Leitsatz (amtlich)

›Wer den Abschluß eines nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Benachteiligung des anderen Teils sittenwidrigen Vertrages herbeiführt, kann wegen schuldhafter Verletzung der vorvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf seinen Vertragspartner zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet sein, die dieser im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrages tätigt.‹

 

Verfahrensgang

OLG Köln

LG Bonn

 

Tatbestand

Der Kläger beabsichtigte im Jahre 1981, zusammen mit seinem damaligen Geschäftspartner als Gesellschafter einer Firma M. Verwaltungs-Gesellschaft mbH (künftig: M.), die nicht im Handelsregister eingetragen worden ist, Schnellrestaurant-Ketten verschiedenen Typs zu entwickeln und im Franchisesystem betreiben zu lassen. Am 25. Juni 1981 schlossen die M. als Verkäuferin und die beklagten Eheleute einen Kaufvertrag, in dem sich die Verkäuferin zur vollständigen Einrichtung zum Betrieb einer Gastwirtschaft "S." in dem seinerzeit im Bau befindlichen Einkaufszentrum B.-T., die Beklagten ihrerseits zur Zahlung eines voraussichtlichen Gesamtpreises von 200.000,-- bis 250.000,-- DM zzgl. Mehrwertsteuer verpflichteten. Die Beklagten sollten eine Anzahlung von 60.000,-- DM nebst Mehrwertsteuer leisten, der restliche Kaufpreis sollte finanziert werden. Den Käufern stand ein Rücktrittsrecht zu, wenn sich eine Finanzierung nicht realisieren ließ. Ebenfalls am 25. Juni 1981 trafen dieselben Vertragsparteien eine als "Franchise-Vertrag" bezeichnete Vereinbarung. Außerdem mieteten die Beklagten von dem Betreiber des Einkaufszentrums die für das Restaurant vorgesehenen Räume. Im Juni 1981 leisteten sie die vereinbarte Anzahlung von 67.800,-- DM. Im September 1982 schlossen die Beklagten mit einer Brauerei einen Bierlieferungs- und Darlehensvertrag; der Darlehensbetrag von 20.000,-- DM wurde im Einverständnis der Beklagten unmittelbar an den Kläger ausbezahlt.

Mit Schreiben vom 13. September 1982 lehnte die D. Bank ohne Angabe von Gründen den Kreditantrag der Beklagten ab. Die vom Kläger auf Rechnung der Beklagten bestellte Gaststätteneinrichtung wurde im September/Oktober 1982 geliefert und installiert. Am 30. September 1982 unterzeichnete der Beklagte zu 2 eine Auftragsbestätigung einer Firma N., die das Kücheninventar lieferte. Am 15. Oktober 1982 wurde die Gaststätte eröffnet. Mit Anwaltsschreiben vom 22. November 1982 ließen die Beklagten den Rücktritt von dem Kaufvertrag und die fristlose Kündigung des Franchisevertrages erklären und diese Erklärungen unter dem 16. März 1983 - nach zwischenzeitlichen ergebnislosen Verhandlungen und Finanzierungsbemühungen der Parteien - wiederholen. Am 1. April 1983 wurde das Restaurant geschlossen.

Mit der Klage hat der Kläger Zahlung eines restlichen Kaufpreises von 201.522,39 DM verlangt. Diese Klage hat das Landgericht mit der Begründung abgewiesen, der Franchisevertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig und dies habe auch die Unwirksamkeit des Kaufvertrages zur Folge. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht mit rechtskräftigem Teilurteil vom 19. Oktober 1984 zurückgewiesen.

