Leitsatz (amtlich)

Der Erwerber eines Hauses (oder einer Eigentumswohnung) mit Kraftfahrzeugabstellplatz in einer Tiefgarage kann, soweit die Garage mängelbedingt unbenutzbar ist, unter den Voraussetzungen des § 635 BGB oder des § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B eine Entschädigung für den Nutzungsausfall verlangen.

 

Normenkette

BGB § 635; VOB/B § 13 Nr. 7 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.09.1984; Aktenzeichen 9 U 43/84)

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.04.1984; Aktenzeichen 2/7 O 170/80)

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26, September 1984 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung und auf Feststellung weitergehender Zahlungspflicht der Beklagten abgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird als unzulässig verworfen.

Von den Kosten der Revision haben die Kläger 1/4 zu tragen. Die Entscheidung über die weiteren Kosten wird dem Berufungsgericht übertragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer benachbart gelegener Grundstücke, die sie in der Zeit von Oktober 1977 bis März 1978 von den Beklagten erworben haben. In den einzelnen Verträgen haben sich die Beklagten außer zur Errichtung von Eigenheimen auch zur Anlage von Kraftfahrzeugabstellplätzen in einer von den Erwerbern gemeinsam zu benutzenden Tiefgarage verpflichtet. Da die räumlichen Verhältnisse für eine Rampenzufahrt nicht ausreichten, sollten die Fahrzeuge über eine absenkbare Hebebühne in die Tiefgarage gebracht werden können.

Die Garage wurde am 14. Oktober 1978 den Klägern zu 2 und 5 übergeben. Dabei wurden einige Mängel festgestellt. Die anderen Kläger verweigerten zwar die Abnahme, sie benutzten aber die Garage zunächst ebenfalls.

In der Folgezeit forderten die Kläger die Beklagten wiederholt unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung auf. In ihrem Schreiben vom 15. Juni 1979 nahmen sie auf ein beigefügtes Gutachten Bezug, das der Sachverständige Sch… über die einzelnen Mängel der Tiefgarage in ihrem Auftrag erstattet hatte. Der Sachverständige hatte festgestellt, daß der vor der Tiefgarage gelegene Aufzugsschacht lediglich eine Sickergrube habe, von der das Niederschlagswasser nicht abfließe; das Wasser bleibe daher im Schacht zurück, so daß die Hebebühne mit dem Fußrahmen, den unteren Gelenken, den Elektrokabeln und den Druckluftleitungen ständig im Wasser liege. Die Beklagten ließen die Mängel nicht beseitigen.

Die Kläger behaupten, daß die Tiefgarage seit Anfang 1980 nicht mehr benutzbar sei. Nach einem Schreiben der für die Wartung der Hebebühne verantwortlichen Firma könne die Reparatur der Hebebühne erst nach Herstellung einer Grubenentwässerung durchgeführt werden.

Im Verlauf des ersten Rechtszuges haben die Kläger als Kostenvorschuß zur Mängelbeseitigung sowie als Minderung insgesamt 35.520,13 DM nebst Zinsen seit unterschiedlichen Zeitpunkten, davon 6.000 DM Zug um Zug gegen Freigabe eines bei einem Notar hinterlegten Betrages in derselben Höhe nebst Zinsen beansprucht. Außerdem haben sie als Nutzungsentschädigung dafür, daß sie die Garage seit Ende Januar 1980 nicht mehr hätten benutzen können, für die Zeit bis Ende November 1981 je Einstellplatz monatlich 60 DM, bei sechs Einstellplätzen mithin 7.200 DM, nebst Zinsen sowie die Feststellung verlangt, daß die Beklagten bis zur Mängelbeseitigung zu entsprechenden Zahlungen verpflichtet seien. Nachdem die Beklagten dann als Kostenvorschuß 15.000 DM gezahlt hatten, haben die Kläger insoweit die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben sich auf Verjährung berufen, soweit die Kläger nicht schon mit der Klage einen Kostenvorschuß in Höhe von 14.618,63 DM nebst Zinsen gefordert hatten.

