Leitsatz (amtlich)

RNotO § 26; GBO § 15

Über gebotene Vorsorgemaßnahmen des Notars bei der Enthaftung eines Grundstücks, dessen lastenfreien Verkauf er beurkundet hat.

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 08.03.1966)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 8. März 1966 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision werden dem Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger fordert vom Beklagten Schadensersatz mit der Begründung, dieser habe seine Amtspflichten als Notar anläßlich der Beurkundung des Vertrages vom 13. Mai 1960 zu seinem Schaden verletzt.

An diesem Tage beurkundete der Beklagte unter Urk. Nr. 839 pfandfreien Verkauf und Auflassung des im Grundbuch von N… Bd. II Bl. … eingetragenen Grundstücks Pl.Nr. 2710 zwischen dem Kläger als Käufer und Heide H… – jetzt verheirateten E… – als Verkäuferin, diese vertreten durch ihren Vater Ludwig H…. Zu dieser Zeit war im Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücks noch die Großmutter der Verkäuferin, die Witwe Anna H…, vermerkt. Heide H… wurde erst am 20. Oktober 1961 als Eigentümerin eingetragen. Ihr war dieses Grundstück mit fünf weiteren durch einen in A… notarisch beurkundeten ”Überlassungsvertrag” vom 10. Mai 1960 unentgeltlich von Ludwig H… namens und in Vollmacht der Anna H… überlassen worden, die sich zur Freistellung etwa vorhandener Belastungen verpflichtete und in der Urkunde erklären ließ, daß die in Abtl. III eingetragenen Belastungen vereits “zur Löschung beantragt” seien.

Das verkaufte Grundstück war zusammen mit neun anderen Grundstücken durch zwei Eigentümerbriefgrundschulden in Höhe von 17.000 DM und 10.000 DM belastet. Hierzu war es wie folgt gekommen: Anna H…, die seit 1921 Eigentümerin von zehn landwirtschaftlichen Grundstücken war, erteilte Ludwig H…, ihrem Sohn und Vater der Heide, schriftlich Generalvollmacht, der Beklagte beglaubigte ihre Unterschrift. Auf Grund dieser Vollmacht bestellte Ludwig H… 1953 und 1959 die beiden Eigentümergrundschulden mit Brief an allen Grundstücken. Ab 1957 veräußerte er im Namen seiner Mutter sämtliche Grundstücke; drei Grundstücke wurden in den Jahren 1957 bis 1959 pfandfrei umgeschrieben; die Unterschriften unter den Pfandfreigabeerklärungen beglaubigte der Beklagte. Die restlichen sieben Grundstücke wurden trotz Verpflichtung ohne Pfandfreigabe an vier Erwerber übertragen. Verkauf und Auflassung eines dieser Grundstücke beurkundete der Beklagte am 23. November 1959 (Pl. Nr. 1659) und die der sechs weiteren – darunter des vom Kläger erworbenen – am 13. Mai 1960. Als Kaufpreis wurden 3 000 DM, 6 800 DM, 7 040 DM und für den Kläger 2 000 DM vereinbart. Diese Käufer zahlten teils vor, teils während der Beurkundung den Kaufpreis an Ludwig H….

