Leitsatz (amtlich)

›Bei der Ermittlung des notwendigen Inhalts einer Einspruchsschrift dürfen mündliche Äußerungen der Beteiligten nicht berücksichtigt werden.‹

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den Beklagten Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 78.493,63 DM. Auf die Klageerwiderung vom 19. November 1991 hat der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 2. Juni 1992 nicht geantwortet. Im Termin vom 2. Juni 1992 ist der Kläger nicht aufgetreten und hat erklärt, er werde gegen ein Versäumnisurteil Einspruch einlegen. Das Landgericht hat sodann ein klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen, das dem Kläger am 16. Juni 1992 zugestellt worden ist. Am 29. Juni 1992 ging bei Gericht ein Schriftsatz des Klägers ein, in dem es einleitend heißt, zum Schriftsatz der Beklagten vom 19. November 1991 werde wie folgt Stellung genommen. In der Folgezeit hat der Kläger den Standpunkt vertreten, sein Schriftsatz vom 29. Juni 1992 müsse als Einspruch gegen das Versäumnisurteil angesehen werden.

Das Landgericht hat den Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der innerhalb der Einspruchsfrist eingegangene Schriftsatz des Klägers vom 29. Juni 1992 erfülle nicht die für die Zulässigkeit des Einspruchs in § 340 Abs. 2 ZPO geforderten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen. Der Einspruch müsse zwar nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden; der eingereichte Schriftsatz sei der Auslegung zugänglich. Der Schriftsatz des Klägers lasse jedoch nicht einmal ansatzweise erkennen, daß damit ein Einspruch gemeint sein könnte, sondern erwecke insbesondere aufgrund der vorangestellten Bezugnahme auf den Schriftsatz der Beklagten vom 19. November 1991 den Eindruck, es handele sich allein um eine Replik auf die Klageerwiderung. Die im Termin angekündigte Einlegung eines Einspruchs könne zur Auslegung nicht herangezogen werden. Hierbei handele es sich um eine bloße Absichtserklärung, die zudem nicht protokolliert und daher nicht Akteninhalt geworden sei.

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Nach § 340 Abs. 2 ZPO muß die Einspruchsschrift die Bezeichnung des Urteils enthalten, gegen das der Einspruch gerichtet wird, sowie die Erklärung, daß gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde. Durch die Pflicht zur Einreichung einer Einspruchsschrift und den in § 340 Abs. 2 ZPO zwingend vorgeschriebenen Inhalt dieser Schrift soll gewährleistet werden, daß für Gericht und Gegner zuverlässig feststeht, ob die säumige Partei trotz ihrer Säumnis den Prozeß weiterbetreiben will (BGHZ 105, 197, 200). Die Einspruchsschrift muß allerdings nicht das Wort "Einspruch" enthalten. Sie ist der Auslegung zugänglich. Die säumige Partei muß jedoch unzweideutig zum Ausdruck bringen, daß sie das Versäumnisurteil nicht gegen sich gelten lassen will und eine Fortsetzung des Verfahrens verlangt (RGZ 141, 347, 350; MünchKomm-ZPO/Prütting, § 340 RdNr. 7; Stein/Jonas/Schumann, ZPO 20. Aufl. § 340 Rdnr. 3).

