Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der angemessenen Anfechtungsfrist gegen einen Beschluß der Gesellschafterversammlung, durch den ein Geschäftsanteil eingezogen wird.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der H. GmbH & Co. Betriebs KG (im folgenden: H. KG), welche in E. ein Hotel errichtet hat und dieses über die S. Betriebsgesellschaft mbH betreibt. Von dem Stammkapital der Beklagten von 50.000,– DM hält die H. T. AG H. (T. AG) für insgesamt 369 Kommanditisten der H. KG Anteile von insgesamt 25.000,– DM. In Höhe der restlichen Anteile von zusammen 25.000,– DM war die F. Sch. Holding AG an der Beklagten beteiligt. Über das Vermögen dieser Anteilseignerin ist im August 1989 das Konkursverfahren eröffnet worden. Der Konkursverwalter hat mit am 9. November 1989 geschlossenem Vertrag die Geschäftsanteile der Gemeinschuldnerin an die Klägerin zum Preis von 250.000,– DM veräußert.

Gestützt auf § 6 Abs. 1 der Satzung der Beklagten, der die Einziehung von Geschäftsanteilen unter anderem dann zuläßt, wenn ein Anteilsinhaber in Konkurs fällt, hat die Gesellschafterversammlung der Beklagten am 29. November 1989 mit den Stimmen der T. AG und gegen diejenigen der Klägerin die Einziehung des von der Sch. AG erworbenen Geschäftsanteils beschlossen.

Mit ihrer bei Gericht am 19. Januar 1990 eingegangenen, am 8. Februar 1990 zugestellten Klage hat die Klägerin in erster Linie beantragt, den Einziehungsbeschluß für nichtig bzw. unwirksam zu erklären; hilfsweise hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 250.000,– DM begehrt. Das Landgericht hat das Hauptbegehren abgewiesen, auf den Hilfsantrag aber die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 31.162,– DM zu zahlen. Dieser Betrag ist das der Höhe nach strittige, einseitig von der Beklagten zugunsten der Klägerin ermittelte Abfindungsguthaben.

Das Berufungsgericht hat die Unwirksamkeit des Einziehungsbeschlusses festgestellt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Das Berufungsgericht befindet in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 104, 66, 69 m.w.N.), daß die unrichtige Feststellung des Abstimmungsergebnisses kein Nichtigkeits-, sondern lediglich ein Anfechtungsgrund ist. Nicht gefolgt werden kann ihm jedoch darin, daß die Klägerin die Frist für die danach gebotene Anfechtungsklage (vgl. BGHZ 104, 66 ff.; Sen.Urt. v. 16. Dezember 1991 – II ZR 58/91, WM 1992, 264, 269 = ZIP 1992, 237, 242) gewahrt hat, als sie am 19. Januar 1990 ihre Klageschrift gegen den am 29. November 1989 gefaßten Einziehungsbeschluß bei Gericht eingereicht hat.

Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 111, 224, 225 f.; ferner BGHZ 101, 113, 117; BGHZ 104, 66, 71; Urt. v. 17. Oktober 1988 – II ZR 18/88, ZIP 1989, 634, 637) ist auf Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH § 246 Abs. 1 AktG nicht in der Weise analog anzuwenden, daß die Monatsfrist streng einzuhalten ist. Vielmehr gilt eine von Fall zu Fall zu bestimmende „angemessene Frist”, die sich am „Leitbild” des § 246 Abs. 1 AktG zu orientieren hat, keinesfalls aber kürzer als dle für das Aktienrecht geltende Frist sein darf.