Ebenfalls am 13. Mai 1960 entwarf und beglaubigte der Beklagte eine von Ludwig H… in Vertretung für Anna H… abgegebene Erklärung, durch welche die Löschung der beiden Grundschulden auf dem Grundstück Plan Nr. 2 710 beantragt und bewilligt wurde. Diese Urkunde reichte der Beklagte am 9. Juni 1960 zusammen mit den ihm übergebenen Grundschuldbriefen ohne eigenen Antrag und ohne Begleitschreiben beim Grundbuchamt in N… ein. Am 13. Juni 1960 erließ das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung nach § 18 GBO, forderte von Ludwig H… die Zahlung eines Kostenvorschusses von 50 DM und mahnte mit Schreiben vom 20. Juli 1960 mit Fristsetzung bis zum 29. Juli 1960. Da der angeforderte Vorschuß nicht einging, wies das Grundbuchamt durch Beschluß vom 1. August 1960 den Löschungsantrag zurück. Die Mitteilung ering an Ludwig H…, ihm wurden auch die beiden Briefe übersandt. Die Kosten der Zurückweisung zahlte er mit 50 DM. Dann trat er zur unberechtigten Kreditschöpfung die Grundschuld über 17.000 DM am 28. Dezember 1960 an die Bank für Landwirtschaft und Gewerbe GmbH in M… und die Grundschuld über 10.000 DM am 11. April 1961 an die I…-Werke in D… ab. Mitteilung über die Erledigung der Anträge aus der Kaufund Auflassungsurkunde vom 23. November 1959 erhielt der Beklagte kurz nach dem 28. Februar 1961 mit dem Vermerk: “Pl. Nr. 1659 ist mit Grundschulden zu 17.000 DM und 10.000 DM mitbelastet”. Der Kläger erhielt von der Abtretung der Grundschulden im Februar 1962 durch den Beklagten Kenntnis. Bei seiner Eintragung als Eigentümer im Grundbuch am 6. Juli 1962 war das Grundstück Pl. Nr. 2710 noch mit den Grundschulden belastet.

Der Kläger sowie die Käufer der übrigen nicht pfandfrei übertragenen Grundstücke mußten zur Pfandfreigabe insgesamt 26.559,92 DM aufbringen. Auf den Kläger entfiel ein Betrag von 2 708,85 DM.

Ludwig H… ist vermögenslos; er verbüßt in anderer Sache eine Freiheitsstrafe.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe ihn anläßlich der Beurkundung weder über die Belastung des Grundbuchs in Abtl. III nach Art und Höhe noch über das Erfordernis der Löschung und die Art ihrer Durchführung belehrt. Er habe ihn auch nicht über die Gefahr unterrichtet, daß Ludwig H… wieder in den Besitz der Grundschuldbriefe gelangen könne, wenn er den Löschungsvorschuß nicht einzahle. Für eine Gefährdung hätten vorliegend schon die erkennbaren Tatsachen entsprochen; infolge der Erforderlichkeit mehrerer behördlicher Genehmigungen habe in absehbarer Zeit mit einem Eigentumsübergang nicht gerechnet werden können; die Belastungen hätten den Wert der Grundstücke überstiegen, der Kaufpreis sei bereits bezahlt gewesen. Der Beklagte habe in hohem Maße fahrlässig gehandelt. Bei ordnungsmäßiger Belehrung über Belastung und Löschungsverfahren hätte er, der Kläger, ab 13. Mai 1960 bis zur Abtretung der Eigentümergrundschulden durch Ludwig H… ausreichend Gelegenheit gehabt, den nunmehr eigetretenen Schaden zu verhindern. Mit Sicherheit hätte er Maßnahmen getroffen, die eine Auslieferung der Papiere an Ludwig H… verhindert hätten. Er hätte auch den Kaufpreis oder seine Unterschrift zurückhalten können, um wenigstens den Ludwig H… zu veranlassen, den Beklagten zur Vorlegung der Löschungsbewilligung nach § 15 GBO zu beauftragen.

Im übrigen habe den Beklagten auf Grund der unterlassenen Belehrung die Verpflichtung getroffen, den Vollzug der Löschung zu überwachen. Wenn er den Löschungsantrag nach § 15 GBO gestellt und dem Grundbuchamt den Verkauf aller Grundstücke mitgeteilt hätte, wären die Eigentümergrundschuldbriefe jedenfalls nicht an Ludwig H… zurückgeleitet worden.

Ersatzansprüche gegen den Staat hätten außer Betracht zu bleiben. Solche gegen Ludwig H… und Heide E… seien nicht durchsetzbar; der Nachlaß der unterdessen verstorbenen Anna Hetsch stehe unter Nachlaßverwaltung; es seien etwa 300 DM und einiges alte Mobiliar vorhanden.

