Leitsatz (amtlich)

1. Zum Vollzug eines mit einer GmbH als abhängiger Gesellschaft geschlossenen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages genügt es, daß das herrschende Unternehmen die Verluste der abhängigen GmbH tatsächlich ausgleicht (Ergänzung BGH, 1987-12-14, II ZR 170/87, BGHZ 103, 1).

2. Im GmbH-Vertragskonzern kann das herrschende Unternehmen die Haftung entsprechend den AktG §§ 302, 303 nicht durch den Nachweis abwenden, daß es die entstandenen Verluste nicht durch die Ausübung von Leitungsmacht verursacht hat.

3. Bei Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen mit einer abhängigen GmbH, die vor Bekanntwerden der Entscheidung vom 24. Oktober 1988 (BGH, 1988-10-24, II ZB 7/88, BGHZ 105, 324) beendet worden sind, haftet das herrschende Unternehmen trotz fehlender Eintragung der Vertragsbeendigung in das Handelsregister grundsätzlich nur für solche Forderungen, die bis zur Vertragsbeendigung begründet worden sind.

4. Forderungen aus Energielieferungsverträgen mit vereinbartem Sondertarif werden auch hinsichtlich derjenigen Teillieferungen, die nach dem gemäß AktG § 303 Abs 1 maßgebenden Zeitpunkt erbracht werden, bereits durch den Vertragsschluß begründet.

 

Tatbestand

Die HF GmbH (im folgenden: HF GmbH) war aufgrund eines zwischen ihr und der Rechtsvorgängerin der Klägerin am 16. August 1968 geschlossenen Stromlieferungsvertrages deren Stromabnehmerin. Für die den Zeitraum von September 1986 bis zum 11. Mai 1987 betreffenden Stromrechnungen konnte die Klägerin von der HF GmbH keine Bezahlung erlangen. Diese ist vermögenslos; ein Antrag, über ihr Vermögen das Konkursverfahren zu eröffnen, wurde mangels Masse abgelehnt. Die Gesellschaft wurde am 13. Juli 1987 im Handelsregister gelöscht. Die Beklagte war Alleingesellschafterin der HF GmbH; alleiniger Geschäftsführer beider Gesellschaften war H. R. P., der der Mehrheitsgesellschafter der Beklagten ist. Diese und die HF GmbH hatten am 2. Januar 1968 einen „Ergebnisabführungsvertrag” geschlossen. In ihm war festgelegt, daß die HF GmbH „sowohl organisatorisch wie auch gesellschaftsrechtlich, wirtschaftlich und finanziell vollkommen unselbständig” sei und „der alleinigen Verfügungsgewalt der …” (Beklagte) unterliege; sie verpflichtete sich, mit Wirkung vom 1. Januar 1968 „ihre Betriebsergebnisse (Gewinn bzw. Verlust) in voller Höhe” an die Beklagte abzuführen. Diese glich in den Folgejahren Bilanzverluste der HF GmbH in Höhe von insgesamt rund 9,5 Mio. DM, letztmals für das Jahr 1986 einen Betrag von 1,8 Mio. DM, aus. Zum 31. Dezember 1986 kündigte die Beklagte den Vertrag vom 2. Januar 1968 fristgemäß.

Die Klägerin, die erstmals am 27. Mai 1987 von diesem Vertrag Kenntnis erhielt, hat die Beklagte auf Begleichung der noch offenen Stromrechnungen in Höhe von zuletzt 89.033,29 DM (der Klageantrag ist mit 89.143,62 DM beziffert) in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht – sein Urteil ist veröffentlicht in ZIP 1991, 308 – hat ihr in Höhe eines auf die Zeit bis zum 31. Dezember 1986 entfallenden Betrages von 64.207,53 DM nebst Zinsen stattgegeben und die Berufung im übrigen zurückgewiesen. Mit ihren Revisionen verfolgen die Klägerin den restlichen Klageanspruch und die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der gesamten Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist im wesentlichen begründet; die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

