Leitsatz (amtlich)

a) Mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen einen Gebührenfestsetzungsbeschluß nach § 19 BRAGebO können nur solche Einwendungen geltend gemacht werden, die nach dem Erlaß des Beschlusses entstanden sind.

b) Zur Frage, wann die Zwangsvollstreckung aus einem Gebührenfestsetzungsbeschluß eine unzulässige Rechtsausübung darstellt.

 

Normenkette

ZPO § 767 Abs. 2; BRAGO § 19; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG Zweibrücken

OLG Zweibrücken

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 18. Juni 1974 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er hat im Frühjahr 1967 die Praxis des Rechtsanwalts Dr. F… in P… übernommen. Dieser hat die Klägerin in mehreren Angelegenheiten anwaltlich vertreten, u.a. in einem Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht Zweibrücken (0 69/66; später 0 9/69). Vor Einreichung der Klageschrift hatte er von der Klägerin Ende August 1966 einen „Prozeßkostenvorschuß” in Höhe von 1.500 DM angefordert und alsbald danach erhalten. Nach der Praxisübernahme führte der Beklagte den Rechtsstreit als Anwalt der Klägerin weiter. Nachdem über das Vermögen der damals beklagten Firma das Anschlußkonkursverfahren eröffnet worden war, nahm der Beklagte für die Klägerin den Prozeß gegen den Konkursverwalter, der den rechtshängigen Anspruch bestritten hatte, auf. Das Verfahren wurde am 7. Mai 1969 durch einen Vergleich beendet.

Am 28. Mai 1969 erteilte der Beklagte der Klägerin folgende – den erwähnten Rechtsstreit betreffende – Kostenrechnung:

„Streitwert: 40.000,– DM

10/10 Prozeßgebühr §§ 11, 31, 1 BRAGebO

DM 580,–

10/10 Verhandlungsgebühr §§ 11, 31, 2 BRAGebO

DM 580,–

10/10 Vergleichsgebühr §§ 11, 23 BRAGebO

DM 580,–

Porti § 26 BRAGebO

DM 20,–

Fotokopierkosten § 27 (6 Bl. à DM –,50)

DM 3,–

5,5% MWSt. aus 1.763,–

DM 96,97

verauslagte Schreibgeb. Gericht

DM 4,–

verauslagte Zustellungskosten des Gerichts

DM 4,–

DM 1.867,97”

Gleichzeitig beantragte der Beklagte die gerichtliche Festsetzung der Anwaltsvergütung nach § 19 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung.

Der Klägerin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, sie äußerte sich nicht. Daraufhin setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle durch Beschluß vom 26. Juni 1969 die Vergütung des Beklagten antragsgemäß fest.

Am 3. August 1972 erteilte der Beklagte der Klägerin eine weitere Gebührenrechnung für die gesamten Verfahren, in denen er und Rechtsanwalt Dr. F… die Klägerin seit dem Jahre 1966 vertreten hatten. Die Abrechnung lautete über einen Betrag von 3.850,81 DM. Hiervon setzte der Beklagte die erwähnte Vorschußzahlung in Höhe von 1.500 DM sowie eine an ihn geleistete Zahlung des Konkursverwalters von 123,60 DM ab, so daß sich zu seinen Gunsten (einschließlich der titulierten Forderung) ein Honoraranspruch von 2.227,21 DM ergab.

Der Beklagte betreibt aus dem Festsetzungsbeschluß vom 26. Juni 1969 die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin. Diese hat an ihn am 26. April 1973 einen Betrag von 428,59 DM mit der Bestimmung geleistet, daß es sich dabei um den 1.500 DM übersteigenden Betrag der festgesetzten Forderung (367,97 DM) nebst Zinsen handele.

Mit der vorliegenden Vollstreckungsabwehrklage hat die Klägerin begehrt, die Zwangsvollstreckung aus dem Festsetzungsbeschluß vom 26. Juni 1969 für unzulässig zu erklären.

Sie hat dazu vorgetragen: Die titulierte Forderung sei insgesamt erloschen. Der Beklagte habe den Vorschuß von 1.500 DM auf die festgesetzte Vergütung anrechnen müssen. Sie habe im Festsetzungsverfahren keine Einwendungen gegen den Antrag des Beklagten erhoben, weil sie irrig angenommen habe, der Gebührenanspruch werde nur der Höhe nach festgestellt; darauf werde der Vorschuß alsdann verrechnet. In einem Ferngespräch habe sie am 3. Juni 1969 den Beklagten gebeten, über den an Rechtsanwalt Dr. F… geleisteten Vorschuß hinaus keine weiteren Gebührenansprüche zu stellen. Der Beklagte habe eine Überprüfung zugesagt. Die spätere Verrechnung des Vorschusses in der Abrechnung vom 3. August 1972 sei unwirksam; damals seien die nicht festgesetzten Forderungen des Beklagten bereits verjährt bzw. verwirkt gewesen.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Zwangsvollstreckung aus dem Festsetzungsbeschluß vom 26. Juni 1969 in Höhe von 367,97 DM nebst Zinsen für unzulässig erklärt und im übrigen die Klage abgewiesen.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem genannten Titel in vollem Umfang für unzulässig zu erklären, weiter. Der Beklagte bittet, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Das Oberlandesgericht hat es der Klägerin verwehrt, gegenüber dem durch Beschluß vom 26. Juni 1969 auf 1.867,97 DM festgesetzten Vergütungsanspruch des Beklagten geltend zu machen, der Anspruch sei durch die an Rechtsanwalt Dr. F… im September 1966 geleistete Vorschußzahlung im Betrage von 1.500 DM in dieser Höhe erfüllt. Es hat diese Auffassung, damit begründet, daß auch auf einen Festsetzungsbeschluß nach § 19 BRAGO die einschränkende Vorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO entsprechend anzuwenden sei; daher könne die Klägerin mit der vorliegenden Vollstreckungsgegenklage gegen die titulierte Forderung keine Einwendungen mehr erheben, die – wie hier – schon vor dem Erlaß, des Festsetzungsbeschlusses entstanden seien.

Diese Ansicht des Berufungsgerichts entspricht der herrschenden Meinung (OLG Hamm NJW 1956, 1763; OLG München MDR 1957, 176; OLG Hamburg JZ 1959, 446, 447 mit zustimmender Anm. von Pohle; OLG Nürnberg MDR 1975, 1029; Gerold/Schmidt, BRAGO, 5. Aufl. § 19 Rdnr. 34; Riedel/Sußbauer BRAGO, 3. Aufl. § 19 Rdnr. 53; Schumann/Geißinger BRAGO, 2. Aufl. § 19 Rdnr. 28; Wieczorek, ZPO, 1. Aufl., Nachträge, Bd. VII (1963) S. 368, N IV b 276 unter Aufgabe der ursprünglich unter § 767 Anm. B II b 2 vertretenen gegenteiligen Auffassung; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 34. Aufl. § 795 Anm., 2 zu § 767 a.E.; Thomas/Putzo, ZPO, 8. Aufl. § 767 Am. 6 d; Lauterbach/Hartmann, Kostengesetze, 18. Aufl. § 19 BRAGO Anm. 4; a.A.: OLG Celle NdsRpfl 1952, 28; OLG Nürnberg MDR 1957, 367; Pohlmann NJW 1957, 107, 108; Tschischgale MDR 1962, 863, 865, 866; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl. § 795 Anm. II 5). Auch der erkennende Senat tritt ihr bei.

a) Für das Verfahren zur Festsetzung der gesetzlichen Vergütung, die einem Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigtem zusteht, gelten sinngemäß die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§ 19 Abs. 2 S. 4 BRAGO). Diese Verweisung erstreckt sich gemäß § 795 ZPO auch auf die von dem Berufungsgericht angewendete Vorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO. Diese Bestimmung findet indes nur sinngemäß Anwendung, d.h. lediglich insoweit, als nicht die Besonderheiten des Vergütungsfestsetzungsverfahrens nach § 19 BRAGO entgegenstehen.

b) § 767 Abs. 2 ZPO soll die Rechtskraftwirkung unanfechtbar gewordener Entscheidungen sichern und findet allein in dieser Zielsetzung seine Rechtfertigung (BGH NJW 1953, 345 f.). Diesem Gesetzeszweck entspricht es, die Klägerin mit der hier vorgebrachten Einwendung der Teilerfüllung auszuschließen. Denn der Festsetzungsbeschluß nach § 19 BRAGO erwächst – ebenso wie ein Kostenfestsetzungsbeschluß nach § 104 ZPO (OLG München Rechtspfleger 1970, 211; Rosenberg/Schwab, ZPR, 11. Aufl. § 89 V) – hinsichtlich der zuerkannten oder aberkannten Einzelposten in materieller Rechtskraft (Riedel/Sußbauer a.a.O. § 19 Rdnr. 48; Lauterbach/Hartmann a.a.O. § 19 BRAGO Anm. 3 C; OLG Nürnberg MDR 1975, 1029 m. w. N.).

c) § 767 Abs. 2 ZPO schneidet dem Schuldner die Einwendungen ab, die nach dem Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entstanden sind. Bei der hier gebotenen entsprechenden Anwendung der Vorschrift ist der Zeitpunkt des Erlasses des Festsetzungsbeschlusses nach § 19 BRAGO maßgebend. Die Präklusionswirkung des § 767 Abs. 2 ZPO ist nicht daran geknüpft, daß der titulierte Anspruch auf Grund einer mündlichen Verhandlung festgestellt worden ist. Mit Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Bestimmung des § 796 Abs. 2 ZPO verwiesen, wonach die Vollstreckungsabwehrklage gegen einen Vollstreckungsbefehl – der ebenfalls ohne mündliche Verhandlung ergeht – nur auf Einwendungen gestützt werden kann, die nach dessen Zustellung entstanden sind.

d) Die Gegenargumente der Mindermeinung, welche die sinngemäße Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 19 BRAGO ablehnt, gründen sich vor allem auf Abs. 4 Satz 1 dieser Bestimmung. Hiernach hat der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszuges (Abs. 2 Satz 2) die Festsetzung der Vergütung abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. In diesem Falle bleibt dem Rechtsanwalt nur der Weg der Gebührenklage, um seinen Anspruch durchzusetzen. Zu diesen sog. außergebührenrechtlichen Einwendungen gehört auch das Vorbringen, der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts sei bereits (teilweise) getilgt (Schumann/Geißinger a.a.O. § 19 Rdnr. 35; Gerold/Schmidt a.a.O. § 19 Rdnr. 28 a; Riedel/Sußbauer a.a.O. Rdnr. 29). Der Urkundsbeamte ist grundsätzlich nicht befugt, einen außergebührenrechtlichen Einwand im einzelnen auf seine Begründetheit zu prüfen, sondern er hat ohne eigene Würdigung die Festsetzung der Anwaltsvergütung abzulehnen, wenn ein solcher Einwand vorgetragen wird.

Der Eintritt der Ausschlußwirkung des § 767 Abs. 2 ZPO ist jedoch – entgegen einer mitunter vertretenen Ansicht (vgl. OLG Celle a.a.O.; OLG Nürnberg MDR 1957, 367; Pohlmann a.a.O.) – nicht davon abhängig, daß über den dem Schuldner durch die Vorschrift abgeschnittenen Einwand, wenn er nur rechtzeitig vorgebracht worden wäre, auch in dem jeweiligen Verfahren hätte sachlich entschieden werden können. Es reicht vielmehr aus, daß der rechtzeitig erhobene Einwand die Entscheidung im Vergütungsfestsetzungsverfahren beeinflußt hätte. Das wäre der Fall gewesen, da der Einwand der teilweisen Erfüllung in Höhe von 1.500 DM insoweit die Unzulässigkeit der Gebührenfestsetzung zur Folge gehabt hätte. Bei einer solchen Sachlage erfordert es der Schutz der Rechtskraft des mit der Vollstreckungsabwehrklage angegriffenen Beschlusses nach § 19 BRAGO, Einwendungen gegen den festgestellten Anspruch nur noch in den Grenzen des § 767 Abs. 2 ZPO zuzulassen. – Dem steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in BGHZ 3, 381 ff. nicht entgegen, wonach die Einschränkung des § 767 Abs. 2 ZPO nicht gilt, wenn eine Vollstreckungsgegenklage gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluß nach § 104 ZPO auf den Aufrechnungseinwand gestützt wird, obwohl die Aufrechnungslage schon vor der Schlußverhandlung im Rechtsstreit bestand. Dort konnte § 767 Abs. 2 ZPO schon aus prozeßrechtlichen Gründen nicht sinngemäß angewendet werden; denn der Rechtspfleger ist im Kostenfestsetzungsverfahren nach der ihm vom Gesetz zugewiesenen Stellung nicht befugt, über Bestand und Höhe der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung zu befinden (BGHZ 3, 381, 383).

e) Dem hier vertretenen Standpunkt läßt sich auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, die entsprechende Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO komme im Ergebnis einer die Einwendung verneinenden rechtskräftigen Sachentscheidung gleich, obwohl eine solche in § 19 Abs. 4 BRAGO gerade nicht vorgesehen sei (so aber Stein/Jonas/Münzberg a.a.O.). Wenn der Schuldner es unterläßt, außergebührenrechtliche Einwendungen rechtzeitig geltend zu machen, so führt das – falls keine gebührenrechtlichen Bedenken bestehen – dazu, daß der Rechtsanwalt mit dem Festsetzungsbeschluß einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel erhält (§ 19 Abs. 2 S. 4 BRAGO i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Dieser Titel ergeht über den „Anspruch als solchen” (BGHZ 21, 199, 203 zu der inhaltsgleichen Vorschrift des früheren § 86 a BRAGO); die Rechtswirkungen des Festsetzungsbeschlusses beschränken sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht auf die gebührenrechtliche Seite des titulierten Anspruchs. Dem Schuldner bleibt nicht etwa die Geltendmachung seiner außergebührenrechtlichen Einwendungen vorbehalten. Wird aber durch den Beschluß der Vergütungsanspruch schlechthin rechtskräftig festgesetzt, so ist es nur folgerichtig, auch die, Präklusionswirkung an diesem Umfang der Rechtskraft auszurichten.

a) Diese weitreichenden Folgen können allerdings nur hingenommen werden, wenn der Gebührenschuldner bei seiner Anhörung (§ 19 Abs. 2 S. 3 BRAGO) über die besonderen Wirkungen belehrt wird, die für ihn eintreten, wenn er die rechtzeitige Geltendmachung außergebührenrechtlicher Einwendungen unterläßt. Die Eigenart des Gebührenfestsetzungsverfahrens nach § 19 BRAGO besteht darin, daß der Mandant und der Rechtsanwalt, die durch ein Vertrauensverhältnis verbunden waren oder noch sind, sich nunmehr in gegensätzlichen Verfahrensrollen gegenüberstehen. Dieser neuen Lage wird sich der Mandant bei seiner Anhörung nicht schon immer bewußt sein. Das gilt insbesondere dann, wenn der Rechtsanwalt – wie hier –, ohne daß damals in der Frage der Vergütung irgendwelche Meinungsverschiedenheiten bestanden hätten, zugleich mit der Übersendung der Kostenberechnung (§ 18 BRAGO) an seine Partei und ohne Zahlungen auf seine Gebührenforderung abzuwarten bereits die gerichtliche Festsetzung seiner Vergütung betreibt. Demgegenüber liegt für den Schuldner in sonstigen gerichtlichen Verfahren, die zur Schaffung eines vollstreckbaren Titels führen (z.B. im Zivilrechtsstreit und im Mahnverfahren), der Interessenwiderstreit mit seinem Gläubiger in aller Regel offen zutage.

b) Der ungewöhnlichen Situation, der sich der Mandant in dem von dem Rechtsanwalt seines Vertrauens gegen ihn angestrengten Gebührenfestsetzungsverfahren mit seinen weitreichenden Präklusionswirkungen gegenübersieht, muß durch die Ausgestaltung der Anhörung Rechnung getragen, werden. Durch die in § 19 Abs. 2 S. 3 BRAGO vorgeschriebene Anhörung wird der verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verwirklicht. Dieser Grundsatz hindert den Gesetzgeber grundsätzlich nicht, Präklusionsvorschriften zu erlassen (BVerfGE 36, 92, 98 zu § 529 Abs. 2 ZPO). Das rechtliche Gehör muß jedoch gerade im Hinblick auf die Ausschlußwirkung des § 767 Abs. 2 ZPO in der Weise gewährt werden, daß der Berechtigte zu einer sachgemäßen Äußerung in der Lage ist (vgl. auch Stein/Jonas/Pohle, a.a.O., Anm. IX 2 c vor § 128). Dazu gehört angesichts der dargestellten Lage des Gebühren schuldenden Mandanten, daß dieser im Rahmen der Anhörung darauf hingewiesen wird, welche Rechtsnachteile er auf Grund der Regelung des § 767 Abs. 2 ZPO erleiden kann, wenn er davon absieht, außergebührenrechtliche Einwendungen vorzubringen. Eine solche Belehrungspflicht folgt im übrigen auch aus § 139 ZPO, der im Verfahren vor dem Rechtspfleger entsprechend anzuwenden ist (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 139 Anm. 1 A). Mit Recht führen Stein/Jonas/Pohle a.a.O. § 139, Anm. 5 aus, es sei angebracht, in geeigneten Fällen rechtsunkundige Parteien auf den drohenden Verlust ihrer Rechte aufmerksam zu machen.

c) Diesen Erfordernissen entsprach die Anhörung der Klägerin nicht. Dieser Verstoß hätte jedoch nur mit den vorgesehenen Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln (vgl. § 19 Abs. 2 S. 4 BRAGO i.V.m. § 104 Abs. 3, ZPO) und nach deren Ausschöpfung mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden können. Dagegen ist der Klägerin nicht die Möglichkeit eröffnet, Vollstreckungsgegenklage zu erheben, ohne an die Schranken des § 767 Abs. 2 ZPO gebunden zu sein.

II.

Das Berufungsgericht hat jedoch mit der Erörterung des Tilgungseinwandes die rechtlichen Gesichtspunkte, unter denen hier die Vollstreckungsabwehrklage geprüft werden kann, nicht erschöpft. Es hat nicht erwogen, ob der Zwangsvollstreckung aus dem Gebührenfestsetzungsbeschluß vom 26. Juni 1969 der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegensteht. Der Beklagte würde mit der Vollstreckung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn er erkannt hätte, daß der Beschluß unrichtig ist, und besondere Umstände hinzuträten, welche die Ausnutzung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit des Titels als unzulässige Rechtsausübung erscheinen ließen (vgl. BGHZ 53, 47, 50).

a) Der Festsetzungsbeschluß ist unrichtig, da die titulierte Forderung durch die von der Klägerin an Rechtsanwalt Dr. F… geleistete Vorschußzahlung bereits in Höhe von 1.500 DM erloschen war. Der Beklagte hat seine Verpflichtung, die von der Klägerin an Rechtsanwalt Dr. F… geleistete Vorschußzahlung gegen sich gelten zu lassen, nicht in Abrede gestellt. Das entspricht auch der objektiven Rechtslage. Es ist zwar im einzelnen nicht geklärt, unter welchen Bedingungen der Beklagte die Praxis des Rechtsanwalts Dr. F… im Frühjahr 1967 übernommen hat; insbesondere steht nicht fest, ob und aus welchen Gründen dieser seine Zulassung aufgegeben hat (vgl. zu den gebührenrechtlichen Folgen Schumann/Geißinger a.a.O. § 13 Rdnr. 102 ff.). Da jedoch Rechtsanwalt Dr. F… gegen die Klägerin keine zusätzlichen Gebührenansprüche erhoben hat und auch der Beklagte sich nicht auf eine Abtretung weiterer Ansprüche seitens des Rechtsanwalts Dr. F… berufen hat, kann davon ausgegangen werden, daß dieser das ihm von der Klägerin erteilte Mandat mit deren Zustimmung so auf den Beklagten übertragen hat, daß Honoraransprüche nicht doppelt entstanden (vgl. OLG Köln, Juristisches Büro 1974, 471, 475; OLG Celle MDR 1969, 155). Auch wenn der Beklagte und Rechtsanwalt Dr. F… zeitweise eine Sozietät gebildet hätten – dafür spricht der Kopf der Schriftsätze vom 22. Februar 1967 und 23. März 1967 in dem vorerwähnten Rechtsstreit –, brauchte die Klägerin nur einmal Gebühren zu entrichten, und zwar an den Beklagten (vgl. Schumann/Geißinger a.a.O. § 5 Rdnr. 7 und § 13 Rdnr. 115).

Die Klägerin hatte den Vorschuß in Höhe von 1.500 DM im Jahre 1969 ersichtlich auf die Gebühren geleistet, die dem Rechtsanwalt Dr. F… für seine Tätigkeit in dem Zivilrechtsstreit 0 69/66 entstanden waren und noch entstehen würden. Denn Rechtsanwalt Dr. F… hatte der Klägerin mit der Anforderung des „Prozeßkostenvorschusses” den Entwurf der Klageschrift übersandt und deren Einreichung nach Ablauf einer der Gegenseite gesetzten Zahlungsfrist angekündigt. Bei dieser Sachlage enthielt die Zahlung des verlangten Betrages durch die Klägerin die stillschweigende Bestimmung (§ 366 Abs. 1 BGB), daß die Gebührenforderung des Anwalts für die Führung des Prozesses getilgt werden solle. In Höhe des geleisteten Vorschusses erlosch der Anspruch auf Vergütung sofort wieder mit seinem Entstehen. (Schumann/Geißinger a.a.O., § 17 Rdnr. 15 m. w. Nachw.; Lauterbach/Hartmann a.a.O., § 17 BRAGO Anm. 3). Der Beklagte hätte daher in seinem Antrag auf Gebührenfestsetzung den Betrag von 1.500 DM absetzen müssen (§ 19 Abs. 1 S. 2 BRAGO).

b) Der Sachverhalt legt die Annahme, nahe, daß hier besondere Umstände vorliegen, welche die von dem Beklagten betriebene Vollstreckung aus dem Titel als rechtsmißbräuchlich erscheinen lassen. In diesem Zusammenhang kommt dem am 3. Juni 1969 zwischen den Parteien geführten Ferngespräch maßgebliche Bedeutung zu. Der Beklagte hat nach der Darstellung der Klägerin, die für die Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen ist, bei dieser Gelegenheit zugesagt, die Kostenrechnung noch einmal zu überprüfen (vgl. auch Seite 3 des Schreibens des Beklagten an die Anwälte der Klägerin vom 3. November 1972). Diese Überprüfung hätte dazu führen müssen, daß die Vorschußzahlung von 1.500 DM von dem Gebührenbetrag, dessen gerichtliche Festsetzung der Beklagte beantragt hatte, abzuziehen war. Der Beklagte hätte daher den eingereichten Festsetzungsantrag ändern oder aber die Entscheidung hierüber zurückstellen lassen und die Klägerin über die Rechtslage aufklären müssen, um ihr Gelegenheit zu geben, in dem Festsetzungsverfahren im Rahmen der Anhörung den Einwand der (teilweisen) Tilgung vorzubringen.

Diese Verpflichtungen ergaben sich für den Beklagten aus dem Anwaltsvertrag mit der Klägerin. Diese hatte dem Beklagten die umfassende Wahrnehmung ihrer Interessen übertragen. Damit war der Beklagte verpflichtet, der Klägerin auch in der Gebührenfrage, Ratschläge und Hinweise zumindest dann zu erteilen, wenn sie deswegen an ihn herantrat. In dem erwähnten Telefongespräch wünschte die Klägerin ausdrücklich in der Frage der Anrechnung des Vorschusses beraten und belehrt zu werden. Dieser Bitte nachzukommen, war der Beklagte um so mehr verpflichtet, als die Klägerin durch das ohne vorherige Zahlungsaufforderung eingeleitete Gebührenfestsetzungsverfahren, mit dem sie nicht zu rechnen brauchte, überrascht worden war.

Der Beklagte hätte die Klägerin alsbald nach dem Ferngespräch vom 3. Juni 1969 über das Ergebnis der zugesagten Überprüfung seiner Kostenrechnung unterrichten müssen. Denn die Klägerin, die sich auf die Zusage verlassen hatte, war auf diese Information – wie der Kläger als Rechtsanwalt nicht, verkennen konnte – angewiesen, um ihre Einwendungen in dem Festsetzungsverfahren rechtzeitig geltend zu machen und einer Ausschließung mit dem Erfüllungseinwand vorzubeugen. Der Beklagte hat möglicherweise durch seine nicht eingehaltene Zusage, die Kostenrechnung nachzuprüfen, bewirkt, daß gegen die Klägerin ein unrichtiger Titel erlassen wurde. Der Beklagte würde sich mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen, wenn er aus einem unrichtigen Titel vollstrecken wollte, der nur –, dadurch zustande kam, daß er unter Verletzung seiner Verpflichtungen aus dem Anwaltsvertrag die in einem Rechtsirrtum befangene Klägerin durch ein nicht eingehaltenes Versprechen davon abgehalten hat, ihre außergebührenrechtlichen Einwendungen rechtzeitig vorzubringen und dadurch den Erlaß eines – den Betrag von 367,97 DM übersteigenden – Gebührenfestsetzungsbeschlusses abzuwenden.

III.

Das Berufungsurteil kann demnach mit der gegebenen Begründung allein nicht gehalten werden. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend (§ 563 ZPO), da die Frage der unzulässigen Rechtsausübung nur auf Grund einer näheren tatrichterlichen Würdigung des beiderseitigen Parteiverhaltens in der Gebührenfrage abschließend beurteilt werden kann und hierzu die erforderlichen Feststellungen fehlen. Daher muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Bei der nachzuholenden Gesamtabwägung wird es vor allem auf den Inhalt des Ferngesprächs vom 3. Juni 1969 und möglicherweise auch auf den Inhalt etwaiger weiterer Telefongespräche ankommen. Wegen der Fassung des Klageantrags wird auf die Entscheidung in BGHZ 26, 391, 394 verwiesen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI609515

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