Der Kläger hat die Zahlung von 2 708,85 DM nebst Zinsen gefordert.

Der Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Er hat die Unterlassung der erforderlichen Aufklärung und Belehrung bestritten und hierzu auch auf Nr. IV Abs. 2 seiner Urkunde verwiesen. Im übrigen spiele die Höhe der Belastung dann keine Rolle, wenn wie hier keine Übernahme erfolge. Zur Belehrung über den Löschungsvorgang sei er allenfalls gegenüber Ludwig H… verpflichtet gewesen, aber nicht gegenüber dem Kläger. Hinsichtlich des Löschungsantrags habe ihm zudem keine Vollzugsüberwachungspflicht obgelegen. Im übrigen hätte es niemand verhindern können, daß Ludwig H… den Vorschuß schuldig blieb und der Löschungsantrag zurückgewiesen wurde, Ihn, den Beklagten, treffe auch kein Verschulden. Er habe nicht damit zu rechnen brauchen, daß Löschungsantrag und Grundschuldbrief nicht an ihn, sondern an einen Beteiligten herausgegeben würden. Das habe er in 35 Jahren noch niemals erlebt. Für ihn sei auch das strafbare Verhalten des Ludwig H… und der Umstand nicht voraussehbar gewesen, daß er den Gerichtskostenvorschuß von 50 DM nicht bezahlen werde, obgleich er am 13. Mai 1960 insgesamt 15.840,00 DM vereinnahmt habe. Es fehle auch an der Ursächlichkeit zwischen unterlassener Belehrung und dem eingetretenen Schaden. Ursächlich sei nur die Untreuehandlung des Ludwig H… und die ungewöhnliche Behandlung der Sache durch das Grundbuchamt.

Der Kläger und die anderen Käufer seien als Vorstandsmitglieder der Raiffeisen-Kasse N… keinesfalls unerfahren oder ungewandt. Sie seien mit Ludwig H… seit der Schulzeit bekannt und befreundet; das letzte hat der Kläger in Abrede gestellt.

Der Beklagte hat unter Hinweis auf den Nachlaß der Anna H… bestritten, daß Ludwig H… und seine Tochter als Verkäuferin zum Ersatz des Schadens nicht in der Lage seien.

Das Landgericht hat der Klage stattbegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben.

Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, daß der Beklagte anläßlich der Beurkundung vom 13. Mai 1960 den Kläger nach Grundbucheinsicht (vgl. § 40 DOfN) über den Stand des Grundbuchs, insbesondere über die eingetragene Mithaftung des Kaufgrundstückes für die beiden Brief-Grundschulden über 17.000 DM und 10.000 DM zu belehren hatte. Mit Recht weist es die Auffassung des Beklagten zurück, den genauen Grundbuchstand in Abt. III brauche er dann nicht mitzuteilen, wenn die Lasten wie hier vom Käufer nicht mitübernommen würden. Auch bei solcher Gestaltung ist der Käufer in der Regel daran interessiert, die möglichen Hindernisse einer belastungsfreien Umschreibung auf ihn zu erfahren (Daimer, Die Prüfungs- und Belehrungspflicht des Notars 2. Aufl., § 13, 17 mit weiteren Nachweisen). Der Belastungsstand kann seine Entschließung über Abschluß und inhaltliche Gestaltung des Vertrages beeinflussen. Eine solche Mitteilung war hier umso mehr geboten, als die Belastung des Kaufgrundstückes seinen Wert um ein Vielfaches überstieg.

