesamtrechtsnachfolger beschränkte Vorkaufsverpflichtung auch auf mögliche Sonderrechtsnachfolger auszudehnen, um jedenfalls eine einmalige Ausübung des Vorkaufsrechts zu gewährleisten. Auf die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob ein Vorkaufsrecht i.S.d. § 1097 1. Halbs. BGB nach Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft erlischt (statt aller BayObLG JurBüro 1981, 751; Westermann in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1097 Rz. 5), kommt es somit nicht an.

b) Eine deliktsrechtliche Haftung der Beklagten scheitert jedoch bereits an der fehlenden Rechtswidrigkeit des ihr vorgeworfenen Verhaltens. Auf die Frage der Entlastung der Beklagten nach § 831 BGB kommt es mithin nicht mehr an.

aa) Maßgeblich hierfür ist, dass sich die Beklagte und der Streithelfer zur vermeintlichen Berichtigung des Grundbuchs (§ 22 GBO) durch Löschung des zu Gunsten des Erblassers (Vaters der Klägerin) eingetragenen Vorkaufsrechts eines hierzu bestimmten, gesetzlich geregelten Verfahrens der Rechtspflege bedient haben. Ein Verfahren der Rechtspflege ist nur dann uneingeschränkt funktionsfähig, wenn dem Rechtsuchenden ein ungehinderter Zugang zu ihm möglich ist. Der freie Zugang würde durch eine im Falle des Rechtsirrtums drohende Schadensersatzsanktion weitgehend beseitigt. Dies fände in den berechtigten Interessen der Gegenseite keine Rechtfertigung. In Angelegenheiten der staatlichen Rechtspflege, seien sie streitiger Art oder, wie hier, Gegenstand der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wird der Schutz der Gegenseite durch die gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrens selbst gewährleistet. Nach dem formalisierten Verfahren der Grundbuchordnung, um das es hier geht, kann, von den Fällen der Amtslöschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit des Eingetragenen (§ 53 Abs. 1 S. 2 GBO) abgesehen, eine Berichtigung nur erfolgen, wenn der Betroffene dies bewilligt oder die Unrichtigkeit (grundsätzlich) in der Form des § 29 GBO nachgewiesen wird.

Dem hat die Rechtsprechung des BGH dadurch Rechnung getragen, dass sie das Betreiben des Verfahrens, auch wenn es rechtliche Defizite aufweist, regelmäßig als nicht rechtswidrig eingestuft hat. Bei der Begründung dieses Ergebnisses haben sich die Akzente von der Annahme eines Rechtfertigungsgrundes (BGHZ 20, 169 [171]; BGHZ 36, 18 [21]) zu der Auffassung verschoben, dass es an der Indizwirkung für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit fehle (BGH v. 13.3.1979 - VI ZR 117/77, BGHZ 74, 9 [14 f.]; v. 23.5.1985 - IX ZR 132/84, BGHZ 95, 10 [19] = MDR 1985, 841; v. 12.5.1992 - VI ZR 257/91, BGHZ 118, 201 [206] = MDR 1992, 751; v. 25.3.2003 - VI ZR 175/02, BGHZ 154, 269 [271 f.] = MDR 2003, 740 = BGHReport 2003, 805). Auswirkungen auf die hier zu treffende Entscheidung hat dies nicht (zur ergebnisgleichen Rechtsprechung des BVerfG vgl. BVerfG v. 25.2.1987 - 1 BvR 1086/85, BVerfGE 74, 257 [262] = MDR 1987, 640).

bb) Allerdings soll es bei der uneingeschränkten Anwendung des Deliktsrechts verbleiben, wenn der Gegner in dem jeweiligen Rechtspflegeverfahren nicht förmlich beteiligt ist und daher seine Rechte nicht geltend machen kann (BGH v. 12.5.1992 - VI ZR 257/91, BGHZ 118, 201 [206] = MDR 1992, 751; v. 25.3.2003 - VI ZR 175/02, BGHZ 154, 269 [272] = MDR 2003, 740 = BGHReport 2003, 805) oder wenn dem Kläger/Antragsteller leicht überprüfbare Hinweise auf die Unrichtigkeit seiner Rechtsposition vorliegen und er sich diesen verschließt (BGHZ 74, 917; BGH v. 25.3.2003 - VI ZR 175/02, BGHZ 154, 269 [273] = MDR 2003, 740 = BGHReport 2003, 805). Dann ist entweder auf Grund der besonderen Schutzwürdigkeit des Gegners - so im ersten Ausnahmefall - oder auf Grund der fehlenden Schutzwürdigkeit des Schadensverursachers - so im zweiten Falle - für ein "Recht auf Irrtum" kein Raum. Keine der Fallgruppen liegt hier vor.

