Leitsatz (amtlich)

Hat die Ehefrau ihre Zustimmung dazu gegeben, daß der Ehemann einen zu ihrem eingebrachten Gut gehörenden Anspruch in eigenem Namen zur Zahlung an sich einklagt, so wirkt die Rechtskraft der ergangenen Entscheidung auch dann gegen die Ehefrau, wenn sie nach dem 31. März 1953 (Art. 117 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes) formell rechtskräftig geworden ist.

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Entscheidung vom 07.05.1956)

LG Köln (Entscheidung vom 14.07.1955)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil der 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Köln vom 7. Mai 1956 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts in Köln vom 14. Juli 1955 teilweise abgeändert:

Die Klage wird insoweit abgewiesen, als die Klägerin von der Beklagten Zahlung eines Betrages von 2.300 DM und einer monatlichen Unterhaltsrente von 60 DM für die Zeit vom 1. November 1954 bis 1. Juni 1956 begehrt.

Die Kosten der Revision werden der Klägerin auferlegt.

Die Kostenentscheidung bleibt im übrigen dem Schlußurteil des Berufungsgerichts vorbehalten.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 2. Dezember 1950 kam die Klägerin an der Straßenbahnhaltestelle Rudolfplatz in Köln bei dem Versuch, den Anhänger des noch fahrenden Straßenbahnzuges der Linie 16 zu besteigen, zu Fall. Sie wurde überfahren und an der Wirbelsäule so schwer verletzt, daß ihre untere Körperhälfte gelähmt ist.

Mit der am 29. Oktober 1951 eingereichten Klage des Vorprozesses 5 O 178/51 LG Köln hat der Ehemann der Klägerin in Prozeßstandschaft für diese Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht. Er hat 100 DM für Sachschaden, eine monatliche Unfallrente von 60 DM und ein Schmerzensgeld von 1.000 DM verlangt. Ferner hat er gebeten, festzustellen, daß die Beklagte ein Drittel des weiteren Unfallschadens zu tragen habe. Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 1. Juli 1952 wegen überwiegenden Eigenverschuldens der Verletzten abgewiesen. Der Ehemann der Klägerin hat die Berufung gegen dieses Urteil nur wegen des Sachschadenanspruchs in Höhe von 100 DM durchgeführt, nachdem sein Antrag, ihm das Armenrecht für die Berufung zu gewähren, mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurückgewiesen worden war. Das Oberlandesgericht hat durch Urteil vom 18. Juni 1953 die Beklagte unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung von Sachschäden in Höhe von 75 DM (gleich einem Viertel der Gesamtsachschäden) verurteilt und zur Begründung ausgeführt, angesichts der von der Beklagten zu vertretenden erhöhten Betriebsgefahr, die in der Einrichtung einer Doppelhaltestelle liege, sei eine Schadensverteilung im Verhältnis von einem Viertel zu drei Vierteln angemessen.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin selbst Schadenersatzansprüche geltend gemacht und beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

  • 1.

    an sie eine für die Dauer ihrer Erwerbsunfähigkeit vom Gericht zu schätzende Unterhaltsrente von mindestens monatlich 50 DM zu entrichten,

  • 2.

    an sie 2.300 DM für Unterhaltsrückstände aus der Zeit vom 2. Dezember 1950 bis 2. Oktober 1954 zu zahlen,

  • 3.

    festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ein Viertel des in Zukunft noch entstehenden Schadens zu ersetzen.

Die Beklagte hat gebeten, die Klage abzuweisen. Sie vertritt den Standpunkt, daß die geltend gemachten Ansprüche bereits im Vorprozeß rechtskräftig aberkannt seien. Außerdem erhebt die die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte handele arglistig, indem sie sich auf Rechtskraft und Verjährung berufe. Sie, die Klägerin, sei nur durch die Armenrechtsverweigerung gehindert worden, die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil des Vorprozesses in vollem Umfang anzugreifen. Nachdem durch das Urteil des Oberlandesgerichts entschieden sei, daß doch ein Anspruch auf Ersatz eines Teilschadens bestehe, dürfe sich die Beklagte nicht mit formellen Einwendungen ihrer Verpflichtung entziehen.

