Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsgrundlage der Schadensersatzpflicht des Steuerberaters bei verspäteter Abgabe der Steuererklärung. Rechtsbehelfseinlegung. Schadensschätzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erleidet ein Steuerpflichtiger rechtliche Nachteile, weil sein steuerlicher Berater eine Steuererklärung nicht rechtzeitig eingereicht hat, so richtet sich die Schadensersatzpflicht des Beraters nicht nach den Grundsätzen über die positive Forderungsverletzung, sondern nach den Vorschriften über die Folgen des Verzugs und der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit. Hat das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe einer Steuererklärung geschätzt, und besteht keine Möglichkeit mehr, die Schätzung zu beseitigen, so kommen die Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung zur Anwendung.

2. Zur Pflicht eines steuerlichen Beraters, wegen des Beginns der Rechtsbehelfsfrist Rückfrage zu halten, wenn sich dies aus dem Auftragsschreiben nicht ergab.

3. Zur Anwendung des § 287 ZPO in Schadensersatzprozessen gegen steuerliche Berater.

 

Leitsatz (redaktionell)

Versäumt ein Steuerbevollmächtigter sich Gewißheit über den Beginn der Einspruchsfrist zu verschaffen, begründet dies schon für sich allein den Vorwurf des pflichtwidrigen Verhaltens, außer die Einspruchsfrist war bereits abgelaufen als er Kenntnis vom Zugang eines Steuerbescheids erlangte.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 282, 325, 675; ZPO § 287; StBerG § 33

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 26.11.1980; Aktenzeichen 3 U 100/80)

LG Hannover (Urteil vom 20.03.1980; Aktenzeichen 15 O 303/77)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Celle vom 26. November 1980 insoweit aufgehoben, als der Kläger mit einem Anspruch von 28.087,20 DM nebst 4% Zinsen seit dem 29. Dezember 1978 abgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen Fehler, die diesem bei der Bearbeitung der steuerlichen Angelegenheiten des Klägers unterlaufen sein sollen.

Der Beklagte war seit dem Jahre 1971 als Steuerbevollmächtigter für den Kläger tätig. Im Herbst 1974 beauftragte der Kläger den Steuerbevollmächtigten D mit der Erledigung seiner steuerlichen Angelegenheiten; dies wurde dem Beklagten am 9. November 1974 mitgeteilt. Die Bearbeitung der Steuerangelegenheiten aus den zurückliegenden Jahren bis einschließlich 1973 verblieb jedoch beim Beklagten.

Die Jahresabschlüsse für 1971, 1972 und 1973 (Bilanzen nebst dazugehörigen Gewinn- und Verlustrechnungen) fertigte der Beklagte im Oktober 1975 an; er übersandte sie mit Schreiben vom 21. Oktober 1975 dem Kläger. Für das Jahr 1971 hatte der Beklagte einen Betriebsgewinn von 44.580,83 DM, für das Jahr 1972 einen Betriebsverlust von 40.633,97 DM errechnet. Am 11. Dezember 1975 gab er die auf diesen Jahresabschlüssen beruhenden Steuererklärungen für die genannten Jahre ab.

Inzwischen waren jedoch bereits sowohl für das Jahr 1971 als auch für das Jahr 1972 Steuerbescheide des Finanzamts ergangen.

Die Einkommensteuer für das Jahr 1971 war durch Bescheid vom 29. Juli 1974 festgesetzt worden. Dieser beruhte, soweit er die Einkünfte aus dem vom Kläger betriebenen Kraftfahrzeugreparaturbetrieb betraf, auf einem Gewinnfeststellungsbescheid, dessen Datum aus dem Parteivortrag nicht ersichtlich ist. In ihm waren die Betriebseinkünfte auf 70.000,– DM festgesetzt worden; nach der Behauptung des Klägers handelte es sich dabei um eine Schätzung, die das Finanzamt wegen Nichteinreichung der Steuererklärung vorgenommen hatte. Der Beklagte erhob gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch; den Gewinnfeststellungsbescheid ließ er unangefochten. Der Einspruchsbescheid erging am 28. Februar 1975. Am 23. April 1975 erhob der Beklagte Klage vor dem Finanzgericht, die er am 11. Dezember 1975 begründete. Durch Bescheid vom 29. Januar 1976 änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid in der Fassung des Einspruchsbescheids ab. Es setzte dabei die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit O DM und die aus nichtselbständiger Arbeit mit 7.213,– DM an. In der Begründung heißt es, daß sich durch diesen Bescheid die Finanzgerichtsklage in der Hauptsache erledige; hinsichtlich des Gewinns aus Gewerbebetrieb sei der Kläger an die Gewinnfeststellungsbescheide gebunden; eventuelle Änderungen könnten nur im Wege der Berichtigung nach § 218 Abs. 4 AO berücksichtigt werden. Mit einem Schriftsatz vom 28. Februar 1976 legte der Beklagte erneut für den Kläger Einspruch ein; wie über ihn entschieden worden ist, ist aus dem Parteivortrag nicht zu entnehmen.

Am 6. November 1974 war der Kläger vom Finanzamt unter Androhung von Erzwingungsgeld zur Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 1972 bis zum 20. November 1974 aufgefordert worden. Diese Aufforderung blieb erfolglos. Daraufhin setzte das Finanzamt den Betriebsgewinn für das Jahr 1972 mit Bescheid vom 13. Februar 1975 auf 38.000,– DM fest; in den Erläuterungen heißt es dazu:

„Die Besteuerungsgrundlagen wurden gemäß § 217 AO geschätzt, da Sie keine Steuererklärungen

abgegeben haben.”

