Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfeträger

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Sozialhilfeträger einen Schenkungsrückforderungsanspruch wegen Notbedarfs des Schenkers (§ 528 Abs. 1 BGB) auf sich übergeleitet, so kann der Beschenkte sich von der Verpflichtung, in Höhe vorgestreckter Unterhaltsleistungen Zahlungen nach §§ 528 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB (BGHZ 94, 141) zu leisten, nicht durch Rückgabe des Geschenks an den Schenker befreien.

 

Normenkette

BGB § 528 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beklagte ist der Neffe der Frau J., deren Ehemann am 14. Januar 1986 in ein Altenheim aufgenommen worden war, wo er am 29. Juni 1987 verstorben ist.

Mit notariellem Übergabevertrag vom 22. März 1985 hatte Frau J. dem Beklagten das von ihr und damals noch von ihrem Ehemann bewohnte Einfamilienhaus einschließlich Grundstück unter Vorbehalt eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs übertragen. Mit Bescheid vom 17. März 1986 übernahm der Kläger als Träger der Sozialhilfe die Heimkosten und leitete den Anspruch "der Eheleute J. auf Rückforderung der Schenkung (§§ 528, 529, 1360 BGB) " gegenüber dem Beklagten auf sich über. Widerspruch und Klage des Beklagten gegen den Bescheid blieben erfolglos.

Nach Zustellung des Mahnbescheides, mit dem der Kläger wegen von ihm getragener Heimpflegekosten 47.953,10 DM vom Beklagten forderte, haben dieser und seine Tante am 22. Januar 1991 die Aufhebung des Vertrages vom 22. März 1985 vereinbart; die Tante ist am 12. März 1991 wieder als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage im wesentlichen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht meint, der vom Kläger wirksam auf sich übergeleitete Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB sei durch die Aufhebung des Übertragungsvertrages und durch Rückübereignung des Grundstücks auf die Schenkerin erloschen. Der Beschenkte könne sich von einem ursprünglich auf Zahlung gerichteten Anspruch durch Rückgabe des Geschenkes selbst befreien. Denn das Gesetz wolle den Beschenkten durch die Beschränkung des Rückforderungsanspruchs auf das zur Unterhaltsbestreitung Notwendige lediglich begünstigen, so wie ihm auch in § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Abwendungsbefugnis eingeräumt werde. Die befreiende Wirkung der Rückübereignung entfalle auch nicht deshalb, weil der Zahlungsanspruch gemäß § 90 BSHG wirksam übergeleitet gewesen sei. Denn wenn, wie hier, der Zahlungsanspruch den Wert des Geschenks nicht ausschöpfe, sei das Geschenk an den Schenker selbst zurückzugeben.

II.

Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1.

Zu Recht geht das Berufungsgericht zwar von der Wirksamkeit der Anspruchsüberleitung aus; Von Rechtsirrtum beeinflußt ist jedoch seine Ansicht, der Beklagte habe sich, weil er nur Teilwertersatz schulde, durch Rückgabe des Geschenks an die Schenkerin von seiner Zahlungsverpflichtung einseitig befreien können.

a)

Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 528 Abs. 1 BGB, die das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, richten sich die Folgen nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff, insbes. 818 BGB). Ist nicht das ganze Geschenk zur Bestreitung des Unterhalts notwendig, kann der Berechtigte, wenn es sich, wie hier bei einem Hausgrundstück, um einen unteilbaren Gegenstand handelt, nur Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB verlangen (st. Rspr. des Senats, grundlegend: BGHZ 94, 141, 143). Eine Ersetzungsbefugnis, wie sie § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB für den umgekehrten Fall der Rückforderung des ganzen Geschenkes dem Beschenkten gewährt, ist in § 818 Abs. 2 BGB nicht vorgesehen. Ob der Beschenkte sich gleichwohl durch Rückgabe des ganzen Geschenkes von der Zahlungspflicht nach § 528 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 818 Abs. 2 BGB befreien könnte, wofür spricht, daß die einschränkende Zahlungsverurteilung den Beschenkten begünstigen soll, bedarf hier keiner Entscheidung.

Denn durch eine solche Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa), die im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelt ist, wird der Schuldner nur berechtigt, sich von seiner Schuld dadurch zu befreien, daß er dem Gläubiger eine andere als die ursprüngliche Leistung erbringt (allg. Meinung, vgl. etwa MünchKomm-BGB/Keller, 2. Aufl. § 262 Rdn. 7; BGHZ 46, 338, 340). Der Beklagte hat aber, obwohl ihm die Überleitung des Rückforderungsanspruchs auf den Kläger bekannt war (vgl. § 407 BGB), das ihm geschenkte Hausgrundstück nicht an diesen als seinen (neuen) Gläubiger, sondern an seine Tante, die Schenkerin und Altgläubigerin, übereignet. Damit hat er seinem Gläubiger nicht eine andere als die ursprünglich geschuldete Leistung (Wertersatz), sondern überhaupt keine Leistung erbracht. Für eine Erfüllung des Rückforderungsanspruchs des Klägers durch Ausübung einer - hier als bestehend unterstellten - Ersetzungsbefugnis und Rückgabe des Geschenks fehlt daher jeder Ansatz. Für seine gegenteilige Ansicht gibt das Berufungsgericht keine überzeugende Begründung. Insbesondere kann es für seine Auffassung nichts daraus herleiten, daß der Träger der Sozialhilfe, wenn der Zahlungsanspruch den Wert des Geschenks nicht ausschöpft, durch die Überleitung keinen Anspruch auf Rückgabe des Geschenks selbst, sondern nur auf Wertersatz erhält. Denn bei einer Ersetzungsbefugnis - wie hier - geht es gerade darum, ob sich der Schuldner von seiner Verbindlichkeit durch eine andere als die dem Gläubiger geschuldete Leistung befreien kann.