Mit dem jetzt noch allein im Streit befindlichen Widerklageantrag machen die Beklagten Rückzahlung der von ihnen geleisteten 87.800,-- DM (67.800,-- DM Anzahlung und 20.000,-- DM an den Kläger ausgezahltes Darlehen der Brauerei) geltend. Das Landgericht hat den Kläger bis auf einen Teil der Zinsen antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat mit Schlußurteil vom 30. August 1985 unter Abweisung der Widerklage im übrigen die Verurteilung des Klägers in Höhe von 28.086,99 DM Zug um Zug gegen Herausgabe eines Teils des Gaststätteninventars aufrechterhalten und festgestellt, daß der Kläger sich mit der Annahme der herauszugebenden Gegenstände in Verzug befinde. Die Revision der Beklagten, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, richtet sich gegen die Abweisung der Widerklage in Höhe von 49.713,01 DM.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Es halte an seiner im Teilurteil vertretenen Meinung fest, daß der Franchisevertrag gemäß § 138 BGB nichtig sei, weil die Interessen des Franchisegebers in zahlreichen Bestimmungen einseitig berücksichtigt seien und den Beklagten nahezu das gesamte wirtschaftliche Risiko aufgebürdet werde, von der Unwirksamkeit werde auch der Kaufvertrag erfaßt. Die an den Kläger - unmittelbar oder als Rechtsnachfolger einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (M.) - geleisteten Zahlungen von 67.800,-- DM und 20.000,-- DM seien deshalb ohne Rechtsgrund erfolgt und müßten zurückgewährt werden. Daneben sei der Kläger den Beklagten auch aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen schadensersatzpflichtig, weil er ihnen nichtige Verträge "angedient" habe. Die gegen die guten Sitten verstoßende Einseitigkeit des Franchisevertrages habe der Kläger als Mitverfasser und Mitverwender zu vertreten. Die im Vertrauen auf die Verbindlichkeit dieser Verträge gemachten Aufwendungen müsse er ersetzen. Der Schadensersatzanspruch der Beklagten beschränke sich allerdings auf diejenigen Aufwendungen, die sie zur Erfüllung des nichtigen Vertrages zu einer Zeit gemacht hätten, als sie nicht nur auf die Wirksamkeit der Vertragsabschlüsse mit M. vertrauten, sondern auch nicht aus anderen Gründen damit zu rechnen brauchten, daß die Verträge nicht durchgeführt würden. Davon hätten sie nach der Absage der D. Bank vom 13. September 1982 nicht mehr ohne weiteres ausgehen können. Weitere Aufwendungen nach diesem Zeitpunkt hätten sie daher auf eigene Gefahr getätigt. Hierzu habe die Darlehensaufnahme bei der Brauerei gehört, weil die Beklagten den Bierlieferungsvertrag nach den Bestimmungen des Abzahlungsgesetzes hätten widerrufen und so den damit gekoppelten Darlehensvertrag stornieren, mindestens aber die Auszahlung des Darlehens an den Kläger hätten verhindern können; hinsichtlich des Betrages von 20.000,-- DM stehe ihnen daher nur ein Anspruch auf Bereicherungsausgleich zu. Es habe für den Beklagten zu 2 auch keine Notwendigkeit bestanden, am 30. September 1982 bei ungeklärter Finanzierungssituation die Kücheneinrichtung bei der Firma N. im eigenen Namen zu bestellen.

Gegenüber den Ansprüchen der Beklagten stehe dem Kläger ein Bereicherungsanspruch in Höhe seiner Zahlungen (48.483,01 DM) an die Firma N. zu, weil er nicht aus schadensersatzrechtlichen Gründe verpflichtet gewesen sei, den Beklagten zu 2 von dessen Schuld freizustellen. Ein weiterer Abzug von der Widerklageforderung ergebe sich daraus, daß die Brauerei die vom Kläger gekauften und bezahlten und ihr sicherungsübereigneten Kühlzellen verwertet und den Erlös von mindestens 10.000,-- DM auf die Darlehensforderung gegen die Beklagten verrechnet habe. Abzusetzen sei von der Widerklageforderung schließlich der Kaufpreis von 1.230,-- DM für eine Musikanlage, die die Beklagten zu behalten wünschten; die hierauf bezogenen Erklärungen der Parteien seien als Vereinbarung eines Bereicherungsausgleichs zu werten. Nach Abzug der genannten drei Positionen (48.483,01 DM + 10.000,-- DM + 1.230,-- DM) von dem Zahlungsanspruch der Beklagten (87.800,-- DM) erweise sich die Widerklage in Höhe von 28.086,99 DM als begründet.

II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Mit dem Berufungsgericht ist allerdings von der schon in seinem rechtskräftigen Teilurteil und auch in dem landgerichtlichen Urteil vertretenen Auffassung auszugehen, daß der Franchisevertrag wegen einer Vielzahl der den Franchisegeber einseitig begünstigenden und die Beklagten übermäßig in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit beschränkenden Bestimmungen, für die ihnen kein auch nur annähernd angemessener Ausgleich gewährt worden ist, insgesamt nichtig ist (§ 138 Abs. 1 BGB) und daß von dieser Nichtigkeit auch der Kaufvertrag erfaßt wird (§ 139 BGB). Diese Beurteilung, die sich die Revision zu eigen macht und die auch von der Revisionserwiderung nicht in Zweifel gezogen wird, läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