Auch wenn der Anfechtungskläger im GmbH-Recht nicht in jedem Fall an die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG gebunden ist, hat er doch die Anfechtungsklage mit aller ihm zumutbaren Beschleunigung zu erheben (BGHZ 101, 113, 117; BGHZ 111, 224, 226). Bei einer Überschreitung dieser Frist, kommt es darauf an, ob zwingende Umstände (BGHZ 101, 113, 117 und Sen.Urt. v. 17. Oktober 1988, ZIP 1989 aaO S. 637 m.w.N.; vgl. ferner Lutter/Hommelhoff, 13. Aufl. GmbHG Anh. § 47 Rdn. 56; Rowedder/Koppensteiner, 2. Aufl. GmbHG § 47 Rdn. 112) den Gesellschafter an einer früheren Klageerhebung gehindert haben. Der Senat hat ausgesprochen, daß die Bindung des Gesellschafters an die aktienrechtliche Anfechtungsfrist dann unzumutbar sein kann, wenn er längere Zeit benötigt, um schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen zu klären, die für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage bedeutsam sind (BGHZ 111, 224, 226). Darüber hinaus findet die Ablehnung einer strikten Analogie des § 246 Abs. 1 AktG im GmbH-Recht ihre Rechtfertigung darin, daß dem Gesellschafter der typischerweise mehr personalistisch geprägten, auf das zwischen den Gesellschaftern bestehende Vertrauen angewiesenen GmbH hinreichende Zeit gelassen werden soll, zu einer einvernehmlichen Lösung des Konflikts mit seinen Mitgesellschaftern zu gelangen (BGHZ 111, 224, 225; BGHZ 104, 66, 71). Je weniger personalistisch im konkreten Fall die Gesellschaft geprägt ist und je weniger schwierige Fragen geklärt werden müssen, um so mehr gewinnt das Moment der gebotenen Beschleunigung Gewicht (BGHZ 111, 224, 226; vgl. auch Scholz/Schmidt 7. Aufl. GmbHG § 45 Rdn. 143).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze war im vorliegenden Fall die angemessene Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage bei Einreichung des Klageschriftsatzes bei Gericht abgelaufen. Denn die Frage des Stimmrechts der Klägerin als Betroffene der Einziehung und die der Auslegung der entsprechenden Satzungsbestimmung waren nicht von der nach der erwähnten Rechtsprechung des Senats (BGHZ 111 aaO) erforderlichen so erheblichen Schwierigkeit, daß sie nicht binnen der Leitbildfrist von einem Monat geklärt werden konnten. Das gilt erst recht, wenn bedacht wird, daß diese Probleme nicht überraschend in der Gesellschafterversammlung vom 29. November 1989 aufgetreten sind, sondern daß die anwaltlich beratene Klägerin schon seit der Einberufung der allein der Beschlußfassung über die Einziehung dienenden Gesellschafterversammlung am 16. November 1989 Zeit hatte, diese sich aufdrängenden Fragen zu prüfen. Die in der Gesellschafterversammlung durch ihren Geschäftsführer und zwei Rechtsberater vertretene Klägerin bedurfte auch nicht deswegen einer längeren Prüfungszeit, weil sie das notarielle Protokoll der Gesellschafterversammlung nicht unmittelbar nach deren Beendigung ausgehändigt erhielt. Für die Beantwortung der für die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage maßgeblichen Fragen gab diese Niederschrift keinen Aufschluß. Im übrigen haben die von ihren jeweils anwesenden Anwälten beratenen Parteien sich noch am Rande der Gesellschafterversammlung vom 29. November 1989 darüber geeinigt, die von beiden Seiten als unvermeidlich angesehene Klage bei dem Landgericht E. zu erheben; dies zeigt, daß es auch aus der Sicht der Klägerin einer zeitaufwendigen Prüfung der Klagevoraussetzungen nicht bedurfte.

Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, ihr sei es wegen der personalistischen, auf einvernehmliche Regelung von Streitigkeiten angelegten Prägung der GmbH unzumutbar gewesen, binnen der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG die Klage zu erheben. Denn diese Voraussetzungen, die den Senat (BGHZ 111, 224, 225 f.) veranlaßt haben, im GmbH-Recht die Frist des § 246 Abs. 1 AktG nicht strikt anzuwenden, sondern ihr lediglich den Charakter eines Leitbildes zuzusprechen, liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Nach dem Verlauf der Gesellschafterversammlung, in welcher die andere Gesellschafterin der Beklagten den Vorschlag der Klägerin abgelehnt hatte, von der Einziehung ihres Geschäftsanteils abzusehen und zu erproben, ob man nicht trotz der auf Seiten der Treugeberkommanditisten gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin bestehenden Vorbehalte zum Wohl des Unternehmens zusammenarbeiten könne, war klar, daß eine einverständliche Regelung ausschied. Das kommt auch in der bereits erwähnten Absprache über die Erhebung der Anfechtungsklage bei dem Landgericht E. zum Ausdruck. Schließlich entspricht die Beklagte ihrer Struktur nach auch nicht dem Bild, das dem Senat in den oben erwähnten Urteilen vorgeschwebt hat, als er die GmbH als in der Regel personalistisch geprägt bezeichnet hat. Vielmehr ist die Beklagte Teil einer Kapitalanlagegesellschaft, die die finanziellen Interessen einer großen Zahl von nicht durch besonderes persönliches Vertrauen verbundenen Anlegern zu vertreten hatte.

Ist danach entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts der Einziehungsbeschluß vom 29. November 1989 nicht rechtzeitig angefochten worden, muß nunmehr die zwischen den Parteien umstrittene, nach der angefochtenen Entscheidung nicht erhebliche Frage geklärt werden, wie hoch die nach dem Verkehrswert des Geschäftsanteils im Zeitpunkt der Einziehung zu bemessende Entschädigung ist (§ 6 Abs. 3 der Satzung), deren Zahlung die Klägerin mit dem Hilfsantrag erstrebt. Zu diesem Zweck ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649087

BB 1992, 2239

NJW 1993, 129

ZIP 1992, 1622

DNotZ 1993, 251

GmbHR 1992, 801

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