Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentümergemeinschaft. Beschlussmängelklage. Untergemeinschaft. Zulässigkeit. Passivlegitimation

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist gegen die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft als notwendige Streitgenossen zu richten, und zwar auch dann, wenn der Beschluss einer Untergemeinschaft angefochten wird.

 

Normenkette

WEG § 46 Abs. 1 S. 1; ZPO § 62 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 11.05.2011; Aktenzeichen 318 S 171/10)

AG Hamburg-St. Georg (Urteil vom 15.06.2010; Aktenzeichen 980 C 46/08)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg – Zivilkammer 18 – vom 11. Mai 2011 wird auf Kosten des Klägers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg St. Georg in der Weise zurückgewiesen bleibt, dass die Klage hinsichtlich TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 25. August 2008 als unzulässig abgewiesen wird, soweit nicht die Nichtigkeit dieses Beschlusses festgestellt worden ist.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, welche nach der Gemeinschaftsordnung in drei Untergemeinschaften gegliedert ist. Am 25. August 2008 wurden auf einer Versammlung der Untergemeinschaft A, welcher der Kläger angehört, unter anderem die Jahresabrechnung der Untergemeinschaft für das Jahr 2007 (TOP 3) sowie die Entlastung von Verwaltungsbeirat und Verwalter (TOP 4 und 5) beschlossen. Mit seiner gegen die übrigen Mitglieder der Untergemeinschaft gerichteten Klage hat der Kläger diese Beschlüsse angefochten und zudem die Berichtigung des Versammlungsprotokolls begehrt. Das Amtsgericht hat den Beschluss über die Entlastung des Verwaltungsbeirats (TOP 4) für ungültig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht die teilweise Nichtigkeit des Beschlusses über die Jahresabrechnung (TOP 3) und die Nichtigkeit der Entlastung des Verwalters (TOP 5) festgestellt. Hinsichtlich der Protokollberichtigung und der übrigen Positionen der Jahresabrechnung (TOP 3) hat die Berufung keinen Erfolg gehabt. Mit der beschränkt auf die Frage der Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung der Untergemeinschaft A für die Jahresrechnung 2007 und die Verwalterentlastung zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Feststellung, dass der Beschluss zu TOP 3 vollständig nichtig ist. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 2

Das Berufungsgericht meint, die Klage sei, soweit die Beschlüsse nicht wegen fehlender Beschlusskompetenz, weil nicht allein die Untergemeinschaft A betreffend, nichtig seien, zutreffend gegen die übrigen Eigentümer dieser Untergemeinschaft gerichtet worden. Denn in diesem Rahmen weise die Gemeinschaftsordnung den Untergemeinschaften eine eigene Beschlusskompetenz zu. Dem entspreche es, dass der Beschluss zu TOP 3 auch nur von den Mitgliedern der Untergemeinschaft A gefasst worden sei.

II.

Rz. 3

1. Die Revision richtet sich infolge der beschränkten Zulassung nur gegen die Zurückweisung der Berufung gegen die Abweisung der Beschlussmängelklage betreffend TOP 3.

Rz. 4

2. Sie bleibt ohne Erfolg, da die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden ist. Allerdings hätte sie bereits als unzulässig abgewiesen werden müssen, da sie entgegen § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht gegen sämtliche übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtet worden ist.

Rz. 5

a) Der Senat hat, freilich nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden, dass eine Anfechtungsklage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG ausnahmslos gegen die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft als notwendige Streitgenossen zu richten ist, und zwar auch dann, wenn der Beschluss einer Untergemeinschaft angefochten wird (Urteil vom 11. November 2011 – V ZR 45/11, MDR 2012, 81). Für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses, welche keinen von der Anfechtungsklage zu unterscheidenden Streitgegenstand betrifft (Senat, Urteil vom 2. Oktober 2009 – V ZR 235/08, NJW 2009, 3655 Rn. 5, 20 ff. mwN), gilt nichts anderes (vgl. Senat, Urteil vom 11. November 2011 – V ZR 45/11, MDR 2012, 81; s. auch Suilmann in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 46 Rn. 17).

Rz. 6

b) Eine nur gegen einen Teil der Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtete Klage ist in diesen Fällen unzulässig (s. nur Bärmann/ Pick, WEG, 19. Auflage, § 46 Rn. 2). Dies führt allerdings nicht zur Unzulässigkeit der ebenfalls nur gegen die übrigen Mitglieder der Untergemeinschaft A gerichteten Revision. Denn das Rechtsmittel ist gegen die Beklagten zu richten, zu deren Gunsten das anzufechtende Urteil ergangen ist. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem, in welchem bei einer zunächst gegen alle notwendigen Streitgenossen gerichteten Klage ein Rechtsmittelverfahren nur gegen einen Teil der Streitgenossen durchgeführt wird. Dort führt die zugunsten der in der Rechtsmittelinstanz nicht mehr beteiligten Streitgenossen eingetretene Rechtskraft der Entscheidung zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels (vgl. Senat, Urteil vom 11. November 2011 – V ZR 45/11, aaO).

III.

Rz. 7

Der Senat kann nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden, da sich die Unzulässigkeit der Klage aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt. Aufgrund der weiterreichenden Rechtswirkungen einer Abweisung als unbegründet ist das Berufungsurteil mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 – III ZR 46/06, NJW-RR 2008, 1484; Urteil vom 10. November 1999 – VIII ZR 78/98, NJW 2000, 738, 740; Urteil vom 22. Januar 1997 – VIII ZR 339/95, WM 1997, 1713, 1716). Eine Aufhebung und Zurückverweisung mit dem Ziel der Behebung des Zulässigkeitsmangels ist nicht geboten. Zwar wäre es denkbar, dass der Kläger nach einer Zurückverweisung die Klage auf die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft erweitert. Unabhängig davon, ob dies nach § 533 ZPO überhaupt zulässig wäre, so wäre insoweit – ausgehend von einer hier in erster Linie in Betracht kommenden Anfechtungsklage (vgl. nur BayObLG, OLGR 2004, 98) – die Monatsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht gewahrt. Auch eine Wiedereinsetzung nach § 46 Abs. 1 Satz 3 WEG, § 233 ZPO könnte nicht gewährt werden, da die Fristversäumnis auf einem dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhen würde (vgl. Senat, Urteil vom 11. November 2011 – V ZR 45/11, aaO).

IV.

Rz. 8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Abweisung der Klage als unzulässig statt als unbegründet ist kein Teilerfolg im Sinne dieser Vorschrift (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 97 Rn. 1).

 

Unterschriften

Krüger, Stresemann, Czub, Brückner, Weinland

 

Fundstellen

Haufe-Index 3404792

NJW-RR 2012, 780

NZM 2012, 767

ZWE 2012, 223

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