Der Bescheid wurde dem Kläger persönlich zugesandt; ob auch der Beklagte eine Ausfertigung des Bescheides erhielt, ist unter den Parteien streitig. Am 12. März 1975 unterrichtete der Kläger den Steuerbevollmächtigten D vom Eingang des Bescheides. Dieser schrieb daraufhin am 15. März 1975 an den Beklagten:

„Anbei übersende ich Ihnen folgende Steuerbescheide, die mir Herr R ausgehändigt hat:

Gewinnfeststellungsbescheid 1972

Umsatzsteuerbescheid 1972

GewSt-Meßbescheid 1972

GewSt-Bescheid 1972.

Wie Sie ersehen können, wurde wegen der nicht eingereichten Steuererklärungen die Besteuerungsgrundlage nach § 217 AO geschätzt.

Ich bitte Sie, diese Bescheide zu prüfen und ggfls. entsprechende Maßnahmen zu veranlassen.”

Der Beklagte veranlaßte nichts.

Der Kläger behauptet, er habe dem Beklagten die erforderlichen Unterlagen, insbesondere auch die Inventuren, rechtzeitig zugeleitet; dieser sei daher in der Lage gewesen, die Steuererklärungen fristgerecht abzugeben. Er verweist hierzu auf ein Schreiben des Beklagten an die Gemeinde M vom 4. September 1973, in dem er unstreitig ausgeführt hatte:

„Zwischenzeitlich sind die restlichen Abschlußarbeiten bis einschl. 1972 in Bearbeitung, so daß bis zum 20. d.M. die Steuererklärungen vorliegen werden.”

Der Kläger macht dem Beklagten weiterhin zum Vorwurf, daß er nicht, wie es geboten gewesen wäre, den Gewinnfeststellungsbescheid, sondern den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1971 angefochten habe. Der Gewinnfeststellungsbescheid 1972 sei ihm, dem Kläger, am 12. März 1975 zugegangen; die Einspruchsfrist sei daher, als der Beklagte das Schreiben des Steuerbevollmächtigten D vom 15. März 1975 erhielt, noch nicht abgelaufen gewesen. Im übrigen sei der Bescheid dem Beklagten auch unmittelbar zugesandt worden.

Seinen Schaden hat der Kläger ursprünglich mit 44.336,60 DM beziffert. Soweit der Hauptanspruch 28.157,20 DM übersteigt, verfolgt er ihn in der Revisionsinstanz nicht mehr weiter. Im einzelnen berechnet er den Schaden wie folgt:

Durch die Schätzung des Betriebsgewinns des Jahres 1971 seien Mehrbelastungen an Gewerbesteuer in Höhe von 1.212,– DM, an Einkommensteuer in Höhe von 10.092,– DM, an Kirchensteuer in Höhe von 1.107,– DM und an Ergänzungsabgabe in Höhe von 303,– DM entstanden. Für die verspätete Abgabe der Einkommensteuererklärung sei er, der Kläger, mit einem Verspätungszuschlag von 70,– DM belastet worden. Wäre der Betriebsgewinn für das Jahr 1972 nicht geschätzt worden, so hätte er, der Kläger, an Gewerbesteuer 5.813,20 DM, an Einkommensteuer 7.458,– DM, an Kirchensteuer 747,– DM und an Ergänzungsabgabe 255,– DM weniger zu zahlen gehabt; in den Vorinstanzen hatte er darüber hinaus geltendgemacht, daß ihm durch die Schätzung des Betriebsgewinns eine Umsatzsteuermehrbelastung von 3.811,40 DM entstanden sei.

Ferner verlangt der Kläger vom Beklagten Erstattung eines Verspätungszuschlages in Höhe von 1.100,– DM, der ihm wegen verspäteter Abgabe der Umsatzsteuererklärung auferlegt worden ist.

In den Vorinstanzen hatte der Kläger auch Ersatz von Säumniszuschlägen in Höhe von 12.094,– DM, 249,– DM und 25,– DM begehrt.

Der Beklagte behauptet, er habe die Jahresabschlüsse für die Jahre 1971 und 1972 nicht früher fertigstellen können, weil ihm der Kläger die Inventuren erst im Herbst 1975 habe zukommen lassen. Er habe sie „unzählige Male” beim Kläger angefordert. Er verweist hierzu auf ein Schreiben, das er unstreitig am 21. Februar 1975 an den Kläger gerichtet hatte und das folgenden Wortlaut hat:

„Die Jahresabschlüsse bis einschl. 1973 sind zusammengestellt. Per 31.12.1972 und 31.12.1973 benötige ich noch von Ihnen die Warenbestände, d.h. die Endzahlen der Inventuren einschl. der Neu- und Gebrauchtwagen.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diese Angaben mir umgehend zugehen lassen.

Zum Monatsende können Sie dann alle Bilanzen und Steuererklärungen haben.”

Eine weitere schriftliche Anforderung habe er am 13. Mai 1975 an den Kläger gerichtet. Wann der Kläger ihm die Inventuren übermittelt habe, könne er nicht mehr sagen. Er, der Beklagte, habe zwar die Steuerbescheide für das Jahr 1971 direkt vom Finanzamt erhalten. Es sei ihm auch gelungen, innerhalb der Rechtsmittelfrist die Angelegenheit mit dem Kläger soweit zu klären, daß die richtigen Zahlen festzustellen gewesen seien; er habe daher dem Finanzamt die richtigen Zahlen an die Hand geben können. Anders sei es mit den Steuerbescheiden für das Jahr 1972 gewesen. Den Gewinnfeststellungsbescheid habe er erst durch das Schreiben des Steuerbevollmächtigten D vom 15. März 1975 erhalten. Da dieses Schreiben keine Angaben über das Zustellungsdatum enthielt, habe er, der Beklagte, davon ausgehen müssen, daß die Einspruchsfrist bereits abgelaufen sei.

