Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Urheberrechtsschutzfähigkeit eines Erdgeschoßgrundrisses für ein Einfamilienhaus.

 

Normenkette

UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 16 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 18.09.1985)

LG Hannover (Urteil vom 23.12.1980)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 18. September 1985 und das Schlußurteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 23. Dezember 1980 aufgehoben.

Der Beklagte wird im Wege des Teilurteils verurteilt, dem Kläger über die anrechenbaren Baukosten seines Bauvorhabens in …, Auskunft zu erteilen, und zwar durch Vorlage der Kostenberechnung und der Kostenfeststellung einschließlich der zur Kostenfeststellung gehörenden Belege.

Im übrigen wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Architekt. Im Jahre 1979 fertigte er für den Beklagten den Vorentwurf für ein Einfamilienhaus an. Zu weiteren Architektenleistungen des Klägers kam es nicht. Im Juli 1979 kündigte der Beklagte den Auftrag und verlangte eine Abrechnung des Klägers. Der Beklagte zog einen anderen Architekten hinzu und ließ das Einfamilienhaus errichten.

Der Kläger hat sein Honorar – ausgehend von einem Gesamthonorar von 70.000,– DM unter Abzug ersparter Eigenleistungen – zunächst mit 44.000,– DM errechnet. Der Beklagte hat darauf 6.147,99 DM gezahlt.

Mit der Klage hat der Kläger ursprünglich ein restliches Honorar von 37.852,01 DM geltend gemacht. Er hat behauptet, der Beklagte habe ihn mit der Planung und Durchführung des gesamten Bauvorhabens beauftragt. Der Beklagte schulde ihm daher 60 % des vereinbarten Pauschalhonorars von 70.000,– DM als entgangenen Gewinn. Überdies habe sich der Beklagte auch wegen einer Urheberrechtsverletzung Schadensersatzpflichtig gemacht, weil er den Bau mit Hilfe eines anderen Architekten nach seinem – des Klägers – Vorentwurf habe erstellen lassen.

Der Beklagte hat bestritten, dem Kläger einen Gesamtauftrag erteilt zu haben. Eine Urheberrechtsverletzung scheide aus; der Vorentwurf des Klägers sei kein urheberrechtlich geschütztes Werk und im übrigen auch nicht von ihm – dem Beklagten – verwertet worden. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Senat das Berufungsurteil durch Urteil vom 1. März 1984 (GRUR 1984, 656 ff – Vorentwurf) aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen, ob der Vorentwurf ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne des § -2 Abs. 1 Nr.:4 UrhG darstellt und – bejahendenfalls – ob der Beklagte den Vorentwurf durch einen anderen Architekten hat verwerten lassen.

Vor dem Berufungsgericht ist der Kläger nunmehr zur Stufenklage übergegangen und hat beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger über die anrechenbaren Baukosten seines Bauvorhabens in …straße, Auskunft zu erteilen, und zwar durch Vorlage der Kostenberechnung und der Kostenfeststellung einschließlich der zur Kostenfeststellung gehörenden Belege,
  2. den sich aus der Auskunft ergebenden Betrag zu zahlen als angemessene Lizenzgebühr,

    hilfsweise,

    den bisher angekündigten Zahlungsantrag mit der Maßgabe, daß die geltend gemachte Hauptforderung 41.901,87 DM beträgt.

Das Berufungsgericht hat die Berufung nach Einholung eines Sachverständigengutachtens erneut zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts stellt der Vorentwurf des Klägers kein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG dar. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt: Der Sachverständige habe zwar dargelegt, daß die Bauaufgabe individuell und originell gelöst sei und Besonderheiten gestalterischer Art aufweise. Dies gelte aber nur für den Erdgeschoßgrundriß; bei ihm sei eine nicht als Schema zu bezeichnende Raumfolge der Außenräume konzipiert worden, die einen großzügigen Raumeindruck mit großer Tiefenwirkung erzeugen könne. Die bloße Feststellung, daß der Kläger einen originellen Erdgeschoßgrundriß entwickelt habe, reiche jedoch nicht aus, ein schutzwürdiges Werk der Baukunst anzunehmen. Denn zum einen zeige sich die eigenschöpferische Leistung nur in einem Teil der Bauaufgabe (der Grundrißgestaltung) und nicht im gesamten Vorentwurf. Sodann lasse der Grundriß allein noch nicht erkennen, wie sich der Kläger seine Umsetzung in eine Raumform vorgestellt habe; dazu fehle es an zusätzlichen Darstellungen, wie zum Beispiel der Höhenentwicklung, der Einbeziehung der Wendeltreppe in den Raum und anderes. Die Raumform müsse erkennbar sein, da auch ein außergewöhnlicher Grundriß durch eine banale Fortentwicklung zu einem durchschnittlichen architektonischen Endprodukt führen könne.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen, Nachprüfung nicht stand.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG zu, weil der Beklagte bei der Errichtung seines Wohnhauses den Vorentwurf des Klägers verwertet und dadurch schuldhaft dessen Vervielfältigungsrecht (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 UrhG) verletzt hat. Das zulässigerweise mit der Stufenklage (§ 254 ZPO) geltend gemachte Auskunftsbegehren dient der Vorbereitung dieses Anspruchs.

1. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist dem vom Kläger gefertigten Vorentwurf als Entwurf eines Werkes der Baukunst im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG Urheberrechtsschutz zuzubilligen. Denn zumindest der vom Kläger gestaltete Erdgeschoßgrundriß ist nach den eigenen Feststellungen des Berufungsgerichts in Verbindung mit den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, auf die das Berufungsgericht sich bezieht, als persönliche geistige Schöpfung nach § 2 Abs. 2 UrhG anzuerkennen.

a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, es reiche für die Zubilligung des Urheberrechtsschutzes nicht aus, daß sich die eigenschöpferische Leistung nur in einem Teil der Bauaufgabe zeige, nämlich nur im Erdgeschoßgrundriß und nicht im gesamten Vorentwurf, und daß der Vorentwurf auch keine Raumform erkennen lasse, beruht auf einem Rechtsfehler.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können auch Werkteile Urheberrechtsschutz genießen, sofern sie als solche den urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen genügen, wie dies zum Beispiel bei der Fassadengestaltung eines Bauwerks der Fall sein kann (BGHZ 61, 88, 94 – Wählamt; RGZ 82, 333, 336 – Fassadengestaltung). Bei einem Vorentwurf kann Urheberrechtsschutzfähigkeit begründen, daß die eigenschöpferische Prägung ihren Niederschlag lediglich im Erdgeschoßgrundriß und nicht auch in den übrigen Teilen des Vorentwurfs (wie z.B. dem Dachgeschoßgrundriß und der erkennbar gewordenen Dachkonstruktion) findet.

Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, ein Erdgeschoßgrundriß könne deshalb nicht schutzfähig sein, weil er die Raumform des Bauwerks nicht erkennen lasse, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Im Streitfall läßt der Erdgeschoßgrundriß wesentliche Raumvorstellungen des Klägers erkennen, wie zum Beispiel die Baukörperform und seine Anpassung an das vorhandene Grundstück, die Raumzuordnung, die Tür- und Fensteranordnung sowie die Lichtführung und die Blickrichtungen. In diesen sich bereits aus der Grundrißzeichnung ergebenden Elementen kann eine zur Zubilligung des Urheberrechtsschutzes hinreichende schöpferische Gestaltungskraft zum Ausdruck kommen (dazu nachfolgend unter b). Insoweit kann nichts anderes gelten als in den Fällen, in denen die Rechtsprechung schon bislang in der Aufgliederung und Zuordnung mehrerer Baukörper eines Gesamtkomplexes eine urheberrechtsschutzfähige Leistung gesehen hat (BGHZ 24, 55, 64 ff – Ledigenheim; BGH, Urt. v. 13.6.1980 – I ZR 45/78, GRUR 1981, 196, 197 – Honorarvereinbarung).

Die Erwägung des Berufungsgerichts, daß auch ein außergewöhnlicher Grundriß durch eine banale Fortentwicklung zu einem nur durchschnittlichen architektonischen Endprodukt führen könne, besagt nichts. Eine derartige Entwicklung ist bei jedem Werk, das schrittweise entsteht, möglich, ohne daß sich dadurch die rechtliche Einordnung der in den Vorstufen angefallenen schutzfähigen Gestaltungen ändert.

