Leitsatz (amtlich)

›1. Zur fehlenden Parteifähigkeit der verklagten GmbH & Co. KG wegen Vermögenslosigkeit ihrer im Handelsregister gelöschten Komplementär-GmbH.

2. Zu den Anforderungen an den Vortrag des Berufungsklägers, mit dem er geltend machen will, das Verfahren des ersten Rechtszugs leide an einem wesentlichen Mangel, weil das Gericht seine Aufklärungs- und Hinweispflicht nach § 139, § 278 Abs. 3 ZPO verletzt habe.‹

 

Verfahrensgang

Saarländisches OLG

LG Saarbrücken

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit hat seinen Ausgang genommen von einem unter dem 2. März 1979 zwischen der in Frankreich ansässigen M M S.A. und der "H. KG" geschlossenen Vertrag über die Lieferung von Fenstern durch die französische Gesellschaft und deren Vertrieb durch die Kommanditgesellschaft. Den Vertrag hat der Zweitbeklagte unterzeichnet. Eine Firma "H KG" gab es jedoch nicht. Die "richtige" Firma war die Erstbeklagte, eine GmbH & Co. KG, die inzwischen liquidiert ist. Die Beendigung der Liquidation der Erstbeklagten und ihrer Komplementärin war schon vor Klagerhebung im Handelsregister eingetragen, desgleichen das Erloschen beider Firmen.

Aufgrund des Vertrags lieferte die französische Gesellschaft an die Erstbeklagte Fenster- und Türelemente - ein von ihr erstellter Kontoauszug weist zu ihren Gunsten einen Saldo von 298820, 09 DM aus. Sie verlangte, vertreten durch ihren Vergleichsverwalter, mit der Klage Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen. Der Klage - so hat sie vorgetragen - stehe die Löschung der Erstbeklagten im Handelsregister nicht entgegen, denn die Erstbeklagte habe noch Vermögen. Der Zweitbeklagte hafte der Klägerin aus Rechtsschein auf Zahlung der Klagsumme. Er habe bei den gesamten Verhandlungen vor Unterzeichnung des Vertrags vom 2. März 1979 nicht zu erkennen gegeben, daß es sich bei der "H KG" um eine GmbH & Co. KG handle, die keine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich eines Betrags von 65352,56 DM hat es seine Entscheidung darauf gestützt, daß es sich um von der Beklagten vorgenommene Rabattabzüge handle, die die Klägerin gegen sich gelten lassen müsse, weil sie ihnen lange Zeit nicht widersprochen habe; dieser Teilbetrag ist nicht mehr im Streit. Der verbleibenden Klagforderung von 233467, 53 DM stehe - so hat das Landgericht gemeint - der Einwand der Verwirkung entgegen. Außerdem müßten den Beklagten Gewährleistungsansprüche zugebilligt werden, die die verbleibende Klagforderung weit überstiegen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung mit dem Antrag eingelegt, in Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten nebeneinander zur Zahlung von 233467,53 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Klägervertreter das Rubrum dahin berichtigt, daß Kläger nunmehr der Konkursverwalter über das Vermögen der französischen Gesellschaft sei. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers das landgerichtliche Urteil - soweit die Klage den Betrag von 65352,56 DM übersteigt - aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Antrag weiter, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Landgericht hat - soweit hier noch von Belang - die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß der Kaufpreisanspruch verwirkt sei und den Beklagten Gewährleistungsansprüche zustünden, die die Klagforderung weit überstiegen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil - soweit es angefochten worden ist - aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Nach seiner Ansicht hat das Verfahren des ersten Rechtszugs an einem wesentlichen Verfahrensfehler gelitten (§ 539 ZPO), weil das Landgericht es unterlassen habe, hinsichtlich der von ihm für eine Verwirkung herangezogenen Umstände, die die Parteien in dieser Weise nicht gesehen hätten, gemäß §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO entsprechende Hinweise zu geben. Soweit das Landgericht den Beklagten Gewährleistungsansprüche zugebilligt habe und die Entscheidung darauf beruhe, läge auch dem ein Verfahrensmangel zugrunde, weil erhebliches Vorbringen der Parteien im Zusammenhang mit den angeblichen Mängeln der Lieferungen der französischen Gesellschaft übergangen worden und unter Außerachtlassung der angebotenen Beweise - wiederum ohne Hinweis nach § 139 ZPO - aufgrund des in Fotokopie bei den Akten befindlichen Protokolls des Landgerichts Mosbach vom 11. Oktober 1982 (wo es erkennbar nur um die Lieferungen für einen Bau gegangen sei) und der "Gesamtumstände" Gegenforderungen der Beklagten von rund 500000 DM als nachgewiesen erachtet worden seien. In der Sache zu entscheiden, habe das Berufungsgericht für untunlich gehalten, weil bei dem gegebenen Sach- und Streitstand unter anderem eine umfangreiche Beweisaufnahme zur Frage der Qualität der Lieferungen und gegebenenfalls zur Höhe der Gewährleistungsansprüche der Beklagten sowie einer Verrechnungsvereinbarung in bezug auf derartige Ansprüche erforderlich werden dürfte. Eine Verwirkung der Klagforderung dürfte nach dem Vortrag des Klägers und der einschlägigen Korrespondenz nicht anzunehmen sein. Ohne Zurückverweisung wäre den Parteien eine Tatsacheninstanz verloren gegangen, was gerade bei einem Prozeß mit einem derart hohen Streitwert nicht als gerechtfertigt erscheine.