Das Landgericht hat die Beklagten durch Teilurteil unter Abweisung der Zinsmehrforderung über jene 15.000 DM hinaus zur Zahlung von 4.640,23 DM nebst 4 % Zinsen – auch auf die 15.000 DM – verurteilt und die Klage wegen eines Betrages von 579,90 DM nebst Zinsen abgewiesen. Soweit die Kläger Entschädigung für den Nutzungsausfall verlangt haben, hat es ihren Anträgen im wesentlichen entsprochen und auch hier nur die über die gesetzlichen Zinsen hinausgehende Forderung abgewiesen. Die Entscheidung über den Anspruch auf Minderung hat es sich vorbehalten.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten diese zur Zahlung der 4.640,23 DM nebst Zinsen nur gegen Freigabe des bei dem Notar hinterlegten Betrages verurteilt und die Klage auf Schadensersatz wegen des Nutzungsausfalls ganz abgewiesen.

Mit der – zugelassenen – Revision, um deren Zurückweisung die Beklagten bitten, erstreben die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat zwar in der Urteilsformel nicht ausdrücklich ausgesprochen, daß es die Revision nur beschränkt zulasse. In den Entscheidungsgründen hat es aber ausgeführt, die Revision werde zugelassen, „da der Frage, ob der Nutzungsausfall einer Garage als Vermögens schaden zu werten ist, rechtsgrundsätzliche Bedeutung zukommt”.

Damit hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision wirksam auf diese Frage beschränkt. Daß die Urteilsformel eine dahingehende Beschränkung der Zulassung nicht ausdrücklich enthält, ist hier ohne Belang. Zur Klärung der Frage, ob eine Revision unbeschränkt oder nur beschränkt zugelassen worden ist, müssen auch die Entscheidungsgründe herangezogen werden (Senatsurteil NJW 1983, 2191 mit Nachw.). Sie ergeben, daß das Berufungsgericht nicht nur eine – im Blick auf § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO freilich häufig vorkommende – unverbindliche Erläuterung seiner Gründe für die Zulassung der Revision gegeben hat. Im vorliegenden Fall ist kein Zweifel möglich, daß es lediglich Jene von ihm als allein rechtsgrundsätzlich angesehene Frage nach der Nutzungsentschädigung für entgangene Gebrauchsvorteile der revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglich machen wollte.

Diese Beschränkung ist zulässig, weil es sich um einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes handelt, auf den die Rechtsmittelkläger ihre Revision hätten beschränken können (vgl. auch dazu die Nachw. in NJW 1983, 2191). Die Frage, ob die Beklagten zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verpflichtet sind, ist von der weiteren Frage unabhängig, ob sie den restlichen Kostenvorschuß zur Mängelbeseitigung nur gegen Freigabe eines hinterlegten Betrages zu zahlen brauchen. Mit der Sache, über die der Senat in seinem von der Revision angeführten Urteil vom 24. Februar 1983 (VII ZR 210/82 = ZfBR 1983, 123 = BauR 1983, 258) zu entscheiden hatte, ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Soweit die Revision sich auch gegen den Ausspruch des Berufungsgerichts wendet, daß die Beklagten den Kostenvorschuß nur Zug um Zug gegen Freigabe der hinterlegten 6.000 DM zu zahlen haben, ist sie daher als unzulässig zu verwerfen.

II.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts stellen Vorteile, die sich aus dem Gebrauch einer Garage ergeben, für den Berechtigten keinen Vermögenswert dar. Hier lägen die Dinge anders als beim Kraftfahrzeug, bei dem die Rechtsprechung den Verlust der Nutzungsmöglichkeit als wirtschaftlichen Schaden anerkenne. Die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs sei innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet, Zeit und Kraft zu sparen; die durch die Verfügbarkeit des Kraftfahrzeugs gewonnenen Vorteile seien daher als „Geld” zu betrachten.