Der Umstand, daß der Beklagte die Grundschuldbriefe und die Bewilligung der Löschung in Händen hatte – deren UrkRegNr. 841 allerdings dafür spricht, daß diese erst nach rechtswirksamer Beurkundung des Kaufvertrages (UrkRegNr. 839) abgegeben und beglaubigt wurde –, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Eine solche wäre ausnahmsweise nur dann geboten, wenn damit jedes Risiko ausgeschlossen gewesen wäre (vgl. Daimer a. a. O. § 13, 18). Davon konnte hier aber keine Rede sein, wie unten in anderem Zusammenhang noch auszuführen sein wird.

Das Berufungsgericht ist ebenso wie das Landgericht von der Nichterteilung einer solchen Belehrung überzeugt. Zutreffend erachtet es den Beweis der erfolgten Belehrung nicht dadurch erbracht, daß nach Nr. IV des verlesenen Vertragestextes die Verkäuferin für “Lastenfreistellung ohne Verzug” haftet. Den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen F…, Hu… und O… entnimmt es, daß der Beklagte bei gleicher Fassung ihrer Verträge, die teilweise unmittelbar vor und nach dem Vertrag des Klägers verhandelt und verlesen wurden, ebenfalls Art und Höhe der Belastungen nicht erwähnt habe. Entgegen der Meinung der Revision besteht kein Erfahrungssatz des Inhalts, daß die Beteiligten einer notarischen Verhandlung deren Einzelheiten nach längerer Zeit nicht mehr zuverlässig anzugeben vermögen.

2. Des weiteren hat das Berufungsgericht den Beklagten mit Recht für verpflichtet gehalten, den Kläger über die besonderen Gefahren zu unterrichten, die aus der Durchführung der Enthaftung erwachsen konnten. Zugleich mußte er einen Weg aufweisen, um die von der Gegenseite übernommen Pfandfreigabe sicherzustellen. Dabei hatte er den sichersten Weg zu wählen (vgl. Daimer, a.a.O. § 11, 57 ff).

Im allgemeinen gehört es allerdings nicht zur Aufgabe des Notars, die Auswirkung der zu beurkundenen Erklärungen daraufhin zu prüfen, ob sie nach den tatsächlichen Umständen für einen Beteiligten wirtschaftlich nachteilig sein können. Das Berufungsgericht ist jedoch zutreffend davon ausgegangen daß eine andere Beurteilung am Platze ist, wenn die Gefahr gerade aus der rechtlichen Anlage des Vertragswerks oder der vorgesehenen Art der Durchführung erwächst (vgl. BGH Urteil vom 22. November 1966 – VI ZR 39/65 = VersR 1967, 254). So ist anerkannt, daß der Notar einen Grundstückskäufer auf die Ungewöhnlichkeit und Gefährlichkeit einer Vorauszahlung des vollen Kaufpreises vor dem Eigentumsübergang hinweisen und Sicherungsmaßnahmen zu Gunsten des Käufers anregen muß (BGH Urteil vom 25. Juni 1959 – III ZR 69/58 = VersR 1959, 743). Das gilt besonders dann, wenn der Verkäufer sich zur Entschuldung verpflichtet hat (BGH Urteil vom 13. Dezember 1966 – VI ZR 59/65 = VersR 1967, 187). So lag es hier. Der Vertrag war zum Nachteil des Klägers dadurch gekennzeichnet, daß er dem Käufer keinerlei Gewähr für die Erlangung des lastenfreien Eigentums nach der Entrichtung des Kaufpreises bot. Die bedingungslose, ungesicherte Vorleistung des Klägers gab dem Verkäufer die Möglichkeit eines vertragswidrigen Verhaltens. Dem hatte der Beklagte durch die Belehrung Rechnung zu tragen, daß es üblich und zweckmäßig sei, die Enthaftung des Kaufgrundstücks sicherzustellen.

