Leitsatz (amtlich)

a) Das für die Bestimmung des Gegenstandswerts eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs maßgebliche Interesse des Rechtsinhabers an der Unterlassung weiterer urheberrechtlicher Verstöße ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bewerten und wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insb. seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Rechtsinhaber bestimmt. Anhaltspunkte hierfür sind der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts sowie die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung. Für generalpräventive Erwägungen, mit denen Dritte von Rechtsverletzungen abgeschreckt werden sollen, ist bei der Bewertung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs kein Raum.

b) Zu den bei der Bemessung des Gegenstandswerts zu berücksichtigenden Umständen zählen die Aktualität und Popularität des betroffenen Werks und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung. Wird ein durchschnittlich erfolgreicher Spielfilm nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin widerrechtlich öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 10.000 EUR angemessen. Liegt die Verletzungshandlung noch vor dem Beginn der Auswertung mittels DVD, kann auch ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein.

c) Das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Herunterladen über eine Internettauschbörse stellt regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung i.S.v. § 97a Abs. 2 UrhG a.F. dar.

 

Normenkette

UrhG §§ 19a, 94 Abs. 1, § 97 Abs. 2, § 97a a.F.; UWG § 12 Abs. 4; ZPO § 540 Abs. 1, § 547 Nr. 6; RVG § 23 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 27.11.2014; Aktenzeichen I-8 S 7/14)

AG Bochum (Urteil vom 26.03.2014; Aktenzeichen 67 C 3/14)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Bochum vom 27.11.2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich der Abmahnkosten i.H.v. weiteren 375,50 EUR zzgl. Zinsen abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an dem Film "Tannöd". Die von der Klägerin beauftragte ipoque GmbH stellte fest, dass dieser Film am 22.7.2010 zwischen 9:53 Uhr und 12:38 Uhr über eine Tauschbörse im Internet zum Herunterladen angeboten wurde. Die IP-Adresse, über die der Film zu den genannten Zeiten zum Herunterladen bereitgehalten wurde, war nach Auskunft der Deutschen Telekom AG einem von den Beklagten unterhaltenen Internetanschluss zuzuordnen.

Rz. 2

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.9.2010 mahnte die Klägerin die Beklagten ab und verlangte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie die Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 450 EUR und Erstattung der Abmahnkosten i.H.v. 506 EUR (1,0-Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert i.H.v. 10.000 EUR).

Rz. 3

Mit Mahnbescheid vom 8.10.2013, der den Beklagten am 10.10.2013 zugestellt worden ist, hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 600 EUR und auf Erstattung von Abmahnkosten i.H.v. 506 EUR jeweils zzgl. Zinsen geltend gemacht.

Rz. 4

Nach Abgabe der Sache an das Gericht des Streitverfahrens am 20.12.2013 hat die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1. einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch nicht weniger als 600 EUR betragen soll, zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1.2.2013 sowie 2. 506 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1.2.2013 zu zahlen.

Rz. 5

Die Beklagten haben geltend gemacht, weder am Film "Tannöd" interessiert zu sein noch über die technischen Kenntnisse zum Herunterladen des Films zu verfügen. Ihre am 1.12.2000 geborene Tochter habe den Internetanschluss ebenfalls genutzt. Diese sei von ihnen über das ordnungsgemäße Verhalten im Internet belehrt worden. Die Beklagten haben sich ferner gegen die Höhe des der Berechnung der Abmahnkosten zugrunde liegenden Gegenstandswertes gewandt und geltend gemacht, ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin sei jedenfalls auf 100 EUR beschränkt.

Rz. 6

Das AG hat die Klage abgewiesen (AG Bochum, Urt. v. 26.3.2014 - 67 C 3/14, juris). Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das Urteil des AG teilweise abgeändert und die Beklagten zur Zahlung von insgesamt 730,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.2.2013 verurteilt. Hiervon entfallen 600 EUR auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch und weitere 130,50 EUR auf die Kosten der Abmahnung. Im Übrigen hat das LG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (LG Bochum, Urt. v. 27.11.2014 - 8 S 7/14, juris). Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe des verbleibenden Differenzbetrages von 375,50 EUR weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 7

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch i.H.v. 600 EUR sowie ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten i.H.v. 130,50 EUR zu. Hierzu hat es ausgeführt:

Rz. 8

Unstreitig sei der Film "Tannöd" über den von den Beklagten unterhaltenen Internetanschluss zum Herunterladen bereitgehalten und damit ohne Zustimmung der Klägerin öffentlich zugänglich gemacht worden. Hierfür hafteten die Beklagten gemeinschaftlich. Soweit die Beklagten eine mögliche Verantwortung ihrer Tochter in den Raum gestellt hätten, sei ihrem Vortrag nicht zu entnehmen, dass und unter welchen Umständen ihre zum fraglichen Zeitpunkt erst neun Jahre alte Tochter die in Rede stehende Urheberrechtsverletzung begangen haben könne und ob sie unbeaufsichtigt Zugang zum Internet gehabt habe. Soweit die Beklagten auf mögliche Einflüsse von außerhalb der Wohnung verwiesen, sei auch diese Behauptung nicht näher unterlegt. Bei der Bemessung des im Rahmen des § 97 Abs. 2 UrhG nach der Lizenzanalogie zu bestimmenden Schadensersatzes seien die durchschnittlichen Marktpreise für aktuelle Filme zu berücksichtigen. Es dürfe aber nicht zur einer Überkompensation zugunsten der Rechteinhaber kommen. Danach ergebe sich ein Betrag von 600 EUR. Der Gegenstandswert der der Klägerin nach § 97a UrhG zuzusprechenden Abmahnkosten richte sich nach dem Wert des mit der Abmahnung verfolgten Unterlassungsanspruches. Dieser sei mit dem Doppelten der Lizenzgebühr und damit mit einem Betrag i.H.v. 1.200 EUR anzusetzen.

Rz. 9

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg.

Rz. 10

I. Die Revision ist zulässig.

Rz. 11

1. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts, soweit es ihrem bereits mit der Berufung weiterverfolgten Begehren, die Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten i.H.v. 506 EUR zu verurteilen, nicht entsprochen hat. Soweit das Berufungsgericht der auf Zahlung von Schadensersatz gerichteten unbezifferten Leistungsklage mit dem von der Klägerin genannten Mindestbetrag i.H.v. 600 EUR stattgegeben hat, nimmt die Klägerin, die insoweit auch nicht beschwert ist (vgl. BGH, Urt. v. 30.3.2004 - VI ZR 25/03, VersR 2004, 1018, 1019), das Urteil hin.

Rz. 12

2. Das Berufungsgericht hat die Revision uneingeschränkt und damit auch hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Abmahnkosten zugelassen.

Rz. 13

Die Zulassung der Revision kann auf einen Teil des Streitgegenstands beschränkt werden, der - wie ein Anspruch auf Schadensersatz und ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten - unter bestimmten Voraussetzungen Gegenstand eines Teil- oder Zwischenurteils sein kann (BGH, Urt. v. 26.3.2009 - I ZR 44/06, GRUR 2009, 660 Rz. 21 = WRP 2009, 847 - Resellervertrag). Eine Beschränkung der Revisionszulassung kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2003 - XII ZR 109/01, NJW 2004, 1324; Urt. v. 27.9.2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rz. 18; Urt. v. 14.4.2010 - VIII ZR 123/09, NJW 2010, 2122 Rz. 10). Das muss jedoch zweifelsfrei geschehen; die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht regelmäßig nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (vgl. BGH, Urt. v. 18.12.2008 - I ZR 63/06, GRUR 2009, 515 Rz. 17 = WRP 2009, 445 - Motorradreiniger; Urt. v. 9.10.2014 - I ZR 162/13, GRUR 2015, 498 Rz. 12 = WRP 2015, 569 - Combiotik; Urt. v. 11.6.2015 - I ZR 7/14, GRUR 2016, 184 Rz. 11 = WRP 2016, 66 - Tauschbörse II, m.w.N.).

Rz. 14

Das Berufungsgericht hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Rechtssache habe im Hinblick auf die Bemessung der Höhe des dem Rechteinhaber bei Verletzung seiner Rechte im Wege des "File-Sharing" zuzusprechenden Schadensersatzes grundsätzliche Bedeutung. Mit diesen Ausführungen hat es keine Beschränkung der Revision ausgesprochen, sondern lediglich deutlich gemacht, welche Gründe für die Zulassung der Revision maßgeblich waren.

Rz. 15

II. Die Revision ist begründet.

Rz. 16

1. Gegen die Zulässigkeit der Berufung, die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2014 - VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873 Rz. 12 m.w.N.), bestehen keine Bedenken. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 600 EUR beträgt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Rz. 17

Das AG hat die Klage nicht nur wegen des Anspruches auf Schadensersatz, sondern auch wegen der geltend gemachten Kosten der Abmahnung abgewiesen. Bei der Berechnung der Beschwer sind die Abmahnkosten dem Wert des Schadensersatzanspruches hinzuzurechnen, da sie nicht als Nebenforderung i.S.d. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO, sondern als Hauptforderung geltend gemacht werden. Mit der Abmahnung ist ein im Streitfall nicht anhängig gemachter Unterlassungsanspruch verfolgt worden. Die Kosten der Abmahnung beziehen sich daher auf einen Anspruch, der vom geltend gemachten Hauptanspruch unabhängig ist (vgl. BGH, Beschl. v. 17.1.2013 - I ZR 107/12, GRUR-RR 2013, 448 - Rezeptbild).

Rz. 18

2. Das Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin gem. § 97a Abs. 1 UrhG a.F. von den Beklagten die Erstattung von Abmahnkosten verlangen kann.