2. Daran fehlt es hier. a) Der Schriftsatz des Klägers vom 29. Juni 1992 läßt nicht einmal ansatzweise erkennen, daß damit das Versäumnisurteil vom 2. Juni 1992 angegriffen werden sollte. Das Urteil, das dem Kläger am 16. Juni 1992 zugestellt worden war, wird in dem Schriftsatz mit keinem Wort erwähnt. Es fehlt auch jeder sonstige Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger sich gegen ein bereits ergangenes Urteil wenden und eine Fortsetzung des Verfahrens erreichen wollte. Der Schriftsatz knüpft vielmehr ausdrücklich an die Klageerwiderung vom 19. November 1991 an und nimmt zu ihr sachlich Stellung. Daß eine Stellungnahme zur Klageerwiderung nur dann sinnvoll war, wenn das Verfahren nicht bereits rechtskräftig abgeschlossen war, ist richtig. Diese Überlegung reicht jedoch nicht aus, um die Antwort auf die Klageerwiderung als Einspruch gegen ein Versäumnisurteil auszulegen. Daß der Kläger sich mit einer sachlichen Stellungnahme zur Klageerwiderung begnügt hat, kann darauf beruhen, daß er schlicht vergessen hat, rechtzeitig Einspruch einzulegen. In diesem Fall haben die Beklagten Anspruch darauf, daß die Gerichte die infolge des versäumten Einspruchs eingetretene Rechtskraft des Versäumnisurteils respektieren.

b) Auch der übrige Akteninhalt enthält nichts, was darauf hindeutet, daß der Kläger gegen das Versäumnisurteil Einspruch einlegen wollte. Zu Recht hat das Berufungsgericht es abgelehnt, die mündliche Äußerung des Klägers im Termin vom 2. Juni 1992, er wolle gegen ein künftiges Versäumnisurteil Einspruch einlegen, bei der Auslegung seines Schriftsatzes vom 29. Juni 1992 zu berücksichtigen. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der mit § 340 Abs. 2 ZPO sachlich übereinstimmenden Vorschrift des § 518 Abs. 2 ZPO über den Inhalt der Berufungsschrift. Der notwendige Inhalt der Berufungsschrift, zu dem nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die Angabe gehört, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird, muß nicht ausdrücklich in der Rechtsmittelschrift enthalten sein. Es genügt, wenn sich die nötigen Angaben aus dem beigefügten Urteil oder aus anderen vom Rechtsmittelkläger beim Gericht eingereichten Unterlagen eindeutig ergeben und wenn diese Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist bei Gericht vorliegen (BGHZ 21, 168; BGH, Beschl. v. 13. Juli 1993 - III ZB 17/93, NJW 1993, 2943 m.w.N.). Die notwendigen Angaben müssen aber schriftlich vorliegen. Mündliche Quellen sind für die Auslegung einer Rechtsmittelschrift unbeachtlich (BGH, Beschl. v. 9. Juli 1985 - VI ZB 8/85, NJW 1985, 2650; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, § 518 RdNr. 19).

Die gleichen Anforderungen sind auch an die Einspruchsschrift zu stellen. Das ist ein Gebot der Rechtssicherheit. Indem das Gesetz die schriftliche Einlegung des Einspruchs und einen bestimmten Inhalt der Einspruchsschrift zwingend vorschreibt, will es sicherstellen, daß bei Ablauf der Einspruchsfrist für Gericht und Parteien eindeutig feststeht, ob das Versäumnisurteil rechtskräftig ist oder ob das Verfahren fortgesetzt wird. Dieser Gesetzeszweck würde unterlaufen, wenn zur Ermittlung des notwendigen Inhalts der Einspruchsschrift auch mündliche Äußerungen der Beteiligten herangezogen werden müßten. Bei einem gesprochenen Wort besteht nicht nur die Gefahr von Mißverständnissen, sondern auch die Schwierigkeit eines eindeutigen Beweises. Wenn es für die Zulässigkeit eines Einspruchs auf mündliche Äußerungen ankäme, wäre es oft unumgänglich, zunächst in einer Beweisaufnahme den Inhalt dieser Äußerungen festzustellen. Bis zum Abschluß dieser Beweisaufnahme wäre die Rechtskraft des Versäumnisurteils in der Schwebe. Diese Rechtsunsicherheit soll gerade durch das Schriftformerfordernis des § 340 ZPO vermieden werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993274

BB 1994, 2033

BGHR ZPO § 340 Abs. 2 Einspruchsschrift 1

DRsp IV(415)226Nr. 6

NJW-RR 1994, 1213

VersR 1994, 1370

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