Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensaussetzung

 

Leitsatz (amtlich)

In den Fällen der Aussetzung des Verfahrens wegen Todes einer Partei endet die Aussetzung mit der Zustellung der Anzeige des Nachlaßpflegers über seine Bestellung; einer Darlegung des Umfangs seines Wirkungskreises bedarf es nicht.

 

Normenkette

ZPO § 246 Abs. 2

 

Gründe

I.

Die Beklagten wurden durch Urteil des Landgerichts F. vom 1. März 1994 - zugestellt am 27. Mai 1994 - verurteilt, an die zwischenzeitlich verstorbene Klägerin 33.600 DM nebst Zinsen zu zahlen. Durch Beschluß vom 21. Juni 1994 ordnete das Landgericht die Aussetzung des Verfahrens gemäß §§ 246, 239 ZPO an. Mit Schriftsatz vom 31. August 1994 teilte die erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mit, daß Rechtsanwalt R. zum Nachlaßpfleger der verstorbenen Klägerin bestellt worden sei und dieser sie mit der Fortführung des ausgesetzten Verfahrens beauftragt habe. Sie erklärte, daß sie namens und im Auftrag des Nachlaßpflegers den Rechtsstreit aufnehme. Dieser Schriftsatz wurde Rechtsanwalt M. als amtlich bestellten Vertreter des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, Rechtsanwalt T., am 12. September 1994 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 28. September 1994 legte der beim Oberlandesgericht nicht zugelassene Rechtsanwalt T. für die Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein, die später zurückgenommen wurde. Die zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Beklagten legte mit Schriftsatz vom 10. November 1994, bei Gericht eingegangen am 11. November 1994, für die Beklagten Berufung ein. Nach einem Hinweis des Oberlandesgerichts auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung vertraten die Beklagten die Ansicht, die Berufung vom 11. November 1994 sei zulässig, denn eine wirksame Zustellung der Aufnahmeschrift vom 31. August 1994 sei erst am 12. Oktober 1994 wirksam erfolgt. Am 12. September 1994 sei dem anwaltlichen Vertreter, Rechtsanwalt T., lediglich der Schriftsatz vom 31. August 1994 ohne Anlagen zugegangen. Diese Zustellung sei deshalb nicht wirksam, da die Aktivlegitimation des Nachlaßpflegers und die Mandatierung der gegnerischen Prozeßbevollmächtigten nur anhand der Unterlagen hätten überprüft werden können.

Durch Beschluß vom 9. Dezember 1994 verwarf das Oberlandesgericht die Berufung als unzulässig. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

II.

Die nach §§ 519 b Abs. 2, 547, 577 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt worden ist.

Das Berufungsgericht vertritt zu Recht den Standpunkt, daß die Aussetzung des Verfahrens durch den am 12. September 1994 zugestellten Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten der verstorbenen Klägerin vom 31. August 1994 beendet worden ist.

Aussetzungsgrund war der Tod der Klägerin (§ 246 Abs. 1 ZPO). In diesem Fall richten sich gemäß § 246 Abs. 2 ZPO die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der §§ 239, 241 ff. ZPO. Ist - wie hier - ein zur Prozeßführung berechtigter Nachlaßpfleger vorhanden, endet die Aussetzung, wenn dieser von seiner Bestellung dem Gericht Anzeige macht, den Willen zur Fortsetzung des Prozesses äußert und das Gericht die schriftsätzliche Anzeige der Gegenpartei zustellt (vgl. z.B. Zöller/Greger ZPO 19. Aufl. § 250 Rdn. 4). In dieser Weise ist verfahren worden.

Das Recht und der Wille des Nachlaßpflegers, anstelle der verstorbenen Klägerin den Prozeß fortzusetzen, kommt in dem Schriftsatz vom 31. August 1994 eindeutig zum Ausdruck. Darin wird zum einen auf die dem Gericht als Legitimation vorgelegte Kopie der Bestallungsurkunde Bezug genommen, zum anderen wird erklärt, daß der Rechtsstreit durch den Nachlaßpfleger aufgenommen wird. Dabei ist es ohne Belang, daß das Landgericht die diesem Schriftsatz beigefügten Unterlagen, insbesondere die Kopie der Bestallungsurkunde, dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 12. September 1994 nicht mit zugestellt hat. Die Beendigung der Aussetzung des Rechtsstreits ist nur an die genannten förmlichen, hier erfüllten Voraussetzungen geknüpft. Sie ist nicht abhängig von der Feststellung, daß der für die verstorbene Partei den Prozeß aufnehmende Nachlaßpfleger tatsächlich zur Prozeßführung befugt ist. Etwaigen Zweifeln, für die jedoch hier keinerlei Anhaltspunkte bestehen, wäre in dem weiteren Verfahren nach Beendigung der Aussetzung nachzugehen gewesen (vgl. MünchKomm ZPO/Feiber § 246 Rdn. 22; Stein/Jonas/Roth, ZPO 21. Aufl. § 241 Rdn. 14; BGH, Beschluß vom 15. April 1983 - V ZB 29/82, VersR 1983, 666, 667).

Nach Zustellung des allen inhaltlichen Anforderungen genügenden Schriftsatzes vom 31. August 1994 an den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 12. September 1994 endete die Berufungsfrist am 12. Oktober 1994. Die Berufungsschrift der Beklagten ist mithin am 11. November 1994 verspätet eingegangen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456176

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