Rz. 19

a) Auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist § 97a UrhG in der bis zum 8.10.2013 geltenden Fassung anzuwenden. Die durch das Gesetz über unseriöse Geschäftspraktiken vom 1.10.2013 (BGBl. I, 3714, 3716) mit Wirkung ab dem 9.10.2013 eingeführten Neuregelungen zur Wirksamkeit der Abmahnung und zur Begrenzung der erstattungsfähigen Kosten nach § 97a Abs. 2 und 3 Satz 2 und 3 UrhG n.F. gelten erst für Abmahnungen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes über unseriöse Geschäftspraktiken ausgesprochen worden sind. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. zu § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. BGH, Urt. v. 28.9.2011 - I ZR 145/12, ZUM 2012, 34 Rz. 8 - Tigerkopf, m.w.N.; Urt. v. 8.1.2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rz. 11 - Bearshare; Urt. v. 11.6.2015 - I ZR 75/14, GRUR 2016, 191 Rz. 56 = WRP 2016, 73 - Tauschbörse III).

Rz. 20

b) Nach § 97a Abs. 1 UrhG a.F. soll der Verletzte den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Danach besteht ein Anspruch auf Abmahnkostenersatz, wenn die Abmahnung begründet gewesen ist, ihr also ein materieller Unterlassungsanspruch zugrunde gelegen hat. Darüber hinaus muss die Abmahnung wirksam und erforderlich sein, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen, den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH, Urt. v. 21.1.2010 - I ZR 47/09, GRUR 2010, 354 Rz. 8 = WRP 2010, 525 - Kräutertee; Urt. v. 19.5.2010 - I ZR 140/08, GRUR 2010, 1120 Rz. 16 = WRP 2010, 1495 - Vollmachtsnachweis; BGH GRUR 2016, 184 Rz. 55 ff. - Tauschbörse II; Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 97a UrhG Rz. 50; Dreier/Specht in Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 97a Rz. 8). Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Rz. 21

aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Klägerin als Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an dem Film "Tannöd" im Zeitpunkt der an die Beklagten gerichteten Abmahnung ein auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung dieses Films gerichteter Anspruch zugestanden hat (§ 97 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 19a, 94 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 UrhG). Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Rz. 22

(1) Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist im Streitfall davon auszugehen, dass der Film "Tannöd" nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt ist. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist ferner davon auszugehen, dass eine Datei mit dem Filmwerk "Tannöd" ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin ausschließlicher Verwertungsrechte über einen von den Beklagten unterhaltenen Internetanschluss im Wege des "File-Sharing" Teilnehmern einer Tauschbörse zum Herunterladen angeboten worden ist. Hiermit ist das der Klägerin zustehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§§ 19a, 94 Abs. 1 Satz 1 UrhG) widerrechtlich verletzt worden (vgl. BGH, Beschl. v. 19.4.2012 - I ZB 77/11, ZUM-RD 2012, 587 Rz. 32 f.; Schulze in Dreier/Schulze, a.a.O., § 94 Rz. 40; BeckOK/UrhR/Diesbach, Stand: 1.1.2015, § 94 UrhG Rz. 31).

Rz. 23

(2) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagten für die geltend gemachte Rechtsverletzung gem. § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG als Täter haften. Von dieser Beurteilung, gegen die die Revisionserwiderung keine Einwände erhoben hat, ist im Revisionsverfahren auszugehen.

Rz. 24

bb) Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, dass Form und Inhalt der Abmahnung den an eine berechtigte Abmahnung zu stellenden Anforderungen entsprechen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Rz. 25

3. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Gegenstandswert, aus dem die erstattungsfähigen Kosten der anwaltlichen Abmahnung zu berechnen sind, sei stets mit dem Doppelten des erstattungsfähigen Lizenzschadens anzusetzen, hält hingegen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Rz. 26

a) Die Revision rügt allerdings vergeblich, das Berufungsurteil sei insoweit nicht mit Gründen versehen (§ 547 Nr. 6 ZPO), weil das Berufungsgericht zum Beleg für die von ihm vertretene Rechtsansicht lediglich auf eine nicht durch Fundstellenangaben spezifizierte und daher nicht überprüfbare Rechtsprechung des OLG Hamm verwiesen habe.

Rz. 27

Dem in §§ 547 Nr. 6, 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO niedergelegten Begründungserfordernis ist bereits dann Genüge getan, wenn die Entscheidungsgründe erkennen lassen, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren. Eine Entscheidung ist erst dann nicht mit Gründen versehen, wenn auf einzelne Ansprüche oder auf einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel überhaupt nicht eingegangen wird (BGH, Urt. v. 15.10.1998 - I ZR 111/96, NJW 1999, 1110, 1113; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 547 Rz. 15; Jacobs in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 547 Rz. 25; Prütting in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 547 Rz. 50 f.). Danach wahrt die angegriffene Entscheidung das Begründungserfordernis. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Berechnung der Abmahnkosten sei der Wert des Unterlassungsanspruchs zugrunde zu legen, der sich auf das Doppelte des auf 600 EUR geschätzten Schadensersatzes belaufe.

Rz. 28

b) Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, das Berufungsgericht habe von dem ihm bei der Überprüfung des Gegenstandswerts zustehenden Ermessen keinen Gebrauch gemacht, weil es sich ohne nähere Erörterung einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Rechtsauffassung angeschlossen habe. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin für zutreffend erachteten Gegenstandswert einer eigenständigen Überprüfung unterzogen, sich für einen denkbaren Berechnungsansatz entschieden und damit sein Ermessen ausgeübt.

