Leitsatz (amtlich)

a) Das Recht zur Kündigung eines urheberrechtlichen Lizenzvertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB infolge der Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass diese Rechtsprechung nach der gemeinschaftlichen Vorstellung der Parteien auf den konkret in Rede stehenden Sachverhalt anwendbar ist.

b) Die Rechtsprechung zur Frage der öffentlichen Wiedergabe von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Arztpraxen ist nicht auf die Frage der öffentlichen Wiedergabe von Hörfunksendungen in Patientenzimmern eines Krankenhauses anwendbar (Fortführung von BGH, Urt. v. 18.6.2015 - I ZR 14/14, GRUR 2016, 278 = WRP 2016, 218 - Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen).

c) Der Betreiber eines Krankenhauses, der Patientenzimmer mit Radiogeräten ausstattet, mit denen Patienten ausgestrahlte Radiosendungen über eine krankenhauseigene Kabelanlage empfangen können, gibt die Radiosendungen i.S.v. § 15 Abs. 3 UrhG öffentlich wieder und verletzt daher die Rechte von Urhebern, ausübenden Künstlern und Sendeunternehmen zur öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke oder Leistungen.

 

Normenkette

BGB § 313; UrhG § 15 Abs. 3, 2 Sätze 1, 2 Nr. 3, §§ 20, 20b Abs. 1 S. 1, § 78 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 07.04.2017; Aktenzeichen I-5 S 124/16)

AG Bochum (Entscheidung vom 20.09.2016; Aktenzeichen 39 C 113/16)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Bochum vom 7.4.2017 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort), der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), der Zentralstelle für die Wiedergabe von Fernsehsendungen (ZWF) und der Gesellschaft zur Verwertung von Urheber- und Leistungsschutzrechten von Medienunternehmen (VG Media) ist die Klägerin auch zur Wahrnehmung der Rechte der Urheber und Leistungsschutzberechtigten befugt, die von diesen Verwertungsgesellschaften vertreten werden.

Rz. 2

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus mit 49 Patientenzimmern, die teilweise als Mehrbettzimmer ausgestattet und im Durchschnitt zu 80 % belegt sind. Die Beklagte bietet ihren Patienten die Möglichkeit, in den Patientenzimmern Radio zu hören, indem sie Rundfunksendungen durch technische Mittel an die Patientenzimmer weiterleitet. Die Patienten können zwischen mehreren vorgegebenen Radiokanälen wählen. Die Inanspruchnahme dieses Dienstes ist für die Patienten kostenlos.

Rz. 3

Die Parteien schlossen am 9.8.2010 einen urheberrechtlichen Lizenzvertrag, durch den die Klägerin der Beklagten das Recht zur Weiterleitung von Rundfunksendungen in ihre 49 Patientenzimmer gegen Zahlung einer Vergütung einräumte. Vereinbart war eine jährliche Laufzeit, die sich jeweils um ein Jahr verlängern sollte, wenn nicht einen Monat vor Ende des Vertragszeitraums eine schriftliche Kündigung erfolgt. Der für die Einräumung der Nutzungsrechte vereinbarte Jahresbetrag war aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen am Monatsersten des Vertragszeitraums im Voraus fällig.

Rz. 4

Mit Schreiben vom 20.6.2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, die Vergütung betrage ab dem 1.8.2015 jährlich 876,64 EUR. Die Klägerin nahm Bezug auf den Tarif "VG Media Weitersendung und/oder öffentliche Wiedergabe von privaten Fernseh- und/oder Hörfunkprogrammen an bereitgestellte Empfangsgeräte in Patientenzimmern und ähnlichen Einrichtungen". Mit Schreiben vom 16.7.2015, das der Klägerin am 23.7.2015 zuging, erklärte die Beklagte die fristlose Kündigung sämtlicher mit der Klägerin geschlossenen Verträge. Diese begründete sie mit der Störung der Geschäftsgrundlage aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und berief sich darauf, dass die Wiedergabe von Hörfunksendungen in Zahnarztpraxen nach den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15.3.2012 (C-135/10, GRUR 2012, 593 = WRP 2012, 689 - SCF/Del Corso) und des BGH vom 18.6.2015 (I ZR 14/14, GRUR 2016, 278 = WRP 2016, 218 - Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen) keine urheberrechtlich relevante öffentliche Wiedergabe darstelle. Die Beklagte entrichtete für den Zeitraum vom 1.8.2015 bis zum 31.7.2016 keine Lizenzgebühren.