Auch der Einwand der Revisionserwiderung, Grundrißzeichnungen könnten allenfalls als Darstellungen technischer Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG zu beurteilen sein, greift nicht durch. Erfüllt eine technische Zeichnung wie hier – zugleich die Anforderungen, die an den Entwurf eines Bauwerks im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG zu stellen sind, so kann der Schutz nach beiden Bestimmungen in Anspruch genommen werden.

b) Es kommt danach im Streitfall maßgebend darauf an, ob der Erdgeschoßgrundriß eine persönliche geistige Schöpfung des Klägers darstellt. Dies ist, nach den vom Berufungsgericht auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens, gegen das keine durchgreifenden Bedenken vorgebracht worden sind, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu bejahen.

Aus den Ausführungen des Gutachtens und den bei den Aktenbefindlichen Grundrißzeichnungen ergibt sich, daß der Kläger die Baukörperform des Einfamilienhauses mit vier Hausflügeln konzipiert hat, die so gegeneinander versetzt sind, daß sich ein quadratischer Lichthof bildet. Der Erdgeschoßgrundriß zeigt, daß sich die vier Hausflügel um eine innenliegende Wendeltreppe – den Hauskern – gruppieren. Jeder Flügel ist, bezogen auf Himmelsrichtung und Grundstück, für die Aufnahmesinnvoll geordneter Raumgruppen vorgesehen. Im Südostflügel befindet sich mit direktem Zugang von der Diele der Wohnraum, dem eine nach Südwesten orientierte Terrasse vorgelagert ist mit Blick auf die Tiefe des nach Südwesten abfallenden Gartens. Nach Nordosten schließt sich an den Wohnraum ein im Fußniveau um wenige Stufen herabgesetzter Kaminraum an. Nach Südwesten ist ein weiterer Hausflügel mit offenem breiten Durchgang angeschlossen, der einen Eßraum und die danebenliegende Küche aufnimmt. Diesem Hausflügel ist in den Garten hinein ein fast halbrunder, nur erdgeschoßhoher und in der Vorstellung des Klägers rundum verglaster Raum als Erweiterung des Eßraumes angefügt.

Diese Konzeption des Erdgeschoßbereichs weist einen zur Zubilligung der Urheberrechtsschutzfähigkeit hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad auf. Nach den vom Berufungsgericht unter Berufung auf das Sachverständigengutachten rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Kläger die häufige Bauaufgabe, ein Einfamilienhaus mit üblichem Raumprogramm zu planen, jedenfalls bei der Gestaltung des Erdgeschoßgrundrisses einer originellen und individuellen Lösung zugeführt. Der Wohnraumbereich vermittelt durch die Art, wie Diele und Treppe einbezogen sind, einen großzügigen Raumeindruck. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, daß die Wand, die den Wohnraum nach Nordosten begrenzt und nach außen in den Garten weiterführt, den Blick in die Raumdiagonale lenkt. Dadurch wird der Garten als wesentliches Gestaltungselement einbezogen. Auch bei der Blickrichtung von der Diele zum Eßraum hat der Kläger versucht, eine möglichst große Tiefenwirkung zu erzielen, indem er die von der Diele her gesehen linke Wand zunächst geschlossen und geradeaus durch ein gegenüberliegendes Glasfeld den Blick in die Tiefe des Gartens freigegeben hat. Durch einen breiten Wandpfeiler getrennt läßt eine etwa gleich breite Öffnung den Blick in den halbrunden Vorbau zu. In umgekehrter Blickrichtung, also etwa vom halbrunden Anbau aus, wird die Raumfolge Eßraum, Wohnraum, Kaminzimmer in der ganzen Tiefe überschaubar:

Diese bewußt geplanten Blickrichtungen prägen nach Ansicht des Sachverständigen das Erscheinungsbild des Erdgeschoßgrundrisses. Der Gutachter führt weiter aus, daß sich dieser Grundriß aufgrund der. angeführten gestalterischen Besonderheiten wesentlich von vorbestehenden Gestaltungen unterscheidet, mögen auch die fließenden Raumübergänge und die Führung von Blickrichtung zu den vorbekannten Gestaltungsmerkmalen gehören. Die zusammenfassende Beurteilung des Gutachters, daß sich die besondere gestalterische Qualität des Erdgeschoßgrundrisses in dem durch die reizvolle Raumgliederung hervorgerufenen kontrastierenden Wechsel der Raumformen, der Lichtführung und den abwechslungsreichen Außen- und Innenbeziehungen zeigt, rechtfertigt bei Zugrundelegung der Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunst einigermaßen vertrauten Kreise (BGHZ 62, 331, 337 – Schulerweiterung) auch die weitere Annahme, daß sich die Grundrißgestaltung des Klägers deutlich vom durchschnittlichen Architektenschaffen abhebt.