Das Landgericht hat angenommen, daß der Beklagte dem Kläger den Verspätungszuschlag zu ersetzen habe, der vom Finanzamt wegen der verspäteten Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1971 verhängt worden war; es hat ihn demgemäß zur Zahlung von 70,– DM nebst 4% Zinsen seit 29. Dezember 1978 verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 28.157,20 DM nebst 4% Zinsen seit dem 29. Dezember 1978 unter Einschluß der bereits vom Landgericht zuerkannten 70,– DM.

 

Entscheidungsgründe

I.

1. Soweit der Kläger Ersatz der Mehrbelastungen verlangt, die ihm bei der Festsetzung der Einkommensteuer, der Kirchensteuer, der Ergänzungsabgabe und der Gewerbesteuer entstanden seien, stützt er sich auf Fehler, die der Beklagte im Verfahren zur gesonderten Feststellung der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb begangen haben soll. Er macht ihm einmal zum Vorwurf, daß er durch eine verspätete Abgabe der Steuererklärungen eine für ihn, den Kläger ungünstige Schätzung der Einkünfte veranlaßt habe; er habe es darüber hinaus versäumt, durch Einlegung von Rechtsbehelfen die für den Kläger ungünstige Schätzung zu beseitigen und eine Besteuerung nach Maßgabe des tatsächlichen Betriebsergebnisses zu erreichen. Das Berufungsgericht hält es zwar nicht für erwiesen, aber doch für denkbar, daß ein Sachverhalt vorgelegen haben könnte, bei dem dem Beklagten weder in der einen noch in der anderen Hinsicht ein Schuldvorwurf gemacht werden könnte. Es meint, daß es Sache des Klägers sei, diese Möglichkeit auszuräumen. Dies sei nicht geschehen. Der Kläger habe nicht in ausreichendem Maße Beweis angetreten, ja teilweise noch nicht einmal seiner Darlegungslast voll genügt.

2. Das Berufungsgericht gibt keine Begründung dafür, warum der Kläger in diesen Punkten die Beweislast tragen soll; diese Ansicht ist auch rechtlich nicht zutreffend. Da es sich um einen vertraglichen Schadensersatzanspruch handelt, kommen als Anspruchsgrundlagen die gesetzlichen Vorschriften über den Ersatz des Verzugschadens (§ 286 BGB), über die Ersatzpflicht bei verschuldeter Unmöglichkeit der Leistung (§§ 280, 325 BGB) und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Rechtsfolgen der positiven Vertragsverletzung in Betracht. Soweit der Schuldner geltend macht, er sei an der Verzögerung oder am Unmöglichwerden der vertraglich geschuldeten Leistung schuldlos, trifft ihn die Beweislast (§§ 282, 285 BGB; zu letzterer Bestimmung vgl. RGZ 75, 335, 336; BGHZ 32, 218, 223). Wird einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten – wie dies hier geschehen ist – die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten eines Mandanten übertragen, so gehört die Anfertigung und Einreichung der Steuererklärung zu seinen vertraglichen Hauptpflichten; es handelt sich dabei um eine Leistungs-, nicht um eine Schutzpflicht. Reicht der steuerliche Berater die Steuererklärung nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist ein, so liegt darin eine schlichte Nichterfüllung. Der Schaden, den der Mandant dadurch erleidet, geht nicht über das Erfüllungsinteresse hinaus.

Grundlage des Schadensersatzanspruches sind in einem solchen Fall entweder die Vorschriften über Verzug oder die über die schuldhaft herbeigeführte Unmöglichkeit. Der Begriff des Verzuges setzt voraus, daß die Leistung noch nachgeholt werden kann (Battes bei Erman, BGB 7. Aufl. § 284 Rdn. 5; Heinrichs bei Palandt, BGB 41. Aufl. § 284 Anm. 1 a; Vollkommer bei Jauernig, BGB, 2. Aufl. § 284 Anm. 1 d aa; Walchshöfer in MK, § 284 BGB Rdn. 21; Alff in BGB-RGRK 12. Aufl. § 284 Rdn. 3). Zur Nachholung genügte es aber nicht, daß der Beklagte ein Steuererklärungsformular ausfüllte und dem Finanzamt einreichte. Die Aufgabe eines steuerlichen Beraters besteht darin, eine Steuererklärung abzugeben, die als Grundlage für die Steuerfestsetzung des Finanzamts dienen kann. Diese Leistung wird in dem Augenblick unmöglich, in dem das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Steuererklärung geschätzt hat und in dem auch keine Möglichkeit besteht, durch Einlegung eines Rechtsbehelfs eine Besteuerung nach Maßgabe einer vom steuerpflichtigen abgegebenen Steuererklärung zu erreichen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Vertrag zwischen steuerlichem Berater und Mandant als Dienst- oder Werkvertrag anzusehen ist, ob also der Berater lediglich eine bestimmte Tätigkeit oder einen Tätigkeitserfolg schuldete; denn von dem Zeitpunkt ab, in dem die auf einer Schätzung beruhende Steuerfestsetzung bestandskräftig wurde, war auch eine sinnvolle, dem Vertragszweck entsprechende Tätigkeit des Beraters nicht mehr möglich.