Rz. 5

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung des Jahresbeitrags für diesen Zeitraum i.H.v. 876,64 EUR nebst Zinsen sowie Erstattung von Abmahnkosten i.H.v. 124 EUR in Anspruch genommen.

Rz. 6

Das AG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 7

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Jahreslizenzvergütung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Lizenzvertrag zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Rz. 8

Das Vertragsverhältnis der Parteien sei nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16.7.2015 beendet worden. Der Beklagten stehe kein Recht zur außerordentlichen Kündigung gem. § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB zu. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne dieser Bestimmung darstellen könne, liege nicht vor. Die von der Beklagten vorgenommene Zurverfügungstellung von Radioprogrammen in ihren Patientenzimmern erfülle auch nach den Grundsätzen der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15.3.2012 (GRUR 2012, 593 - SCF/Del Corso) und des BGH vom 18.6.2015 (GRUR 2016, 278 - Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen) die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe gem. §§ 15 Abs. 2 und 3, 20 UrhG.

Rz. 9

B. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

Rz. 10

I. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des Jahresbeitrags für den Zeitraum vom 1.8.2015 bis zum 31.7.2016i.H.v. 876,64 EUR ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen urheberrechtlichen Lizenzvertrag. Dieser ist von der Beklagten nicht mit Wirkung zum 31.7.2015 wirksam außerordentlich gekündigt worden. Der Beklagten stand kein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu.

Rz. 11

1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Parteien einen urheberrechtlichen Lizenzvertrag geschlossen haben, nach dessen Bestimmungen in Verbindung mit den von der Klägerin mit Schreiben vom 20.6.2015 mitgeteilten Vergütungssätzen nach dem Tarif "VG Media Weitersendung und/oder öffentliche Wiedergabe von privaten Fernseh- und/oder Hörfunkprogrammen an bereitgestellte Empfangsgeräte in Patientenzimmern und ähnlichen Einrichtungen" für die durch technische Mittel vorgenommene Weiterleitung von Rundfunksendungen auf die von der Beklagten in ihrem Krankenhaus betriebenen 49 Patientenzimmer für den Zeitraum vom 1.8.2015 bis zum 31.7.2016 ein Lizenzbetrag in Höhe der Klagesumme zu entrichten ist. Dagegen erhebt die Revision keine Rügen.

Rz. 12

2. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte den Lizenzvertrag nicht wirksam durch Schreiben vom 16.7.2015 außerordentlich gekündigt hat.

Rz. 13

a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich ein Recht zur außerordentlichen Kündigung im Streitfall allein aus der Vorschrift des § 313 BGB unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage wegen Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben kann. Auch dies wird von der Revision nicht beanstandet.

Rz. 14

b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, im Streitfall liege eine Störung der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 BGB nicht vor.

Rz. 15

aa) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann gem. § 313 Abs. 1 BGB Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insb. der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Einer Veränderung der Umstände steht es nach § 313 Abs. 2 BGB gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil nach § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB das Recht zur Kündigung.

Rz. 16

Nach diesen Grundsätzen kann die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nach § 313 Abs. 1 und 2 BGB eine Anpassung eines Vertrags rechtfertigen, wenn der Geschäftswille der Parteien - wie regelmäßig - auf der gemeinschaftlichen Erwartung vom Fortbestand einer bestimmten Rechtslage aufgebaut war. Die Frage, ob und inwieweit ggf. eine Anpassung des Vertrags gem. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB möglich und zumutbar ist oder der benachteiligte Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB das Recht zur Kündigung hat, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien zu entscheiden. Es genügt nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten der anderen Partei auch zumutbar sein (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.2009 - XII ZR 8/08, NJW 2010, 440 Rz. 28; BGH GRUR 2016, 278 Rz. 12 - Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen). Unter diesen Umständen kommt auch die fristlose Kündigung von urheberrechtlichen Lizenzverträgen in Betracht, sofern sich im Hinblick auf eine konkrete urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung eine gefestigte Rechtsprechung gebildet hat und sich diese - beispielsweise veranlasst durch eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union - ändert (vgl. BGH GRUR 2016, 278 Rz. 13 ff. - Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen).