II. 1. Das angefochtene Urteil ist auf die Revision beider Beklagten schon deshalb aufzuheben, weil es keine Feststellungen zur Prozeßführungsbefugnis und Aktivlegitimation des Klägers enthält. Veranlassung zu Ausführungen unter diesem Gesichtspunkt war nach Sachlage gegeben:

a) Die mit Datum vom 12. Dezember 1983 eingereichte Klage war namens der in Frankreich ansässigen Firma M M S.A., vertreten durch den gerichtlich bestellten Vergleichsverwalter, erhoben worden, die auch im Rubrum des landgerichtlichen Urteils erschien (künftig: französische Gesellschaft). Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Klägervertreter das Rubrum dahin berichtigt, daß Kläger nunmehr der Konkursverwalter über das Vermögen der französischen Gesellschaft sei. Er hat Vollmacht des Konkursverwalters zu den Gerichtsakten gereicht und den Antrag aus der Berufungsbegründung mit der Klarstellung verlesen, die Beklagten zu 1 und 2 zu verurteilen, an den Kläger nebeneinander 233467,53 DM nebst Zinsen zu zahlen. In seinem im Termin überreichten Schriftsatz, auf den das Berufungsgericht mit seiner allgemeinen Bezugnahme verweist, hat der Klägervertreter vorgetragen, daß das Vergleichsverfahren über die französische Gesellschaft durch Urteil des Landgerichts Sarreguemines vom 10. Juli 1984 in das Konkursverfahren übergeleitet worden sei (Fotokopie des Urteils wurde im Termin übergeben, eine beglaubigte Übersetzung mit Schriftsatz vom 23. Oktober 1986 nachgereicht). Seit Rechtskraft dieses Urteils sei der frühere Vergleichsverwalter nunmehr Konkursverwalter über das Vermögen der Klägerin. Die Parteien verhandelten nach Antragstellung streitig zur Sache; eine prozessuale Rüge haben die Beklagten ausweislich des Protokolls nicht erhoben.

b) Im Rubrum des Berufungsurteils ist der Konkursverwalter als Kläger bezeichnet. Im Tatbestand seines Urteils führt das Berufungsgericht aus, daß der Kläger Zahlung dieses Betrags in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter über das Vermögen der französischen Firma verlange. Das läßt nicht die erforderliche Prüfung erkennen, ob der Kläger zur Geltendmachung der Ansprüche gegen die beiden Beklagten befugt war und Zahlung an sich selbst verlangen konnte. Fehlt es an dieser Befugnis, hätte das Landgericht die Klage im Ergebnis schon deshalb zu Recht abgewiesen.

