Leitsatz (amtlich)

Im Fall einer Sicherungsgrundschuld ist bei Identität von persönlichem und dinglichen Schuldner nach Sinn und Zweck der Sicherungsabrede im Regelfall davon auszugehen, daß dann, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der Leistung auf die dingliche Schuld berechtigt ist, auch die persönliche Forderung zu befriedigen, mit der Leistung auf die dingliche Schuld im Umfang dieser Leistung auch die persönliche Schuld erlischt.

Im Fall einer Sicherungsrentenschuld tritt bei Zahlung der Ablösungssumme dieser Geldbetrag nicht schon kraft Gesetzes an die Stelle der bisherigen dinglichen Sicherheit.

 

Normenkette

BGB §§ 1191, 1199-1200

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.04.1979)

LG Kassel

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 25. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. April 1979 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Durch notariellen Kaufvertrag vom 22. Juli 1966 hat der Beklagte dem Kläger mehrere Grundstücke verkauft. Als Entgelt hierfür verpflichtete sich der Kläger u.a., an den Beklagten „eine lebenslängliche, jährliche Rente von 14.400 DM zu zahlen, längstens jedoch bis 31.3.1986”, zahlbar nachschüssig, jedoch unter Leistung anteiliger Abschlagszahlungen am Quartalsende. Außerdem wurde hierzu eine auf den Index der Lebenshaltungskosten abstellende Wertsicherungsklausel vereinbart. Zur Sicherung der Rentenzahlungsverpflichtung vereinbarten die Parteien die Eintragung einer ab 1. Juli 1966 jährlich zahlbaren Rentenschuld in Höhe von 14.400 DM, ablösbar mit 221.600 DM, zu Lasten des verkauften Grundbesitzes. Weiter hat sich der Kläger in dem Vertrag wegen der Ansprüche des Beklagten der sofortigen Zwangsvollstreckung in die zu übertragenden Grundstücke und in sein sonstiges Vermögen unterworfen. Noch vor dem grundbuchmäßigen Vollzug änderten die Parteien den Vertrag durch notarielle Vereinbarung vom 3. September 1970 dahin ab, daß die Rentenschuld mit 180.000 DM ablösbar sein solle. Auf dieser Grundlage sind die Eintragungen in das Grundbuch vorgenommen worden.

Im Jahr 1977 kündigte der Kläger die Rentenschuld unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten zum 1. November 1977. Die Ablösungssumme von 180.000 DM ging am 6. Februar 1978 auf Notaranderkonto des Notars Hecker ein, der als Rechtsanwalt für den Beklagten tätig ist. Die Rentenschuld ist im Grundbuch gelöscht worden.

Seit dem 1. November 1977 entrichtet der Kläger keine Rentenbeträge mehr. Der Beklagte hat wegen der nach seiner Ansicht im November und Dezember 1977 fällig gewordenen Beträge Vollstreckungsauftrag erteilt.

Der Streit der Parteien geht darum, ob der Kläger trotz Ablösung der Rentenschuld weiterhin zu Zahlungen verpflichtet ist. Der Kläger meint, durch Zahlung der Ablösungssumme für die Rentenschuld sei auch seine persönliche Schuld – zumindest in Höhe der Ablösungssumme – erloschen; nach Ansicht des Beklagten dagegen hat die Ablösung der dinglichen Belastung die schuldrechtliche Rentenzahlungsverpflichtung des Klägers nicht berührt.

Der Kläger hat im Wege der Vollstreckungsgegenklage beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Vertrag vom 22. Juli 1966 wegen seiner nach diesem Vertrag auf die Monate November 1977 bis Februar 1978 entfallenden Rentenzahlungsverpflichtung für unzulässig zu erklären.

Beide Vorinstanzen haben – unter Bezifferung der auf die Zeit vom November 1977 bis Februar 1978 entfallenden Rentenbeträge auf 4.800 DM – der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klagabweisung weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das vom Beklagten bestrittene Rechtsschutzinteresse für die Vollstreckungsgegenklage hat das Berufungsgericht unter Hinweis darauf bejaht, daß der Beklagte nach wie vor eine vollstreckbare Ausfertigung des notariellen Vertrages vom 22. Juni 1976 in Händen habe. Im übrigen hat es ausgeführt:

Dem Kläger habe das Recht zugestanden, durch Zahlung der vereinbarten Summe die Rentenschuld abzulösen. Da aber nach der Vereinbarung der Parteien die dingliche Rentenschuld die schuldrechtliche Rentenzahlungsverpflichtung sichern sollte, könne kraft dieser Sicherungsabsprache der Beklagte die in Erfüllung des dinglichen Rechts erhaltenen Beträge nicht noch einmal auf Grund der schuldrechtlichen Forderung verlangen. Die gezahlte Ablösungssumme sei höher als die Summe der vier hier streitigen, nach der Kündigung der Rentenschuld fällig gewordenen Rentenbeträge für die Monate November 1977 bis einschließlich Februar 1978; der Kläger sei daher jedenfalls insoweit von seiner schuldrechtlichen Rentenzahlungsverpflichtung freigeworden.