Nach dem Berufungsurteil steht allerdings nicht fest, ob der Kläger den Kaufpreis erst während oder nach der Beurkundung gezahlt hat – wovon das Landgericht ausgegangen ist – oder schon vorher. Damit kann die vom Beklagten erwartete Tätigkeit nicht in dem Vorschlag gesehen werden, die Zahlung des Kaufpreises vom Nachweis der durchgeführten Löschung der Grundschulden abhängig zu machen (vgl. BGH Urteil vom 13. Dezember 1966 – VI ZR 59/65 = a.a.O.). War der Kaufpreis aber bereits gezahlt, wovon hier zu Gunsten des Beklagten auszugehen ist, und schied damit die Gestaltung der Zahlungsvereinbarung nach Zeit und Voraussetzungen als Mittel aus, die übernommene Haftungsfreistellung zu sichern, so mußte der Beklagte Regelungen anregen, welche die übernommene Entschuldung auf anderen Wegen gewährleistete. Seine Pflicht war nicht deshalb geringer, weil der Käufer den Kaufpreis möglicherweise schon gezahlt hatte. Vielmehr war die Gefahr für den Kläger unter solchen Umständen besonders groß, trotz gezahlten Kaufpreises das Kaufgrundstück nicht lastenfrei zu erhalten. Das Berufungsgericht weist unterstützend zur Begründung der schon so gebotenen Betreuung darauf hin, daß nach seiner Feststellung der Beklagte ersah oder hätte erkennen müssen, daß Ludwig H… dem Notar Dr. He… bei der Beurkundung des Überlassungsvertrages vom 10. Mai 1960 der Wahrheit zuwider angegeben hatte, die Löschung der in Abt. III eingetragenen Lasten sei bereits beantragt. Weiterhin wußte der Beklagte, daß Ludwig H… sich gegenüber dem Käufer F… bereits am 23. November 1959 ebenfalls zur “Freistellung ohne Verzug” verpflichtet, bis zum 13. Mai 1960 aber weder Löschung noch Pfandfreigabe veranlaßt hatte. In diesem Zusammenhang erwähnt das Berufungsgericht die Möglichkeit, die Pfandfreigabe in die Urkunde aufzunehmen, so daß auch der begünstigte Kläger einen vom Verhalten des Vertragspartners unabhängigen Löschungsantrag hätte stellen können.

3. Eine dahingehende Erörterung und Beratung durch den Beklagten hat unstreitig nicht stattgefunden. Fehlte es aber an einer Belehrung des bezeichneten Inhalts und kam es schon deshalb nicht zu einer Erörterung und vorsorglichen Vereinbarung der Parteien, so hatte der Beklagte jedenfalls sicherzustellen, daß sich die von ihm trotz gebotener Amtspflicht nicht erörterte und behandelte Gefährdung nicht zum Nachteil des Klägers auswirkte. Allerdings war der Beklagte dem Kläger gegenüber hierzu nicht schon deshalb verpflichtet, weil er die durch Ludwig H… erklärte Löschungsbewilligung beglaubigt und sie mit dessen Antrag dem Grundbuchamt zum Vollzug übersandt hatte; denn dieser Vorgang spielte sich ohne Beteiligung des Klägers und zudem nach vollendeter Beurkundung des Kaufvertrages ab (vgl. BGHZ 28, 104, 110). Die Verpflichtung zum Tätigwerden im Zusammenhang mit der Enthaftung des Grundstücks war gegenüber dem Kläger vielmehr daraus entstanden, daß der Beklagte anläßlich der Beurkundung des Kaufvertrages mit Enthaftungsverpflichtung es pflichtwidrig unterlassen hatte, den Kläger auf Gefahren hinzuweisen, die diesem aus der besonderen Gestaltung der vom Beklagten beurkundeten Vereinbarung erwuchsen (vgl. Seybold-Hornig BNO 4. Aufl. § 37, 17). An einer solchen Verknüpfung fehlte es in BGHZ 28, 104.