2. Aus der Nichtigkeit dieser Verträge folgt, daß der Kläger den von den Beklagten an ihn geleisteten Betrag von 87.800,-- DM ohne Rechtsgrund erlangt hat; er schuldet, soweit er bereichert ist, Herausgabe des Erlangten (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob den Beklagten zugleich ein Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen (Anzahlung und Brauereidarlehen) aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens des Klägers bei Vertragsverhandlungen zusteht, kann in diesem Zusammenhang ebenso offen bleiben wie die von der Revision aufgeworfene Frage nach der Möglichkeit eines Rücktritts von einem nichtigen Vertrag. Auch aus den Vorschriften der §§ 249 ff. BGB oder der §§ 346 ff. BGB stünden den Beklagten keine weitergehenden Ansprüche auf Rückzahlung der 87.800,-- DM zu als aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.

3. Zu Recht hat das Berufungsgericht geprüft, ob den Beklagten Leistungen zugute gekommen sind, die ihren Rückzahlungsanspruch - sei es im Wege des vorzunehmenden Bereicherungsausgleichs, sei es wegen eines eigenen vom Kläger zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruchs - verringern.

a) Das Berufungsgericht geht ohne Rüge der Parteien davon aus, daß der Kläger auf die Rechnung der Firma N. einen Betrag in Höhe von 48.483,01 DM gezahlt hat. Durch diese Zahlung hat der Kläger den Beklagten zu 2 von dessen Schuld gegenüber der Firma N. befreit. Denn das Berufungsgericht hat in nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung angenommen, daß der Beklagte z 2 durch die Unterzeichnung der Auftragsbestätigung Vertragspartner der Firma N. geworden ist. Die Zahlung des Klägers erfolgte auch insoweit "ohne rechtlichen Grund", als der Kaufvertrag vom 25. Juni 1981, der den Verkäufer im Innenverhältnis zu den Beklagten zur Bezahlung der Gaststätteneinrichtung verpflichtet haben könnte, nichtig war. Daß der Kläger sich jetzt, wie die Revision ausführt, noch im Besitz einiger von der Firma N. gelieferter Küchenmöbel befinden soll, steht seinem Verlangen auf Anrechnung des von ihm für den Beklagten zu 2 gezahlten Betrages nicht entgegen.

b) Dem Kläger stünde indessen - wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt - kein Ausgleichsanspruch zu, wenn er wegen eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen verpflichtet war, den Beklagten zu 2 von dessen Kaufpreisschuld freizustellen.