Rz. 29

c) Mit Recht wendet sich die Revision jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht den Wert des der Abmahnung zugrunde liegenden Unterlassungsanspruches auf der Grundlage des Lizenzschadens berechnet hat, ohne das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu bestimmende Interesse der Klägerin an der Unterbindung künftiger Rechtsverletzungen in den Blick zu nehmen.

Rz. 30

aa) Der Gegenstandswert einer Abmahnung wegen Verletzung eines Schutzrechtes ist nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen (BGH, Urt. v. 13.11.2013 - X ZR 171/12, GRUR 2014, 206 Rz. 13 = WRP 2014, 317 - Einkaufskühltasche; Rohn in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 23 Rz. 10). Auch die Beurteilung der Angemessenheit des vom Anspruchsteller angesetzten Gegenstandswerts liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Seine Entscheidung ist daher durch das Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob das Ermessen überhaupt und in den ihm gesetzten Grenzen ausgeübt worden ist und alle für seine Ausübung wesentlichen Umstände beachtet worden sind (BGH, Urt. v. 26.3.2009 - I ZR 44/06, GRUR 2009, 660 Rz. 22 - Resellervertrag; Urt. v. 12.7.2012 - I ZR 54/11, GRUR 2013, 301 Rz. 56 = WRP 2013, 491 - Solarinitiative; BGH GRUR 2014, 206 Rz. 17 - Einkaufskühltasche; Teplitzky/Bacher, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., Kap. 41 Rz. 92). Einer solchen Überprüfung hält das Berufungsurteil nicht stand.

Rz. 31

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Gegenstandswert der Abmahnung dem Wert des mit der Abmahnung allein geltend gemachten Unterlassungsanspruchs entspricht.

Rz. 32

cc) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, der Wert des von der Klägerin mit der Abmahnung verfolgten Unterlassungsbegehrens sei mit dem Doppelten einer fiktiven Lizenzgebühr anzusetzen. Dem kann nicht zugestimmt werden.

Rz. 33

(1) Der Wert eines Unterlassungsanspruches bestimmt sich nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße. Dieses Interesse ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bewerten (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2013 - I ZR 174/11, GRUR 2013, 1067 Rz. 12 = WRP 2013, 1364 - Beschwer des Unterlassungsschuldners; BGH GRUR 2014, 206 Rz. 16 - Einkaufskühltasche; BGH, Beschl. v. 11.11.2015 - I ZR 151/14, juris Rz. 7) und wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insb. seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des verletzten Schutzrechts bestimmt (vgl. BGH, Beschl. v. 26.4.1990 - I ZR 58/89, GRUR 1990, 1052, 1053 - Streitwertbemessung; BGH GRUR 2013, 301 Rz. 56 - Solarinitiative; Hirsch in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., Kap. 18 Rz. 28).

Rz. 34

(2) Anhaltspunkte für die Beurteilung der mit dem Unterlassungsanspruch abzuwehrenden Gefährdung der Interessen des Inhabers eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts sind sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung (sog. Angriffsfaktor; vgl. BGH GRUR 2014, 206 Rz. 16 - Einkaufskühltasche; KG, ZUM-RD 2011, 543, 544; OLG Brandenburg, ZUM-RD 2014, 347 Rz. 17; OLG Celle, ZUM-RD 2014, 486 Rz. 5; OLG Schleswig, ZUM-RD 2015, 473 Rz. 10; OLG München, BeckRS 2015, 08403 Rz. 6; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 97 UrhG Rz. 223; Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 105 UrhG Rz. 8; Rachow in Limper/Musiol, Urheber- und Medienrecht, 2011, Kap. 21 Rz. 252; Nordemann-Schiffel in Mayer/Kroiß, a.a.O., Anhang I Abschnitt V Rz. 13). Der Angriffsfaktor wird insb. durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der Begehung des Rechtsverstoßes und eine hierdurch etwa begründete Gefahr der Nachahmung durch Dritte sowie subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers wie den Verschuldensgrad bestimmt (BGH, Beschl. v. 24.2.2011 - I ZR 220/10, AfP 2011, 216 Rz. 5; BGH GRUR 2013, 1067 Rz. 12 - Beschwer des Unterlassungsschuldners; BGH, Beschl. v. 11.11.2015 - I ZR 151/14, juris Rz. 7, m.w.N.; Ahrens/Büttner, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 40 Rz. 39; Teplitzky/Feddersen, a.a.O., Kap. 49 Rz. 13 und 16).

Rz. 35

(3) Das mit dem Unterlassungsbegehren verfolgte Interesse des Anspruchstellers ist darauf gerichtet, in Zukunft weitere oder fortgesetzte Rechtsverletzungen zu unterbinden. Der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verletzungshandlung kommt bei der Wertbemessung Indizwirkung zu. Allerdings kann auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren - etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen - Rechnung zu tragen sein (BGH GRUR 2014, 206 Rz. 16 - Einkaufskühltasche; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2011, 341 Rz. 3; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rz. 205; Ahrens/Büttner, a.a.O., Kap. 40 Rz. 40; Teplitzky/Feddersen, a.a.O., Kap. 49 Rz. 14; Spätgens in Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 87 Rz. 3).