Die vom Kläger darzulegenden Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 280, 325 BGB liegen vor. Der Beklagte hat die Steuererklärungen, die vom Finanzamt als Grundlage für die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb des Klägers benötigt wurden, unstreitig erst im Dezember 1975 abgegeben; die entsprechenden Jahresabschlüsse hatte er erst im Oktober desselben Jahres fertiggestellt. In diesem Zeitpunkt hatte jedoch das Finanzamt sowohl für das Jahr 1971 wie für das Jahr 1972 die Einkünfte aus dem Kraftfahrzeughandwerksbetrieb des Klägers bereits geschätzt; die Bescheide über die gesonderte Festsetzung der Einkünfte aus diesem Betrieb waren inzwischen auch unanfechtbar geworden. Daß der für das Jahr 1972 ergangene Bescheid auf einer Schätzung beruhte, ist zwischen den Parteien unstreitig. Für das Jahr 1971 bestreitet der Beklagte zwar, daß das Finanzamt die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb geschätzt habe. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand muß jedoch davon ausgegangen werden, daß die Festsetzung der Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb in einem Zeitpunkt stattfand, in dem noch keine Steuererklärung des Klägers vorlag und in dem noch nicht einmal die Abschlußarbeiten für das Jahr 1971 vorgenommen waren; für die Ermittlung der Einkünfte stand daher dem Finanzamt kaum ein anderer Weg als der der Schätzung offen. Auf jeden Fall muß dies für die Revisionsinstanz zugunsten des Klägers unterstellt werden.

Bei dieser Sachlage ist es Sache des Beklagten, darzulegen und zu beweisen, daß die eingetretene Unmöglichkeit nicht von ihm zu vertreten ist. Ihn trifft in dieser Hinsicht eine doppelte Darlegungs- und Beweislast: Er muß einmal dartun, daß er nicht in der Lage war, durch rechtzeitige Einreichung der Steuererklärungen den Erlaß eines auf Schätzung beruhenden Gewinnfeststellungsbescheids zu verhindern; er muß ferner darlegen und beweisen, daß es ihm nicht möglich war, diesen Bescheid durch Einlegung eines Rechtsmittels zu beseitigen und damit den Weg zu einer Gewinnfeststellung nach Maßgabe des tatsächlich erzielten Betriebsergebnisses freizumachen. Wenn die vom Berufungsgericht als ungeklärt bezeichneten Tatfragen unaufklärbar sein sollten, müßte dies zu Lasten des Beklagten als der beweisbelasteten Partei gehen. Ob sich das gleiche Ergebnis auch aus § 287 Satz 2 BGB herleiten läßt, kann demnach dahingestellt bleiben.

II.

Im einzelnen ist zu den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts zu bemerken:

1. Das Berufungsgericht meint, es lasse sich nicht feststellen, daß die Schätzung des Betriebsgewinns des Jahres 1971 auf eine Pflichtwidrigkeit des Beklagten zurückzuführen sei. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn der Beklagte die Inventurlisten bereits in den Händen gehabt hätte, bevor der Gewinnfeststellungsbescheid ergangen sei. Der Kläger trage zwar vor, daß er dem Beklagten die Inventurlisten bereits im Jahre 1973 übermittelt habe; er erkläre sich jedoch nicht darüber, wann der Gewinnfeststellungsbescheid ergangen sei. Auch nach dem Vortrag des Klägers lasse es sich demnach nicht ausschließen, daß der Beklagte die Inventurlisten erst in einem Zeitpunkt erhalten habe, in dem das Finanzamt die Schätzung bereits vorgenommen hatte.

Diese Erwägungen lassen sich mit dem Parteivortrag, so wie er aus dem Tatbestand und den dort in Bezug genommenen Schriftsätzen ersichtlich ist nicht vereinbaren (§ 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Kläger hatte behauptet, daß er die Inventurlisten dem Beklagten im Jahre 1973 übermittelt habe; sein Vorbringen war ersichtlich dahin zu verstehen, daß in diesem Zeitpunkt die Listen noch zu verwerten gewesen wären. Das letztere hat der Beklagte nicht bezweifelt; er hat lediglich behauptet, daß ihm die Listen erst im Jahre 1975 zugegangen seien. Die Parteien waren sich also stillschweigend darüber einig, daß eine Übersendung im Jahre 1973 ausreichend gewesen wäre, eine Übersendung im Jahre 1975 aber zu spät kam. Bei diesem Sach- und Streitstand kam es darauf an, ob der Kläger tatsächlich die Listen bereits im Jahre 1973 dem Beklagten zugeleitet hatte. Der Kläger hatte für die Richtigkeit seiner Sachdarstellung Beweis angetreten (Schriftsatz vom 30. Januar 1980 S. 4 Mitte i.V. mit S. 9 letzter Absatz – Bl. 113, 118 d. Akten). Ohne Erhebung dieser Beweise durfte keinesfalls zum Nachteil des Klägers entschieden werden.

Ohnehin war, wie oben ausgeführt, für diesen Punkt nicht der Kläger, sondern der Beklagte beweispflichtig. Seiner Darlegungslast genügte der Beklagte auch nicht durch die – ausweislich der Tatbestände der vorinstanzlichen Urteile (§ 314 ZPO) bestrittene – Behauptung, er habe die Inventurlisten erst im Jahre 1975 erhalten. Erkennt ein steuerlicher Berater, daß er zur Erledigung seines Auftrages bestimmte Unterlagen von seinem Mandanten benötigt, ist er verpflichtet, diese von ihm anzufordern. Wenn die Annahme des Berufungsgerichts richtig wäre, der Gewinnfeststellungsbescheid sei bereits im Jahre 1973 (oder u.U. noch früher) ergangen, so wäre der Beklagte nur dann entlastet, wenn er bereits vorher unter Hinweis auf die drohenden Rechtsnachteile die Übersendung der Inventurlisten verlangt hätte. Eine schriftliche Anforderung hat der Beklagte unstreitig erst mit dem Schreiben vom 21. Februar 1975 an den Kläger gerichtet. Dieses enthält keinen Hinweis darauf, daß die Übersendung der Listen schon früher verlangt worden sei; der Wortlaut des Schreibens spricht eher gegen eine solche Annahme. Die Behauptung, die Inventurlisten seien „unzählige Male” vom Kläger angefordert worden, ist unsubstantiiert und unbeachtlich; aus ihr ist insbesondere nicht zu entnehmen, daß die Anforderung bereits 1973 oder noch früher geschehen sei.