Die inländische Konkurseröffnung über das Vermögen einer Prozeßpartei ist nach deutschem Recht mit einschneidenden Folgen für die Weiterführung des Rechtsstreits verbunden, die sich vor allem daraus ergeben, daß mit der Eröffnung des Konkursverfahrens der Gemeinschuldner die Befugnis verliert, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen (§ 6 KO). Die Konkurseröffnung im Ausland hat nicht ohne weiteres dieselben Folgen. So ist jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung davon auszugehen, daß ein im Ausland eröffnetes Konkursverfahren einen im Inland anhängigen Prozeß für oder gegen den Gemeinschuldner nicht nach § 240 ZPO unterbricht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1985 IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256, 269 = LM KO § 237 Nr. 4 mit Anmerkung Merz). Andererseits hat der Bundesgerichtshof mit dem Urteil vom 11. Juli 1985 (aaO) für eine in Konkurs gefallene juristische Person belgischen Rechts ausgesprochen, daß der ausländische Konkursverwalter berechtigt sei, Inlandsvermögen des Gemeinschuldners im eigenen Namen zur Konkursmasse zu ziehen. Seine Entscheidung konnte er auf Feststellungen des Berufungsgerichts dazu stützen, daß das belgische Insolvenzrecht das im Ausland belegene Vermögen des Gemeinschuldners zur Konkursmasse rechne, daß zu den Befugnissen des Konkursverwalters auch die Forderungseinziehung gehöre und er berechtigt sei, als Partei im eigenen Namen Forderungen des Gemeinschuldners geltend zu machen (BGHZ 95, 261, 271). An derartigen Feststellungen für das französische Recht, wie sie z.B. hinsichtlich der Vertretungsbefugnis für eine in Konkurs gefallene französische Societe anonyme in einer vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Sache getroffen worden sind (DB 1984, 1922 = ZIP 1984, 1382; vgl. auch BGHZ 95, 256, 263), fehlt es hier. Das Berufungsurteil, das sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 563 ZPO), ist schon wegen der fehlenden Feststellungen zur Prozeßführungsbefugnis und Aktivlegitimation des Klägers aufzuheben und die Sache gemäß §§ 565 Abs. 1, 4; 549 ZPO zurückzuverweisen, damit die Parteien hierzu vortragen können und das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen trifft. § 562 ZPO steht dieser revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht entgegen, weil kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, daß das Berufungsgericht in Anwendung französischen Rechts oder dessen Anwendbarkeit auch nur bedenkend von der Prozeßführungsbefugnis und Aktivlegitimation des Klägers ausgegangen ist (vgl. BGHZ 40, 197, 201).

2. Das Berufungsurteil ist, jedenfalls soweit es die Beklagte zu 1 betrifft, aus dem weiteren Grund aufzuheben, daß weder das Urteil noch der Prozeßstoff eine abschließende Prüfung zulassen, ob die Beklagte rechtlich noch besteht. Das hat die Revision mit Recht gerügt. Für die Austragung des Streits über diese Prozeßvoraussetzung ist die Beklagte - unabhängig vom Ergebnis der Prüfung im übrigen - als parteifähig zu behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1981 VI ZR 21/80, WM 1981, 1387 unter A. I).

a) Die mit Schriftsatz vom 12. Dezember 1983 erhobene Klage richtete sich gegen die Erstbeklagte, eine GmbH & Co.KG, die zuletzt noch aus der Komplementär-GmbH und einem Kommanditisten bestand. Aus den der Klagschrift beigefügten Handelsregisterauszügen ergibt sich ferner, daß die Beklagte und die Komplementär-GmbH schon bei Einreichung der Klagschrift nach beendeter Liquidation im Handelsregister gelöscht waren. Die Klägerin hat geltend gemacht, daß die Löschung der Klage nicht entgegenstehe. Der frühere Liquidator der Erstbeklagten betreibe eine Nachfolgefirma als alleiniger Gesellschafter. Diese Firma habe Vermögenswerte der Erstbeklagten übernommen, für die keine Vergütung geleistet worden sei. Nach Ansicht des Landgerichts hat die Klägerin hiermit schlüssig vorgetragen, daß die Beklagte noch über Vermögen verfügte und deshalb entgegen der durch die Eintragung im Handelsregister begründeten Vermutung nicht vollbeendet, sondern nach wie vor parteifähig war. Das Berufungsgericht ist auf die Parteifähigkeit nur insoweit eingegangen, als es die vom Landgericht "zutreffenderweise als zulässig erachtete(n) Klage" erwähnt.

