Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf befristete Kiesabbaukonzession. Rechtswidrige Versagung einer Abbaubewilligung. Investitionsschutz des Erlaubnisinhabers. Amthaftungsanspruch. Entschädigungsansprüche

 

Leitsatz (amtlich)

a) Bei einer fehlerhaften behördlichen Entscheidung fehlt es an einem haftungsbegründenden Verschulden des Amtsträgers, wenn sich von mehreren die Entscheidung selbständig tragenden Begründungen auch nur eine als unverschuldet erweist.

b) In den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt auch eine Aufsuchungserlaubnis gem. § 7 BBergG. Der Anspruch auf Erteilung einer Abbaubewilligung nach § 8 BBergG (hier: Für Kiese und Kiessande zur Herstellung von Betonzuschlagstoffen) ist demgegenüber selbst dann nicht eigentumsrechtlich geschützt, wenn dem Antragsteller zuvor eine Erlaubnis zum Aufsuchen desselben Bodenschatzes erteilt war. Bei rechtswidriger Versagung der Bewilligung besteht daher kein Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff oder nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung von Entschädigungsansprüchen im Lande Sachsen-Anhalt.

 

Normenkette

GG Art. 14; BGB § 839; BBergG §§ 7-8, 12; SachsAnhEntschG § 1

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg (Urteil vom 14.05.2004; Aktenzeichen 7 U 6/04)

LG Magdeburg

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 13.04.2007; Aktenzeichen 1 BvR 284/05)

OLG Naumburg (Urteil vom 14.05.2004; Aktenzeichen 7 U 6/04)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Naumburg v. 14.5.2004 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin war Inhaberin einer von dem Kaufmann van D. mit Zustimmung des Bergamts erworbenen, bis zum 31.12.1992 befristeten Erlaubnis für das Aufsuchen von Kiesen und Kiessanden zur Herstellung von Betonzuschlagstoffen in Sachsen-Anhalt. An das Erlaubnisfeld schließt sich das Biosphärenreservat "Mittlere Elbe" an. Unter dem 23.10.1992 beantragte die Klägerin für dasselbe Feld eine Bewilligung zur Gewinnung von Kiesen und Kiessanden. Den Antrag lehnte das Bergamt St. mit Bescheid v. 20.1.1994 auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 BBergG i.V.m. § 11 Nr. 10 BBergG wegen vorgehender Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie nach § 11 Nr. 8 BBergG wegen entgegenstehender Interessen der Kiesabbauberechtigten benachbarter Bewilligungsfelder ab. Die von der Klägerin dagegen erhobene Verpflichtungsklage wurde vom VGH M. durch Urteil v. 30.1.1997 mit Rücksicht auf die zwischenzeitliche Beseitigung der Bergfreiheit des Bodenschatzes durch das Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen v. 15.4.1996 (BGBl. I, 602; künftig: Vereinheitlichungsgesetz) abgewiesen. Jedoch stellte das VGH auf den Hilfsantrag der Klägerin die Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheids fest. Der Antrag der Klägerin beim OVG des Landes Sachsen-Anhalt auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg. Die Berufung des Bergamts wies das OVG Sa.-Anh., Urteil v. 4.11.1999 - A 1/4 S 170/97, zurück.

In dem vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin Ersatz ihrer Aufwendungen sowie entgangenen Gewinns i.H.v. zuletzt insgesamt 7.477.774,77 EUR. Das LG hat das Klagebegehren unter den Gesichtspunkten der Amtshaftung und des Gesetzes zur Regelung von Entschädigungsansprüchen im Lande Sachsen-Anhalt (i.d.F. der Bekanntmachung v. 16.11.1993, GVBl. S. 720 - EntschG LSA) dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das OLG hat auf die Berufung des beklagten Landes die Klage abgewiesen und unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 EntschG LSA die Revision zu der Frage zugelassen, ob eine erloschene Aufsuchungserlaubnis ein von Art. 14 GG geschütztes Recht sei. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge uneingeschränkt weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht verneint abweichend vom LG sowohl einen Amtshaftungsanspruch der Klägerin als auch einen Anspruch auf Entschädigung nach § 1 Abs. 1 EntschG LSA. Auf Grund der verwaltungsgerichtlichen Urteile stehe zwar rechtskräftig fest, dass die Begründung für die Versagung der bergrechtlichen Bewilligung rechtsirrig gewesen sei. Hieran treffe die Beamten jedoch kein Verschulden. Der Wortlaut des § 11 Nr. 8 BBergG sei nicht klar und eindeutig; seinerzeit habe es dazu auch weder eine höchstrichterliche Rechtsprechung oder einschlägige Äußerungen in der bergrechtlichen Standardliteratur noch eine einheitliche Auffassung der Instanzgerichte gegeben. Zudem habe die vom Bergamt vertretene Ansicht der damaligen Praxis vieler Bergbehörden entsprochen. Auf die weitere Begründung des Ablehnungsbescheids mit naturschutzrechtlichen Belangen (§ 11 Nr. 10 BBergG) komme es nicht an; diese könne hinweggedacht werden.

Ebensowenig stehe der Klägerin ein Entschädigungsanspruch aus § 1 Abs. 1 EntschG LSA i.d.F. der Bekanntmachung v. 1.1.1997 (GVBl. S. 2, 17) zu. Bei diesem Gesetz handele es sich um eine Kodifizierung der Rechtsprechung zum enteignungsgleichen Eingriff. Der Schutzbereich der Norm werde somit auf das Eigentum i.S.d. Art. 14 GG begrenzt. Durch die rechtswidrige Versagung der Bewilligung habe das beklagte Land aber nicht unmittelbar in ein Eigentumsrecht der Klägerin eingegriffen. Denn deren bis zum 31.12.1992 befristete Aufsuchungserlaubnis sei bereits erloschen gewesen und ein anderes eigentumsfähiges Recht sei der Klägerin danach nicht mehr verblieben. Auch unter Berücksichtigung des § 14 BBergG ergebe sich keine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsstellung des ehemaligen Erlaubnisinhabers.

Schadensersatz könne die Klägerin schließlich nicht wegen Verletzung der Amtspflicht zur Entscheidung innerhalb angemessener Frist verlangen. Die Verzögerung der Bearbeitung habe zu keinem bezifferbaren Schaden der Klägerin geführt. Deren Behauptung, das VGH Magdeburg hätte noch vor In-Kraft-Treten des Vereinheitlichungsgesetzes v. 15.4.1996 entschieden, sei rein hypothetisch. Der gesamte weitere Ablauf hätte sich lediglich um ein halbes Jahr verschoben, so dass das VGH im August 1996 mündlich verhandelt hätte. Im Übrigen sei die Klägerin auch nicht mehr Inhaberin einer Aufsuchungserlaubnis i.S.v. § 2 Abs. 2 S. 2 des Vereinheitlichungsgesetzes gewesen.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ganzen stand.

1. Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Der Tenor des Berufungsurteils enthält keine Einschränkung der Zulassung. Eine solche Beschränkung kann sich zwar auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (st.Rspr.; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - VII ZR 226/03, BGHReport 2004, 1583 = MDR 2004, 1375 = NJW 2004, 3264 [3265] m.w.N.). Ob die Begründung der Zulassungsentscheidung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in diesem Sinne zu verstehen ist, mag zweifelhaft sein, kann aber dahinstehen. Denn die Revisionszulassung darf nicht auf bestimmte Rechtsfragen und nur dann auf einen Teil des Streitgegenstands begrenzt werden, wenn dieser Gegenstand eines Teilurteils nach § 301 ZPO sein kann und auch der Revisionskläger selbst seine Revision entsprechend beschränken könnte (BGH, Urt. v. 17.6.2004 - VII ZR 226/03, BGHReport 2004, 1583 = MDR 2004, 1375). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor; eine Einschränkung der Revisionszulassung wäre darum unwirksam. Nach der Rechtsprechung des Senats bilden Amtshaftungsansprüche und aus demselben Sachverhalt hergeleitete Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff lediglich konkurrierende materiellrechtliche Forderungen und folglich prozessual nicht abtrennbare Rechtsfragen innerhalb eines einheitlichen Streitgegenstands (BGH v. 3.7.1997 - III ZR 205/96, BGHZ 136, 182 [184] = MDR 1997, 824; v. 1.2.2001 - III ZR 193/99, BGHZ 146, 365 [371] = MDR 2001, 631 = BGHReport 2001, 231). Nichts anderes kann für den nach dem Berufungsurteil inhaltsgleichen Anspruch aus § 1 Abs. 1 EntschG LSA gelten.

2. Für Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG sieht das Berufungsgericht hier mit Recht keine Grundlage. Das gilt sowohl für die Ablehnung der bergrechtlichen Bewilligung zur Förderung hochwertiger Kiese und Kiessande, die zum damaligen Zeitpunkt im Beitrittsgebiet nach den Maßgaben des Einigungsvertrags (Anl. I Kap. V Sachgeb. D Abschn. III Nr. 1 Buchst. a) bergfrei waren, als auch für die Dauer der Antragsbearbeitung vonseiten des Bergamts.

a) Was zunächst den Vorwurf verspäteter Bescheidung des Bewilligungsantrags anbelangt, so stellt das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung fest, dass das Abwarten der Behörde bis zu den von der Gemeinde S. und dem Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung M. abgegebenen Äußerungen im Dezember 1993 lediglich zur Verzögerung um ein halbes Jahr geführt habe, da - so versteht der Senat das Berufungsurteil - das Bergamt jedenfalls nicht vor Eingang der Stellungnahme des Regierungspräsidiums M. am 16.7.1993 hätte entscheiden müssen. In diesem Fall hätte das VGH M. im August 1996 und damit ebenfalls nach In-Kraft-Treten des Vereinheitlichungsgesetzes am 23.4.1996 mündlich verhandelt. Diese Beurteilung ist frei von Rechtsfehlern. Die Verfahrensrüge der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO).

b) Die Versagung der beantragten Abbaubewilligung war allerdings, wie auf Grund der verwaltungsgerichtlichen Urteile im vorausgegangenen Verfahren für den Amtshaftungsprozess bindend feststeht (BGH v. 14.12.2000 - III ZR 151/99, BGHZ 146, 153 [156] = BGHReport 2001, 190), rechtswidrig und zugleich amtspflichtwidrig. Der Senat folgt indessen dem Berufungsgericht auch darin, dass der fehlerhafte Bescheid im Ergebnis nicht auf einem Verschulden der handelnden Beamten beruht und eine Schadensersatzpflicht des Landes nach § 839 BGB, Art. 34 GG darum insgesamt entfällt.

aa) Zwar muss sich jeder Amtsträger die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse verschaffen. Bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung hat er die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach auf Grund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet jedoch einen Schuldvorwurf. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann und er daran bis zur gerichtlichen Klärung der Rechtslage festhält, so kann aus der späteren Missbilligung seiner Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (st.Rspr.; BGH v. 8.10.1992 - III ZR 220/90, BGHZ 119, 365 [369 f.] = MDR 1993, 238; v. 9.7.1998 - III ZR 87/ 97, BGHZ 139, 200 [203]; v. 3.7.1997 - III ZR 205/96, BGHZ 136, 182 = MDR 1997, 824 = NJW 1997, 3432 [3433] - insoweit in BGHZ 136, 182 nicht abgedr.). Das gilt insb. in Fällen, in denen die objektiv unrichtige Rechtsanwendung eine Vorschrift betrifft, deren Inhalt - bezogen auf den zur Entscheidung stehenden Einzelfall - zweifelhaft sein kann und noch nicht durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung klargestellt ist (BGH v. 19.12.1991 - III ZR 9/91, NJW-RR 1992, 919).

bb) So verhält es sich hier jedenfalls in Bezug auf den vom Bergamt St. gleichwertig herangezogenen Versagungsgrund des § 11 Nr. 8 BBergG (i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BBergG). Danach ist die Erlaubnis oder Bewilligung zu versagen, wenn eine sinnvolle und planmäßige Aufsuchung und Gewinnung von bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen gefährdet würde. Dieser Schutz bezieht sich nicht nur auf die Bodenschätze, die Gegenstand der beantragten Erlaubnis sein sollen, sondern umfasst auch das Aufsuchen und Gewinnen anderer bergfreier oder grundeigener Bodenschätze durch sonstige Berechtigte (Boldt/Weller, BBergG, 1984, § 11 Rz. 11). Zu der weiteren Frage, ob dabei, wie das OVG Sa.-Anh., Urteil v. 4.11.1999 - A 1/4 S 170/97, später angenommen hat, ausschließlich technische Gesichtspunkte zu prüfen sind oder ob auch die wirtschaftlichen Belange anderer Abbauberechtigter einbezogen werden dürfen, wovon das Bergamt St. in seinem ablehnenden Bescheid ausgegangen ist, gab es bis dahin weder eine einschlägige Rechtsprechung noch verwertbare Äußerungen in der Kommentarliteratur. Die vom OVG zur Rechtfertigung seiner Ansicht angeführte Bemerkung in dem Kommentar von Boldt/Weller, BBergG, 1984, § 12 Rz. 7, "wie bei der Frage der Gewinnbarkeit der Bodenschätze" habe "sich die Prüfung der Bewilligungsbehörde auch in diesem Zusammenhang auf technische Gesichtspunkte zu beschränken, während wirtschaftliche Überlegungen dem Antragsteller vorbehalten" blieben, bezieht sich unmittelbar nur auf die nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BBergG notwendige Vorlage eines Arbeitsprogramms, insb. zur technischen Durchführung der Gewinnung, und mittelbar auf die vorausgegangenen Erläuterungen in dem Kommentar zum Versagungsgrund des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BBergG (Boldt/Weller, BBergG, 1984, § 12 Rz. 5), und hat daher allenfalls geringe Aussagekraft für die Auslegung des in § 11 Nr. 8 BBergG geregelten anders gearteten Tatbestands. Auf dieser Grundlage erscheint die vom Bergamt St. gewonnene Auslegung jedenfalls nicht als unvertretbar, zumal volkswirtschaftliche Erwägungen bei sonstigen Versagungsgründen durchaus zu beachten sein können (§ 11 Nr. 7, 9 und 10 BBergG; Boldt/Weller, BBergG, 1984, § 11 Rz. 10, 12, 14).

Das Berufungsgericht hat außerdem keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Rechtsauffassung der Behörde nicht das Ergebnis einer sorgfältigen rechtlichen und tatsächlichen Prüfung gewesen wäre. Die Revision bekämpft dies mit Verfahrensrügen und will aus der Behandlung der Bewilligungsanträge zweier Konkurrenzunternehmen folgern, dass das Bergamt zum Nachteil der Klägerin aus sachfremden Erwägungen mit zweierlei Maß gemessen habe. Auch diese Rügen können keinen Erfolg haben. Von einer näheren Begründung sieht der Senat gem. § 564 ZPO gleichfalls ab.

cc) Da von den in der Verwaltungsentscheidung alternativ gegebenen Begründungen für die Versagung einer Abbaubewilligung zumindest eine nicht auf einem Verschulden der Beamten beruht, lässt sich der Schaden der Klägerin insgesamt nicht auf eine schuldhafte Amtspflichtverletzung zurückführen. Eine Entscheidung ist im Ergebnis richtig, wenn von mehreren selbstständig nebeneinander stehenden Gründen auch nur einer zutrifft und damit die Entscheidung trägt. Der Senat hat keine Bedenken, diese Erwägung mit dem Berufungsgericht im Falle des § 839 BGB auf die Verschuldensebene zu übertragen und ein haftungsbegründendes Verschulden des Amtsträgers auch dann zu verneinen, falls sich lediglich eine der tragenden Begründungen für die fehlerhafte Entscheidung als unverschuldet herausstellt. Auch die Revision wendet sich hiergegen nicht.

3. Ebensowenig steht der Klägerin ein auf § 1 Abs. 1 EntschG LSA (in der für den Streitfall noch maßgebenden Fassung v. 16.11.1993) gestützter Ausgleichsanspruch zu.

a) Zwar ist das Gesetz zur Regelung von Entschädigungsansprüchen im Lande Sachsen-Anhalt, durch das das im Beitrittsgebiet als Landesrecht fortgeltende Staatshaftungsgesetz der DDR umfassend umgestaltet wurde, an sich nicht mehr dem revisiblen Landesrecht zuzurechnen (BGH v. 6.11.1997 - III ZR 198/96, MDR 1998, 408 = VersR 1998, 504). Revisibel sind aber die aus dem Bundesrecht übernommenen Tatbestandsvoraussetzungen des enteignungsgleichen Eingriffs (LT-Drucks. Sa.-Anh. 1/1502, 11 f.), insb. der geforderte Eingriff in das Eigentum (BGH, Urt. v. 29.4.1966 - V ZR 147/63, BGHZ 46, 17 [21] zur Übernahme eines Rechtsbegriffs aus dem revisiblen preußischen Landesrecht in eine nicht revisible Polizeiverordnung und BGH v. 4.6.1992 - III ZR 39/91, BGHZ 118, 295 [299 f.] = MDR 1992, 1082 zur Auslegung und Anwendung revisibler Rechtssätze als Vorfrage), sowie die hier zur Ausfüllung dieser Tatbestandsmerkmale heranzuziehenden Vorschriften des Bundesberggesetzes.

b) Durch die Verweigerung der von der Klägerin beantragten Abbaukonzession hat das beklagte Land in diesem Sinne nicht in deren "Eigentum" eingegriffen.

aa) Schutzgut des enteignungsgleichen Eingriffs sind von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG umfasste Rechtspositionen (BGH v. 23.5.1985 - III ZR 39/84, BGHZ 94, 373 [374 f.] = MDR 1986, 476; v. 20.1.1994 - III ZR 166/92, BGHZ 124, 394 [400] = MDR 1994, 353). Als solche kommen nicht nur das Eigentum an Grundstücken oder beweglichen Sachen in Betracht, sondern auch sonstige dingliche oder obligatorische Rechte, dagegen nicht bloße Chancen und Aussichten, auf deren Verwirklichung ein rechtlich gesicherter Anspruch nicht besteht (BGH v. 3.10.1985 - III ZR 103/84, MDR 1986, 736 = NVwZ 1986, 689 [690]). Auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb ist hiernach in seiner Substanz geschützt. Greift allerdings ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit ein, so ist nicht der Schutzbereich des Art. 14 GG, sondern der des Art. 12 GG berührt (BGH v. 7.6.1990 - III ZR 74/88, BGHZ 111, 349 [355 ff.] = MDR 1990, 903; BGH v. 14.3.1996 - III ZR 224/94, BGHZ 132, 181 [186 f.] = MDR 1996, 798; Urt. v. 13.7.2000 - III ZR 131/99, NVwZ-RR 2000, 744 f.). Weitere Einschränkungen gelten für öffentlich-rechtliche Rechtspositionen. Das BVerfG zieht einen Eigentumsschutz in diesem Bereich nur dann in Betracht, wenn der ein subjektiv-öffentliches Recht begründende Sachverhalt dem Einzelnen eine Rechtsposition verschafft, die derjenigen eines (bürgerlichrechtlichen) Eigentümers entspricht und die so stark ist, dass ihre ersatzlose Entziehung dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes widersprechen würde (BverfG, Beschl. v. 9.7.1975 - 1 BvR 2261, 2268/73, BVerfGE 40, 65 [83]; BVerfG v. 13.5.1986 - 1 BvL 55/83, BVerfGE 72, 141 [153] = MDR 1986, 905), insb., wenn die vermögenswerte öffentlich-rechtliche Rechtsposition für den Bürger ein Äquivalent eigener Leistung bildet und nicht überwiegend auf staatlicher Gewährung beruht (BverfG, Beschl. v. 13.5.1986 - 1 BvR 99, 461/85, BVerfGE 72, 175 [193]; BverfG, Beschl. v. 3.12.1997 - 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 [83]).

bb) Nach diesen Maßstäben ist eine durch Art. 14 GG eigentumsrechtlich geschützte und durch die Versagung der Bewilligung tangierte Rechtsposition der Klägerin zu verneinen.

(1) Die nach den §§ 6 ff. BBergG verliehenen Bergbauberechtigungen (Erlaubnis, Bewilligung, Bergwerkseigentum) beruhen auf staatlicher Konzession. Sofern keiner der in den §§ 11 bis 13 BBergG aufgeführten Versagungsgründe vorliegt, hat der Antragsteller zwar einen Rechtsanspruch auf Erteilung der beantragten Berechtigung (Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 8/1315, 86; Boldt/Weller, BBergG, 1984, §§ 6 Rz. 13, 11 Rz. 1, 12 Rz. 1; Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, 1983, § 11 Rz. 2 m.w.N.). Dieser ergibt sich aber aus der in Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 GG verfassungsrechtlich garantierten Unternehmer- und Berufsfreiheit (Boldt/Weller, BBergG, 1984, § 6 Rz. 13). Es geht mit anderen Worten in diesem Zusammenhang nicht um einen Schutz des "Erworbenen" - dann Geltung des Art. 14 GG -, sondern um den künftigen "Erwerb" infolge von Chancen und Verdienstmöglichkeiten, d.h. um den Anwendungsbereich des Art. 12 GG. Der Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung zum Aufsuchen und Gewinnen bestimmter Bodenschätze (§ 8 BBergG) gehört daher grundsätzlich nicht zu dem nach Art. 14 GG grundrechtlich geschützten Eigentum.

(2) Etwas anderes folgt im Streitfall auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin bis zum 31.12.1992 Inhaberin einer Aufsuchungserlaubnis gem. § 7 BBergG war. Eine solche, auch private Rechte begründende Erlaubnis fällt allerdings in den Schutzbereich des Artikels 14 GG (BVerfG v. 21.10.1987 - 1 BvR 1048/87, BVerfGE 77, 130 [136]; Papier in Maunz/Dürig, GG, Bearbeitung Juni 2002, Art. 14 Rz. 203; Boldt/Weller, BBergG, 1984, § 6 Rz. 14). Der Erlaubnisinhaber genießt auch gem. § 12 Abs. 2 BBergG eine Vorzugsstellung insofern, als ihm eine beantragte Bewilligung für die in der Erlaubnis bezeichneten Bodenschätze nur aus den Gründen des § 12 Abs. 1 BBergG und nur unter der weiteren Voraussetzung versagt werden darf, dass die Tatsachen, die einen Versagungsgrund rechtfertigen, erst nach Erteilung der Erlaubnis eingetreten sind. Hierdurch soll dem Tatbestand Rechnung getragen werden, dass dem Berechtigten bis zur Entdeckung der Bodenschätze i.d.R. finanzielle Aufwendungen entstanden sind und derartige Investitionen vernünftigerweise nur mit dem Ziel getätigt werden, entdeckte Bodenschätze auch im eigenen Unternehmen zu gewinnen. Ohne einen speziellen Schutz dieser Interessen würde angesichts der ständig steigenden Aufwendungen einer ordnungsgemäßen Aufsuchung niemand bereit sein, das mit dieser Tätigkeit verbundene Risiko zu übernehmen (BT-Drucks. 8/1315, 88; Boldt/Weller, BBergG, 1984, § 12 Rz. 9). Überdies kommt dem Erlaubnisinhaber unter den Voraussetzungen des § 14 BBergG auch gegenüber Konkurrenten ein Vorrang zu.

Das alles kann indessen nicht dazu führen, den vom Bundesberggesetz einfachrechtlich gewährten Investitionsschutz des Erlaubnisinhabers derart aufzuwerten, dass er der Rechtsstellung des Inhabers einer erteilten Bewilligung und der zu dessen Gunsten bestehenden verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie bereits gleichkommt. Das widerspräche auch dem gesetzlichen "Stufenverhältnis" der Bergbauberechtigungen, wonach erst die Bewilligung ein umfassendes Gewinnungsrecht verschafft. Infolgedessen kommt es für die Entscheidung auch nicht auf die vom Berufungsgericht gestellte Frage an, ob die Vorzugsstellung des Erlaubnisinhabers nach § 12 Abs. 2 BBergG mit dem Erlöschen der Aufsuchungserlaubnis durch Fristablauf endet, selbst dann, wenn - wie hier - der Antrag auf Erteilung der Bewilligung zur Förderung der aufgefundenen Bodenschätze noch vor dem Ende der Frist gestellt war (OVG Sachs. ZfB 2000, 153 [157 f.] - aufgehoben durch BVerwG, Urt. v. 17.1.2001 - 6 CN 4/00 (Bautzen), NVwZ 2001, 1038 = ZfB 2002, 148 - im Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 S. 2 des Vereinheitlichungsgesetzes; a.A. OVG Sa.-Anh., Urt. v. 4.11.1999 - A 1/4 S 170/97, Umdr. S. 6; Gutbrod/Töpfer, Praxis des Bergrechts, 1996, Rz. 75). Die Bewilligung zur Gewinnung des Bodenschatzes ist nicht notwendig mit der Aufsuchungserlaubnis verbunden und nimmt an deren eigentumsrechtlichen Schutz nicht teil; insofern besteht auch keine gesicherte Anwartschaft (a.A. wohl Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, 1983, § 12 Rz. 9). Vielmehr bleibt es auch in den Fällen des § 12 Abs. 2 BBergG dabei, dass der Betreiber trotz eingeschränkter Prüfungsbefugnis der Bergbehörde eine von der Einhaltung zahlreicher, von ihm nicht immer beeinflussbarer Bedingungen abhängige öffentlich-rechtliche Konzession erstrebt. Seine zu diesem Zweck vorgenommenen Investitionen begründen keinen weiter gehenden eigentumsrechtlichen Schutz. Auch der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs erstreckt sich nicht auf künftige Chancen und Erwerbsmöglichkeiten, zu denen beabsichtigte Betriebserweiterungen gehören (BGH v. 14.3.1996 - III ZR 224/94, BGHZ 132, 181 [187] = MDR 1996, 798 m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1297224

BGHZ 2005, 305

NJW 2005, 748

BGHR 2005, 566

BauR 2005, 1299

EBE/BGH 2005, 3

FamRZ 2005, 261

ZfIR 2005, 263

DÖV 2005, 924

MDR 2005, 630

NJ 2005, 219

NJ 2007, 432

NuR 2005, 424

VR 2005, 180

VersR 2005, 1083

DVBl. 2005, 373

DVBl. 2005, 978

UPR 2005, 187

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