II.

Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

1. Soweit sie ein Rechtsschutzinteresse für die Klage deshalb in Zweifel zieht, weil die Zahlungsverpflichtung des Klägers aus dem Kaufvertrag nicht erloschen und der Beklagte daher mit Recht im Besitz des Vollstreckungstitels sei, verkennt sie, daß dies Fragen sind, die nicht das Rechtsschutzinteresse, sondern die Begründetheit der Klage betreffen. Ein Rechtsschutzinteresse für eine Vollstreckungsgegenklage besteht, wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, nach gefestigter Rechtsprechung schon auf Grund des Umstandes, daß der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel in Händen hält (u.a. Senatsurteil vom 10. Oktober 1975, V ZR 5/74, Betrieb 1976, 482). Es kommt daher in diesem Zusammenhang auch nicht auf den von der Revision weiter angeführten Gesichtspunkt an, wegen der Beträge für November und Dezember 1977 sei der Kläger in jedem Fall in Verzug geraten, weil die Ablösungssumme erst an 6. Februar 1978 gezahlt worden sei.

2. a) Zur Sache selbst macht die Revision geltend:

Aus der für Rentenschulden in § 1200 Abs. 2 BGB getroffenen Regelung, daß die Zahlung der Ablösungssumme an den Gläubiger die gleiche Wirkung habe wie die Zahlung des Kapitals einer Grundschuld, folge – für den hier vorliegenden Fall, daß die Rentenschuld der Sicherung einer schuldrechtlichen Rentenverpflichtung diene – lediglich, daß bei Zahlung der Ablösungssumme die dingliche Sicherung der Rentenverpflichtung wegfalle; über etwaige Auswirkungen auf die schuldrechtliche Verpflichtung sei damit aber noch nichts gesagt. Bei der Eigenart einer Rentenverpflichtung sei eine scharfe Trennung zwischen der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Zahlung einer Rente und der dinglichen Sicherung dieses Rechts besonders geboten. Da im vorliegenden Fall eine Kapitalisierung der Rente vertraglich nicht vorgesehen und vom Beklagten auch später bei Ablösung der dinglichen Verpflichtung nicht zugestanden worden sei, könne dem Beklagten nicht aufgezwungen werden, die Zahlung der Ablösungssumme für das dingliche Recht zugleich als Kapitalabfindung für seinen schuldrechtlichen Anspruch auf eine laufende Rente oder auch nur als Teilvorauszahlung hierauf anzunehmen. Bei dieser Rechtslage müsse vielmehr der zur Ablösung der dinglichen Sicherheit gezahlte Betrag an die Stelle dieser Sicherheit treten, daher selbst in voller Höhe als Sicherheit für die schuldrechtliche Rentenverpflichtung erhalten bleiben und entsprechend angelegt werden; nach Erfüllung der schuldrechtlichen Verbindlichkeit stehe der Betrag dem Kläger dann wieder zur Verfügung.

b) Diesen von der Revision gezogenen Rechtsfolgerungen kann nicht beigetreten werden.

Wie auch die Revision nicht in Zweifel zieht, ist infolge der Zahlung der Ablösungssumme für die Rentenschuld (§ 1199 Abs. 2 BGB) an den Beklagten, welcher gemäß § 1200 Abs. 2 BGB dieselbe Wirkung zukommt wie der Zahlung des Kapitals einer Grundschuld, die vertraglich vereinbarte dingliche Sicherheit für die schuldrechtliche Rentenverpflichtung des Klägers entfallen: Die Rentenschuld ist zur Eigentümerrentenschuld geworden und inzwischen im Grundbuch gelöscht worden.

Bei Sicherungsgrundschulden hat nun aber nach verbreiteter Meinung, die sich auf den Sinn der Sicherungsabrede beruft, jedenfalls dann, wenn persönlicher und dinglicher Schuldner identisch sind, Zahlung auf die Grundschuld generell zugleich das Erlöschen der persönlichen Forderung zur Folge (siehe – wenn auch mit Unterschieden in Einzelheiten der Begründung – BGB-RGRK 11. Aufl § 1191 Anm. 9; Staudinger/Scherübl, BGB 11. Aufl. § 1192 Rd 9 f; Palandt/Bassenge, BGB 38. Aufl. § 1191 Anm. 3 g; Huber Die Sicherungsgrundschuld, S. 215). Auch nach Auffassung des erkennenden Senats ist die der Grundschuld zugrundeliegende Sicherungsabrede entscheidend. Bei Identität von persönlichem und dinglichem Schuldner wird aus Sinn und Zweck der Sicherungsabrede im Regelfall in der Tat zu entnehmen sein, daß, soweit der Schuldner im Zeitpunkt der Leistung auf die dingliche Schuld berechtigt ist, auch die persönliche Forderung zu befriedigen (vgl. § 271 Abs. 2 BGB), mit der Leistung auf die dingliche Schuld im Umfang dieser Leistung auch die persönliche Schuld erlischt. Denn nach Sinn und Zweck der Sicherungsabrede soll der Gläubiger nicht etwa die Leistung doppelt, nämlich einmal auf Grund der schuldrechtlichen Verpflichtung, zum anderen aus der dinglichen Sicherheit, sondern nur einmal erhalten.