Rz. 36

dd) Diesen Maßstäben wird eine Wertbemessung, die sich allein an der Höhe des Lizenzschadensersatzes orientiert, nicht gerecht.

Rz. 37

(1) In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird der Wert des auf die Verletzung von Urheberrechten gestützten Unterlassungsanspruchs verschiedentlich auf der Grundlage der für die geschehene Nutzungshandlung anzusetzenden Lizenzgebühr berechnet (vgl. zur öffentlichen Zugänglichmachung von Produktfotografien OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 93, 94; OLG Hamm, GRUR-RR 2013, 39; OLG Nürnberg, WRP 2013, 667, 668; OLG Brandenburg NJW-RR 2014, 227, 228 und eines Kartenausschnitts OLG Schleswig, GRUR-RR 2010, 126 sowie in Abgrenzung hierzu OLG Hamm, Urt. v. 17.11.2015 - 4 U 34/15, juris Rz. 173). Diesen Entscheidungen liegt die Erwägung zugrunde, dass das Interesse des Rechtsinhabers an der Abwehr künftiger Rechtsverletzungen im Einzelfall vorrangig dem Interesse entsprechen kann, die eigene Lizenzierung vergleichbarer Nutzungen sicherzustellen, während andere Faktoren wie die Beeinträchtigung anderweitiger Auswertungsmöglichkeiten, die Gefahr der Nachahmung des Rechtsverstoßes, Intensität und Dauer der Verletzungshandlung und der Verschuldensgrad auf Verletzerseite in den Hintergrund treten (vgl. auch OLG Celle, GRUR-RR 2012, 270 und OLG Hamm, Beschl. v. 23.8.2012 - 22 W 55/12, juris zur öffentlichen Wiedergabe von Sportsendungen sowie OLG Schleswig, ZUM-RD 2015, 473 und LG Flensburg, ZUM 2016, 299 zum Angebot eines Vervielfältigungsstücks eines nicht autorisierten Konzertmitschnitts; vgl. ferner Saenger/Bendtsen, ZPO, 6. Aufl., § 3 Rz. 15 Stichwort "Urheberrechtsverletzung"; Heinrich in Musielak/Voit, a.a.O., § 3 Rz. 36 Stichwort "Unterlassung").

Rz. 38

(2) Eine schematische Bestimmung des Gegenstandswertes eines Unterlassungsanspruches auf der Grundlage eines Mehrfachen der für die bereits geschehene Nutzung anzusetzenden fiktiven Lizenzgebühr trägt allerdings weder der unterschiedlichen Funktion von Schadensersatz- und Unterlassungsanspruch Rechnung, noch ist sie mit dem bei jeder Wertbestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu beachtenden Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalles in Einklang zu bringen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.1.2015 - I ZR 95/14, WRP 2015, 414 Rz. 2 f.).

Rz. 39

Zwar ist das Interesse des Unterlassungsgläubigers an der Unterbindung künftiger Verletzungen eines urheberrechtlich geschützten Rechts auch anhand des wirtschaftlichen Wertes des verletzten Schutzrechts zu bestimmen und dieser schlägt sich u.a. in den Lizenzeinnahmen nieder, die ein Rechtsinhaber bei der Auswertung eines Werkes üblicherweise für vergleichbare Nutzungshandlungen erzielen kann (vgl. hierzu OLG Hamm NJW-RR 2014, 229, 230; OLG Köln, ZUM 2013, 497, 498). Dass die Erteilung einer Lizenz im Falle der widerrechtlichen Zugänglichmachung durch Bereitstellung eines Werks in einer Internettauschbörse tatsächlich nicht in Betracht kommt, steht dabei der Heranziehung einer sog. fiktiven Lizenz nicht entgegen, weil es sich hierbei um einen normativen Maßstab handelt, der nicht voraussetzt, dass es bei korrektem Verhalten des Verletzers tatsächlich zum Abschluss eines Lizenzvertrags gekommen wäre (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 22.3.1990 - I ZR 59/88, GRUR 1990, 1008, 1009 - Lizenzanalogie; Urt. v. 17.6.1992 - I ZR 107/90, BGHZ 119, 20, 26 - Tchibo/Rolex II; BGH GRUR 2016, 184 Rz. 49 ff. - Tauschbörse II).

Rz. 40

Der Wert des verletzten Schutzrechtes und dessen drohende Beeinträchtigung durch künftige Verletzungen wird jedoch nicht allein durch die für eine konkrete Nutzungshandlung zu erzielenden fiktiven Lizenzeinnahmen, sondern auch durch die dem Rechtsinhaber insgesamt zu Gebote stehenden Auswertungsmöglichkeiten bestimmt, deren Verwirklichung durch künftige Rechtsverletzungen beeinträchtigt zu werden droht. Neben der - je nach Art des verletzten Rechts - in Betracht zu ziehenden Beeinträchtigung verschiedener Verwertungsarten können auch Faktoren wie die Aktualität und Popularität des Werkes, dessen künftige Nutzung durch den Unterlassungsschuldner unterbunden werden soll, von Bedeutung sein.