I. Revision der Beklagten:

1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte in entsprechender Anwendung des § 303 AktG zur Bezahlung der Stromlieferungen für die Zeit bis zum 31. Dezember 1986 verurteilt, weil bis zu diesem Zeitpunkt der zwischen ihr und der HF GmbH am 2. Januar 1968 geschlossene Vertrag bestand. Bei diesem Vertrag handelte es sich, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat, der Sache nach um einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Wird ein solcher Unternehmensvertrag mit einer GmbH als abhängiger Gesellschaft geschlossen, dann hat, was hier im übrigen im Vertrag auch ausdrücklich bestimmt ist, das herrschende Unternehmen in entsprechender Anwendung des § 302 AktG die bei jener Gesellschaft entstehenden Verluste auszugleichen und darüber hinaus analog § 303 AktG deren Gläubiger nach Beendigung des Vertrages sicherzustellen (BGHZ 103, 1, 4, 5, 10). Der Vertrag vom 2. Januar 1968 ist allerdings, was das Berufungsgericht erkannt hat, nicht wirksam zustandegekommen; denn er ist nicht zum Handelsregister angemeldet und in das Handelsregister eingetragen worden. Die Eintragung in das für die abhängige GmbH zuständige Handelsregister ist Wirksamkeitsvoraussetzung für einen mit einer solchen Gesellschaft geschlossenen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag (BGHZ 105, 324, 342 ff.; vgl. § 294 Abs. 1 und 2 AktG). Ein solcher an sich unwirksamer Vertrag ist aber trotzdem nach den hier entsprechend geltenden Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam zu behandeln, wenn er vollzogen worden ist (BGHZ 103, 1, 4 f.; Rehbinder, FS Fleck, 1988, S. 253, 261 ff.; zustimmend Ulmer, BB 1989, 10, 15 f. m.w.N.; für den Fall der Unwirksamkeit wegen Formfehlern auch Kleindiek, ZIP 1988, 613, 624). Die Ansicht, eine konstitutiv wirkende Registereintragung lasse sich, wenn man dieses Wirksamkeitserfordernis nicht inhaltsleer werden lassen wolle, durch die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nicht ersetzen (Kort, AG 1988, 369, 374), überzeugt nicht. Es ist kein sachlich gerechtfertigter Grund dafür ersichtlich, warum es bei Fehlen der Registereintragung anders sein sollte als bei unterbliebener, aber erforderlicher notarieller Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses zum Abschluß des Unternehmensvertrages oder auch etwa eines von der Formvorschrift des § 313 BGB erfaßten Gesellschaftsvertrages.

Die Revision, die ebenfalls von dieser rechtlichen Beurteilung ausgeht, wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht den Vertrag vom 2. Januar 1968 als „durchgeführt”, also als im Sinne der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft vollzogen angesehen hat. Sie vertritt den Standpunkt, ein fehlerhafter Unternehmensvertrag sei erst dann durchgeführt, wenn ein Beherrschungszustand geschaffen worden sei, der zur Anwendung der Haftungsregeln im qualifizierten faktischen Konzern führe. Darin kann ihr nicht gefolgt werden. Wäre ihre Ansicht richtig, dann wäre es, soweit es um die entsprechende Anwendung der §§ 302, 303 AktG geht, nicht nötig, auf die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft zurückzugreifen. Der Senat hat indessen bereits darauf hingewiesen, daß beherrschte Gesellschaft und Gläubiger den tatsächlichen Vollzug eines nichtigen Unternehmensvertrages in der Regel leichter nachzuweisen vermögen als die Voraussetzungen eines qualifizierten faktischen Konzerns (BGHZ 103, 1, 5 f.). Zum Vollzug eines mangelhaft zustandegekommenen Gesellschaftsvertrages reicht es aus, wenn das durch die Gesellschaftsgründung geschaffene Organisationsgefüge „in Gang gesetzt” worden ist (K Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. § 6 III 1 S. 131 f.), also zu leben begonnen hat. Das ist beispielsweise schon dann der Fall, wenn etwas auf die im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Einlagen geleistet worden ist (BGHZ 13, 320, 321 f.). Zum Vollzug des hier geschlossenen Unternehmensvertrages genügte es, daß die Beklagte über Jahre hinweg die bei der HF GmbH entstandenen Verluste ausgeglichen und damit die ihr nach dem Vertrag obliegenden Leistungen erbracht hat. Auf die Behauptung der Beklagten, sie habe die ihr durch den Vertrag gegebenen Möglichkeiten, auf die HF GmbH Einfluß zu nehmen, in keiner Weise genutzt, sondern deren Prokuristen nach dessen Ermessen schalten und walten lassen, kommt es nicht an. Der Vertragsvollzug hätte gewiß auch durch den Nachweis belegt werden können, daß die Beklagte in einem konkreten Fall in die Geschäftsführung der HF GmbH eingegriffen hat. Dies ist aber nicht die einzig mögliche Form des Vollzuges. Das zeigt schon der Blick auf den Fall, in dem ein isolierter Gewinnabführungsvertrag – also ohne gleichzeitigen Beherrschungsvertrag – abgeschlossen worden ist. Der Gewinnabführungsvertrag gibt für sich allein dem herrschenden Unternehmen jedenfalls nicht das Recht, die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft unmittelbar oder durch Weisungen in für sie nachteiliger Weise zu beeinflussen (vgl. § 308 Abs. 1 AktG; Koppensteiner, KK z. AktG 2. Aufl. § 291 Rdn. 62 f., 64). Ein solcher Vertrag kann daher nicht gut erst dann als vollzogen gelten, wenn sich trotzdem eine derartige Einflußnahme nachweisen läßt.