Die dem Kläger drohende Gefahr lag nunmehr darin, daß Anna H… oder ihr Bevollmächtigter Ludwig H… den vom Beklagten lediglich als Bote (Meikel-Imhof-Riedel, Grundbuchrecht 6. Aufl. § 15, 9) an das Grundbuchamt weitergereichten Antrag zurücknahmen (vgl. Meikel-Imhof-Riedel, a.a.O. § 13, 19) oder es – wie geschehen – zur Zurückweisung ihres Antrages kommen ließen und dann nach Erhalt der Grundschuldbriefe über die Grundpfandrechte verfügen konnten. Dem vermochte der Beklagte nach der im Ergebnis zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts dadurch zu begegnen, daß er den Löschungsantrag nach § 15 GBO stellte und das Grundbuchamt in einem Anschreiben darüber unterrichtete, daß der gesamte belastete Grundbesitz durch seine Urkunden vom 13. Mai 1960 lastenfrei verkauft worden sei.

4. Die Erwägung, daß ein solches Vorgehen zur Abwendung der drohenden Gefahr geeignet war, berührt bereits die Frage der Ursächlichkeit der Amtspflichtverletzung für den Schaden. Stellt der Notar Antrag nach § 15 GBO, dann ist eine Zwischenverfügung (§ 18 GBO) an ihn zu richten, der Kostenvorschuß ist – ohne daß er Kostenschuldner wird – bei ihm anzufordern (Meikel-Imhof-Riedel a.a.O. § 13 V 203 a.E; § 15, 21 mit weiteren Nachweisen). Damit hätte der Beklagte zunächst sichergestellt, daß ihm das infolge Nichtzahlung des Kostenvorschusses – oder aus anderen Gründen – erwachsene Eintragungshindernis mitgeteilt wurde; er hätte den Kläger über einen solchen Verlauf und die ihm daraus entstehenden Gefahren unterrichten können, wozu er aus den bereits dargelegten besonderen Gründen verpflichtet war. Bei Stellung eines Antrages nach § 15 GBO wäre auch mit höchstmöglicher Sicherheit erreicht worden, daß die Grundschuldbriefe dem Beklagten ausgehändigt und damit eine vertragswidrige Verfügung durch die Veräußererseite vermieden worden wäre. Denn die vom Notar dem Grundbuchamt eingereichten Urkunden sind jedenfalls dann an ihn zurückzugeben, wenn er selbst den Antrag gestellt hat (Meikel-Imhof-Riedel a.a.O. § 15, 22). Dagegen war ein solches Vorgehen des Grundbuchamts bei dem vom Beklagten eingeschlagenen Verfahren nicht hinreichend gesichert. Allerdings wird die Auffassung vertreten, daß auch die Urkunden, die der Notar ohne eigene Antragstellung mit dem Antrag der Beteiligten dem Grundbuchamt vorgelegt hat, grundsätzlich an ihn zurückzugeben sind (Meikel-Imhof-Riedel a.a.O. § 15, 22). Es wird aber weiterhin ausgeführt, das Grundbuchamt habe sich (nur) bei nicht ganz zweifelsfreier Sachlage mit dem Notar ins Benehmen zu setzen, für wen die Urkunden vom Notar eingereicht seien, wenn diese von einer anderen Person zurückgefordert würden. Dem Grundbuchamt lag bei Eingang des Löschungsantrages noch nicht der Antrag auf Umschreibung des Eigentums auf den Kläger vor und damit auch nicht der Kaufvertrag vom 13. Mai 1960, aus dem sich die Freistellungsverpflichtung ersehen ließ. Diese Urkunde wurde erst am 26. Juni 1962 dem Grundbuchamt vorgelegt. So lag es bei einer solchen Gestaltung durchaus nicht fern, daß das Grundbuchamt nicht nur Zahlungsaufforderung, Mahnung und Zurückweisung des Löschungsantrages – mit Recht – nicht an den Beklagten, sondern an Ludwig H… als den Bevollmächtigten der Antragstellerin richtete, sondern diesem auch die vorgelegten Grundschuldbriefe aushändigte. Aus den dem Grundbuch vorliegenden Urkunden war nichts anderes zu ersehen, als daß die Grundschuldbriefe durch den Beklagten für Ludwig H… als den Bevollmächtigten der Grundstückseigentümerin und Grundschuldinhaberin zur Löschung eingereicht waren. Für die Beteiligung eines anderen, hier des Klägers als des Käufers, dem ein Anspruch auf Freistellung von diesen Belastungen zustand, fand sich kein Anhalt. Gerade deshalb hat das Berufungsgericht den Beklagten außerdem für verpflichtet gehalten, das Grundbuchamt auf diese Zusammenhänge bei Weiterreichung des Löschungsantrages hinzuweisen.

Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob das Grundbuchamt mit der Aushändigung der Briefe an Ludwig H… ordnungsgemäß verfahren ist. Der Beklagte hatte unter Verletzung seiner Amtspflicht die Gefahrenlage für den Kläger hervorgerufen. Daher hatte er zur Begegnung der Gefahr jedenfalls vorsorglich das sicherere Mittel zu wählen. Dem genügte sein Verhalten nicht, das sich in der Übersendung der Löschungsbewilligung und des Antrags des Ludwig H… sowie Vorlage der Briefe erschöpfte.

5. Das Berufungsgericht ist davon überzeugt, daß der Beklagte bei eigenem Antrag nach § 15 GBO und schriftlichem Hinweis auf den lastenfreien Verkauf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Zwischenverfügung des Grundbuchamts benachrichtigt und daß im Falle der Antragsrücknahme bei ihm nachgefragt worden wäre. Damit ist die Ursächlichkeit dieses Unterlassens des Beklagten für den Schaden ohne Rechtsirrtum bejaht. Für den Ursachenzusammenhang ist genügend, daß durch die Unterlassung der Eintritt des Schadens wesentlich erleichtert und das den Schaden verursachende Vorgehen eines Dritten – hier des. Ludwig Hetsch und des Grundbuchamtes – ermöglicht wurde (Daimer a.a.O. § 36, 3 mit weiteren Nachweisen).

Daher kann im einzelnen dahinstehen, ob auch die Unterlassung der geforderten Belehrung über die wirtschaftlichen Gefahren sowie der Beratung über Mittel und Wege zu ihrer Vermeidung ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden sind, was das Berufungsgericht entgegen der Meinung der Revision ebenfalls zutreffend bejaht hat. Denn das Berufungsgericht hat sich davon überzeugt, daß der Kläger bei Belehrung über die wirtschaftlichen Gefahren sowie Beratung über Mittel und Wege zu ihrer Vermeidung mit Erfolg eine schadenhindernde Maßnahme bei Abschluß des Kaufvertrages vereinbart hätte, und bejaht damit auch die Schadensursächlichkeit dieser Unterlassungen. Unter Hinweis auf Seybold-Hornig RNotO (4. Aufl. § 19, 77) führt es aus, wenn der Notar eine gebotene Warnung unterlassen habe, so liege es ihm ob, zur Verneinung des ursächlichen Zusammenhangs besondere Umstände dafür darzulegen, daß der Kläger die Warnung nicht beachtet haben würde. Solche Umstände habe der Beklagte aber nicht vortragen können. Gegen diese Ausführung ist rechtlich nichts zu erinnern.

6. Im Ergebnis zutreffend bejaht das Berufungsgericht eine fahrlässige Verletzung der Amtspflichten durch den Beklagten. Bei der Amtspflichtverletzung gehört zur Fahrlässigkeit nicht die Voraussehbarkeit eines bestimmten Schadens (BGH Urteil vom 2. April 1959 – III ZR 22/58 = LM § 21 RNotO Nr. 13). Es genügt vielmehr, wenn der Beklagte die oben näher umrissene Belehrung des Klägers und später das gekennzeichnete Tätigwerden beim Löschungsverfahren unterließ, obwohl er erkennen mußte, daß für ihn als Notar die Pflicht zu einem entsprechenden Tätigwerden bestand. Das nimmt das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum an.