Rz. 41

Die vom Verletzer auf der Grundlage der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG) für eine bereits erfolgte Nutzung als Schadensersatz zu entrichtende fiktive Lizenzgebühr dient dem Ausgleich der Einbußen, die der Rechtsinhaber durch den widerrechtlichen Eingriff in die ihm zustehenden Verwertungsrechte erlitten hat. Bei der Bewertung des Interesses des Rechtsinhabers an der Abwehr künftiger Verletzungshandlungen muss hingegen nicht nur dem Interesse an der Verhinderung fortgesetzter unlizenzierter Nutzungen Rechnung getragen werden, sondern es ist auch das einer fortgesetzten Rechtsverletzung innewohnende Gefährdungspotential für das Schutzrecht und seine wirtschaftliche Auswertung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.2015 - I ZR 19/14, GRUR 2016, 176 Rz. 80 = WRP 2016, 57 - Tauschbörse I; BGH GRUR 2016, 184 Rz. 73 - Tauschbörse II). Die Bereitstellung eines Werkes über eine Tauschbörse im Internet eröffnet einer unbegrenzten Vielzahl von Tauschbörsenteilnehmern die Möglichkeit, das Werk kostenlos herunterzuladen und anschließend anderen Nutzern zum Herunterladen zur Verfügung zu stellen. Ein solcher Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechte stellt die kommerzielle Auswertung des Werks insgesamt in Frage (vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 19.4.2012 - I ZB 80/11, BGHZ 195, 257 Rz. 23 - Alles kann besser werden). Demgegenüber tritt das Interesse des Rechtsinhabers an der Verhinderung einer fortgesetzten unlizenzierten Nutzung in den Hintergrund.

Rz. 42

(3) Das Gefährdungspotential, welches dem Bereitstellen eines Werks in einer Internettauschbörse innewohnt, ist mit Blick auf das konkrete Streitverhältnis zu bestimmen. Für generalpräventive Erwägungen, mit denen Dritte von Rechtsverletzungen abgeschreckt werden sollen, ist bei der Bewertung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs kein Raum (OLG Schleswig, GRUR-RR 2010, 126; OLG Celle, GRUR-RR 2012, 270; OLG Brandenburg NJW-RR 2014, 227, 230; OLG Hamm, NJW-RR 2014, 229; Teplitzky/Feddersen, a.a.O., Kap. 49 Rz. 14a; a.A. J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, a.a.O., § 97a UrhG Rz. 51).

Rz. 43

(4) Anhaltspunkte für die Bewertung des Unterlassungsanspruchs lassen sich der Qualität und Intensität der bereits erfolgten Verletzungshandlung entnehmen (BGH GRUR 2014, 206 Rz. 16 - Einkaufskühltasche). Als für die Bemessung des Gegenstandswerts heranzuziehende Kriterien kommen danach beispielsweise Dauer und Häufigkeit der dem Unterlassungsschuldner zuzurechnenden Downloadangebote sowie die Anzahl der zum Herunterladen bereitgehaltenen Werke in Betracht. Darüber hinaus können - soweit feststellbar - auch subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers in den Blick zu nehmen sein.

Rz. 44

Entgegen der Auffassung der Revision besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, demzufolge ein Teilnehmer einer Tauschbörse, der über einen Internetanschluss bestimmte Werke, an denen der Unterlassungsgläubiger Rechte innehat, zum Herunterladen angeboten hat, auch künftig andere für den Unterlassungsgläubiger geschützte Werke anbieten wird. Es mag zutreffen, dass mit dem konkreten Ermittlungsvorgang, der zur Aufdeckung der Rechtsverletzung geführt hat, nicht in jedem Fall die absolute Dauer und Häufigkeit der Teilnahme eines Nutzers an einer Tauschbörse erfasst werden kann, so dass etwa die Feststellung einer nur sehr kurzen Nutzungsdauer wenig Aussagekraft für das vom einzelnen Nutzer ausgehende Verletzungspotential hat. Angesichts des Umstandes, dass der Teilnahme des einzelnen Nutzers an der Tauschbörse die unterschiedlichsten Beweggründe zugrunde liegen können, ist jedoch die allgemeine Annahme nicht gerechtfertigt, es würden stets künftig zahlreiche weitere Werke zum Herunterladen angeboten werden. Für die Beurteilung des zu erwartenden künftigen Nutzungsumfangs sind allein tatsächliche Anhaltspunkte maßgeblich, die im konkreten Nutzerverhalten begründet sind.

Rz. 45

(5) Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten können entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung nicht zu einer Minderung des für die Kosten der Abmahnung anzusetzenden Gegenstandswertes führen. Die Bestimmung des § 12 Abs. 4 UWG in der bis zum 8.10.2013 geltenden Fassung, nach der es bei der Bemessung des Streitwertes für Unterlassungsansprüche wertmindernd zu berücksichtigen ist, wenn die Belastung einer der Parteien mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert angesichts ihrer Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht tragbar erscheint, ist auf urheberrechtliche Abmahnungen nicht entsprechend anwendbar (BGH GRUR 2016, 176 Rz. 81 - Tauschbörse I; GRUR 2016, 184 Rz. 74 - Tauschbörse II).