Nach alledem kann dem Vorentwurf des Klägers Urheberrechtsschutz nicht versagt werden.

2. Das Berufungsgericht ist zwar BU 4 davon ausgegangen, daß der Beklagte nach dem Sachverständigengutachten die dem Vorentwurf des Klägers innewohnende geistige Leistung verwertet hat, es hat zu dieser Frage aber keine eigenen Feststellungen getroffen. Insoweit bedarf es jedoch keiner Aufhebung und Zurückverweisung, da der Senat die Frage anhand der vorliegenden Grundrißzeichnungen und des Sachverständigengutachtens selbst beantworten kann.

Der Vergleich des Erdgeschoßgrundrisses des Klägers mit dem vom Beklagten verwendeten (Anlage 3 und 3 a zum Gutachten) führt zu dem Ergebnis, daß der Beklagte trotz vorhandener Abweichungen in das Vervielfältigungsrecht des Klägers nach § 16 Abs. 1 UrhG eingegriffen hat.

Einen Eingriff in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers stellt nicht nur die identische (oder nahezu identische) Vervielfältigung dar. Vom Verbietungsrecht des Urhebers werden auch in einem weiteren Abstand vom Original liegende Werkumgestaltungen erfaßt, die ohne eigene schöpferische Ausdruckskraft geblieben sind und sich daher – trotz der vorgenommenen Umgestaltung – noch im Schutzbereich des Originals halten, weil dessen Eigenart auch in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.1964 – Ib ZR 146/62, GRUR 1965, 45, 47 – Stadtpläne).

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Bei der Frage nach dem übereinstimmenden Gesamteindruck ist davon auszugehen, welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des Originalwerks bestimmen. Sodann ist nach den Übereinstimmungen dieser schöpferischen Elemente zu fragen, also von den Übereinstimmungen und nicht von den Abweichungen auszugehen; erst dann stellt sich die Frage, ob die Werke trotz der Abweichungen einen übereinstimmenden geistigschöpferischen Gesamteindruck aufweisen (BGH, Urt. v. 8.2.1980 – I ZR – 32/78, GRUR 1980, 853, 854 – Architektenwechsel).

Im Streitfall ist danach von den vorstehend unter II 1 b herausgestellten schöpferischen Elementen des Erdgeschoßgrundrisses des Klägers auszugehen, die ihren Niederschlag in erster Linie in der besonderen Raumgliederung, der Lichtführung, der Führung der Blickrichtungen und den abwechslungsreichen Außen- und Innenbeziehungen gefunden haben. In lesen Elementen finden sich weitgehende Übereinstimmungen. Bereits ein Vergleich der Dachdraufsicht (Anlagen 5 und 5a zum Gutachten) läßt erkennen, daß der Beklagte die sich auch aus dem Erdgeschoßgrundriß ergebende ungewöhnliche Baukörperform mit der Aufgliederung in vier Hausflügel und der Zuordnung zu einem quadratischen Lichthof nahezu identisch übernommen hat. Aus den Grundrißzeichnungen (Anlagen 3 und 3a zum Gutachten) ist weiter ersichtlich, daß der Beklagte auch die Raumgliederung mit dem kontrastierenden Wechsel der Raumfolgen und die Beziehungen zwischen Innen- und Außenräumen weitgehend beibehalten hat. Die in den Raumbereichen Diele, Garderobe und Arbeitszimmer bestehenden Abweichungen liegen – wie dem Gutachten zu entnehmen ist – außerhalb des schöpferischen Bereichs. Eine nicht unwesentliche Umgestaltung findet sich dagegen bei der Einbeziehung des Gartens als Gestaltungselement und der damit verbundenen Führung der Blickrichtung. Das gilt sowohl für den Wohn- als auch für den Eßraum. In diesen Bereichen hat der Beklagte die Außenwände und Fenster bzw. Glasfelder anders angeordnet. Dadurch wird der durch die identische Einbeziehung von Diele und Treppe in den Wohnraum vermittelte großzügige Raumeindruck – abweichend vom Entwurf des Klägers – in dem vom Beklagten errichteten Bauwerk nicht zusätzlich verstärkt. Durch diese Umgestaltung ist nach Auffassung des Sachverständigen eine eher konventionelle Raumform entstanden. Diese läßt keine Individualität erkennen, hält sich andererseits aber angesichts der im übrigen im schöpferischen Bereich liegenden Übereinstimmungen noch im Schutzbereich des Originals.