Das übergeleitete Rückforderungsrecht des Sozialhilfeträgers kann nach § 528 Abs. 1 BGB auch nicht, wie die Revisionserwiderung meint, mit den Fällen der von ihr zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 41, 115, 117; 29, 229, 231), Wohngeld und Unterhaltsansprüche betreffend, verglichen werden. Der Rückforderungsanspruch des Schenkers stellt sich - anders als in diesen Fällen - nicht als ein "Stammrecht" dar, aus dem einzelne abtrennbare Ansprüche (laufend) fließen. Es handelt sich vielmehr nur um einen einheitlichen Anspruch auf teilweise Herausgabe des Geschenkes in Form einer Ersatzleistung in Geld.

Hinzu kommt, wie durch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts rechtskräftig feststeht, daß der Kläger "den Schenkungsrückforderungsanspruch" - nicht nur davon abtrennbare Teilansprüche auf Geld - auf sich übergeleitet hat.

Der Beschenkte konnte sich danach, wollte er sich durch Rückgabe des ganzen Geschenkes von dem übergeleiteten Anspruch befreien, jedenfalls hier nur durch Leistung gegenüber dem neuen Gläubiger wirksam entlasten. Es wäre dann Sache des Klägers als des neuen Gläubigers gewesen, sich mit der Schenkerin auseinanderzusetzen, wenn der Wert des übergeleiteten Rückforderungsanspruchs die erbrachten Sozialhilfeleistungen überstieg.

Der auf den Kläger übergeleitete Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 2 BGB ist danach nicht durch Ausübung einer Abfindungsbefugnis durch den Beklagten erloschen.

2.

Er ist auch nicht durch einverständliche Aufhebung des Schenkungsvertrages zwischen Schenkerin und Beschenktem in Verbindung mit der Rückgabe des Geschenkes untergegangen.

Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß die Rückübertragung an die Schenkerin den Beschenkten grundsätzlich nicht befreit, wenn ihm, wie hier, die Überleitung des Anspruchs aus § 528 Abs. 1 BGB auf den Träger der Sozialhilfe bekannt war. Etwas anderes kann aber auch dann nicht gelten, wenn der Wert des Geschenkes durch den Zahlungsanspruch nicht ausgeschöpft worden ist. Das Berufungsgericht übersieht nämlich, daß nach seinen eigenen tatbestandlichen Feststellungen der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer den Wert des Geschenkes nicht erreichenden Summe übergeleitet hat, sondern den Anspruch auf Rückforderung des ganzen Geschenkes. Ist aber der ganze Rückforderungsanspruch übergeleitet worden, kann die Schenkerin selbst dann nicht mehr darüber verfügen - der Beschenkte, der die Lage kennt, selbst dann nicht mehr frei werden (§§ 407 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB) -, wenn die erbrachten Sozialhilfeleistungen den Wert des Geschenkes nicht erreichen.

3.

a)

Ob, wie die Revisionserwiderung meint, hier das "Spannungsverhältnis" zwischen Schenkungs- und Sozialhilfevorschriften zum Ausschluß des Anspruchs aus § 528 Abs. 1 BGB führen könnte, hat der Senat nicht zu prüfen, da rechtskräftig feststeht, daß die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes, insbesondere die §§ 88 bis 91 BSHG, der Überleitung des Anspruches nicht entgegengestanden haben (vgl. schon BGHZ 94, 141 m.N.). Das Oberverwaltungsgericht hat zudem zu Recht entschieden, daß es für die Überleitung eines Rückforderungsanspruches wegen Notbedarf des Schenkers unbeachtlich ist, ob das geschenkte Grundstück im Eigentum des Schenkers Schonvermögen gewesen wäre.

b)

Ebensowenig tragfähig ist die Überlegung der Revisionserwiderung, § 528 Abs. 1 BGB könne im vorliegenden Falle deshalb nicht eingreifen, weil die Schenkerin selbst bei Rückgabe des Geschenkes Unterhalt für sich oder ihre Angehörigen daraus nicht hätte decken können. Hat das mit dem Nießbrauch belastete Hausgrundstück noch einen Wert, der den Wert des Nießbrauchs übersteigt, so könnte die Schenkerin nämlich durch Verkauf des mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücks aus dem Erlös eigene oder ihr obliegende Unterhaltsverpflichtungen nahen Angehörigen gegenüber bestreiten.

Aus dem gleichen Grunde trifft das Argument des Beklagten nicht zu, er könne aus seinem Einkommen den geforderten Betrag nicht aufbringen. Auch er hat Zahlungen nur zu erbringen, soweit sie aus einem denkbaren Verkauf des Geschenkes ihm zufließen würden. Nur diese Beträge und nicht sein eigenes Einkommen muß er einsetzen. Daß er auch einen Verkaufserlös benötigen würde, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, hat er nicht dargetan.

4.

Dem Kläger steht somit ein Anspruch auf Zahlung in Höhe des von ihm verauslagten Unterhaltes zu, soweit der Wert des Geschenkes reicht. Hierzu hat das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus zu Recht, keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456213

BGHZ, 283

NJW 1994, 1655

DVBl. 1994, 1294

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