Leitsatz (amtlich)

Nimmt der Zeichner einer Vermögensanlage den Anlagevermittler auf Schadensersatz wegen unzureichender Risikoaufklärung in Anspruch, so trägt er für die Behauptung, vom Vermittler keinen - Risikohinweise enthaltenden - Anlageprospekt erhalten zu haben, die Beweislast.

 

Normenkette

BGB § 276 a.F., § 675

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 02.08.2005; Aktenzeichen 21 U 77/04)

LG Berlin (Entscheidung vom 20.02.2004; Aktenzeichen 28 O 563/02)

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des KG vom 2.8.2005 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1]Die klagenden Eheleute beteiligten sich unter Vermittlung des Beklagten durch Beitrittserklärungen vom 28.4.2001 über eine Treuhandkommanditistin mit einem Betrag von 35.000 DM zzgl. 5 % Agio an der F. F. C. T. GmbH & Co. 1. Produktions KG (im Folgenden: Filmfonds).

[2]Sie nehmen den Beklagten mit dem Vorwurf, dieser habe sie nicht über die mit der Zeichnung des - nach ihrer Behauptung wirtschaftlich notleidenden - Filmfonds verbundenen Risiken aufgeklärt, auf Schadensersatz in Anspruch. LG und OLG haben die auf Zahlung von 21.090,79 EUR (ab der Berufungsinstanz: hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Treuhandvertrag der Kläger) gerichtete Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Klaganspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

[3]Die Revision hat keinen Erfolg.

[4]I.

Das Berufungsgericht hat sich - wie schon das LG - nicht imstande gesehen, einen Verstoß des Beklagten gegen seine Verpflichtung als Anlagevermittler festzustellen, die Kläger richtig und vollständig über alle für die vorliegende Vermögensanlage wichtigen Umstände zu informieren. Der Beklagte habe seiner (sekundären) Darlegungslast insoweit durch die Behauptung Genüge getan, den Klägern einen umfassenden Anlageprospekt mit Hinweisen auf die Risiken des Anlagenfonds übergeben zu haben, und zwar so rechtzeitig, dass sie den Prospekt ausreichend hätten prüfen können. Dieser Vortrag des Beklagten sei durch die Beweisaufnahme nicht widerlegt worden, was infolge der Beweislast der Kläger für eine Pflichtverletzung des Beklagten zu Lasten der Kläger gehe. Eine andere Verteilung der Beweislast komme nur in Betracht, wenn die Verletzung einer vertraglichen Hauptpflicht, etwa die Erfüllung einer Auskunftspflicht nach § 666 BGB, im Streit wäre. Zu diesen Pflichten könne die Übergabe des Verkaufsprospekts nicht gezählt werden, sie bleibe eine Nebenpflicht im Rahmen der Informations- und Auskunftspflicht.

[5]II.

Die hiergegen von der Revision erhobenen Beanstandungen sind unbegründet.

[6]1.Zu Recht hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem LG die Beweislast dafür, ob der Beklagte im Zusammenhang mit der Vermittlung des Filmfonds den Klägern rechtzeitig vor deren Anlageentscheidung einen Prospekt der Anlage übergeben hat, den Klägern auferlegt.

[7]a) Nach den allgemeinen Regeln über die Beweislastverteilung trifft denjenigen, der einen Anspruch geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen. Macht - wie hier - der Kapitalanleger gegen den Vermittler Schadensersatz mit der Behauptung geltend, die ihm vom Vermittler erteilten Informationen seien unrichtig bzw. unvollständig gewesen, so trägt er für die von ihm behauptete Schlechterfüllung des Auskunftsvertrages - unbeschadet der insoweit bestehenden sekundären Behauptungslast der Gegenseite - die Darlegungs- und Beweislast (Palandt/Sprau, BGB 65. Aufl., § 675 Rz. 38; vgl. auch Palandt/Heinrichs a.a.O. § 280 Rz. 36 m.w.N.; MünchKomm/BGB/Wenzel 4. Aufl., § 363 Rz. 1). Auf dieser Linie liegt auch die Rechtsprechung des BGH betreffend die Beweislast bei Schadensersatzansprüchen wegen unzureichender Beratung durch einen Rechtsanwalt (vgl. BGH, Urteile vom 5.2.1987 - IX ZR 65/86 - NJW 1987, 1322, 1323 und vom 22.9.1987 - IX ZR 126/86 - NJW 1988, 706) oder durch einen Steuerberater (BGH, Urteile vom 3.12.1992 - IX ZR 61/92 - NJW 1993, 1139, 1140; 11.5.1995 - IX ZR 130/94 - NJW 1995, 2842, 2843 und 4.6.1996 - IX ZR 246/95 - NJW 1996, 2571, 2572). Die jedenfalls teilweise abweichende Rechtsprechung des früheren IVa-Zivilsenats hinsichtlich der Beweislast bei Steuerberatungsverträgen (in dem von der Revision herangezogenen Urt. v. 24.3.1982 - IVa ZR 303/80 - BGHZ 83, 260, 267 = NJW 1982, 1516, 1517), die bereits in dem Urteil vom 22.1.1986 desselben Senats (IVa ZR 105/84, NJW 1986, 2570) eingeschränkt wurde, hat der jetzt für Ansprüche aus steuerlicher Beratung zuständige IX. Zivilsenat aufgegeben (Urteile vom 4.6.1996a.a.O. und vom 3.12.1992a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 11.5.1995a.a.O.).