Die Durchführung des Kaufvertrages schloß jedenfalls, soweit die Enthaftung infrage stand, dem Beklagten erkennbare Gefahren für den Kläger ein, denen durch die in der Urkunde vorgesehene Vertragsabwicklung nicht hinreichend begegnet war. Dann mußte sich der Beklagte aber auch seiner Verpflichtung zur Belehrung und Anregung geeigneter Vorsorgemaßnahmen bewußt werden. Auch für die Verschuldensfrage kommt dem bereits geschilderten Hinweis des Berufungsgerichts auf das Verhalten des Ludwig H… beim Überlassungsvertrag vom 10. Mai 1960 und bei der Verwirklichung des im Kaufvertrag vom 23. November 1959 gegenüber dem Käufer F… übernommenen Enthaftungsverpflichtung Bedeutung zu, Umstände, die dem Beklagten am 13. Mai 1960 bekannt waren oder zumindest bekannt sein konnten. Die Bejahung der Fahrlässigkeit ist auch insoweit rechtlich nicht zu beanstanden, als die Verletzung der Amtspflicht darin lag, daß der Beklagte keine Vorsorge bei Durchführung der Löschung traf. Er hatte den Kläger unter schuldhafter Verletzung gebotener Amtspflicht über die nach der vorgesehenen Art der Durchführung des Vertrages naheliegende Gefährdung nicht belehrt. Schon deshalb traf ihn eine besondere Sorgfalt; er hatte den sichersten Weg zu gehen. Bei sorgfältiger Betrachtung durfte es für ihn auch nicht fernliegen, daß dem Grundbuchamt bei dem gewählten Verfahren keine Bedenken kommen würden, Ludwig H… und seine Mutter als die auch wirtschaftlich einzig Beteiligten anzusehen, wenn die von ihnen beantragte Löschung der Eigentümergrundschulden aus irgendwelchen Gründen nicht vollzogen werden konnte, und daß es die Urkunden, auch wenn es sich ihrer Einreichung durch den Notar etwa auf Grund der “Eingangsliste” bewußt war, unmittelbar an sie aushändigte. Jedenfalls konnte er eine solche Möglichkeit nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen. Dem Grundbuchamt lag, wie bereits ausgeführt, damals noch nicht der Antrag auf lastenfreie Umschreibung des Eigentums auf den Kläger vor. Daß der Beklagte sich auf Grund einer bestimmten ständigen Übung des Grundbuchamts auf seine Einschaltung bei Nichtzahlung des Vorschusses verlassen durfte, hat das Berufungsgericht ausgeschlossen. Der Bekundung des Justizamtmanns Kr… hat es entnommen, daß dieser seit 35 Jahren erstmals vor eine solche Entscheidung gestellt war.

Es stellt keine Überspannung der zu fordernden Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB) dar, wenn vom Beklagten im Hinblick auf die besonderen Umstände mehr erwartet wurde, als die Löschungsbewilligung und den Antrag des Ludwig H… samt den Briefen an das Grundbuchamt weiterzugeben und im übrigen untätig zu bleiben.

7. Die zutreffende Auffassung des Berufungsgerichts, die Haftung des Beklagten werde durch eine etwaige Amtspflichtverletzung des Beamten des Grundbuchamts nicht infrage gestellt (vgl. BGHZ 31, 5, 13), und seine rechtsfehlerfreie Feststellung, der Kläger vermöge von Ludwig H…, und von seiner Verkäuferin Heide E… keinen Ersatz zu erlangen, zieht die Revision nicht in Zweifel.

8. Nach alledem war die Revision unbegründet und mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Hanebeck, Dr. Bode, Heinr. Meyer, Dr. Weber, Dr. Nüßgens

 

Fundstellen

Haufe-Index 1384506

DNotZ 1969, 173

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