(1) Das Antragsverfahren nach der Grundbuchordnung ist zwar insofern ein einseitiges, als sich das Grundbuchamt grundsätzlich mit der vom Antragsteller zu beschaffenden Bewilligungserklärung (§ 19 GBO; vgl. ferner § 20 GBO) des von der Eintragung Betroffenen begnügt, von sich aus aber an diesen nicht herantritt (statt aller: Demharter, Grundbuchordnung, 24. Aufl., § 1 Rz. 48 f.). Soll indessen eine Berichtigung nicht auf Bewilligung, sondern, wie hier, durch Nachweis der Unrichtigkeit erfolgen, ist der von der Eintragung (hier: Löschung) Betroffene zu hören (zutr. OLG Zweibrücken v. 20.8.1999 - 3 W 171/99, OLGReport Zweibrücken 2000, 104 = Rpfleger 1999, 532; BayObLG v. 15.6.1994 - 3Z BR 44/94, BayObLGZ 1994, 177; BayObLGZ 1999, 174; OLG Hamm FGPrax 1995, 15; Meikel/Böttcher, Grundbuchrecht, 9. Aufl., F 73). Die Nichtbeteiligung der Klägerin lag mithin nicht an dem von der Beklagten gewählten Rechtspflegeverfahren, sondern an einem Fehler der das Verfahren leitenden Behörde.

(2) Auch sonst liegt kein Ausnahmefall vor. Zwar hätte der schadensverursachende Löschungsantrag vermieden werden können, wenn die Beklagte oder der Streithelfer zuvor Einblick in die Grundakten genommen hätten. Das Unterlassen rechtfertigt auch, jedenfalls in der Person des Streithelfers, den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Auch wenn dessen Fahrlässigkeit, was nahe liegt, als grob zu bewerten ist, kann sie doch nicht mit dem vorsatznahen "Sichverschließen" gegenüber der wahren Rechtslage gleichgesetzt werden. Eine andere Beurteilung würde das Haftungsprivileg bei der Inanspruchnahme staatlicher Rechtspflegeverfahren erschüttern.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt eine Haftung der Beklagten auch nicht aus einer durch Vertrag begründeten Sonderbeziehung der Parteien.

Auch in diesem Fall stellt die Inanspruchnahme eines staatlichen Rechtspflegeverfahrens grundsätzlich keine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung dar. Die Rechtsverfolgung auf Grund eines vertraglichen Anspruchs duldet grundsätzlich keine Einschränkungen, denen nicht auch die Durchsetzung eines deliktsrechtlichen Anspruchs unterliegt. Hiervon ist der Senat bereits ausgegangen (BGHZ 20, 165 [172]; ebenso das Schrifttum, vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 280 Rz. 27; Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, 1968, S. 265 ff.; Schultz-Süchting, Dogmatische Untersuchungen zur Frage eines Schadensersatzanspruches bei ungerechtfertigter Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens, 1971, S. 21; Zeiss, NJW 1967, 703 [706 f.]). Allerdings kann es unter außergewöhnlichen Verhältnissen nicht ausgeschlossen sein, dass eine Partei, weil die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens oder der Vertragszweck eine einvernehmliche Abwicklung gebieten, die Durchsetzung eigener Ansprüche im Wege eines staatlichen Verfahrens zurückstellen muss (Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, 1968, § 267 f.). Ob dieser Gedanke dazu führen kann, dass die Partei, die gleichwohl staatliche Hilfe in Anspruch nimmt, unter besonderer Berücksichtigung der Rechte der Gegenseite vorgehen muss, bedarf hier keiner näheren Erörterung. Eine Vertrauenslage oder eine vertragliche Zwecksetzung dieser Art besteht zwischen den Parteien nicht. Die die Beklagte als Erbin der ursprünglichen Vertragspartnerin (Großmutter) treffende Pflicht, dem Leistungserfolg, nämlich dem Fortbestehen des Vorkaufsrechts bis zum vertraglichen Vorkaufsfall, nicht entgegenzuwirken, bietet hierfür keine Grundlage.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 1. Halbs. ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1283899

BGHR 2005, 370

DWW 2005, 115

FamRZ 2005, 362

NJW-RR 2005, 315

DNotI-Report 2005, 5

MittBayNot 2005, 245

ZAP 2005, 272

ZEV 2005, 65

ZfIR 2005, 106

MDR 2005, 263

Rpfleger 2005, 135

Rpfleger 2005, 185

NotBZ 2005, 69

ZNotP 2005, 105

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