2. Aus der Nichtanfechtung des Gewinnfeststellungsbescheids für das Jahr 1971 könne, so meint das Berufungsgericht, dem Beklagten kein Vorwurf gemacht werden, denn es stehe nicht fest, daß er von der Existenz des Bescheids Kenntnis gehabt habe. Anhaltspunkte dafür, daß dem Beklagten der Bescheid vom Finanzamt zugestellt worden sei, bestünden nicht. Der Kläger habe sich auch nicht darüber erklärt, wann und bei welcher Gelegenheit er dem Beklagten den Gewinnfeststellungsbescheid zugänglich gemacht habe.

Bei diesen Ausführungen übersieht das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten aus der Klageerwiderungsschrift vom 30. Januar 1980, auf die im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen wird. Dort war ausgeführt, daß der Gewinnfeststellungsbescheid für das Jahr 1972 dem Beklagten vom Finanzamt nicht zugesandt worden sei; er sei vielmehr entweder an den Kläger selbst oder an den Steuerbevollmächtigten D gegangen. Die Bescheide für das Jahr 1971 habe aber er, der Beklagte, noch direkt erhalten. Der Beklagte hat auch in der 1. Instanz nicht geltend gemacht, er habe den Gewinnfeststellungsbescheid für das Jahr 1971 deshalb nicht anfechten können, weil er von ihm keine Kenntnis erhalten habe. Vielmehr hat er sich darauf berufen, daß er den Einkommensteuerbescheid 1971 und den Gewerbesteuerbescheid 1971 angefochten habe. Daß der Beklagte den Gewinnfeststellungsbescheid 1971 unmittelbar vom Finanzamt erhalten habe, war demnach in der 1. Instanz nicht nur unstreitig, sondern vom Beklagten sogar zugestanden worden. Ob das Geständnis in der 2. Instanz widerrufen worden ist, kann zweifelhaft sein. In der Berufungserwiderungsschrift hatte der Beklagte lediglich behauptet, der Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1971 vom 21. April 1977 und der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1971 vom 21. Januar 1976 seien ihm, dem Beklagten nicht zur Kenntnis gekommen; hinsichtlich des Gewinnfeststellungsbescheids für 1971, dessen Nichtanfechtung der Kläger dem Beklagten zur Last legt und auf den es in diesem Zusammenhang allein ankommt, fehlt eine entsprechende Behauptung.

Der Beklagte wäre nun allerdings nicht gehindert gewesen, auch noch in der mündlichen Verhandlung sein erstinstanzliches Geständnis zu widerrufen. Ob dies geschehen ist, ist gemäß § 314 ZPO aus dem Tatbestand des Berufungsurteils zu entnehmen. Dort wird allerdings als Vortrag des Beklagten festgehalten, er habe die „Steuerbescheide des Jahres 1971” nicht erhalten. Es ist nicht ganz klar, ob das Berufungsgericht damit lediglich den Vortrag aus der Berufungserwiderungsschrift in einer abgekürzten und nicht ganz korrekten Form wiedergeben oder einen von diesem Schriftsatz abweichenden mündlichen Parteivortrag beurkunden wollte. Wenn das letztere der Fall gewesen sein sollte, wäre der Widerruf des Geständnisses unbeachtlich, weil der Beklagte ausweislich des Tatbestandes keinen Beweis dafür angetreten hat, daß sein Geständnis unrichtig war und auf einem Irrtum beruhte.

3. Daß der Beklagte trotz vorliegender Inventurlisten die Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 1972 verzögert und dadurch die Gewinnschätzung verursacht habe, hat sich nach der Auffassung des Berufungsgerichts nicht ergeben. Es führt dazu aus: Ob eine Pflichtwidrigkeit des Beklagten für die Schätzung kausal geworden sei, hänge davon ab, ob der Beklagte die Inventurliste für 1972 – wie der Kläger behauptet – 1973 oder – wie der Beklagte behauptet – erst im Herbst 1975 erhalten habe. Daß die Inventurliste dem Beklagten bereits 1973 zugänglich gemacht worden sei, ergebe sich nicht aus dem Schreiben des Beklagten an die Gemeinde M vom 9. September 1973. Diese Ausführungen beruhen, wie bereits erörtert, auf einer Verkennung der Beweislast.

4. Das Berufungsgericht hält es auch nicht für erwiesen, daß der Beklagte die Anfechtung des Gewinnfeststellungsbescheides für das Jahr 1972 schuldhaft unterlassen habe. Es verweist darauf, daß nach § 236 Abs. 1 AO (in der damals geltenden Fassung) Verfügungen des Finanzamts nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe angefochten werden konnten. Es meint, daß der Gewinnfeststellungsbescheid für 1972 erst am 18. März 1975 beim Beklagten eingetroffen sei. Für die Anfechtbarkeit komme es demnach entscheidend darauf an, ob der Bescheid dem Kläger erst nach dem 17. Februar 1975 zugegangen sei oder nicht. Das Datum des Bescheides – 13. Februar 1975 – lasse die Möglichkeit offen, daß dieser Bescheid dem Kläger bereits vor dem 18. Februar 1975 zugegangen sei. Auch durch die Beweisaufnahme sei diese Möglichkeit nicht ausgeräumt worden.