2. Die Beklagte hat geltend gemacht, sie hafte deswegen nicht, weil die bei der HF GmbH eingetretenen Verluste auf Umständen beruhten, die mit der – im übrigen gar nicht vorhandenen – Ausübung der Leitungsmacht durch sie nichts zu tun hätten. Das Berufungsgericht hat in seiner Hauptbegründung diesen Einwand für unerheblich gehalten. Die Revision greift diesen Standpunkt an. Sie meint, auch im GmbH-Vertragskonzern könne die analoge Anwendung der §§ 302 f. AktG allein an die dauernde und umfassende Ausübung der – einheitlichen – Leitungsmacht geknüpft werden; dem herrschenden Unternehmen müsse deshalb zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden, den Nachweis zu führen, daß es von den ihm eingeräumten Herrschaftsrechten und Befugnissen keinen Gebrauch gemacht habe.

Diese Ansicht trifft wiederum schon im Ansatz nicht zu, soweit es um den Gewinnabführungsvertrag geht. Dieser setzt weder eine tatsächliche Beherrschung noch das Recht und die Möglichkeit zu nachteiliger Einflußnahme voraus. Die Rechtsfolgen der §§ 302 f. AktG treten dort allein unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für die Pflicht der beherrschten Gesellschaft zur Gewinnabführung ein. Dieser Grundgedanke wird durch die Frage, worauf die entstandenen Verluste zurückzuführen sind, nicht berührt. Aber auch beim Beherrschungsvertrag kann es hierauf nicht ankommen. Auf seiner Grundlage ist es dem herrschenden Unternehmen im Regelfall erlaubt, durch Weisungen an die abhängige Gesellschaft – im GmbH-Vertragskonzern unter Umständen auch durch unmittelbaren Eingriff – deren Geschäftsführung im Konzerninteresse auch zu ihrem Nachteil zu beeinflussen. Das Gesetz knüpft an diese Rechtsmacht die unwiderlegliche Vermutung, daß das herrschende Unternehmen von ihr tatsächlich Gebrauch gemacht hat; dieses hat daher das volle Unternehmensrisiko der abhängigen Gesellschaft zu tragen. Dieser Rechtsgrund der Haftung schließt es aus, sie davon abhängig zu machen, ob die Geschäftsleitung die Verluste im Konzerninteresse verursacht hat (Koppensteiner aaO § 302 Rdn. 4; vgl. auch Staub/Ulmer, HGB 4. Aufl. Anh. § 105 Rdn. 73 ff.). Im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern ist das anders. Den Gesellschaftern einer GmbH ist es trotz ihrer gesetzlichen Weisungsbefugnisse nicht erlaubt, die abhängige Gesellschaft im Konzerninteresse zu benachteiligen. Zwar begründet dort die umfassende und dauernde Ausübung der Leitungsmacht ebenfalls die Vermutung, daß auf die Belange der abhängigen GmbH zugunsten des Konzerninteresses nicht ausreichend Rücksicht genommen worden ist; diese Vermutung kann aber widerlegt werden (Sen.Urt. v. 23. September 1991 II ZR 135/90, ZIP 1991, 1354, 1356 = WM 1991, 1837, 1840, zur Aufnahme in BGHZ vorgesehen). Auf den Vertragskonzern läßt sich diese Einschränkung wegen der dargelegten unterschiedlichen Ausgangslage jedoch nicht übertragen. Es trifft aus den genannten Gründen nicht zu, daß die unterschiedliche Reichweite der Weisungsbefugnis die „Haftungs- oder Kapitalverfassung im GmbH-Konzern” nicht berühre (so Wilken/Wittkowski in ihrer Anmerkung zum Berufungsurteil, ZIP 1991, 313).