Rz. 17

bb) Im Streitfall kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass der Geschäftswille der Parteien auf der gemeinschaftlichen Erwartung vom Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Wiedergabe von Hörfunksendungen in Zahnarztpraxen aufgebaut war. Ein gem. § 313 BGB schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass diese Rechtsprechung nach der gemeinschaftlichen Vorstellung der Parteien auf den konkret in Rede stehenden Sachverhalt anwendbar ist. Daran fehlt es im Streitfall.

Rz. 18

Die Beklagte beruft sich auf eine Änderung der Rechtsprechung zur Lautsprecherübertragung von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Arztpraxen. Im Hinblick auf diesen konkreten Sachverhalt hat es in der Tat eine Änderung der gefestigten Rechtsprechung gegeben (vgl. BGH GRUR 2016, 278 Rz. 14, 17, 20 - Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen). Im Streitfall geht es jedoch nicht um die Lautsprecherübertragung von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Arztpraxen, sondern um die durch den Betreiber eines Krankenhauses mit technischen Mitteln vorgenommene Weiterleitung von Rundfunksendungen zur im Belieben der Patienten stehenden Abrufbarkeit in 49 Patientenzimmern des Krankenhauses. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Parteien bei Abschluss des streitgegenständlichen Lizenzvertrags die von der Beklagten praktizierte Weiterleitung von Rundfunksendungen als rechtlich identisch mit einer Lautsprecherübertragung von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Arztpraxen angesehen haben und außerdem vom Fortbestand der dafür bestehenden gefestigten Rechtsprechung ausgegangen sind. Die Revision rügt nicht, dass das Berufungsgericht insoweit Vorbringen der Beklagten übergangen hat.

Rz. 19

Der Annahme eines Kündigungsrechts gem. § 313 BGB wegen Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung steht ferner entgegen, dass sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Recht der öffentlichen Wiedergabe in Bezug auf die hier in Rede stehende Weiterleitung von Rundfunksendungen in Patientenzimmern eines Krankenhauses zwischen dem Abschluss des Lizenzvertrags und dem Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte nicht geändert hat.

Rz. 20

cc) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die im Streitfall maßgebliche Verwertungshandlung auch nach den zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung maßgeblichen Rechtsprechungsgrundsätzen als öffentliche Wiedergabe i.S.v. §§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3, 20, 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG anzusehen ist.

Rz. 21

(1) Das ausschließliche Recht des Urhebers zur öffentlichen Wiedergabe seines Werks (§ 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG) umfasst das Senderecht (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UrhG), also das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 20 UrhG). Das Senderecht schließt das Recht zur Kabelweitersendung gem. § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG ein, also das Recht, ein gesendetes Werk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig weiterübertragenen Programms durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme weiterzusenden (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2015 - I ZR 21/14, GRUR 2016, 697 Rz. 14 = WRP 2016, 1009 - Königshof). Bei dem Recht zur Kabelweitersendung handelt es sich um einen besonderen Fall des Senderechts und damit um einen besonderen Fall der öffentlichen Wiedergabe. Eine Kabelweitersendung setzt daher eine öffentliche Wiedergabe voraus. Die Wiedergabe ist nach § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört nach § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

Rz. 22

(2) Die hier in Rede stehenden Rechte und Ansprüche der Urheber und Leistungsschutzberechtigten wegen einer öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke und Leistungen durch Kabelweitersendung beruhen auf Richtlinien der Europäischen Union. Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe ist deshalb in Übereinstimmung mit der für Urheber geltenden Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft sowie mit der für Leistungsschutzberechtigte geltenden Bestimmungen des Art. 8 Abs. 1 und 2 Satz 2 der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung) und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2015 - I ZR 228/14, BGHZ 206, 365 Rz. 30 ff. - Ramses, m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG diese Rechte in seinem Anwendungsbereich vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. EuGH, Urt. v. 13.2.2014 - Rs. C-466/12, GRUR 2014, 360 Rz. 33 bis 41 = WRP 2014, 414 - Svensson/Retriever Sverige; BGH, Urt. v. 9.7.2015 - I ZR 46/12, GRUR 2016, 171 Rz. 17 = WRP 2016, 224 - Die Realität II; Beschl. v. 23.2.2017 - I ZR 267/15, GRUR 2017, 514 Rz. 17 = WRP 2017, 569 - Cordoba).