Nach alledem besteht trotz der Abweichungen ein übereinstimmender geistig-schöpferischer Gesamteindruck, so daß von einem Eingriff in das Vervielfältigungsrecht des Klägers auszugehen ist.

3. Der Beklagte hat auch zumindest fahrlässig gehandelt. Er hätte erkennen können, daß er zur Verwertung des Vorentwurfs des Klägers nicht berechtigt war. Ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldigt grundsätzlich nicht (BGH, Urt. v. 3.7.1981 – I ZR 106/79, GRUR 1982, 102, 104 – Masterbänder).

4. Damit sind die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 97 Abs. 1 UrhG erfüllt. Der Kläger ist berechtigt, seinen Schaden auf der Grundlage der angemessenen Lizenzgebühr zu berechnen (BGHZ 61, 88, 91 – Wählamt). Dazu benötigt er die Angabe der anrechenbaren Baukosten für das vom Beklagten errichtete Bauwerk; und zwar in voller Höhe.

Auch wenn der Kläger nur eine urheberrechtlichen Schutz genießende Teilleistung erbracht hat und nicht die volle Architektengebühr beanspruchen kann, so benötigt er zur Berechnung doch den Gesamtbetrag der Baukosten. Ihm steht insoweit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Auskunftsanspruch zu, da er in entschuldbarer Weise über den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchführung seines Zahlungsanspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und der Beklagte sie unschwer, das heißt ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag (st. Rspr., BGHZ 95, 274, 278 f – GEMA-Vermutung I m.w.N.).

Entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ist der Auskunftsanspruch des Klägers auch nicht deshalb unbegründet, weil der Kläger dem Beklagten eine bindende Schlußrechnung erteilt habe. Vorliegend kann auf sich beruhen, ob eine derartige Schlußrechnung erteilt worden ist. Die von der Revisionserwiderung angeführte Rechtsprechung, wonach der Architekt an den nach vorzeitiger Beendigung des Vertrages mit der Schlußrechnung geforderten Betrag gebunden bleibt, betrifft den vertraglichen Honoraranspruch (vgl. BGHZ 62, 208 ff). Im vorliegenden Verfahren ist bereits durch das erste Berufungsurteil, das der Senat insoweit durch Urteil vom 1. März 1984 bestätigt hat, festgestellt worden, daß der Kläger lediglich mit der Erstellung eines Vorentwurfs beauftragt worden war; ein umfassender Architektenvertrag ist nicht zustande gekommen. Dem Kläger steht lediglich ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch zu. Für die insoweit zu ermittelnde angemessene Lizenzgebühr gilt die angeführte Rechtsprechung nicht.

Auch die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahre 1980 war die dreijährige Verjährungsfrist nach § 102 Abs. 1 UrhG noch nicht abgelaufen. Auch der später in das Verfahren eingeführte Auskunftsanspruch ist noch nicht verjährt. Dieser Anspruch unterliegt als Hilfsanspruch grundsätzlich der allgemeinen Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 195 BGB (BGHZ 33, 373, 379). Sollte sich allerdings ergeben, daß der Kläger einen höheren als den ursprünglich eingeklagten Betrag beanspruchen kann, so wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob nicht zumindest insoweit die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede durchgreift.

III.

Die Revision hat nach alledem Erfolg. Sie führt insgesamt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Verurteilung des Beklagten gemäß dem ersten Antrag der Stufenklage durch Teilurteil, wobei der Senat davon ausgeht, daß das im Klageantrag genannte Bauvorhaben … mit dem im … gelegenen, auf das sich der Beweisbeschluß des Berufungsgerichts vom 26. September 1984 bezieht, identisch ist. Im übrigen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Urt. v. 22. 5. 1981 – I ZR 34/79, NJW 1982, 235 f. und Urt. v. 14.11.1984 – VIII ZR 228/83, NJW 1985, 862 f. für die Zurückverweisung durch das Berufungsgericht).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 749223

GRUR 1988, 533

Nachschlagewerk BGH

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge