Leitsatz (amtlich)

Dauert ein Gewerbemietverhältnis mit dem Schuldner als Mieter nach Insolvenzeröffnung fort, ist der Insolvenzverwalter nicht berechtigt, den Erlös aus der Verwertung dem Vermieterpfandrecht unterliegender Gegenstände mit der Tilgungsbestimmung an den Vermieter auszukehren, die Zahlung vorrangig auf die nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten begründeten Mietforderungen und erst sodann auf die vor Verfahrenseröffnung als Insolvenzforderungen entstandenen Mietforderungen anzurechnen.

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe in Freiburg (Urteil vom 14.03.2014; Aktenzeichen 14 U 180/12)

LG Offenburg (Entscheidung vom 12.10.2012; Aktenzeichen 2 O 250/12)

 

Nachgehend

OLG Karlsruhe (Urteil vom 14.03.2014; Aktenzeichen 14 U 180/12)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 14.3.2014 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Beklagte ist Verwalter in dem am 2.12.2011 über das Vermögen der X. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.

Rz. 2

Die Klägerin vermietete durch Vertrag vom 4.11.2003 Gewerbeflächen zu einer monatlichen Miete von 61.626,53 EUR zzgl. Nebenkosten an die Schuldnerin. Die Mietrückstände der Schuldnerin beliefen sich im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung auf 793.575,21 EUR. Danach nutzte die Schuldnerin die Mietsache bis einschließlich April 2012 weiter. Für diesen Zeitraum sind Mieten und Nebenkosten i.H.v. 559.709,06 EUR angefallen, auf welche der Beklagte Zahlung i.H.v. 165.506,70 EUR leistete. Aus der Verwertung des dem Vermieterpfandrecht der Klägerin unterliegenden Anlage- und Umlaufvermögens der Schuldnerin kehrte der Beklagte einen Betrag von 898.526 EUR an die Klägerin mit der Bestimmung aus, dass die Zahlung vorrangig auf die noch offenen Masseverbindlichkeiten von 394.202,36 EUR und sodann auf die Insolvenzforderungen von 793.575,21 EUR anzurechnen sei.

Rz. 3

Die Klägerin, die diese Tilgungsbestimmung für unwirksam erachtet und die erhaltenen Zahlungen zuvörderst den vor Verfahrenseröffnung begründeten Mietrückständen gutbringt, verlangt mit der Klage Zahlung der im Zeitraum nach Verfahrenseröffnung angefallenen Miete i.H.v. insgesamt noch offenen 289.251,57 EUR. Das Berufungsgericht hat der erstinstanzlich abgewiesenen Klage stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 4

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Rz. 5

Das Berufungsgericht hat ausgeführt (vgl. ZInsO 2014, 1564), der Beklagte habe nicht aufgrund der von ihm erklärten Tilgungsbestimmung die hier eingeklagten, nach Verfahrenseröffnung entstandenen Mietforderungen beglichen. Die Tilgungsbestimmung sei unwirksam, weil die Verwertungsabrechnung zunächst auf die durch das Absonderungsrecht gesicherten Insolvenzforderungen erfolgen müsse. Das Leistungsbestimmungsrecht des § 366 BGB stehe dem Schuldner bei der Verwertung von Sicherheiten nicht zu. Vielmehr sei bei der Befriedigung von durch ein Absonderungsrecht gesicherten Forderungen die Rangfolge des § 367 Abs. 1 BGB anzuwenden. Es bestehe kein Grund für eine abweichende Beurteilung eines Leistungsbestimmungsrechts des Insolvenzverwalters.

II.

Rz. 6

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand. Die Klageforderung i.H.v. 289.251,57 EUR, die nach Verfahrenseröffnung entstandene Mietforderungen zum Gegenstand hat, ist nicht durch die vornehmlich auf die offenen Insolvenzforderungen anzurechnende Zahlung des Beklagten über 898.526 EUR erfüllt worden (§ 362 Abs. 1 BGB).