Rz. 23

Überträgt - wie im Streitfall - der Betreiber eines Krankenhauses zuvor von ihm empfangene Hörfunksignale zeitgleich, unverändert und vollständig durch technische Mittel wie Kabel i.S.v. § 20b Abs. 1 UrhG an die angeschlossenen Empfangsgeräte in 49 Patientenzimmer weiter, sind die Voraussetzungen erfüllt, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union an eine öffentliche Wiedergabe i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG zu stellen sind. Eine solche Weiterübertragung stellt daher eine öffentliche Wiedergabe i.S.v. § 15 Abs. 3 UrhG dar.

Rz. 24

(3) Die hier in Rede stehende Verwertungshandlung fällt in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.

Rz. 25

Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe i.S.d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG umfasst nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die nicht an dem Ort anwesend ist, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2 der Richtlinie 2001/29/EG). Nicht erfasst sind daher direkte Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öffentlichkeit, die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person befindet, die dieses Werk aufführt oder darbietet (EuGH, Urt. v. 4.10.2011 - Rs. C-403/08 und C-429/08, Slg. 2011, I-9083 = GRUR 2012, 156 Rz. 200 bis 202 = WRP 2012, 434 - Football Association Premier League und Murphy; Urt. v. 24.11.2011 - Rs. C-283/10, Slg. 2011, I-12031 = GRUR-Int. 2012, 150 Rz. 35 und 36 - UCMR-ADA/Zirkus Globus; BGH GRUR 2017, 514 Rz. 19 - Cordoba).

Rz. 26

Bei der hier in Rede stehenden Weiterleitung von Rundfunksendungen findet kein unmittelbarer körperlicher Kontakt zwischen den ein Werk aufführenden oder darbietenden Personen und einer durch die Wiedergabe erreichten Öffentlichkeit statt. Es liegt daher eine Wiedergabe an eine Öffentlichkeit vor, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung genommen hat, nicht anwesend gewesen ist. Eine solche Wiedergabe fällt in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.

Rz. 27

(4) Der Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe. Ferner erfordert dieser Begriff eine individuelle Beurteilung. Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden (vgl. EuGH, Urt. v. 7.3.2013 - Rs. C-607/11, GRUR 2013, 500 Rz. 21 und 31 - ITV Broadcasting/TVC; EuGH GRUR 2014, 360 Rz. 16 - Svensson/Retriever Sverige; EuGH, Urt. v. 19.11.2015 - Rs. C-325/14, GRUR 2016, 60 Rz. 14 und 15 - SBS/SABAM; Urt. v. 31.5.2016 - Rs. C-117/15, GRUR 2016, 684 Rz. 35 bis 37 - Reha Training/GEMA; Urt. v. 8.9.2016 - Rs. C-160/15, GRUR 2016, 1152 Rz. 32 bis 34 - GS Media BV/Sanoma u.a.; BGH GRUR 2017, 514 Rz. 21 - Cordoba).

Rz. 28

(5) Die Weiterleitung von Rundfunksendungen in Patientenzimmer stellt eine Handlung der Wiedergabe dar.

Rz. 29

Der Begriff der Wiedergabe ist mit Blick auf das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/EG, ein hohes Schutzniveau für die Urheber sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 4 und 9 der Richtlinie 2001/29/EG), weit zu verstehen (vgl. Erwägungsgrund 23 der Richtlinie 2001/29/EG), und zwar dahin, dass er jede Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren umfasst (vgl. EuGH GRUR 2012, 156 Rz. 186 und 193 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rz. 20 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rz. 17 - Svensson/Retriever Sverige; EuGH, Urt. v. 27.2.2014 - Rs. C-351/12, GRUR 2014, 473 Rz. 23 und 25 = WRP 2014, 418 - OSA/Léèebné láznì; EuGH GRUR 2016, 684 Rz. 38 - Reha Training/GEMA). Eine "Wiedergabe" setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten. Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zum geschützten Werk haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen (vgl. EuGH, Urt. v. 7.12.2006 - Rs. C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225 Rz. 42 und 43 - SGAE/Rafael; EuGH GRUR 2012, 156 Rz. 195 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2014, 360 Rz. 19 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rz. 26 - OSA/Léèebné láznì; EuGH, Urt. v. 27.3.2014 - Rs. C-314/12, GRUR 2014, 468 Rz. 39 = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel/Constantin Film und Wega; BGH GRUR 2017, 514 Rz. 23 - Cordoba).