Die Beklagte ist diesem Rechtsstandpunkt entgegengetreten. Sie macht im übrigen geltend, daß das Urteil des Oberlandesgerichts im Vorprozeß zu Unrecht die Verpflichtung zum teilweisen Ersatz des Schadens bejaht habe.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt,

  • 1.

    an die Klägerin vom 1. November 1954 und im Erlebensfalle bis spätestens zum 31. Dezember 1967 eine im voraus zu zahlende Rente von monatlich 60 DM, vom 1. Januar 1968 an eine im voraus zu gewährende lebenslängliche monatliche Rente von 45 DM zu entrichten,

  • 2.

    an die Klägerin 2.300 DM zu zahlen.

Das Landgericht hat ferner festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ein Viertel des in Zukunft aus dem Unfall vom 2. Dezember 1950 weiter entstehenden Schadens zu ersetzen.

Das Oberlandesgericht hat durch Teilurteil die Berufung der Beklagten insoweit zurückgewiesen, als die Beklagte sich dagegen wendet, daß sie zur Zahlung von 2.300 DM und einer Rente von 60 DM monatlich für die Zeit vom 1. November 1954 bis 1. Juni 1956 an die Klägerin verurteilt worden ist.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet, verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Rechtskraft der Entscheidung des Vorprozesses der erneut von der Ehefrau erhobenen Klage nicht im Wege stehe. Die Revision, die diesen Standpunkt bekämpft, mußte Erfolg haben.

1.

Mit Recht ist das Berufungsgericht zwar davon ausgegangen, daß mit Ablauf des 31. März 1953 (Art. 117 Abs. 1 des Grundgesetzes) der Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Ehemanns als gesetzlicher Güterstand fortgefallen ist (BGHZ 10, 266). Mit demselben Zeitpunkt ist auch die mit Art 3 Abs. 2 des Grundgesetzes in Widerspruch stehende gesetzliche Prozeßstandschaft des Ehemanns (§ 1380 BGB) beendet worden (BGH MDR 1954, 95). Auf die Frage, welche Bedeutung diese Rechtsänderung für die Rechtskraftwirkung des Vorprozesses hat, käme es nicht an, wenn die Entscheidung des Landgerichts in Köln vom 1. Juli 1952, die den Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen Beschränkung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin und auf Feststellung der weiteren Schadenersatzpflicht der Beklagten abgewiesen hat, schon vor dem 31. März 1953, also unter der Herrschaft des früheren ehelichen Güterrechts formell rechtskräftig geworden wäre. Das war jedoch nicht der Fall. Allerdings hat der Ehemann der Klägerin gegen dieses Urteil nur insoweit Berufung eingelegt, als in dem Urteil auch ein Anspruch auf Ersatz von Sachschäden abgewiesen war. Der Ehemann der Klägerin hat aber weder ausdrücklich noch stillschweigend einen Verzicht auf eine weitere Berufung erklärt, sondern im Gegenteil sowohl in der Berufungsschrift wie in der Berufungsbegründung zum Ausdruck gebracht, daß er sich eine Erweiterung seiner Berufungsanträge vorbehalte. Bei dieser Sachlage wurde der Eintritt der formellen Rechtskraft des angefochtenen Urteils in vollem Umfang bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem spätestens eine Erweiterung der Anträge vorgenommen werden konnte (vgl. RG JW 1930, 144; RG JW 1930, 3549; BGHZ 7, 143; Baumbach-Lauterbach, ZPO-Kommentar 24. Aufl. 1 B vor § 511 ZPO). Dieser Zeitpunkt war die letzte mündliche Verhandlung im Berufungsrechtszug, die am 7. Mai 1953 stattgefunden hat. Erst an diesem Tage ist die abweisende Entscheidung über die nicht mehr mit der Berufung weiter verfolgten Anträge in Rechtskraft erwachsen.

2.

