Entscheidungsstichwort (Thema)

Kraftfahrzeug. Neuwagen. Neufahrzeug. Personenkraftwagen. Tageszulassung. Kurzzulassung. Zusicherung. Eigenschaft. Fabrikneu

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob ein unbenutztes Kraftfahrzeug nach einer Tages- oder Kurzzulassung auf den Autohändler noch die zugesicherte Eigenschaft "fabrikneu" hat.

 

Normenkette

BGB § 459 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 04.03.2004; Aktenzeichen 16 U 14/04)

LG Kiel

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des OLG Schleswig in Schleswig v. 4.3.2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von den Beklagten aus abgetretenem Recht seiner Leasinggeberin die Rückzahlung des Kaufpreises für einen Personenkraftwagen.

Am 3.7.2001 erwarb die R. GmbH & Co. OHG von der Beklagten zu 1 den Pkw R. 1,2 16V 5-türig, den der Kläger an diesem Tag ausgesucht und mit Vertrag v. 3.7.2001 von der R. GmbH & Co. OHG geleast hatte.

Das als Neuwagen mit einem erheblichen Preisnachlass ggü. dem Listenpreis angebotene Fahrzeug war von der Beklagten zu 1 - ohne es im Straßenverkehr zu benutzen - im Wege der sog. Tageszulassung/Kurzzeitzulassung für ein Wochenende, nämlich v. 28.6.2001 bis 2.7.2001, auf sich zugelassen, am 2.7.2001 stillgelegt und am 9.7.2001 auf den Kläger zugelassen worden.

Die Parteien streiten darum, ob ein Personenkraftwagen mit Kurzzulassung noch als "Neuwagen" anzusehen ist. Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug sei als Neuwagen ohne Hinweis auf die Tageszulassung verkauft worden; der deutliche Preisnachlass sei mit einer Werbe-/Rabattaktion begründet worden. Die Beklagten haben behauptet, auf dem Verkaufsschild habe sich der Hinweis auf die Tageszulassung befunden, ihr Verkäufer habe ebenfalls darauf hingewiesen.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 12.423,04 EUR abzgl. 621,15 EUR für mit dem Fahrzeug zurückgelegte 10.000 Kilometer, insgesamt auf 11.801,89 EUR, in Anspruch und begehrt Feststellung, dass sich die Beklagte zu 1) in Annahmeverzug befindet. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Dem Kläger stehe kein Wandelungs- oder Schadensersatzanspruch wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft gem. §§ 462, 463, 459 Abs. 2 BGB a.F. zu. Das tatsächliche Vorbringen des Klägers zu den Kaufumständen als wahr unterstellt, komme es allein darauf an, ob einem als Neuwagen verkauften Kraftfahrzeug diese Eigenschaft fehle, wenn es eine Tages-/Kurzzulassung aufweise. Das sei zu verneinen.

Soweit mit der Erstzulassung die Fristen für eine Neuwertentschädigung im Rahmen einer Vollkaskoversicherung, für die Hauptuntersuchung als auch für die Abgassonderuntersuchung und die Herstellergarantie zu laufen begonnen haben sollten, seien diese verkürzten Fristen jedenfalls in den Fällen zu vernachlässigen und unerheblich, in denen der Verkauf - wie hier - kurze Zeit nach der Tageszulassung erfolgt sei, weil die Verkürzung sich dann nur auf wenige Tage beschränkt habe.

Soweit der Kläger die Auffassung vertrete, bei einer Tageszulassung werde das Fahrzeug im wirtschaftlichen Wert gemindert, die Zahl der Halter bzw. Vorbesitzer spiele bei dem Verkauf eines Gebrauchtwagens eine erhebliche Rolle, bei zwei Vorbesitzern sei das Fahrzeug im wirtschaftlichen Wert gemindert, weil es bei einem Weiterverkauf nicht mehr als Fahrzeug aus erster Hand bezeichnet werden könne, erscheine dies zweifelhaft, denn mittlerweile sei allgemein bekannt, was eine Tages- oder Kurzzulassung bedeute; entscheidend sei allein, dass das Fahrzeug nicht gefahren, also vom Händler in keiner Weise, insb. nicht als Vorführwagen, genutzt worden und deshalb technisch ohnehin ein Neuwagen sei.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Wandelungs- oder Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft gem. §§ 462, 463, 465, 459 Abs. 2 BGB a.F. verneint.

1. Auf das vor dem 1.1.2002 entstandene Schuldverhältnis der Parteien sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anwendbar (Art. 229 § 5 EGBGB). Zu Recht geht das Berufungsgericht von einer Zusicherung der Beklagten aus, dass das von ihr verkaufte Auto fabrikneu sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats liegt im Verkauf eines Neuwagens durch einen Kfz-Händler grundsätzlich die Zusicherung, dass das verkaufte Fahrzeug die Eigenschaft hat, "fabrikneu" zu sein (BGH, Urt. v. 15.10.2003 - VIII ZR 227/02, BGHReport 2004, 151 = MDR 2004, 209 = NJW 2004, 160, unter II 1; Urt. v. 16.7.2003 - VIII ZR 243/02, BGHReport 2003, 1195 = MDR 2003, 1287 = NJW 2003, 2824, unter II 1; Urt. v. 22.3.2000 - VIII ZR 325/98, MDR 2000, 828 = NJW 2000, 2018, unter II 2; Urt. v. 18.6.1980 - VIII ZR 185/79, MDR 1981, 44 = NJW 1980, 2127, unter II 3).

2. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Personenkraftwagen als fabrikneu angesehen hat. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist ein unbenutztes Kraftfahrzeug fabrikneu, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch eine längere Standzeit bedingte Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als zwölf Monate liegen (BGH, Urt. v. 15.10.2003 - VIII ZR 227/02, BGHReport 2004, 151 = MDR 2004, 209 = NJW 2004, 160, unter II 3).

Tageszulassungen sind eine besondere Form des Neuwagengeschäfts. Der Kunde erwirbt auch in diesen Fällen ein fabrikneues Fahrzeug (ebenso u.a. Westermann in MünchKomm/BGB; a.A. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rz. 203; OLG Dresden v. 14.10.1998 - 8 U 1665/98, OLGReport Dresden 1999, 87 = MDR 1999, 611 = NJW 1999, 1036). Die kurzfristige Zulassung auf den Händler dient, anders als bei sog. Vorführwagen, nicht der Nutzung des Fahrzeugs. Tageszulassungen erfolgen im Absatzinteresse beider Seiten. Der Händler kommt durch die Steigerung der Abnahmemenge in den Genuss höherer Prämien, die er, ohne den Beschränkungen des - damals noch geltenden - Rabattgesetzes zu unterliegen, an den Endkunden weitergeben kann. Der Hersteller wird in die Lage versetzt, gezielt zu bestimmten Stichtagen mit höheren Zulassungszahlen zu werben (BGH, Urt. v. 5.6.1996 - VIII ZR 7/95, MDR 1996, 1121 = NJW 1996, 2302, unter B II 1b). Das ist dem potentiellen Autokäufer bewusst, der weiß, dass eine Tageszulassung aus den genannten Gründen nur rein formal erfolgt, ohne dass sich die Beschaffenheit des Fahrzeugs als Neufahrzeug dadurch ändert, es insb. nicht benutzt worden ist (BGH, Urt. v. 13.1.2000 - I ZR 253/97, MDR 2000, 1265 = NJW 2000, 2821, unter II 2b aa).

Die Annahme der Revision, der Käufer eines wenige Tage zugelassenen Fahrzeugs erziele bei der Weiterveräußerung i.d.R. einen geringeren Erlös als der Käufer eines nur auf sich zugelassenen Kraftwagens, findet in der allgemeinen Lebenserfahrung keine Stütze. Entscheidend ist für den durchschnittlich informierten und verständigen Autokäufer, dass er ein unbenutztes Neufahrzeug erwirbt (BGH, Urt. v. 13.1.2000 - I ZR 253/97, MDR 2000, 1265 = NJW 2000, 2821, unter II 2b bb). Dies kann er bei einem Weiterverkauf im Allgemeinen durch Vorlage des Kaufvertrages auch nachweisen, so dass die von der Revision befürchtete Benachteiligung des Käufers, der ein Neufahrzeug mit einer nur wenige Tage umfassenden Zulassung erworben hat, als verhältnismäßig gering einzuschätzen ist (BGH, Urt. v. 13.1.2000 - I ZR 253/97, MDR 2000, 1265 = NJW 2000, 2821, unter II 2b bb; EuGH Slg. 1992, I - 131, Rz. 14).

Schließlich ist das Berufungsgericht auch zutreffend der Auffassung, dass die durch die Erstzulassung bedingte Verkürzung der Herstellergarantie und der Fristen für eine Neuwertentschädigung im Rahmen einer Vollkaskoversicherung als auch für die nach § 29 StVZO vorgeschriebene Fahrzeuguntersuchung nicht

von wesentlicher Bedeutung ist, wenn der Verkauf - wie hier - kurze Zeit nach der Erstzulassung erfolgt ist, sich auf nur wenige Tage beschränkt und die Herstellergarantie um nicht mehr als zwei Wochen verkürzt ist (BGH, Urt. v. 15.7.1999 - I ZR 44/97, NJW 1999, 3267, unter II 3).

 

Fundstellen

BB 2005, 798

DB 2005, 1055

NJW 2005, 1422

NWB 2005, 574

BGHR 2005, 780

EBE/BGH 2005, 114

WM 2005, 1383

DAR 2005, 281

MDR 2005, 805

ZfS 2005, 393

ASR 2005, 1

KfZ-SV 2006, 32

NJW-Spezial 2005, 210

RdW 2005, 306

SVR 2005, 303

VRR 2005, 145

VRR 2005, 3

ZGS 2005, 43

DS 2006, 154

LL 2005, 501

WISO-SteuerBrief 2005, 5

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