Auf die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, einen etwa zulässigen Kausalitätsgegenbeweis habe die Beklagte nicht geführt, und die dagegen gerichteten Angriffe der Revision kommt es danach nicht an.

3. Nach § 303 AktG hat das herrschende Unternehmen nach Beendigung eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrages den Gläubigern Sicherheit zu leisten. Dieser Anspruch wandelt sich in einem Fall wie dem vorliegenden in einen solchen auf Zahlung um (BGHZ 95, 330, 347; Sen.Urt. v. 23. September 1991 aaO, ZIP 1991, 1359 = WM 1991, 1842). Die HF GmbH ist vermögenslos und existiert nicht mehr; eine vorherige Sicherheitsleistung hätte unter diesen Umständen keinen Sinn.

II. Revision der Klägerin:

Einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Begleichung ihrer auf das Jahr 1987 entfallenden Forderungen hat das Berufungsgericht wegen der am 31. Dezember 1986 eingetretenen, durch die Kündigung bewirkten Beendigung des Unternehmensvertrages verneint. Daß die Beklagte nicht für eine Publizierung der Vertragsbeendigung gesorgt habe, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, begründe ihre Haftung für die Zeit ab 1. Januar 1987 nicht. Der Vertrag selbst sei nicht im Handelsregister eingetragen gewesen und die Klägerin habe von ihm bis zum 27. Mai 1987 nichts gewußt; es fehle deshalb am Tatbestand eines schutzwürdigen Vertrauens. Die Entscheidung des Senats vom 24. Oktober 1988 (BGHZ 105, 324), wonach Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH in das für diese zuständige Handelsregister eingetragen werden müßten, könne keine rückwirkende Verpflichtung der Beklagten zur Publizierung des Vertrages begründen.

Diese rechtliche Begründung trägt die Teilabweisung der Klage nicht.

1. Nach § 303 Abs. 1 AktG bezieht sich die Pflicht des herrschenden Unternehmens, nach Beendigung eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrages den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft Sicherheit zu leisten – und deren Anspruch unter Umständen durch Zahlung zu erfüllen –, auf solche Forderungen, die begründet worden sind, bevor die Eintragung der Vertragsbeendigung in das Handelsregister nach § 10 HGB als bekanntgemacht gilt. Hierzu ist es im vorliegenden Fall niemals gekommen. Das allein hat indessen nicht zur Folge, daß die Beklagte für alle noch nach dem 31. Dezember 1986 begründeten Forderungen einzustehen hätte.

a) Der Umstand, daß die durch die Kündigung bewirkte Vertragsbeendigung nicht in das Handelsregister eingetragen worden ist, stand deren Wirksamkeit nicht entgegen. Anders als die Eintragung des Unternehmensvertrages selbst hat die Eintragung seiner Beendigung nicht rechtsbegründende, sondern nur deklaratorische Bedeutung (Koppensteiner aaO § 298 Rdn. 2 m.w.N.); sie soll lediglich verhindern, daß das Handelsregister, in das der Vertrag in der Regel eingetragen worden sein muß, nach dessen Beendigung unrichtig wird. Die gegenteilige Ansicht läßt sich für den GmbH-Vertragskonzern nicht daraus herleiten, daß der Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages materiell einer Satzungsänderung gleichkommt (BGHZ 105, 324, 338) und dies dann mit den sich aus den §§ 53, 54 GmbHG für die Formerfordernisse ergebenden Folgen auch für die Beendigung des Vertrages gelten müsse (so Priester, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, ZGR-Sonderband 1986, S. 151, 185; Wirth, DB 1990, 2105, 2107). Formell handelt es sich im einen Fall so wenig wie im anderen um eine Satzungsänderung. Es besteht kein Grund, im GmbH-Recht an die Formalien der Vertragsbeendigung strengere Anforderungen zu stellen als im Aktienrecht, wo die in § 298 AktG vorgeschriebene Eintragung der Beendigung eines Unternehmensvertrages nicht Voraussetzung für deren Wirksamkeit ist.