Die für den früheren gesetzlichen ehelichen Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Ehemanns geltende Vorschrift des § 1380 BGB gab dem Ehemann die Ermächtigung, ein zum eingebrachten Gut seiner Ehefrau gehörendes Recht im eigenen Namen geltend zu machen. Aber diese gesetzliche Prozeßstandschaft führte noch nicht dazu, daß das erstrittene Urteil für und gegen die Ehefrau wirkte. Vielmehr war die Rechtskrafterstreckung des Urteils auf die Ehefrau gemäß § 1380 Satz 2 BGB davon abhängig, daß der Ehemann befugt war, über das Recht ohne Zustimmung der Ehefrau zu verfügen. Nach den Bestimmungen des Güterrechts wäre der Ehemann aber gerade nicht berechtigt gewesen, ohne Zustimmung der Ehefrau über deren Forderung auf Zahlung von Schadensersatzbeträgen aus einem Unfall dadurch zu verfügen, daß er Zahlung des Schadensersatzbetrages an sich verlangte (vgl. Palandt, BGBKomm 16. Aufl. Anm. 2 zu § 1376, 3 a zu § 1380). Erst die Zustimmung der Ehefrau zu dieser Prozeßführung gab dem Ehemann diese Berechtigung. Ersetzte die Zustimmung der Ehefrau die fehlende gesetzliche Befugnis des Ehemanns zur Verfügung über ein Recht der Ehefrau, so hat die Rechtsprechung stets den § 1380 Satz 2 BGB entsprechend angewandt und demgemäß aus der Zustimmung der Ehefrau zur Prozeßführung die Rechtskrafterstreckung des Urteils auf die Ehefrau abgeleitet (RGZ 77, 34; 92, 153 [156]; 135, 291 [294]; 164, 240). Dabei kam es nicht darauf an, ob die Zustimmung der Ehefrau vor oder nach der Klageerhebung erteilt war, ebenso war es gleichgültig, ob die Zustimmung der Ehefrau im Rechtsstreit behauptet war (RGZ 164, 240). Wäre das Urteil also unter der Herrschaft des früheren ehelichen Güterrechts formell rechtskräftig geworden, hätte sich die innere (materielle) Rechtskraft im vorliegenden Falle nicht deshalb auf die Frau erstreckt, weil das eheliche Güterrecht dem Ehemann Verfügungsrechte über das Gut der Frau einräumte, sondern nur deshalb, weil die Ehefrau der Prozeßführung und den sich aus der Prozeßführung ergebenden Verfügungen des Mannes zugestimmt hatte.

Nun hat hier, wie unter den Parteien unstreitig ist, eine solche Zustimmung vorgelegen. Auch das Berufungsgericht zieht nicht in Zweifel, daß das Urteil des Landgerichts infolge dieser Zustimmung der Ehefrau gegen sie gewirkt hätte, wenn es noch bei Geltung des alten Güterrechts rechtskräftig geworden wäre. Das Berufungsgericht beachtet aber nicht, daß die Zustimmung der Klägerin dem Ehemann eine nicht schon aus dem Güterstand abzuleitende und daher vom Wechsel des Güterstandes grundsätzlich unabhängige Befugnis eingeräumt hat, die angestrengte Klage für die Ehefrau durchzuführen. Es lag also angesichts dieser Ermächtigung der Ehefrau zur Prozeßführung auch eine gewillkürte Prozeßstandschaft des Ehemanns vor. Daß sich aber bei einer zulässigen gewillkürten Prozeßstandschaft die Rechtskraftwirkung auf den Rechtsinhaber erstreckt, der die Ermächtigung zur Prozeßführung erteilt hat, ist allgemein anerkannt (vgl. Wieczorek, B 3 a zu § 325 ZPO; RGZ 73, 306 [309]). Anders als in dem vom IV. Zivilsenat entschiedenen Fall des Urteils vom 20. März 1953 - IV ZR 241/52 - LM Nr. 4 zu § 325 ZPO - konnte es im vorliegenden Falle weder für das Gericht noch für den Prozeßgegner zweifelhaft sein, daß der Ehemann nicht die Klarstellung einer eigenen Rechtsstellung begehrte, sondern daß er in - sei es gesetzlicher oder gewillkürter - Prozeßstandschaft Ansprüche seiner Ehefrau geltend machte. Die Rechtskrafterstreckung auf die Ehefrau kann also nicht daran scheitern, daß die Prozeßstandschaft nicht offenkundig gewesen ist. Im übrigen ist auch noch auf folgenden Gesichtspunkt hinzuweisen:

Hätte die Klage des Ehemanns im ersten Rechtsstreit auch hinsichtlich der Ansprüche aus § 843 BGB Erfolg gehabt, so würde sich die Klägerin sicher dagegen gewehrt haben, wenn die Beklagte die innere Rechtskraft des Urteils im Verhältnis zur Klägerin in Zweifel gestellt und eine neue Entscheidung des Gerichts verlangt hätte. Die Klägerin hätte dann mit Recht darauf hinweisen dürfen, daß der Rechtsstreit von ihrem Ehemann mit ihrer Ermächtigung angestrengt und daher auch im Verhältnis zu ihr rechtskräftig entschieden worden sei. Für den Fall einer der Klägerin nachteiligen Entscheidung des mit ihrer Einwilligung vom Ehemann angestrengten Prozesses kann aber nichts anderes gelten. Auch hier steht die Rechtskraft einer neuen Klage entgegen. Ob anders zu entscheiden wäre, wenn die Klägerin ihre Einwilligung nach dem 31. März 1953 widerrufen hätte, kann dabei unerörtert bleiben.

3.

Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin sind keine besonderen Gründe ersichtlich, die es der Beklagten wegen eines darin liegenden Verstosses gegen die Anschauung aller gerecht und billig Denkenden versagen würden, sich auf die bestehende Rechtskraft des klageabweisenden Urteils zu berufen. Zwar wird davon auszugehen sein, daß der Ehemann der Klägerin im Vorprozeß infolge der Verweigerung des Armenrechts gehindert worden ist, die eingelegte Berufung auch auf die Ansprüche aus § 843 BGB und auf die Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht der Beklagten zu erstrecken. Es wird sich auch die Feststellung treffen lassen, daß die Berufung im Falle der Durchführung teilweise Erfolg gehabt hätte, da sich der Standpunkt des Oberlandesgerichts zur Sachfrage aus seinem beiden Urteilen ergibt. Da der Beklagten das Rechtsmittel der Revision zur Verfügung gestanden hätte, wäre aber auch mit dem oberlandesgerichtlichen Urteil kaum eine endgültige Entscheidung getroffen worden. Jedenfalls aber konnte die Beklagte durchaus weiter den Standpunkt vertreten, daß das Urteil des Landgerichts in Köln vom 1. Juli 1952 die Rechtslage richtig gewürdigt habe und daher aufrecht erhalten werden müsse. In diesem Zusammenhang mag darauf hingewiesen werden, daß Schadensersatzansprüche der Verletzten in ähnlichen Fällen (Auf- und Abspringen bei fahrender Straßenbahn) vom erkennenden Senat wegen überwiegenden Verschuldens (§ 254 BGB) voll abgewiesen sind (Urteil vom 21. Dezember 1955 - VI ZR 63/55 = LM Nr. 4 zu § 254 (D a) BGB und vom 26. März 1957 - VI ZR 10/56 = VersR 1957, 372). Keinesfalls kann also die Rede davon sein, daß sich die Klägerin in anstössiger Weise ein unrichtiges Urteil in Kenntnis der Unrichtigkeit zunutze mache, wobei dahingestellt bleiben mag, ob in einem solchen Fall das Hindernis der Rechtskraft einer erneuten Verhandlung und Entscheidung nicht mehr entgegenstehen würde (vgl. hierzu BGH LM Nr. 10 zu § 322 ZPO).

4.

Da die Rechtskraft des Vorurteils einer erneuten Entscheidung über die geltend gemachten Ansprüche entgegensteht war die Klage in dem Umfange abzuweisen, in dem über sie durch das Teilurteil des Berufungsgerichts entschieden worden ist.

Demgemäß war wie geschehen zu erkennen. Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 97 ZPO. Im übrigen war die Kostenentscheidung dem Schlußurteil des Berufungsgerichts vorzubehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018546

DB 1957, 944 (Volltext mit amtl. LS)

NJW 1957, 1635

NJW 1957, 1635-1636 (Volltext mit amtl. LS)

ZZP 1958, 102-104

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