Rz. 7

1. Das Mietverhältnis zwischen der Klägerin als Vermieterin und der Schuldnerin als Mieterin dauerte über die Verfahrenseröffnung hinaus vereinbarungsgemäß bis zum 30.4.2012 an. Darum schuldet der Beklagte als Masseverbindlichkeit Zahlung der ausbedungenen Miete bis Vertragsende.

Rz. 8

Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume bestehen gem. § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Das Mietverhältnis wird folglich nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet (BGH, Urt. v. 3.4.2003 - IX ZR 163/02, WM 2003, 984, 985; v. 22.5.2014 - IX ZR 136/13, WM 2014, 1239 Rz. 8). § 108 Abs. 1 InsO verdrängt insoweit § 103 Abs. 1 InsO (BGH, Urt. v. 22.5.2014, a.a.O.). Ansprüche aus einem gem. § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO nach Insolvenzeröffnung fortbestehenden Mietverhältnis sind Masseverbindlichkeiten, wenn ihre Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO; BGH, Urt. v. 13.12.2012 - IX ZR 9/12, WM 2013, 138 Rz. 10). Da das Mietverhältnis fortwirkt, kann die Klägerin von dem Beklagten die Begleichung der nach Verfahrenseröffnung entstandenen Mietforderungen beanspruchen.

Rz. 9

2. Diese Verbindlichkeiten über noch offene 289.251,57 EUR sind nicht durch die Zahlungen von insgesamt 898.526 EUR erfüllt worden (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, im Wege einer Tilgungsbestimmung (§ 366 Abs. 1 BGB) die nach Verfahrenseröffnung begründeten, mit der Klage verfolgten Mietforderungen berichtigt zu haben.

Rz. 10

a) Dem Schuldner steht das Tilgungsbestimmungsrecht des § 366 Abs. 1 BGB nicht zu, wenn der Gläubiger entweder im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch Verwertung einer von dem Schuldner gestellten Sicherung befriedigt wird.

Rz. 11

aa) Die Befugnis zur Tilgungsbestimmung stellt eine Vergünstigung für den Schuldner dar, deren Grund seine freiwillige Leistung bildet. Zugleich zieht § 366 Abs. 1 BGB die praktische Konsequenz daraus, dass die Zahlung vom Schuldner ausgeht. Bereits der Wortlaut des § 366 Abs. 1 BGB lässt erkennen, dass die Befugnis zur Tilgungsbestimmung nur dem Schuldner zustehen soll, der zur Erfüllung seiner Pflichten tätig wird, wobei der Zeitpunkt der Ausübung grundsätzlich mit dem Zeitpunkt dieser Tätigkeit ("bei der Leistung") übereinstimmen muss. Diese Auslegung der Vorschrift erscheint auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten angemessen. Es wäre schwer verständlich, wenn die in dem Tilgungsbestimmungsrecht liegende Vergünstigung nicht nur dem Schuldner zugute käme, der wenigstens einen Teil der geschuldeten Leistungen erbringt, sondern auch demjenigen, der pflichtwidrig nicht leistet und daher im Wege der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommen werden muss. Das Tilgungsbestimmungsrecht steht deshalb nur dem Schuldner zu, der zur Erfüllung seiner Pflichten tätig wird, nicht aber dem, gegen den die Zwangsvollstreckung betrieben werden muss (BGH, Urt. v. 23.2.1999 - XI ZR 49/98, BGHZ 140, 391, 394; v. 3.6.2008 - XI ZR 353/07, WM 2008, 1298 Rz. 22; MünchKomm/BGB/Fetzer, 6. Aufl., § 366 Rz. 5; Bamberger/Roth/Dennhardt, BGB, 3. Aufl., § 366 Rz. 4; Soergel/Schreiber, BGB, 13. Aufl., § 366 Rz. 7, 9; Erman/Buck-Heeb, BGB, 14. Aufl., § 366 Rz. 6a; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 366 Rz. 3; Pfeiffer, in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 9. Aufl., § 366 Rz. 10; a.A. Staudinger/Olzen, BGB, 2011, § 366 Rz. 5). Der BGH hat es deshalb auch abgelehnt, dem Schuldner das Recht zuzubilligen, gegenüber dem vollstreckenden Grundschuldgläubiger zu bestimmen, welche von mehreren durch die Grundschuld gesicherten Forderungen des Gläubigers mit dem Erlös aus der Zwangsversteigerung des Grundstücks befriedigt werden sollen (BGH, Urt. v. 23.2.1999, a.a.O., S. 391, 393 ff.; v. 28.6.2000 - XII ZR 55/98, nv, Umdr. S. 7 f.).

Rz. 12

bb) Mangels einer freiwilligen Zahlung gilt in Fällen der Verwertung einer Sicherung grundsätzlich nichts anderes als für die Beitreibung im Wege der Zwangsvollstreckung (BGH, Urt. v. 3.6.2008, a.a.O., Rz. 22; v. 17.2.2011 - IX ZR 83/10, WM 2011, 561 Rz. 15; LG Darmstadt ZIP 2005, 456 f.; MünchKomm/BGB/Fetzer, a.a.O.; Bamberger/Roth/Dennhardt, a.a.O.; Soergel/Schreiber, a.a.O.; Erman/Buck-Heeb, a.a.O.; Palandt/Grüneberg, a.a.O.; Pfeiffer, a.a.O.; zustimmend auch Staudinger/Olzen, a.a.O., § 366 Rz. 10). Darum ist § 366 Abs. 1 BGB bei einer Befriedigung des Vermieters durch Zugriff auf eine Mietkaution nicht anwendbar (BGH, Urt. v. 12.1.1972 - VIII ZR 26/71, WM 1972, 335, 337; OLG Hamburg, ZMR 2008, 714, 715 f.; Staudinger/Olzen, a.a.O.). Eine einseitige Tilgungsbestimmung ist mithin im Fall der Auskehr des Erlöses einer Sicherheit an den Sicherungsnehmer nicht zulässig (BGH, Urt. v. 17.2.2011, a.a.O.).

Rz. 13

b) Nach diesen Maßstäben ist die von dem Beklagten getroffene Leistungsbestimmung unbeachtlich, weil die Befriedigung einmal im Rahmen eines der Einzelzwangsvollstreckung insoweit gleichstehenden Insolvenzverfahrens erfolgte und zum anderen aus dem Erlös der Verwertung einer der Klägerin gewährten Sicherung herrührt.

Rz. 14

aa) Scheidet bei Beitreibungen in der Einzelzwangsvollstreckung ein Leistungsbestimmungsrecht des Schuldners aus, hat dies bei Leistungen im Rahmen einer Insolvenz als Gesamtvollstreckungsverfahren ebenfalls zu gelten.

Rz. 15

(1) Das Insolvenzverfahren bildet gem. § 1 Satz 1 InsO ein Gesamtvollstreckungsverfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung sämtlicher Gläubiger, indem das Schuldnervermögen verwertet und sein Erlös an die Gläubiger verteilt wird (Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 1 Rz. 4). Zur Verwirklichung dieses Zwecks wird das Schuldnervermögen mit der Verfahrenseröffnung haftungsrechtlich der Gläubigergesamtheit zugeordnet (Uhlenbruck/Pape, InsO, 13. Aufl., § 1 Rz. 2). Den Verfahrensgläubigern sind nicht nur die Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO), sondern auch die Massegläubiger (§§ 53 ff. InsO) zuzurechnen (Jaeger/Henckel, InsO, § 1 Rz. 4). Das Insolvenzverfahren als Gesamtvollstreckungsverfahren unterscheidet sich von der Einzelvollstreckung im Wesentlichen darin, dass an die Stelle des Prioritätsgrundsatzes der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung tritt (Kirchhof in HK/InsO, 7. Aufl., § 1 Rz. 4; MünchKomm/InsO/Stürner, 3. Aufl., Einleitung Rz. 1). Folgerichtig können Insolvenzgläubiger gem. § 87 InsO ihre Forderungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch nach den Vorschriften des Insolvenzrechts durch Anmeldung zur Insolvenztabelle verfolgen. Zwangsvollstreckungen sind gem. § 89 Abs. 1 InsO weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig (BGH, Urt. v. 21.2.2013 - IX ZR 92/12, WM 2013, 574 Rz. 21).