Rz. 46

ee) Im Streitfall fehlt es an vom Berufungsgericht festgestellten greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass den in die Bemessung des Gegenstandswerts einzubeziehenden Faktoren durch eine Verdoppelung der fiktiven Lizenzgebühr hinreichend Rechnung getragen wäre. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen zudem nicht erkennen, dass es bei der Ausübung seines Ermessens die weiteren, im vorliegenden Einzelfall relevanten Kriterien berücksichtigt hat.

Rz. 47

4. Eine Bestimmung des Gegenstandswertes der Abmahnung, die den vorgenannten Bemessungskriterien Rechnung trägt, ist im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin - wie die Revisionserwiderung geltend macht - gem. § 97a Abs. 2 UrhG in der bis zum 8.10.2013 geltenden Fassung auf 100 EUR beschränkt wäre, mit der Folge, dass der Klägerin jedenfalls kein höherer Aufwendungsersatz zugesprochen werden könnte, als ihn das Berufungsgericht der Klägerin bereits zuerkannt hat.

Rz. 48

a) Nach § 97a Abs. 2 UrhG a.F. beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 EUR. Ein Eingreifen dieser Ausnahmeregelung, deren Voraussetzungen der Unterlassungsschuldner darzulegen und - soweit erforderlich - zu beweisen hat (Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97a UrhG Rz. 34), setzt neben einer erstmaligen Abmahnung und einer außerhalb des geschäftlichen Verkehrs geschehenen Rechtsverletzung einen einfach gelagerten Streitfall und eine nur unerhebliche Rechtsverletzung voraus. Davon, dass diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen, kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht ausgegangen werden.

Rz. 49

b) Ein Streitfall ist einfach gelagert, wenn er nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand zu bearbeiten ist, also zur Routine gehört (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, BT-Drucks. 16/5048, 49; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 97a Rz. 16). Für die Einordnung einer Rechtssache als einfach kommt es darauf an, wie leicht ein Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht aufzuklären ist und wie leicht die aufgeworfenen Rechtsfragen zu beantworten sind. Von einem einfach gelagerten Streitfall ist daher auszugehen, wenn der Sachverhalt überschaubar, im Wesentlichen unstreitig oder ohne aufwendige Beweiserhebung und -würdigung zu klären ist, und wenn die sich stellenden Rechtsfragen ohne vertiefte Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur zu beantworten sind (vgl. zu § 97a UrhG a.F. HK-UrhR/Meckel, 3. Aufl., § 97a UrhG Rz. 6; zu § 12 Abs. 4 UrhG in der bis zum 8.10.2013 geltenden Fassung Fezer/Büscher, a.a.O., § 12 UWG Rz. 208; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rz. 5.22).

Rz. 50

Aus dem Umstand, dass eine Rechtsverletzung häufig geschieht und daher von den Rechteinhabern auch routinemäßig verfolgt wird, kann für sich genommen nicht auf einen einfach gelagerten Streitfall geschlossen werden (Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97a UrhG Rz. 35; a.A. Faustmann/Ramsperger, MMR 2010, 662, 664). Vielmehr ist die Frage nach der Haftung des Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen grundsätzlich geeignet, sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufzuwerfen (J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, a.a.O., § 97a UrhG Rz. 34; Ewert/v. Hartz, MMR 2009, 84, 87). Ob die Verfolgung einer Urheberrechtsverletzung, die sich durch die Teilnahme an einer Tauschbörse auszeichnet, nach diesen Maßstäben gleichwohl im Einzelfall als einfach gelagert gelten kann, braucht im Streitfall jedoch nicht entschieden werden.

Rz. 51

c) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht angenommen werden, dass die hier in Rede stehende Rechtsverletzung unerheblich ist. Das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Herunterladen über eine Internettauschbörse stellt regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung i.S.v. § 97a Abs. 2 UrhG a.F. dar. Dass im vorliegenden Fall aufgrund besonderer Umstände von dieser Regel eine Ausnahme zu machen wäre, hat die Revisionserwiderung nicht aufgezeigt.

Rz. 52

aa) Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (BT-Drucks. 16/5048, 49) ist das Erfordernis einer unerheblichen Rechtsverletzung nur bei einem Eingriff in das verletzte Schutzrecht erfüllt, dem nach den Umständen des Einzelfalles ein in qualitativer und quantitativer Hinsicht lediglich geringes Ausmaß beizumessen ist. Solche Bagatellverstöße sind etwa die öffentliche Zugänglichmachung eines Stadtplanausschnitts oder eines Liedtextes auf einer privaten Homepage oder die Verwendung eines Lichtbildes zur Illustration eines privaten Angebots bei einer Internetversteigerung (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/8783, 50). Von einer unerheblichen Rechtsverletzung ist nur auszugehen, wenn sich die Verletzungshandlung auf einen nach Art und Ausmaß geringfügigen Eingriff in die Rechte des Abmahnenden beschränkt (Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97a UrhG Rz. 36).