Diese Beurteilung beruht in mehrfacher Hinsicht auf Rechtsfehlern:

a) Für den Beginn der Einspruchsfrist kam es entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht ausschließlich und nicht in erster Linie darauf an, wann der Bescheid bei dem Kläger eingegangen ist; entscheidend war vielmehr, wann er vom Finanzamt zur Post gegeben wurde (§ 222 Abs. 2 AO). War der Brief nach dem 14. Februar 1975 aufgegeben worden, so wäre am 18. März 1975 die Rechtsmittelfrist selbst dann nicht abgelaufen gewesen, wenn der Kläger die Sendung bereits am 17. Februar 1975 erhalten haben sollte. Nur dann, wenn der Brief bereits am 13. oder 14 Februar 1975 zur Post gebracht worden wäre, könnte es darauf ankommen, ob der Beklagte ihn vor dem 18. Februar 1975 erhalten hatte.

b) Daß der Beklagte sich pflichtwidrig verhalten hatte, bedarf entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keines Beweises; dies ergibt sich vielmehr bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt. Als der Beklagte von dem Steuerbevollmächtigten D den Gewinnfeststellungsbescheid übersandt erhielt, wußte er nach seiner eigenen Darstellung nicht, ob die Einspruchsfrist noch lief; der Brief enthielt hierüber unstreitig keine Angaben. Das durfte jedoch den Beklagten nicht veranlassen, von jeder Tätigkeit abzusehen. Es wäre vielmehr seine Pflicht gewesen, sich Gewißheit über den Beginn der Einspruchsfrist zu verschaffen. Für einen Steuerbevollmächtigten kann insoweit nichts anderes gelten als für einen Rechtsanwalt oder Rechtsbeistand. Der Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, sich telefonisch beim Kläger zu erkundigen, wann ihm der Bescheid zugegangen war und welches Datum der Poststempel aufwies; er hätte sich auch mit einer Anfrage an das Finanzamt wenden können. Daß er dies nicht getan hat, begründet schon für sich allein den Vorwurf des pflichtwidrigen Verhaltens.

Der Beklagte kann sich auch nicht damit entschuldigen, daß zum damaligen Zeitpunkt der Kläger bereits den Steuerbevollmächtigten D mit der Erledigung seiner steuerlichen Angelegenheiten betraut hatte. Es scheint zwar so zu sein, daß nach der ursprünglichen Absicht des Klägers D auch die noch ausstehenden Steuererklärungen für die Jahre 1971 und 1972 abgeben sollte; dafür spricht insbesondere das von D an den Beklagten gerichtete Schreiben vom 13. November 1974 (Bl. 68 der Akten). Verwirklicht wurde diese Absicht aber nicht; es ist unstreitig, daß die Erledigung der Abschlußarbeiten für die Jahre 1971 und 1972 beim Beklagten verblieb und daß dieser auch die auf den Jahresabschlüssen beruhenden Steuererklärungen abgegeben hat. Unter diesen Umständen war es sachgerecht, wenn D nicht von sich aus Einspruch einlegte, sondern die Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs dem Beklagten überließ.

Sachlich bestand auch Anlaß, von der Einspruchsmöglichkeit Gebrauch zu machen; denn dies war der einzige Weg, um die für den Kläger ungünstige Gewinnschätzung zu beseitigen.

c) Die vom Beklagten begangene Pflichtverletzung wäre für den Eintritt des Schadens allerdings dann nicht kausal gewesen, wenn in dem Zeitpunkt, in dem der Beklagte von dem Gewinnfeststellungsbescheid erfuhr, die Einspruchsfrist bereits abgelaufen gewesen wäre; denn in diesem Falle hätten auch pflichtgemäße Erkundigungen des Beklagten dem Kläger nichts mehr genützt. Diese Frage betrifft aber nicht den Haftungsgrund, sondern den ursächlichen Zusammenhang zwischen Haftungsgrund und eingetretenem Schaden; sie ist deshalb nach § 287 ZPO zu beurteilen (Senatsurteil vom 28. April 1982 – IVa ZR 8/81 –). Das Berufungsgericht durfte daher nicht vom Kläger den vollen Beweis nach § 286 ZPO fordern. Im Rahmen der Prüfung nach § 287 ZPO wäre zu berücksichtigen gewesen, daß der Kläger nach der Aussage des Zeugen D diesen jeweils unverzüglich angerufen hat, wenn er Steuerbescheide erhalten hatte; da er D am 12. März 1975 vom Eingang des Gewinnfeststellungsbescheides verständigt hat, könnte dies ein Indiz dafür sein, daß der Bescheid kurz zuvor beim Kläger eingegangen sei. Wenn dies dem Berufungsgericht nicht ausgereicht hätte, hätte es die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, den Kläger gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO als Partei zu vernehmen. Am einfachsten und zuverlässigsten hätte sich die Beweisfrage durch eine amtliche Auskunft des Finanzamts klären lassen; zu deren Einholung wäre ein Antrag des Klägers nicht erforderlich gewesen.