Rz. 30

Danach ist die hier in Rede stehende Weiterleitung von Rundfunksendungen in Patientenzimmer mittels technischer Mittel als "Handlung der Wiedergabe" i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG einzustufen. Die Beklagte wird bei der Weiterleitung durch technische Mittel in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig, um ihren Patienten über die in den Patientenzimmern vorhandenen Radiogeräte die Möglichkeit des Zugriffs auf Rundfunksendungen zu verschaffen, die sie ohne ihr Tätigwerden in dieser Form nicht gehabt hätten.

Rz. 31

Entgegen der Ansicht der Revision steht der Annahme einer Handlung der Wiedergabe nicht entgegen, dass die Patienten der Beklagten frei darüber entscheiden können, ob sie die Radioprogramme in Anspruch nehmen oder nicht. Es kommt nicht darauf an, ob die Patienten die ihnen durch die Handlung der Beklagten eröffnete Möglichkeit des Zugangs zum geschützten Werk tatsächlich nutzen (vgl. Rz. 29).

Rz. 32

(6) Im Streitfall liegt auch eine Öffentlichkeit der Wiedergabe vor.

Rz. 33

Der Begriff der Öffentlichkeit ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt.

Rz. 34

Um eine "unbestimmte Zahl potentieller Adressaten" handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören (vgl. zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG EuGH GRUR 2007, 225 Rz. 37 - SGAE/Rafael, m.w.N.; vgl. zu Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG [jetzt Richtlinie 2006/115/EG] EuGH GRUR 2012, 593 Rz. 85 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rz. 34 - PPL/Irland; BGHZ 206, 365 Rz. 46 - Ramses). Hinsichtlich des Kriteriums "recht viele Personen" ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. EuGH GRUR 2007, 225 Rz. 38 - SGAE/Rafael; GRUR 2013, 500 Rz. 32 und 33 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rz. 21 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rz. 27 und 28 - OSA/Léèebné láznì; GRUR 2016, 684 Rz. 40 bis 44 - Reha Training/GEMA; GRUR 2016, 1152 Rz. 36 - GS Media BV/Sanoma u.a.; BGH GRUR 2017, 514 Rz. 26 - Cordoba).

Rz. 35

Das Berufungsgericht hat angenommen, bei den Patienten auf den insgesamt 49 Patientenzimmern handele es sich um eine unbestimmte Vielzahl von Personen. Diese hätten typischerweise untereinander keine Beziehungen, die über zufällige Bekanntschaften hinausgingen. Patienten stellten mithin keine private Gruppe dar. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, Patienten der Beklagten im Krankenhaus stellten angesichts der Privatheit der einzelnen Krankenzimmer eine besondere, private Gruppe dar. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Umstand, dass das Programm in privaten Zimmern empfangen wird, dem Begriff der Öffentlichkeit nicht entgegensteht (vgl. EuGH GRUR 2007, 225 Rz. 50 f. - SGAE/Rafael).

Rz. 36

Das Merkmal "recht viele Personen" ist vorliegend ebenfalls erfüllt. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bereits die Tatsache, dass 49 Zimmer vorhanden seien, von denen im Durchschnitt 80 % belegt seien, spreche dafür, dass sich "mehr als allzu wenige Personen" im Empfangsbereich der weitergeleiteten Rundfunksendungen aufhielten. Es hätten kumulativ viele Personen Zugang zu den Radiosendungen, da es typischerweise eine hohe Fluktuation von Patienten mit unterschiedlich langer Aufenthaltsdauer gebe. Weiterhin seien in diesem Zusammenhang Besucher zu berücksichtigen, die sich mit den Patienten zumindest zeitweise auf den Zimmern aufhielten. Die Anzahl der Personen gehe damit weit über die Anzahl der Personen hinaus, sie sich typischerweise in einer Zahnarztpraxis aufhielten. Auch sei die durchschnittliche Dauer des Aufenthalts der Patienten erheblich länger als in Zahnarztpraxen, die üblicherweise nur zur ambulanten Behandlung aufgesucht würden. Diese im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Revision geltend macht, die Zahl der Personen, die in der Klinik der Beklagten die in Rede stehenden Radiosendungen hören könnten, sei relativ klein, da davon auszugehen sei, dass in den 49 Zimmern nicht gleichzeitig von "vielen Personen" dieselben Werke und Leistungen abgehört würden, legt sie keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts dar, sondern versucht in revisionsrechtlich unzulässiger Weise, ihre eigene Beurteilung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung zu setzen. Im Übrigen kommt es entgegen der Ansicht der Revision nicht allein auf die gleichzeitige Zugangsmöglichkeit an, sondern ebenso darauf, wie viele Personen nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. Rz. 34).