aa) Zu Unrecht wendet sich die Revisionserwiderung gegen den Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wegen Verschuldens bei Vertragsschluß könne sich auch derjenige haftbar machen, der einen von ihm verfaßten und verwendeten, aber unwirksamen Vertrag mit seinem Partner schließt. Seit jeher hat die Rechtsprechung für bestimmte Sachverhaltsgestaltungen die Ansicht vertreten, daß bei einem unwirksamen Vertrag die Partei wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen schadensersatzpflichtig sein kann, die den Grund der Unwirksamkeit zu vertreten hat (vgl. z.B. auch Palandt/Heinrichs, BGB, 45. Aufl., § 276 Anm. 6 B b; MünchKomm-Emmerich, BGB, 2. Aufl., Rdn. 44 vor § 275; Jauernig/Vollkommer, BGB, 3. Aufl., § 276 Anm. VI 2 a; Brandner, Festschrift für W. Oppenhoff, 1985, S. 11 ff., 21), so etwa bei unterlassener Aufklärung über das Fehlen einer nach dem Gemeinderecht gültigen Vollmacht (BGHZ 6, 330, 333), über die devisenrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit eines Geschäfts (BGHZ 18, 248, 252 f.), über die gesetzliche oder vertragliche Formbedürftigkeit eines Vertrages (BGH, Urteil vom 29. Januar 1965 - V ZR 53/64 = NJW 1965, 812, 814; Senatsurteil vom 19. April 1967 - VIII ZR 8/65 = WM 1967, 798) und über die Nichtigkeit eines Geschäfts wegen Gesetzwidrigkeit (OLG Düsseldorf, BB 1975, 201) oder bei schuldhafter Herbeiführung eines sog. "versteckten Dissenses" (RGZ 104, 265, 267 f.). Im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entspricht es der neueren Auffassung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28. Mai 1984 - III ZR 63/83 = WM 1984, 986 unter II 5 a bb) und der nahezu einhelligen Meinung des Schrifttums (Brandner aaO., S. 18, 20 f.; ders. in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Kommentar, 4. Aufl., § 9 Rdn. 54; Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, § 9 Rdn. 140; MünchKomm-Emmerich aaO., Rdn. 51 vor § 275; Palandt/Heinrichs aaO., Anm. 3 e vor § 8 AGBG, § 6 AGBG Anm. 4 d; Bauer BB 1978, 476, 477; ebenso jedenfalls für Fälle der Gesamtnichtigkeit des Vertrages auch Ulmer aaO., § 6 Rdn. 50; Lindacher aaO., § 6 Rdn. 27; Erman/Hefermehl, BGB, 7. Aufl., § 7 Rdn. 17), daß der Verwender unwirksamer Geschäftsbedingungen sich bei Verschulden seinem Vertragspartner gegenüber schadensersatzpflichtig machen kann, wenn dieser im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Klausel oder des ganzen Vertrages nutzlose Aufwendungen tätigt. Nicht anders kann es bei der schuldhaften Verwendung eines nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Benachteiligung des anderen Teils sittenwidrigen Vertrages liegen (ebenso z.B. Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 138 Rdn. 119; Erman/Battes aaO., § 306 Rdn. 13; vgl. auch Medicus in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, 1981, S. 517 f., 519, der allerdings immer einen deliktischen Anspruch für gegeben hält; anders Soergel/Reimer Schmidt, BGB, 10. Aufl., § 309 Rdn. 1). Dem Einwand der Revisionserwiderung, daß die Haftung des Verwenders eines ihn einseitig begünstigenden und deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrigen Vertrages sich auf den Tatbestand des § 826 BGB beschränken müsse, kann nicht gefolgt werden. Der Haftungsgrund besteht in der Verletzung der vorvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber dem anderen Vertragsteil (BGH, Urteil vom 28. Mai 1984 aaO.), in dem Vertrauen auf das Bestehen eines Vertragsverhältnisses erweckt wird; er setzt hier wie in vergleichbaren Fällen der Haftung für vorvertragliches Verhalten zwar Verschulden, nicht aber einen auf sittenwidrige Schadenszufügung gerichteten Vorsatz voraus.

bb) Im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg beanstandet die Revisionserwiderung, das Berufungsgericht habe ein Verschulden des Klägers nicht festgestellt. Allerdings stoßen die Ausführungen des Berufungsgerichts, der Kläger habe die Nichtigkeit des Vertrages zu vertreten, ohne daß es auf sein Bewußtsein von den rechtlichen Auswirkungen der Vertragsgestaltung ankomme, in dieser Allgemeinheit auf Bedenken. Das Berufungsgericht hatte im vorliegenden Fall zu näheren Ausführungen aber deshalb keinen Anlaß, weil es an jedem Vortrag des Klägers dazu fehlte, daß und aus welchen Gründen er die gegen die guten Sitten verstoßende Einseitigkeit der Vertragsgestaltung nicht erkannt hat und auch nicht erkennen mußte. Darlegungspflichtig hierfür war der Kläger. Im Bereich der Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen hat die Rechtsprechung zwar keine generelle Umkehr der Beweislast nach Art. des § 282 BGB vorgenommen. Wohl aber hat sie bei einzelnen vorvertraglichen Rechtsbeziehungen, insbesondere bei der Verletzung von Schutz- und Aufklärungspflichten die Darlegungs- und Beweislast nach Organisations- oder Gefahrenbereichen verteilt (BGHZ 66, 51, 53; 67, 383, 387; BGH, Urteile vom 26. September 1961 - VI ZR 92/61 = NJW 1962, 31 unter 2 und vom 24. März 1977 - III ZR 198/74 = NJW 1978, 41 unter II 2; vgl. auch Staudinger/Löwisch aaO., § 282 Rdn. 25; Jauernig/Vollkommer aaO., § 282 Anm. 1 d bb). Ebenso verhält es sich hier. Für die Frage, ob der Kläger den Franchisevertrag trotz der zahlreichen die Beklagten einseitig belastenden Regelungen für wirksam halten durfte, können nur Vorgänge - wie möglicherweise etwa eine rechtliche Beratung des Klägers oder die Verwendung eines von einem angesehenen Verband empfohlenen Formularvertrages - von Bedeutung sein, zu denen von den Beklagten tatsächliche Behauptungen nicht zu erwarten sind während der Kläger in der Lage sein muß, hierüber Aufschluß zu geben. Mangels derartiger Erklärungen konnte das Berufungsgericht davon ausgehen, daß der Kläger die vorvertragliche Pflichtverletzung zu vertreten hat.