d) Im übrigen hat der Kläger behauptet, daß das Finanzamt den Gewinnfeststellungsbescheid nicht nur ihm, sondern gleichzeitig auch dem Beklagten übersandt habe; er hat sich zum Beweise für diese Behauptung auf eine Auskunft des Finanzamts bezogen. Dieser Beweisantrag läßt sich nicht mit der Erwägung beiseite schieben, das Finanzamt sei zu einer Übermittlung des Bescheids an den Beklagten nicht verpflichtet gewesen (o. BU S. 10 unten S. 11 oben hinsichtlich des Bescheids für das Jahr 1971); die Möglichkeit, daß der Beklagte dennoch eine Ausfertigung des Bescheids vom Finanzamt erhielt, wird dadurch nicht ausgeschlossen. Im übrigen meint das Berufungsgericht, der Kläger habe nicht substantiiert „dargetan”, daß „der Beklagte durch Übersendung von anderen Ausfertigungen der Bescheide durch das Finanzamt schon unterrichtet war.” Diese Bemerkung ist nicht verständlich. Der Kläger hatte behauptet und unter Beweis gestellt, daß das Finanzamt den Bescheid nicht nur ihm selbst, sondern auch dem Beklagten übersandt habe. Damit hatte er alles getan, was ihm prozessual oblag; die Einholung der Auskunft war Sache des Gerichts. Inwieweit noch eine weitere Substantiierung dieser Behauptung erforderlich gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich.

Das Berufungsgericht hat nach alledem den Grund des Anspruchs mit einer unzutreffenden Begründung verneint.

III.

Die Möglichkeit, daß der Kläger durch die unter Ziff. I erörterten Pflichtverletzungen des Beklagten einen Schaden erlitten hat, der den mit der Klage geltend gemachten Betrag erreicht, läßt sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht ausschließen.

1. Das Finanzamt hat die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 1971 auf 70.000,– DM, für das Jahr 1972 auf 38.000,– DM geschätzt. Nach den von dem Beklagten aufgestellten Jahresabschlüssen hatte der Kläger jedoch im Jahre 1971 nur einen Gewinn von 44.580,83 DM erzielt, im Jahre 1972 sogar einen Verlust von 40.633,97 DM erlitten. Es läßt sich allerdings nicht ausschließen, daß das Finanzamt im Besteuerungsverfahren oder bei einer späteren Betriebs- (außen) prüfung die vom Beklagten ermittelten Zahlen beanstandet und ein für den Kläger günstigeres Betriebsergebnis angenommen hätte. Solange jedoch der Beklagte nichts Gegenteiliges substantiiert behauptet, muß davon ausgegangen werden, daß die von ihm selbst angefertigten Jahresabschlüsse zutreffend waren. Daß bei diesen Zahlen die vom Finanzamt vorgenommene Schätzung zu einer erheblichen Mehrbelastung des Klägers mit Einkommensteuer, Kirchensteuer und Ergänzungsabgaben führen mußte, liegt auf der Hand. Die ziffernmäßige Höhe des dadurch erlittenen Schadens wird das Berufungsgericht nach Maßgabe von § 287 ZPO festzustellen haben.

2. Eine Gewerbesteuermehrbelastung hält das Berufungsgericht nicht für erwiesen. Es führt dazu aus: Die Besteuerungsgrundlagen für die Gewerbesteuer setzten sich nach § 6 Gewerbesteuergesetz aus Gewerbeertrag und Gewerbekapital zusammen. Auch wenn der aus dem Gewerbebetrieb ermittelte Gewinn, der nach § 7 Gewerbesteuergesetz der Gewerbeertrag sei, und der Einheitswert des gewerblichen Betriebes, der nach § 12 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz als das Gewerbekapital gelte, bekannt seien, lasse sich die Gewerbesteuer noch nicht errechnen. Vielmehr sei der Gewerbeertrag nach Maßgabe der in § 8 Gewerbesteuergesetz aufgeführten Alternativen zu erhöhen und beim Vorliegen der in § 9 Gewerbesteuergesetz aufgeführten Voraussetzungen zu kürzen. Auch das Gewerbekapital sei nicht unverändert in die Besteuerungsgrundlagen zu übernehmen; vielmehr fänden nach § 12 Abs. 2 und 3 Gewerbesteuergesetz Erhöhungen und Kürzungen statt. Zu den Erhöhungs- und Kürzungstatbeständen fehle jeglicher Vortrag.

Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend beachtet, daß es sich hier um eine Frage handelt, die die Höhe des Schadens betrifft und die daher nach § 287 ZPO zu entscheiden ist. Die Klage darf daher nicht mit der Begründung abgewiesen werden, die Höhe des entstandenen Schadens ließe sich nicht exakt feststellen. Das Gericht muß vielmehr, wenn eine genaue Ermittlung des Schadens nicht möglich ist, zur Schätzung greifen. Es ist auch nicht etwa so, daß jeder Anhaltspunkt für die Schätzung des Schadens fehlen würde. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, setzt sich die Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer aus Gewerbeertrag und Gewerbekapital zusammen. Zur Höhe des Gewerbekapitals hat der Kläger vorgetragen, daß der betriebliche Einheitswert per 1. Januar 1974 mit (minus) 75000,– DM festgestellt worden sei; im Betrieb des Klägers hätten sich keine erheblichen Kapitalschwankungen abgespielt; deshalb sei davon auszugehen, daß der Einheitswert per 1. Januar 1971 sich nur unwesentlich von dem per 1. Januar 1974 unterschieden habe. Das Berufungsgericht hätte sich mit diesen Ausführungen auseinandersetzen müssen. Es hätte prüfen müssen, inwieweit sie vom Beklagten substantiiert bestritten worden sind und ob sie mit den vorgelegten Bilanzen übereinstimmen. Für die Festsetzung des Gewerbeertrags kam es in erster Linie auf die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des Einkommensteuergesetzes an. Insoweit haben die Pflichtwidrigkeiten des Beklagten zu einer Benachteiligung des Klägers geführt; der Umstand, daß das Finanzamt die Einkünfte geschätzt und die auf der Schätzung beruhenden Bescheide unanfechtbar geblieben sind, hat dazu geführt, daß auch bei der Festsetzung der Gewerbesteuer von einem erheblich besseren Betriebsergebnis ausgegangen werden mußte, als es den tatsächlichen Verhältnissen entsprach. Es ist allerdings zutreffend, daß der im Gewinnfeststellungsbescheid festgestellte Betriebsgewinn nicht unverändert als Gewerbeertrag der Gewerbesteuerfestsetzung zugrunde zu legen ist; er ist vielmehr unter gewissen Umständen um bestimmte Beträge zu erhöhen und um bestimmte Beträge zu vermindern (§§ 8, 9 Gewerbesteuergesetz). Daß der Kläger nichts darüber vorgetragen hatte, ob Kürzungstatbestände vorlagen, schloß eine Schätzung nicht aus. Wenn das aus den Jahresabschlüssen ersichtliche Betriebsergebnis noch weiter zu kürzen gewesen wäre, hätte dies den Schaden des Klägers noch erhöht; das Gericht durfte bei der Schätzung zu seinen Lasten davon ausgehen, daß eine Kürzung nicht vorzunehmen war. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 8 Nr. 2, 3, 4, 8 und 9 Gewerbesteuergesetz der Betriebsgewinn um gewisse Beträge zu erhöhen war, lagen hier offensichtlich nicht vor. Möglich war es dagegen, daß gemäß § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz dem Gewerbeertrag Schuldzinsen hinzuzurechnen waren, die wirtschaftlich mit der Gründung, dem Erwerb, der Erweiterung und der Verbesserung des Betriebs zusammenhingen oder die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienten. Die Höhe des Zinsaufwands ließ sich aus den vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen entnehmen. Nicht ersichtlich war allerdings, zu welchem Zweck die Kredite aufgenommen worden waren, für die die Zinsen gezahlt wurden. Dieser Umstand konnte es jedoch allenfalls rechtfertigen, daß das Gericht bei der Schätzung zu Lasten des Klägers unterstellte, der gesamte Zinsaufwand falle unter § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz; keinesfalls durfte das Gericht wegen des Fehlens einer näheren Erklärung des Klägers zu diesem Punkt eine Schätzung des Schadens überhaupt ablehnen. Das gleiche gilt für die Frage, inwieweit dem Betriebsgewinn Mieten und Pachten hinzuzurechnen sind (§ 8 Nr. 7 Gewerbesteuergesetz). Wenn das Berufungsgericht sich im unklaren darüber war, inwieweit die in dieser Gesetzesvorschrift bezeichneten Voraussetzungen vorlagen, hätte es zu Lasten des Klägers davon ausgehen dürfen, daß der gesamte, in den Gewinn- und Verlustrechnungen festgehaltene Zins-, Miet- und Pachtaufwand den Gewerbeertrag erhöhte.

Durch die Zurückverweisung erhalten beide Parteien die Möglichkeit, eine genaue Berechnung der Gewerbesteuer einzureichen, die der Kläger unter Berücksichtigung von §§ 8, 9 Gewerbesteuergesetz zu zahlen gehabt hätte, wenn der Besteuerung nicht die Gewinnschätzungen des Finanzamts, sondern die vom Beklagten gefertigten Jahresabschlüsse zugrundegelegt worden wären.

IV.

Das Berufungsgericht bezweifelt nicht, daß der Beklagte zur Erstattung der Verspätungszuschläge verpflichtet ist, die dem Kläger wegen der verspäteten Abgabe der Umsatzsteuer für das Jahr 1971 auferlegt worden sind; es hält diesen Anspruch jedoch für verjährt. Der Senat hat inzwischen entschieden, daß ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter ebenso wie ein Rechtsanwalt verpflichtet ist, seinen Mandanten über das Bestehen eines gegen ihn selbst gerichteten Schadensersatzanspruchs und über die hierfür geltenden Verjährungsvorschriften zu belehren, und daß durch die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht ein neuer „sekundärer”) Schadensersatzanspruch des Mandanten entsteht. (Urteile vom 20. Januar 1982 – IVa ZR 283/80 und 314/80, vom 24. Februar 1982 – IVa ZR 296/80 – VersR 1982, 397, 468, 496). Das Berufungsgericht konnte diese Rechtsprechung noch nicht berücksichtigen. Das Berufungsurteil muß daher auch in diesem Punkt aufgehoben werden.

Der sekundäre Schadensersatzanspruch würde allerdings dann entfallen, wenn der Kläger bereits vor Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist anwaltlich vertreten war und das Mandat des Anwalts sich auch auf den in Frage stehenden Anspruch erstreckte. Ob dies hier der Fall war, läßt sich jedoch nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht feststellen. Das Berufungsgericht hat sich mit der Feststellung begnügt, daß der Umsatzsteuerbescheid, der die Verspätungszuschläge enthielt, im Laufe des Jahres 1974 Bestandskraft erlangt habe; es hat daraus die an sich zutreffende Folgerung gezogen, daß der Schadensersatzanspruch des Klägers spätestens mit Ablauf des Jahres 1977 verjährte. Der genaue Zeitpunkt des Verjährungseintritts ist offen geblieben. Auch steht nicht fest, in welchem Zeitpunkt der Kläger erstmals einen Anwalt mit der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches beauftragt hat, der sich für ihn aus der verspäteten Abgabe der Umsatzsteuererklärung ergab.

 

Fundstellen

BGHZ, 244

NJW 1982, 2238

ZIP 1982, 1214

JZ 1982, 679

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