b) Die Vorinstanzen haben verkannt, daß es nicht nur um etwaige der Beklagten zuzurechnende Vermögenswerte geht. Ob die angeblichen Ansprüche der Beklagten (z.B. aus ungerechtfertigter Bereicherung), die auch nach Meinung des Landgerichts als "recht gesucht erscheinen", für die Annahme ausreichen, daß sie nicht vermögenslos ist, kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls nach dem bisherigen Verfahrensstand die Komplementär-GmbH bereits bei Klagerhebung vermögenslos war und demgemäß die Beklagte nach Wegfall des vorletzten Gesellschafters rechtlich nicht mehr existiert hätte (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1981 - VI ZR 21/80, WM 1981, 1387 unter A II. 1; BFH BB 1983, 2042). Es geht nicht nur - wie die Revisionserwiderung meint - um eine Frage der Vertretungsbefugnis der Komplementär-GmbH, deren Vermögenslosigkeit im übrigen dieselben rechtlichen Folgen zeitigt wie bei jeder anderen GmbH (vgl. dazu allgemein Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 12. Aufl., § 74 Rdn. 6). Für Vermögenswerte, die der G m b H zustehen, ist aus dem Prozeßstoff nichts ersichtlich, der einen grundsätzlichen Unterschied zu dem in BGHZ 75, 178, 182 f. entschiedenen Fall aufweist. Dort waren über die Vermögen der klagenden Kommanditgesellschaft und deren Komplementär-GmbH Konkursverfahren beantragt, aber mangels Masse nicht eröffnet worden. Der Bundesgerichtshof hat geprüft, ob die GmbH nicht nur aufgelöst, sondern nach beendeter Liquidation erloschen war. Er hat das mit der Begründung verneint, daß gegen ihre Vollbeendigung schon ihre Beteiligung an der klagenden Kommanditgesellschaft spreche, "deretwegen sie zumindest deshalb für diesen Rechtsstreit noch als fortbestehend anzusehen ist, weil allein der mit der Klage geltend gemachte Anspruch für die Kommanditgesellschaft ausreicht, um sie als fortbestehend zu behandeln" (BGH aaO S. 182 f.). Diese Erwägungen können nicht für die Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft gelten, die - wie hier - Beklagte ist. Der Prozeßstoff in dieser Sache erlaubt bisher auch nicht die Annahme, daß die Kommanditgesellschaft ein ihre Verbindlichkeiten übersteigendes Aktivvermögen hat, so daß die Beteiligung an ihr einen Vermögenswert der GmbH darstellt.

III. Wenn das Berufungsgericht aufgrund der anderweiten Verhandlung die Prozeßführungsbefugnis des Klägers und die Parteifähigkeit der Erstbeklagten für gegeben hält, wird es im Hinblick auf die Entscheidung in der Sache - auch unter dem Gesichtspunkt der Zurückverweisung an das Landgericht - folgendes zu beachten haben:

1. Das Landgericht hat den Verwirkungseinwand der Beklagten durchgreifen lassen, soweit die Klagforderung nicht schon in Höhe der Rabattbeträge abzuweisen war. Seinen Standpunkt hat es ausführlich begründet. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist das Landgericht unter Verstoß gegen §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO zur Annahme der Verwirkung gelangt. Die von ihm als Begründung insoweit herangezogenen Umstände seien "in keiner Weise nach dem damals gegebenen Sach- und Streitstand von den Parteien in dieser Weise gesehen und dargetan" worden. Es hätte daher seitens des Landgerichts nach § 139 ZPO ein entsprechender Hinweis an die Parteien gegeben und gemäß § 278 Abs. 3 ZPO in der mündlichen Verhandlung eine entsprechende Erörterung der Sache mit den Parteien erfolgen müssen, das sei ausweislich des Sitzungsprotokolls und des Tatbestands des landgerichtlichen Urteils nicht geschehen.