Rz. 16

(2) Soweit die Rechtsausübung des Schuldners in der Einzelzwangsvollstreckung Beschränkungen unterliegt, gelten diese erst recht auch für das insolvenzrechtliche Gesamtvollstreckungsverfahren, das Ausdruck einer umfassenden Leistungsunfähigkeit des Schuldners ist. Ein Tilgungsbestimmungsrecht nach § 366 Abs. 1 BGB kommt in der Zwangsvollstreckung und dementsprechend in der Insolvenz als Gesamtvollstreckungsverfahren nicht zum Tragen (Obermüller, NZI 2011, 663; Lütcke, NZI 2012, 262, 263 f.), weil in einem Insolvenzverfahren ebenso wie bei einer Zwangsvollstreckung von einer freiwilligen Leistung des Schuldners, ohne dass es der Ausübung eines Vollstreckungsdrucks auf den Insolvenzverwalter bedarf (unzutreffend OLG Dresden ZIP 2011, 2266, 2267), keine Rede sein kann (Obermüller, a.a.O.; Lütcke, a.a.O.). Mit Rücksicht auf den Vollstreckungscharakter der insolvenzrechtlichen Verwertung ist der Insolvenzverwalter darum nicht befugt, bei der Erlösverteilung eine Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 1 BGB zu treffen (BGH, Urt. v. 12.2.1985 - VI ZR 68/83, ZIP 1985, 487, 489 f.; Schmidt/Jungmann, a.a.O., § 187 Rz. 5; Wagner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 187 Rz. 7). Schon alleine aus dieser Erwägung ging die von dem Beklagten als Insolvenzverwalter bei seiner Zahlung mit Wirkung für den Schuldner verlautbarte Tilgungsbestimmung ins Leere.

Rz. 17

bb) Ferner war für eine Tilgungsbestimmung des Beklagten kein Raum, weil die Klägerin aus dem Erlös der Verwertung einer ihr zustehenden Sicherung befriedigt wurde.

Rz. 18

(1) Die Klägerin war als Vermieterin Inhaberin eines Vermieterpfandrechts (§ 562 Abs. 1 BGB), das sich auf die vor und nach Verfahrenseröffnung fällig werdenden Mietforderungen erstreckte (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.2006 - IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 Rz. 11; Ganter in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., § 50 Rz. 90; HK-InsO/Lohmann, 7. Aufl., § 50 Rz. 22). Infolge seines unmittelbaren Besitzes waren die dem Vermieterpfandrecht der Klägerin unterliegenden Gegenstände durch den Beklagten als Insolvenzverwalter zu verwerten (§§ 166 Abs. 1, 50 InsO, § 562 BGB; BT-Drucks. 12/2443, 178). Auch bei Verwertung einer Sicherheit in der Insolvenz ist dem Insolvenzverwalter - hier dem Beklagten - eine Tilgungsbestimmung verwehrt (BGH, Urt. v. 17.2.2011 - IX ZR 83/10, WM 2011, 561 Rz. 15).

Rz. 19

Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Beklagte gem. § 166 Abs. 1 InsO ein eigenes Verwertungsrecht wahrnimmt und mit seiner Tilgungsbestimmung die Befriedigungsinteressen der Gläubigergesamtheit verfolgt (so aber OLG Dresden ZIP 2011, 2266, 2267 f.). Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters dient dem Zweck, eine Fortführung und Sanierung des Unternehmens zu ermöglichen und durch eine vorteilhafte Gesamtveräußerung die Interessen der gesicherten Gläubiger zu fördern (BT-Drucks., a.a.O.). Nachteile zu Lasten des Absonderungsberechtigten sollen, wie die Pflicht des § 168 InsO zur Wahrnehmung einer günstigen Verwertungsmöglichkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 22.4.2010 - IX ZR 208/08, WM 2010, 1038 Rz. 3; v. 4.7.2013 - IX ZR 264/12, WM 2013, 1723 Rz. 4) und die Pflicht des § 169 InsO zur Verzinsung bei einer verzögerten Verwertung (BGH, Urt. v. 17.2.2011, a.a.O., Rz. 13) belegen, tunlichst vermieden werden. Das Absonderungsrecht erfasst im Interesse des Absonderungsberechtigten nach Insolvenzeröffnung fällig werdende Ansprüche auf Kosten und Zinsen (BGH, Urt. v. 17.7.2008 - IX ZR 132/07, WM 2008, 1660 Rz. 7 ff.). Die Tilgungsreihenfolge des § 367 Abs. 1 BGB gilt zu seinen Gunsten auch für die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen (BGH, Urt. v. 17.2.2011, a.a.O., Rz. 13). Findet § 367 BGB in einem Insolvenzverfahren uneingeschränkte Anwendung, verleiht das Gesetz folgerichtig dem Insolvenzverwalter auch kein von dem allgemeinen Verständnis des § 366 Abs. 1 BGB abweichendes Tilgungsbestimmungsrecht (vgl. LG Darmstadt ZIP 2005, 456 f.; Mitlehner, EWiR 2011, 819, 820).