[8]b) Dagegen betrifft das von der Revision und in dem Urteil des OLG Hamm (OLGReport 2003, 238) für die gegenteilige Auffassung zur Beweislast zitierte Senatsurteil vom 11.12.1992 (III ZR 133/91, NJW 1993, 1704, 1706) eine andere Fallkonstellation: Es ging dort nicht um die Frage einer Schlechterfüllung durch den in Anspruch Genommenen oder um die Verletzung von Verhaltens- und Schutzpflichten wie bei der positiven Vertragsverletzung, sondern um die Erfüllung von vertraglichen Haupt- oder Nebenleistungspflichten, d.h. darum, ob eine vertragliche Leistungspflicht (dort Mitteilungspflicht nach § 666 BGB) überhaupt (rechtzeitig) erfüllt worden war. Das betrifft den vorrangigen Grundsatz, dass der Schuldner, auch dann, wenn gegen ihn ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird, die Erfüllung als solche beweisen muss (Palandt/Heinrichs a.a.O. § 280 Rz. 35; Palandt/Grüneberg a.a.O. § 363 Rz. 1; MünchKomm/Wenzel a.a.O. Rz. 1).

[9]Hier geht es dagegen - auch wenn im Urteil des Berufungsgerichts möglicherweise Gegenteiliges anklingt - nicht um eine isoliert geschuldete Leistungspflicht des Vermittlers auf Aushändigung eines Anlageprospekts an den Anlageinteressenten. Vielmehr ist die Aushändigung des Anlageprospekts im Zusammenhang mit der Vermittlung einer Vermögensanlage nur ein Element im Rahmen der geschuldeten Unterrichtung des Interessenten. Sie ist eines von mehreren Mitteln, die dem Aufklärungspflichtigen (hier: Anlagevermittler) helfen, sich seiner Pflicht zur Information zu entledigen (vgl. Assmann, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl., § 7 Rz. 62; Schödermeier/Baltzer in: Brinkhaus/Scherer KAGG § 19 Rz. 9, 17).

[10]c) Bei dieser grundsätzlichen Ausgangslage zur Darlegungs- und Beweislast für den Fall einer vom Anspruchsteller behaupteten Schlechterfüllung lässt sich die gegenteilige Auffassung des OLG Hamm (a.a.O. S. 239) für den Fall des Streits über die Übergabe des Prospekts einer in Betracht gezogenen Kapitalanlage auch nicht allein mit dem Argument (OLG Hamm a.a.O.) halten, der Beweis, einen körperlichen Gegenstand übergeben zu haben, lasse sich unschwer dadurch führen, dass der Anlagevermittler sich diese Tatsache quittieren lasse. Diesem Umstand mag eine Indizwirkung zukommen. Zu einer Beweislastumkehr führt er de lege lata nicht. Soweit keine andere spezialgesetzliche Regelung vorliegt (s. etwa § 37d Abs. 4 Satz 2 WpHG), hat es also bei der herkömmlichen Beweisregel sein Bewenden.

[11]2. Die Vorinstanzen haben daher den Schadensersatzanspruch der - nach der unangegriffenen Beweiswürdigung des Berufungsgerichts beweisfälligen - Kläger gegen den Beklagten mit Recht abgewiesen.

 

Fundstellen

DB 2006, 1611

DStZ 2006, 566

DStZ 2006, 603

WPg 2006, 909

Inf 2006, 611

NWB 2006, 2834

BGHR 2006, 1098

EBE/BGH 2006, 229

NJW-RR 2006, 1345

EWiR 2006, 493

WM 2006, 1288

WuB 2006, 769

ZAP 2006, 1020

ZIP 2006, 1449

MDR 2006, 1358

NJ 2007, 25

VersR 2006, 1400

VuR 2006, 495

ZBB 2006, 311

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