cc) Dem Berufungsgericht kann aber nicht darin zugestimmt werden, daß es eine Verpflichtung des Klägers zur Freistellung des Beklagten zu 2 von dessen Kaufpreisschuld gegenüber der Firma N. mit der Begründung verneint hat, dieser habe bei Vertragsabschluß am 30. September 1982 auf die Durchführung der Verträge vom 25. Juni 1981 nicht mehr vertrauen dürfen. Anders als nach den Vorschriften der § 122 Abs. 2, 179 Abs. 3 Satz 1, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB schließt bei einem Anspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen ein Mitverschulden des Geschädigten den Ersatzanspruch nicht von vornherein aus (Senatsurteil vom 19. April 1967 - VIII ZR 8/65 = WM 1967, 798 unter II 3 mit Hinweis auf RGZ 151, 357, 359; Palandt/Heinrichs aaO., § 276 Anm. 6 D). Ein etwaiges Mitverschulden des Geschädigten, das darin besteht, daß er nicht auf die Wirksamkeit des von ihm geschlossenen Vertrages hätte vertrauen dürfen, ist vielmehr allein nach § 254 BGB zu berücksichtigen (vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Mai 1974 - V ZR 158/72 = MDR 1974, 918; BAGE 14, 206, 211; Alff in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 276 Rdn. 107; Gottwald, JuS 1982, 877, 884). Ebenso ist der Umstand zu beurteilen, daß der Beklagte zu 2, wie das Berufungsgericht meint, nicht mehr mit der Durchführbarkeit der von ihm geschlossenen Verträge mit der M. hätte rechnen dürfen. Auch hier ist es nicht gerechtfertigt, die von dem Kläger schuldhaft gesetzte Ursache für die Vermögensaufwendungen seines Vertragspartners deshalb von vornherein gänzlich unberücksichtigt zu lassen, weil der andere Teil sich später in eine ihm erkennbare - andere - Gefahrenlage begeben hat.

Die dem Tatrichter vorbehaltene Abwägung unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB muß das Berufungsgericht nachholen. Die von ihm verwendeten Formulierungen - die Absage durch die D. Bank stelle ein "gewichtiges Anzeichen" dafür dar, daß die vorgesehene Kreditaufnahme "problematisch" gewesen sei; die Beklagten hätten von der Durchführung der Verträge "nicht mehr ohne weiteres ausgehen" dürfen - lassen schon nicht zweifelsfrei erkennen, ob das Berufungsgericht dem Beklagten zu 2 einen Verschuldensvorwurf machen wollte. Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile, in die das Berufungsgericht gegebenenfalls die von den Beklagten - bisher unwiderlegt - vorgetragenen Umstände wird einbeziehen müssen, daß der Kläger sie trotz ungesicherter Finanzierung zur Geschäftsaufnahme gedrängt und die Unterzeichnung der Auftragsbestätigung der Firma N. empfohlen habe.

c) Mit Recht rügt die Revision weiter, daß das Berufungsgericht von der Widerklageforderung einen Betrag von 1.230,-- DM für die Musikanlage abgezogen hat, die die Beklagten behalten haben. Dabei hat das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten unbeachtet gelassen (§ 286 ZPO), sie selbst hätten diese Anlage der Verkäuferin bezahlt. Dann aber wäre für die vom Berufungsgericht angenommene Vereinbarung der Parteien über einen "Bereicherungsausgleich" kein Raum, weil es an einer auszugleichenden Bereicherung der Beklagten fehlte.

III. Nach allem war das angefochtene Urteil in dem ausgesprochenen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit an das Berufungsgericht wegen der von ihm nachzuholenden Feststellungen zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993638

BGHZ 99, 101

BGHZ, 101

NJW 1987, 639

BGHR BGB § 138 Abs. 1 Verschulden bei Vertragsschluß 1

BGHR BGB § 254 Abs. 1 Verschulden bei Vertragsschluß 1

BGHR BGB § 282 Verschulden bei Vertragsschluß 1

BGHR BGB vor § 1 Mitverschulden 1

BGHR BGB vor § 1 Sittenwidrigkeit 1

DRsp I(125)303c-e

WM 1987, 135

ZIP 1987, 35

JuS 1987, 318

MDR 1987, 227

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