Von gleichen Rechtsfolgen ist unter den bezeichneten Voraussetzungen in der Regel auch im Fall einer Sicherungsrentenschuld bei Ablösung der Rentenschuld durch Zahlung der Ablösungssumme auszugehen. Da eine Sicherung durch Rentenschuld im allgemeinem nur dann gewählt werden wird, wenn es um die Sicherung einer auf laufend wiederkehrende Zahlungen über einen längeren Zeitraum hin gerichtete schuldrechtliche Verpflichtung geht (etwa einer „Kaufpreisrente” wie im vorliegenden Fall, eines vertraglichen Ruhegeldes o.ä.), wird hier allerdings der Fall nicht selten so liegen, daß die nur im Zweifel geltende Regelung des § 271 Abs. 2 BGB insoweit nicht eingreift, die schuldrechtliche Verpflichtung vom Schuldner also nicht vorzeitig erfüllt werden kann (s. für den Fall eines vertraglichen Ruhegeldes das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28. Oktober 1971, II ZR 49/70, LM BGB § 387 Nr. 50); insbesondere kann dies dann in Betracht kommen, wenn – wie im vorliegenden Fall – die schuldrechtliche Verpflichtung mit einer Wertsicherungsklausel versehen ist. Abzulehnen wäre jedenfalls auch der Standpunkt der Revisionserwiderung, daß mit der Vereinbarung der Ablösungssumme für die Rentenschuld (§ 1199 Abs. 2 BGB) generell zugleich der Betrag festgelegt sei, mit dessen Zahlung auch die schuldrechtliche Rentenverpflichtung erfüllt werde (auf eine konkrete Vereinbarung in diesem Sinn bezieht sich auch die Revisionserwiderung nicht).

Aus den Umständen des vorliegenden Falles ist nichts zu entnehmen, was zu einer von den dargelegten Grundsätzen abweichenden Beurteilung führen könnte. Die sonach an sich wesentliche Frage eines vorzeitigen Befriedigungsrechts des Klägers hinsichtlich seiner schuldrechtlichen Verpflichtung spielt indes hier schon deshalb keine Rolle, weil die vorliegende Vollstreckungsgegenklage sich nur gegen die auf den Zeitraum von November 1977 bis Februar 1978 entfallenden Rentenforderungen richtet und keine Zweifel bestehen, daß insoweit Fälligkeit eingetreten ist; die unter den Parteien streitige Frage, ob nach den vertraglichen Vereinbarungen die schuldrechtliche Rentenverpflichtung des Klägers unkündbar ist oder ob dem Kläger auch insoweit das Recht zur Kapitalisierung zustehen sollte, kann somit für den vorliegenden Rechtsstreit auf sich beruhen. Auch der Höhe nach sind die auf die Zeit von November 1977 bis Februar 1978 entfallenden, durch das erstinstanzliche Urteil unangefochten auf 4.800 bezifferten Rentenbeträge durch die dem Beklagten zugeflossene Ablösungssumme gedeckt. Insoweit ist somit die Forderung des Beklagten erloschen.

Soweit die Revision zur Begründung ihrer gegenteiligen Ansicht schließlich geltend macht, die vom Kläger gezahlte Ablösungssumme müsse an die Stelle der ursprünglichen dinglichen Sicherheit treten und sei daher auf die Dauer der (schuldrechtlichen) Rentenverpflichtung des Klägers in geeigneter Weise anzulegen, verkennt sie, daß die vereinbarte Sicherheit mit der Ablösung der Rentenschuld schlechthin entfallen ist; die Möglichkeit eines solchen Wegfalls ergab sich aus der gewählten Art der dinglichen Sicherheit. Anhaltspunkte dafür, daß nach den vertraglichen Vereinbarungen dem Beklagten für seine Rentenansprüche auch nach einem Wegfall der Rentenschuld stets eine Sicherung – welcher Art auch immer – zur Verfügung stehen sollte, sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht dargetan. An der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen der auf die Monate November 1977 bis Februar 1978 entfallenden Rentenbeträge ändert daher auch nichts, daß im Hinblick auf die vereinbarte Wertsicherungsklausel die in Betracht kommende Gesamthöhe der persönlichen Verpflichtung des Klägers betragsmäßig nicht feststeht und daher jedenfalls theoretisch die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, daß die dem Beklagten zugeflossene Ablösungssumme nicht zur Deckung der gesamten schuldrechtlichen Rentenverpflichtung des Klägers ausreicht.

III.

Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Hill, Offterdinger, Dr. Eckstein, Hagen, Linden

 

Fundstellen

Haufe-Index 1830930

NJW 1980, 2198

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1981, 389

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