Rz. 53

bb) Diese Voraussetzungen sind bei dem Anbieten urheberrechtlich geschützter Gegenstände zum Herunterladen über eine Internettauschbörse regelmäßig nicht erfüllt (Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 97a Rz. 16; Wild in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 97a UrhG Rz. 34; BeckOK/UrhR/Reber, Stand: 1.3.2013, § 97a UrhG Rz. 23; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, a.a.O., § 97a UrhG Rz. 3a).

Rz. 54

Das Anbieten urheberrechtlich geschützter Werke zum Herunterladen über eine Internettauschbörse ist grundsätzlich geeignet, die geschützten Rechte und wirtschaftlichen Interessen des Rechteinhabers erheblich zu beeinträchtigen. Dies gilt selbst dann, wenn die einzelne Rechtsverletzung für sich genommen kein beträchtliches Ausmaß erreicht (BGHZ 195, 257 Rz. 23 - Alles kann besser werden). Vor diesem Hintergrund können auch an das Vorliegen eines nur unerheblichen Eingriffs in die urheberrechtlich geschützte Rechtsposition im Einzelfall keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Die Annahme einer unerheblichen Rechtsverletzung gem. § 97a Abs. 2 UrhG a.F. kommt hiernach allenfalls in Betracht, wenn die Rechtsverletzung im Hinblick auf Art und Anzahl der zum Herunterladen bereitgehaltenen Werke und die Dauer und Häufigkeit des im konkreten Fall in Rede stehenden Downloadangebotes von verhältnismäßig geringem Ausmaß ist.

Rz. 55

Das Bereithalten eines vor nicht allzu langer Zeit erschienenen Spielfilms zum Herunterladen über einen Zeitraum von etwa zweieinhalb Stunden stellt keine unerhebliche Rechtsverletzung dar (vgl. OLG Frankfurt WRP 2014, 1232, 1234; LG Berlin MMR 2011, 401; LG Köln, ZUM 2011, 350, 352; Urt. v. 12.2.2014 - 308 O 227/13, juris und Beschl. v. 28.4.2014 - 308 O 83/14, juris; LG Frankfurt, GRUR-RR 2015, 431, 436; LG Köln, ZUM-RD 2010, 479, 481 und ZUM 2012, 350, 352; AG Hamburg, ZUM-RD 2011, 565, 567; AG München, Urt. v. 7.3.2014 - 158 C 15658/13, juris).

Rz. 56

Der Umstand, dass sich der Gesetzgeber entschlossen hat, die in § 97a Abs. 2 UrhG a.F. vorgesehene Begrenzung des Anspruches auf Erstattung der Kosten der Abmahnung mit Wirkung zum 9.10.2013 durch die in § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG niedergelegte Regelung zu ersetzen, nach der sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000 EUR beschränkt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung bewusst davon abgesehen, die von ihm beabsichtigte Reduzierung der Belastung mit den Kosten einer Abmahnung bei Urheberrechtsverletzungen, die dem privaten Nutzerverhalten zugerechnet werden können, weiterhin an das Vorliegen einer nur "unerheblichen Rechtsverletzung" zu knüpfen (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BR-Drucks. 219/13, 13). Die hiermit etwa einhergehende Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelungen über die Begrenzung des Erstattungsanspruches kann danach nicht vor dem Inkrafttreten der Neuregelung greifen.

Rz. 57

C. Hiernach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht die Klage wegen des Anspruches auf Erstattung der Kosten der Abmahnung nebst der auf diesen Anspruch bezogenen Zinsforderung abgewiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Ausübung des Ermessens bei der Prüfung der Angemessenheit vom Anspruchsteller angesetzter Abmahnkosten grundsätzlich dem Tatrichter obliegt und das Berufungsgericht keine abschließenden Feststellungen zu allen in die Würdigung einzubeziehenden Umständen des Einzelfalles getroffen hat, ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Rz. 58

Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

Rz. 59

Bei der Bestimmung des angemessenen Gegenstandswerts des Unterlassungsanspruchs ist einerseits dem Wert des verletzten Schutzrechts angemessen Rechnung zu tragen, wobei das Angebot zum Herunterladen eines Spielfilms, eines Computerprogramms oder eines vollständigen Musikalbums regelmäßig einen höheren Gegenstandswert rechtfertigen wird, als er etwa für das Angebot nur eines Musiktitels anzusetzen ist (vgl. BGH GRUR 2016, 184 Rz. 73 - Tauschbörse II). Weiter ist die Aktualität und Popularität des Werks und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung zu berücksichtigen. Wird ein durchschnittlich erfolgreicher Spielfilm nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 10.000 EUR angemessen. Liegt die Verletzungshandlung noch vor dem Beginn der Auswertung mittels DVD, kann auch ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 9872132

BB 2016, 2626

NJW 2017, 814

BlPMZ 2017, 55

GRUR 2016, 1275

AfP 2016, 539

JZ 2017, 13

MDR 2016, 1466

WRP 2016, 1525

ZUM 2016, 1030

GRUR-Prax 2016, 507

K&R 2016, 826

Mitt. 2017, 44

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