Rz. 37

(7) Für eine Einstufung als "öffentliche Wiedergabe" ist es weiterhin erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet, braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird; in einem solchen Fall bedarf die Wiedergabe ohne Weiteres der Erlaubnis des Urhebers (vgl. EuGH GRUR 2007, 225 Rz. 40 und 41 - SGAE/Rafael; EuGH, Beschl. v. 18.3.2010 - Rs. C-136/09, MR-Int. 2010, 123 Rz. 38 - OSDD/Divani Akropolis; EuGH GRUR 2012, 156 Rz. 197 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rz. 39 und 24 bis 26 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rz. 24 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rz. 14 - BestWater International/Mebes und Potsch; GRUR 2016, 684 Rz. 45 - Reha Training/GEMA; GRUR 2016, 1152 Rz. 37 - GS Media BV/Sanoma u.a.; BGH GRUR 2016, 697 Rz. 22 - Königshof; GRUR 2017, 514 Rz. 28 - Cordoba).

Rz. 38

Im Streitfall erfolgte die Weiterverbreitung der Sendesignale nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin über das krankenhausinterne Kabelnetz. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, mit welchem technischen Verfahren die Beklagte selbst die Sendesignale empfängt. Die Weiterverbreitung von terrestrisch oder über Satellit ausgestrahlten Sendesignalen über Kabel erfolgt nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet (BGHZ 206, 365 Rz. 55 - Ramses, m.w.N.). Ob die Beklagte die Sendesignale terrestrisch, also per erdgebundenen Funksendern oder über Satellitenfunk empfangen hat, oder aber die Signale ihrerseits über ein Kabelnetz zur Beklagten gelangt sind, kann im Streitfall offenbleiben. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte die an die Patientenzimmer weitergeleiteten Radiosendungen jedenfalls für ein neues Publikum wiedergegeben hat. Die Patienten sind - ebenso wie die Gäste eines Hotels (vgl. EuGH GRUR 2007, 225 Rz. 41 und 42 - SGAE/Rafael; EuGH, Urt. v. 16.2.2017 - Rs. C-641/15, GRUR 2017, 385 Rz. 17 = WRP 2017, 415 - Verwertungsgesellschaft Rundfunk/Hetteger Hotel Edelweiss) und einer Gaststätte (vgl. EuGH GRUR 2012, 156 Rz. 197 und 199 - Football Association Premier League und Murphy), sowie die Patienten einer Kureinrichtung (vgl. EuGH GRUR 2014, 473 Rz. 31 und 32 - OSA/Léèebné láznì) und eines Rehabilitationszentrums (vgl. EuGH GRUR 2016, 684 Rz. 60 und 61 - Reha Training/GEMA) - nicht als das Publikum anzusehen, an das der Inhaber des Urheberrechts dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Die Patienten eines Krankenhauses können ohne gezieltes Eingreifen des Krankenhausbetreibers grundsätzlich nicht in den Genuss der ausgestrahlten Werke kommen (vgl. EuGH GRUR 2016, 684 Rz. 60 und 61 - Reha Training/GEMA). Der private Charakter von Patientenzimmern steht der Annahme der Wiedergabe eines Werks mittels der dort aufgestellten Radioapparate an ein neues Publikum nicht entgegen (vgl. EuGH GRUR 2017, 385 Rz. 17 - Verwertungsgesellschaft Rundfunk/Hetteger Hotel Edelweiss).