Demgegenüber lasse sich eine Verkehrsauffassung, der zufolge der Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Garage als wirtschaftlicher Schaden zu werten sei, nicht feststellen. Die jederzeitige Benutzbarkeit einer Garage sei kein weitgehend unentbehrlicher Bestandteil allgemeiner und alltäglicher Bedürfnisse, der es rechtfertigen könnte, ohne Nachweis eines konkreten Schadens für die bloße Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit eine Nutzungsentschädigung zuzubilligen. Weder der „Kommerzialisierungs-” noch der „Frustrationsgedanke” seien geeignet, den Anspruch auf Schadensersatz zu begründen.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Für das Revisionsverfahren ist vom Vortrag der Kläger auszugehen, wonach die Tiefgarage seit Anfang 1980 aus Gründen, die von den Beklagten zu vertreten sind, bis zur – immer noch ausstehenden – Mängelbeseitigung nicht benutzbar ist.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist den Klägern hierdurch einVermögensschaden entstanden.

a) Nach der Rechtsprechung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs stellt allerdings der Umstand allein, daß der Besteller eines noch zu errichtenden Hauses infolgeVerzuges seines Vertragspartners erst einige Monate später als vereinbart in den Besitz des Hauses gelangt und ihm dadurch Gebrauchsvorteile entgehen, noch keinen zu ersetzenden Vermögens schaden dar (BGHZ 66, 277). Entsprechend entschieden hat der V. Zivilsenat, als es gleichfalls infolge Verzuges zur nicht fristgerechten Übergabe einer Eigentumswohnung kam (BGHZ 71, 234), und ferner in einem Fall, in dem ein Haus durchunerlaubte Handlung beschädigt worden und deshalb lediglich ein Teil des Hauses – und auch dieses nur unter fühlbaren Erschwernissen – noch benutzbar war (BGHZ 75, 366).

b) Die Frage, ob der Besteller eines Hauses oder einer Eigentumswohnung allein deshalb Schadensersatz in Geld verlangen kann, weil das vertraglich geschuldete Bauwerk mit Mängeln behaftet ist und daher während derwerkvertraglich geschuldeten Mängelbeseitigung nicht oder nur zum Teil benutzt werden kann, ist streitig (zur Frage, wann entgangene Gebrauchsvorteile als Vermögens schaden angesehen werden können, vgl. insbes. Hagen, JZ 1983, 833 ff; Littbarski, Rechtstheorie 15 [1984] S. 171 ff; Dunz, JZ 1984, 1010 ff). Der Senat hat diese Frage zwar für den Fall verneint, daß ein zu einer größeren Wohnanlage gehörendes privates Schwimmbad den Wohnungseigentümern zeitweise nicht zur Verfügung stand (BGHZ 76, 179 mit krit. Anmerkungen von Hommelhoff, JR 1981, 17 ff, Schacht, NJW 1981, 1350 und Littbarski, aaO). Dabei hat er aber bereits bezweifelt, ob dem V. Zivilsenat allgemein darin gefolgt werden könnte, daß ein Vermögensschaden dann nicht entstanden sei, wenn nur die Gebrauchsmöglichkeit eines Hauses oder einer Wohnung beeinträchtigt worden ist (aaO S. 186), Demgemäß hat er darauf abgestellt, daß das private Schwimmbad in einer Gemeinschaftsanlage nach der gegenwärtigen Verkehrsauffassung noch weithin als „Liebhaberei” gelte.Allgemein im Mittelpunkt der Wertschätzung stehe nur die Benutzbarkeit der Wohnung oder des Hauses, nicht die der besonderen Einrichtung (aaO S. 187).

c) Hier ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts davon auszugehen, daß die Verkehrsauffassung den jahrelangen Ausschluß der Gebrauchsmöglichkeit der Tiefgarage als Vermögens schaden wertet. Mit Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht wichtige, auch vom Sachverständigen B… hervorgehobene allgemeine Erfahrungssätze übergangen hat. Der Eigentümer bzw. Halter eines Kraftfahrzeugs sieht in der Garage in erster Linie eine jederzeit verfügbare und sichere, vor Diebstahl oder Beschädigungen schützende Abstellmöglichkeit, welche die Nutzung seines Kraftfahrzeugs und damit deren wirtschaftlichen Wert wesentlich gewährleistet. Mit dem lediglich das allgemeine Lebensgefühl erhöhenden Schwimmbad ist die zum Haus oder zur Eigentumswohnung gehörende Garage daher nicht vergleichbar.

d) Anders als in jenem Falle ist deshalb dann, wenn eine derartige Garage infolge von herstellungsbedingten Mängeln nicht benutzbar ist, wegen der Einheitlichkeit der vom Unternehmer oder Bauträger geschuldeten Leistung dasgesamte Objekt – Haus oder Eigentumswohnung –fühlbar mit einem Fehler behaftet, der den Wert oder die Tauglichkeit des Objekts zu dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch mindert. Unter den Voraussetzungen des § 634 BGB bzw. des § 13 Nr. 6 VOB/B kann der Besteller/Auftraggeber dann zumindest Minderung, unter den Voraussetzungen des § 635 BGB bzw. des § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B auch Schadensersatz verlangen. Damit bietet das Gewährleistungsrecht des Werkvertrages gerade für Fälle der vorliegenden Art einen Anspruch auf Vermögenswerten Ausgleich (vgl. auch Hommelhoff aaO; ferner Glanzmann in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 635 Rdn. 3). Die selbständige Vermögenswerte Position der Nutzungsmöglichkeit ergibt sich mithin auch und vor allem aus der normativen Wertung des Gesetzgebers (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 44. Aufl., Vorbem. 2 b cc vor § 249 a.E.).

e) Die Gewährleistungsregelung des Werkvertragsrechts bestimmt freilich zugleich den Umfang des Vermögensschadens. Auf die Kosten einer ordnungsgemäß hergestellten Garage ist er nicht begrenzt. Grundlage der Schadensberechnung ist vielmehr die Wertminderung, die die einzelnenHäuser erfahren hätten, falls die Mängel nicht mehr beseitigt werden könnten, die Garage mithin endgültig unbenutzbar bliebe. Dazu ist auch in Betracht zu ziehen, daß nach den Feststellungen des Sachverständigen die Häuser an einer Straße liegen, für die ein eingeschränktes Halteverbot (Parkverbot) besteht, und daß ferner in der Nähe gelegene Ersatzgaragen nicht gemietet werden können, eine jederzeit benutzbare Garage daher unentbehrlich erscheint. Dieser Schaden ist dann im Verhältnis des Zeitraums zu berücksichtigen, in dem der Wert der Häuser infolge der Nichtbenutzbarkeit der Garage aus Verschulden der Beklagten gemindert worden ist bzw. voraussichtlich noch gemindert sein wird, und der Dauer, für die nach den Verträgen mit der Benutzbarkeit der Garage gerechnet werden durfte. Der Mietzins einer sonst verfügbaren Ersatzgarage, wie er vom Landgericht ermittelt worden ist, hat also als alleiniger Berechnungsmaßstab auszuscheiden (so auch Hommelhoff aaO); er könnte bei der Ermittlung der Wertminderung allerdings als entscheidender Faktor mitberücksichtigt werden.

3. Dahinstehen kann, ob der Anspruch der Kläger auf Schadensersatz aus § 635 BGB oder aus § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B herzuleiten ist. Die in diesen Bestimmungen getroffenen Regelungen haben im allgemeinen die gleiche Tragweite (BGHZ 58, 332, 340). Der Anspruch ist, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht verjährt. Die angefochtene Entscheidung stellt sich damit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

4. Unter teilweiser Aufhebung des Urteils ist die Sache nach alledem insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, als es die Klage auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung und Feststellung der weiteren Zahlungspflicht der Beklagten abgewiesen hat. Das Berufungsgericht wird nunmehr nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zu prüfen haben, in welchem Umfang den Klägern ein Schaden dadurch entstanden ist, daß sie die Garage aus Verschulden der Beklagten nicht benutzen konnten und möglicherweise immer noch nicht benutzen können.

Das Berufungsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden, soweit der Senat dies nicht schon gemäß § 97 Abs. 1 ZPO getan hat.

 

Unterschriften

G, D, B, O, Q

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 10.10.1985 durch Werner, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 512627

BGHZ, 124

NJW 1986, 427

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1986, 167

JZ 1986, 386

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