Auch gegen die Zurückverweisung hat sich die Revision mit einer - ordnungsgemäß ausgeführten - Revisionsrüge gewandt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 - IX ZR 35/82, NJW 1984, 495). Sie zeigt Gesichtspunkte auf, die jedenfalls für die erneute Verhandlung und Entscheidung zu beachten sein werden. Im Grundsatz nichts einzuwenden ist gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, daß Verstöße gegen die richterliche Aufklärungspflicht einen Mangel des Verfahrens im Sinn von § 539 ZPO darstellen (vgl. Zöller/Schneider, ZPO, 15. Aufl., § 539 Rdn. 11). Dasselbe gilt für den Fall, daß das Landgericht einen nach § 278 Abs. 3 ZPO gebotenen Hinweis unterlassen hat, der der Klägerin Gelegenheit gegeben hätte, weitere Ausführungen zur Frage der Verwirkung zu machen (vgl. für die Zurückverweisung durch das Revisionsgericht BGH, Urteil vom 3. Juli 1986 - VII ZR 284/85, NJW 1987, 781). Ferner läßt sich aus Rechtsgründen nichts gegen die Annahme des Berufungsgerichts einwenden, daß die von ihm vermißten Hinweise durch das Landgericht nicht erteilt worden sind. Das Berufungsurteil läßt jedoch in mehrfacher Hinsicht als zweifelhaft erscheinen, ob das Oberlandesgericht zu Recht einen "wesentlichen Mangel" im Sinn von § 539 ZPO angenommen hat. Es mußte die Frage vom sachlich-rechtlichen Standpunkt des erstinstanzlichen Richters aus beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt verfehlt war (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1986 - VI ZR 220/84, WM 1986, 657, 658 unter II. 2. b). Das Landgericht hat ausführlich begründet, warum es die noch streitige Klagforderung als verwirkt angesehen hat. Daß eine Verwirkung in Betracht kam, konnte für die Klägerin schon aufgrund folgender Einlassung der Beklagten im Schriftsatz vom 21. Februar 1984 nicht überraschend sein (Bl. 2): "Der Forderungsanmeldung wurde in dem bereits übergebenen Schreiben vom 13.10.1981 widersprochen. Nach der Zurückweisung der Forderung durch die Beklagte H GmbH & Co. KG unternahm die Klägerin jahrelang nichts mehr, so daß vorsorglich Verjährung bzw. Verwirkung eingewandt wird. " Bereits dieser Vortrag verträgt sich nicht mit der Würdigung durch das Berufungsgericht, die vom Landgericht für die Annahme der Verwirkung herangezogenen Umstände (unter anderem das Schreiben vom 13. Oktober 1981) seien von den Parteien in dieser Weise nicht gesehen worden. Es kommt folgendes hinzu: Die Ausführungen in der Berufungsbegründung, auf die sich das Berufungsgericht bezieht, lassen nicht erkennen, daß und welchen entscheidungserheblichen Vortrag die Klägerin infolge einer Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Landgericht unterlassen haben soll. Sie erschöpfen sich in einer Zusammenstellung des Prozeßstoffs, den die Parteien hierzu schon vor dem Landgericht eingeführt hatten. Zwar wird für das Berufungsverfahren nicht die für das Revisionsverfahren zu fordern sein, daß in der Rechtsmittelbegründung im einzelnen angegeben wird, was auf einen Hinweis des Gerichts vorgebracht worden wäre (vgl. für die Revisionsbegründung Zöller/Schneider aaO § 554 Rdn. 14; das zur Veröffentlichung bestimmte BGH-Urteil vom 8. Oktober 1987 - VII ZR 45/87 unter I. 2); aus § 554 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ergeben sich insoweit strengere Anforderungen als nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Da es bei den Hinweispflichten des Gerichts um den Schutz der Partei vor Überraschungsentscheidungen geht, die sie hätte abwenden können, ist aber zu verlangen, daß sie jedenfalls geltend macht, in Verkennung der Rechtslage bestimmten näher anzugebenden - Vortrag unterlassen zu haben, wenn, wie hier, der rechtliche Gesichtspunkt von der Gegenseite schon aufgezeigt worden war. Ohne einen derartigen Vortrag läßt sich nicht zuverlässig prüfen, ob der vom Berufungsgericht der Zurückverweisung zugrundegelegte Verfahrensmangel ursächlich für die Entscheidung war und es sich um einen wesentlichen Verfahrensmangel handelt (vgl. dazu Senatsurteil vom 19. Februar 1957 - VIII ZR 206/56, LM ZPO § 539 Nr. 6; Zöller/Schneider aaO § 539 Rdn. 3). Mit der Zurückverweisung durch das Berufungsgericht ist schließlich nicht zu vereinbaren, daß es offen läßt, ob nach dem für das Berufungsurteil zu berücksichtigenden Vortrag des Klägers eine Verwirkung nicht anzunehmen war.