b) Die danach mit Ablauf des 31. Dezember 1986 eingetretene Vertragsbeendigung ist im hier zu entscheidenden Fall nicht deswegen ohne Auswirkung auf die Haftung entsprechend § 303 AktG geblieben, weil die Eintragung unterlassen worden ist. Soweit § 303 Abs. 1 AktG auf die Bekanntmachung der Eintragung als maßgeblichen Zeitpunkt abstellt, liegt darin zwar eine Spezialbestimmung zu § 15 Abs. 1 HGB; diese letztere Vorschrift ist daneben nicht anwendbar (Geßler in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 303 Rdn. 9), was vor allem insofern von Bedeutung ist, als einem Gläubiger nicht entgegengehalten werden kann, ihm sei trotz fehlender Eintragung die Beendigung des Vertrages bekannt gewesen. Gleichwohl ist auch die Regelung in § 303 Abs. 1 AktG Ausdruck eines – besonders stark typisierten – Vertrauensschutzes (vgl. Koppensteiner aaO § 303 Rdn. 2). Ihre Anwendbarkeit findet daher ihre Grenze, wo ein solcher Vertrauensschutz auch in seiner verallgemeinerten Ausgestaltung nicht mehr gerechtfertigt ist. Letzteres läßt sich freilich im vorliegenden Fall nicht schon deswegen sagen, weil auch der Unternehmensvertrag selbst nicht im Handelsregister eingetragen war und deshalb niemand aufgrund des Registerinhalts auf den Fortbestand des Vertrages vertrauen konnte. Für die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 1 HGB spielt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Rolle, ob die Tatsache, deren Wegfall nicht eingetragen worden ist, obwohl dieser hätte eingetragen werden müssen, ihrerseits aus dem Handelsregister ersichtlich war (BGHZ 55, 267, 272; Sen.Urt. v. 21. März 1983 – II ZR 113/82, WM 1983, 651, 652 = ZIP 1983, 822; a.A. Staub/Hüffer, HGB 4. Aufl. § 15 Rdn. 19 f. m.w.N.). Diese Rechtsprechung trägt dem Umstand Rechnung, daß der Außenstehende auf andere Weise als durch das Handelsregister von der – dort nicht eingetragenen – Tatsache erfahren haben kann; er kann auf deren Fortbestand vertrauen, solange ihr Wegfall nicht entsprechend der Eintragungspflicht im Handelsregister kenntlich gemacht worden ist. Ein solches typisiertes Vertrauen setzt aber voraus, daß der Wegfall der Tatsache, um die es geht, anerkanntermaßen eintragungspflichtig ist. Für die Beendigung eines Unternehmensvertrages mit einer GmbH als abhängiger Gesellschaft besteht zwar eine Eintragungspflicht; sie bestand auch schon vor der Entscheidung des Senats vom 24. Oktober 1988 (BGHZ 105, 324), in der dies erstmals höchstrichterlich ausgesprochen worden ist. Damals konnte sich aber niemand darauf verlassen, daß die Beendigung eines derartigen Vertrages in das Handelsregister eingetragen wurde, denn weder eine Pflicht hierzu noch das Erfordernis der Eintragung des Vertrages selbst waren damals allgemein anerkannt. Der Senat hat in dem vergleichbaren Fall der Rechtsscheinhaftung dessen, der für eine GmbH handelt, ohne deren Rechtsform kenntlich zu machen, eine solche Haftung verneint, solange die Pflicht, auch eine abgeleitete GmbH-Firma mit dem Rechtsformzusatz zu versehen, nicht höchstrichterlich ausgesprochen worden war (BGHZ 62, 216, 228). Es mag zwar sein, daß das Erfordernis, Unternehmensverträge mit einer GmbH und ihre Beendigung in das Handelsregister einzutragen, im Schrifttum weitergehend anerkannt war als seinerzeit die Pflicht zur Führung des GmbH-Zusatzes (vgl. Wilken/Wittkowski, ZIP 1991, 314 f.; für die Anwendung des § 15 Abs. 1 HGB auch Hirte in seiner Anmerkung zum Berufungsurteil, EWiR § 303 AktG 1/91, 219, 220). In der Rechtsprechung hatte aber bis 1988, soweit ersichtlich, in einem Registerverfahren nur das LG Hamburg die Eintragungspflicht bejaht (ZIP 1984, 838; anders noch OLG Düsseldorf, NJW 1987, 3208 f. und OLG Celle, WM 1988, 47). Auf die Praxis der Registergerichte kommt es im hier maßgebenden Zusammenhang in erster Linie an. Solange sie die Eintragung ablehnten, nützte auch die von namhaften Autoren bejahte Eintragungspflicht (vgl dazu Kleindiek, ZIP 1988, 613, 617 m.w.N.) dem Rechtsverkehr nichts. Selbst wer die Eintragung eines Unternehmensvertrages hätte herbeiführen wollen, hätte sie damals kaum verwirklichen können. Dementsprechend gab es keine ausreichende Grundlage für ein typisiertes Vertrauen des Rechtsverkehrs darauf, die Beendigung eines nicht eingetragenen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages werde im Handelsregister eingetragen werden.