Rz. 39

(8) Für die Frage einer öffentlichen Wiedergabe ist es nicht von entscheidender Bedeutung, ob die Weiterleitung der Rundfunksendungen auf die Patientenzimmer von der Beklagten zu Erwerbszwecken vorgenommen worden ist. Der gewerbliche Charakter der Verbreitung eines geschützten Werks ist für die Einstufung einer Verbreitung als "öffentliche Wiedergabe" zwar - u.a. zur Bestimmung der Höhe einer möglichen Vergütung für diese Verbreitung (vgl. EuGH GRUR 2012, 156 Rz. 204 bis 206 - Football Association Premier League und Murphy) - nicht unerheblich; er ist hierfür aber mit Sicherheit nicht ausschlaggebend (EuGH GRUR 2016, 684 Rz. 49 - Reha Training/GEMA; vgl. aber auch EuGH GRUR 2016, 1152 Rz. 55 - GS Media BV/Sanoma u.a.; BGH GRUR 2017, 514 Rz. 39 - Cordoba).

Rz. 40

Das Berufungsgericht ist im Übrigen zutreffend davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Nutzungshandlung auch Erwerbszwecken diente. Es hat angenommen, ein Erwerbszweck sei zu bejahen, wenn sich die Nutzungshandlung auch nur mittelbar positiv auf die Wahrnehmung des Anbieters durch das Publikum auswirke. Es sei nicht erforderlich, dass für die Nutzungshandlung ein konkretes Entgelt verlangt werde. Im Streitfall sei ein Erwerbszweck gegeben. Die Verfügbarkeit von Radioprogrammen biete den Patienten der Beklagten eine Möglichkeit der Zerstreuung und steigere damit deren Lebensqualität während des Aufenthalts im Krankenhaus der Beklagten. Hierdurch werde zudem der Standard der Klinik erhöht, auch wenn dies nicht unmittelbar zu höheren Einnahmen der Beklagten führe. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

Rz. 41

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat angenommen, dass die Verbreitung von Fernsehsendungen über Fernsehgeräte, die Patienten eines Rehabilitationszentrums während ihrer Behandlung oder den vorangehenden Wartezeiten Unterhaltung bieten soll, eine zusätzliche Dienstleistung darstellt, die zwar keine medizinische Bedeutung besitzt, sich aber auf die Standards und die Attraktivität der Einrichtung günstig auswirke und dieser somit einen Wettbewerbsvorteil verschaffe (EuGH GRUR 2016, 684 Rz. 63 - Reha Training/GEMA). Nichts anderes gilt nach den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen für die im Streitfall in Rede stehende Weiterleitung von Rundfunksendungen in Patientenzimmer eines Krankenhauses. Soweit die Revision geltend macht, die Patienten der Beklagten wählten deren Klinik ausschließlich nach der Qualität der medizinischen Behandlung und/oder der räumlichen Nähe zu ihrem Wohnort, so dass das Berufungsgericht unzutreffend davon ausgegangen sei, dass sich die Wiedergabe zumindest mittelbar positiv auf die Wahrnehmung der Beklagten durch ihre Patienten auswirke, legt sie keinen Rechtsfehler dar, sondern versucht lediglich, die mit der Lebenserfahrung im Einklang stehende tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene zu ersetzen.

Rz. 42

II. Das vom Berufungsgericht in Bezug genommene amtsgerichtliche Urteil ist davon ausgegangen, dass die Klägerin die geltend gemachten Zinsen und die vorgerichtlichen Mahnkosten als Verzugsschaden gem. §§ 286 Abs. 1, 287 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB beanspruchen kann. Diese zutreffende Beurteilung hat die Revision nicht beanstandet.

Rz. 43

III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urt. v. 6.10.1982 - Rs. C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rz. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG oder Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, anhand der von ihm aufgestellten Kriterien aufgrund einer umfassenden Beurteilung der gegebenen Situation zu beurteilen, ob in einem konkreten Fall eine öffentliche Wiedergabe vorliegt (vgl. EuGH GRUR 2012, 593 Rz. 93 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rz. 39 - PPL/Irland).

Rz. 44

C. Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten der Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11740188

NWB 2018, 1737

BlPMZ 2018, 223

NJW-RR 2018, 877

CR 2018, 749

GRUR 2018, 608

AfP 2018, 374

JZ 2018, 440

MDR 2018, 813

WRP 2018, 701

ZUM 2018, 532

GRUR-Prax 2018, 262

GRUR-Prax 2019, 101

K&R 2018, 484

NWB direkt 2018, 623

GK/Bay 2019, 68

IIC 2018, 871

IP kompakt 2018, 14

Mitt. 2018, 289

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