Gelangt das Berufungsgericht aufgrund der anderweiten Verhandlung zum Ergebnis, daß die Klagforderung verwirkt ist (hinsichtlich des Erstbeklagten s. unten zu 2), kommt es auf die weitere Begründung des Landgerichts nicht an, daß den Beklagten Gewährleistungsansprüche zugebilligt werden müßten, die die Klagforderung weit überstiegen. Im übrigen sind hierzu für das Revisionsurteil keine Hinweise veranlaßt, weil die Revision insoweit keine Rügen erhebt, sondern dahingestellt sein läßt, ob die Ausführungen im Berufungsurteil, auch hinsichtlich der Zubilligung von Gewährleistungsansprüchen leide das landgerichtliche Urteil unter wesentlichen Verfahrensmängeln, richtig sind.

2. In bezug auf den Zweitbeklagten wird das Berufungsgericht für die anderweite Verhandlung und Entscheidung folgendes zu beachten haben: Eine Zurückverweisung hinsichtlich der Erstbeklagten führt nicht notwendig zum selben Ergebnis für den Zweitbeklagten. Er wird nicht als Kaufvertragspartei, sondern unter dem Gesichtspunkt vom Kläger in Anspruch genommen, er habe während der gesamten Vorverhandlungen in keiner Weise zu erkennen gegeben, daß es sich bei der "H KG" um eine GmbH & Co. KG handle. Dies kann zu einer Rechtsscheinhaftung des Beklagten für die Zahlung des geschuldeten Kaufpreises führen (BGHZ 71, 354). Da die Beklagten keine notwendigen Streitgenossen sind, muß aber bezüglich des Zweitbeklagten selbständig geprüft werden, ob eine Zurückverweisung pflichtgemäßem Ermessen entspricht. Allerdings kann eine zugunsten der Erstbeklagten durchgreifende Verwirkung Ansprüche gegen den Zweitbeklagten von vornherein ausschließen. Aufgrund einer Rechtsscheinhaftung könnte der Kläger verlangen, so gestellt zu werden, als ob der Zweitbeklagte persönlich haftender Gesellschafter der Erstbeklagten war (§ 128 HGB). Diese Haftung ist jedoch akzessorisch (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 II 3 S. 1043 ff); demgemäß stünde auch dem Zweitbeklagten der Einwand zur Seite, daß die Kaufpreisforderung verwirkt sei. Die Akzessorietät würde indessen nicht auch den Fall erfassen, daß die Erstbeklagte als Träger der Verbindlichkeit weggefallen ist (vgl. für die Bürgschaft BGHZ 82, 323).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992920

DB 1988, 388

GmbH-Rdsch 1988, 139

BGHR HGB § 161 Abs. 2 Erlöschen 1

BGHR HGB § 161 Abs. 2 Rechtsscheinhaftung 1

BGHR KO § 237 Konkursverwalter, ausländischer 1

BGHR ZPO § 50 Abs. 1 Parteifähigkeit 1

BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 Verfahrensmangel 1

BGHR ZPO § 539 Verfahrensmangel 1

NJW-RR 1988, 477

WM 1988, 432

ZIP 1988, 247

MDR 1988, 490

Warn 1987, 373

IPRspr. 1987, 194

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