Ein Vertrauensschutz wird sich danach für die sogenannten „Altfälle” nur unter Rechtsscheinsgesichtspunkten auf der Grundlage eines unabhängig von der Frage der Eintragungspflicht begründeten Vertrauenstatbestands bejahen lassen. Dieser würde jedenfalls voraussetzen, daß derjenige, der sich auf die Unkenntnis vom Wegfall des Vertrages beruft, von dessen Bestehen etwas gewußt hat (vgl. dazu allgemein John, ZHR 140 (1976), 236, 241). Für die Klägerin trifft dies nicht zu. Sie hat von dem Vertrag unstreitig erst nach Beendigung der Stromlieferungen erfahren.

2. Die Haftung der Beklagten für die auf die Zeit ab Januar 1987 entfallenden Entgelte ergibt sich jedoch aus einem anderen Gesichtspunkt. Der Stromlieferungsvertrag zwischen der Klägerin und der HF GmbH ist nicht zu normalen Tarifbedingungen, sondern zu im einzelnen vertraglich festgelegten Sonderkonditionen geschlossen worden (vgl. die umfangreichen Sondervereinbarungen in § 4 des Vertrages). Zumindest ein solcher Energielieferungsvertrag stellt kein sogenanntes Wiederkehrschuldverhältnis, sondern als Sukzessivlieferungsvertrag ein einheitliches Schuldverhältnis dar (BGHZ 81, 90, 91; BGH, Urt. v. 21. April 1982 – VIII ZR 142/81, ZIP 1982, 854, 855). Die Forderungen auf Bezahlung der aufgrund eines derartigen Vertrages erbrachten Energieleistungen werden bereits mit dem Vertragsschluß begründet (BGHZ 70, 132, 135). Die auf das Jahr 1987 entfallenden Ansprüche der Klägerin sind deshalb, obwohl die Leistungen erst in diesem Zeitraum erbracht worden sind, bereits vor dem 1. Januar 1987 begründet worden und aus diesem Grunde ebenfalls entsprechend § 303 AktG sicherzustellen (vgl. Geßler aaO § 303 Rdn. 8; Koppensteiner aaO § 303 Rdn. 8). Die „Nachhaftung” für Ansprüche aus derartigen Dauerschuldverhältnissen kann freilich zeitlich begrenzt sein. Im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft erstreckt sie sich – von hier nicht interessierenden Ausnahmefällen abgesehen (vgl. BGHZ 87, 286, 292) – nur auf den Zeitraum bis zum ersten auf das Ausscheiden folgenden Kündigungstermin (BGHZ 70, 132, 136). Es ist nicht weiter zu erörtern, ob sich diese Lösung auf einen Fall wie den vorliegenden übertragen ließe. Der Stromlieferungsvertrag mit der HF GmbH konnte nach § 7 nur alle zwei Jahre mit zweijähriger Kündigungsfrist gekündigt werden.

3. Der das Jahr 1987 betreffende Teil der Klageforderung beläuft sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision der Beklagten ausdrücklich hinnimmt, auf 24.825,76 DM. Dieser Betrag ist der Klägerin nebst den darauf entfallenden Zinsen zuzusprechen. Die Differenz zwischen dem in der Berufungsinstanz gestellten Klageantrag auf Zahlung von 89.143,62 DM und den vom Berufungsgericht zugesprochenen 64.207,53 DM beträgt zwar 24.936,09 DM. Jener Klageantrag ist aber – offenbar versehentlich – um 110,33 DM zu hoch beziffert worden. Die Klägerin hat selbst nur einen Gesamtanspruch von 89.033,29 DM errechnet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649089

BGHZ, 37

BB 1992, 14

NJW 1992, 505

ZIP 1992, 29

DNotZ 1992, 721

JZ 1992, 733

GmbHR 1992, 34

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