Rz. 20

(2) Entgegen der von der Revision (im Anschluss an Zimmer, ZInsO 2010, 1261, 1266, 1268 f.) vertretenen Auffassung lässt sich die Regelung des § 190 Abs. 3 Satz 1 InsO nach Inhalt und Zielsetzung nicht als lex specialis zu den §§ 366 ff. BGB begreifen (Cranshaw, jurisPR-InsR 2/2012 Anm. 4). Die Bestimmung des § 190 Abs. 3 InsO entlastet die Gläubiger lediglich von den Obliegenheiten des § 190 Abs. 1 und 2 InsO, ohne dem Insolvenzverwalter, der den Ausfall des Gläubigers zu schätzen hat, ein Gestaltungsrecht nach § 366 Abs. 1 BGB zuzuweisen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, 186). War der Schuldner zu einer Tilgungsbestimmung nicht befugt, gilt gleiches für den Insolvenzverwalter, dem insoweit nicht mehr Rechte als dem Schuldner zugebilligt werden können (Obermüller, NZI 2011, 663, Lütcke, NZI 2012, 263, 264; a.A. Zimmer, a.a.O., S. 1266).

Rz. 21

3. Die Zahlungen des Beklagten über insgesamt 898.526 EUR sind darum gem. § 366 Abs. 2 BGB zuvörderst auf die bis zur Verfahrenseröffnung entstandenen, ebenfalls offenen älteren Mietrückstände anzurechnen. Mithin ist die Klageforderung begründet.

Rz. 22

Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird gem. § 366 Abs. 1 BGB diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt. Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so gilt die gesetzliche Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB. Danach wird insb. die zunächst fällige Schuld und unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, getilgt. Schuldet der Mieter - wie im Streitfall - mehrere Mietraten, ist § 366 BGB entsprechend anwendbar (BGH, Urt. v. 5.4.1965 - VIII ZR 10/64, NJW 1965, 1373 f.; v. 20.6.1984 - VIII ZR 337/82, BGHZ 91, 375, 379). Danach wird die älteste Rate, die zuerst verjähren würde und daher der Klägerin geringere Sicherheit bietet, getilgt (BGH, Urt. v. 5.4.1965, a.a.O., S. 1374; v. 19.11.2008 - XII ZR 123/07, BGHZ 179, 1 Rz. 19). Folglich ist die Zahlung über 898.526 EUR insb. auf die älteren, vor Verfahrenseröffnung begründeten Mietforderungen und nicht die später entstandene, weiter offene Klageforderung anzurechnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 7435379

BB 2014, 2817

DB 2014, 2763

NJW 2015, 162

EBE/BGH 2014

EWiR 2014, 783

NZG 2015, 244

NZM 2015, 51

WM 2014, 2187

ZIP 2014, 2248

ZfIR 2015, 34

DZWir 2015, 182

JZ 2014, 722

JZ 2014, 725

MDR 2015, 182

NZI 2014, 1044

NZI 2014, 6

ZInsO 2014, 2320

InsbürO 2015, 112

MietRB 2015, 105

NJW-Spezial 2015, 22

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