Leitsatz (amtlich)

a) Hat der mit der Bauleitung betraute Architekt dem Bauherrn wegen fehlerhafter Bauaufsicht Schadensersatz zu leisten, so ist der die Bauarbeiten ausführende Unternehmer auch dann nach § 426 Abs. 1 BGB zum Ausgleich verpflichtet, wenn seine Haftung für Mängel am Bauwerk vertraglich auf einen geringeren Zeitraum als die gesetzliche Verjährungsfrist beschränkt worden war und der Mangel, der zu dem Schaden geführt hat, erst nach Ablauf der vereinbarten Frist erkannt wurde.

b) In diesem Falle ist der Architekt nicht schon deshalb nach Treu und Glauben gehindert, den ihm zustehenden Ausgleichsanspruch geltend zu machen, weil er am Abschluss des Bauvertrages mitgewirkt und die die Haftungsbeschränkung enthaltende Vertragsbestimmung selbst verfasst hat.

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 29.09.1970)

LG Oldenburg

 

Tatbestand

In den Jahren 1959/1960 ließ der Verein der Freunde der Städtischen Jungen-Gymnasien in H. e.V. (im folgenden "Verein") das ihm gehörende Schullandheim in W. umbauen und erweitern. Die notwendigen Arbeiten, darunter auch eine teilweise Erneuerung des Daches, führte der inzwischen verstorbene Bauunternehmer F. M. aus, dessen Rechtsnachfolger die Beklagten sind. M. erhielt den Bauauftrag durch den vom Verein mit der Bauleitung betrauten Architekten I. Es wurden die VOB Teil B und besondere vom Architekten aufgestellte Vertragsbedingungen vereinbart. In diesen beißt es zur Gewährleistungspflicht des Bauunternehmers u.a.:

"Der Unternehmer haftet für die Güte der von ihm ausgeführten Arbeiten und die gelieferten Baustoffe zwei Jahre ..."

Am 14. September 1964 deckte eine Windboe nach einem Gewitter das gesamte Dach des Schullandheims ab. Der Verein nah daraufhin den Architekten I. und den Rechtsvorgänger der Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Zwischen dem Architekten und dem Verein kam ein außergerichtlicher Vergleich zustande, nach dem die Klägerin als Haftpflichtversicherer des Architekten und dieser selbst insgesamt 47.746,88 DM (einschließlich Anwalts- und Gutachterkosten) an den Verein zahlten.

Im vorliegenden Verfahren nimmt die Klägerin nach § 67 VVG und auf Grund einer Abtretung der eigenen Ansprüche I. gegen die Beklagten Rückgriff zu zwei Dritteln des entstandenen Schadens. Sie meint, Architekt I. und Bauunternehmer M. seien dem Verein für den Schaden als Gesamtschuldner verantwortlich gewesen: I. wegen mangelhafter Bauaufsicht, M. wegen fehlerhafter Bauleistungen. Im Innenverhältnis wiege aber das Verschulden des Bauunternehmers erheblich schwerer. Die Klägerin hat daher die Beklagten auf Zahlung von 31.831,25 DM (nebst Zinsen) verklagt.

Die Beklagten nehmen den Standpunkt ein, ihr Rechtsvorgänger sei gar nicht schadensersatzpflichtig gewesen. Etwaige Ansprüche des Vereins gegen ihn seien aber auch schon bei Entstehung des Schadens verjährt gewesen. Das müsse sich I. und damit die Klägerin entgegenhalten lassen.

Das Landgericht gab der Klage nur in Höhe von 8.566,57 DM nebst Zinsen statt und wies sie im Übrigen ab. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung blieb erfolglos. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision, um deren Zurückweisung die Beklagten bitten, erstrebt die Klägerin die volle Verurteilung der Beklagten nach dem von ihr gestellten Klageantrag.

 

Entscheidungsgründe

I.

1. Das Berufungsgericht sieht in der im Tatbestand wiedergegebenen Gewährleistungsklausel eine vertragliche Beschränkung der Haftung des Unternehmers für die Güte aller von ihm ausgeführten Arbeiten und gelieferten Baustoffe auf die Dauer von zwei Jahren, zumindest aber die Vereinbarung einer zweijährigen Verjährungsfrist, wie sie auch § 13 Ziff. 4 VOB (B) entsprechen würde. Deshalb könne die Klägerin aus § 426 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den §§ 67 VVG und 398 BGB keine Ausgleichsansprüche gegen die Beklagten herleiten.

2. Die Revision bemängelt das nicht im einzelnen, sondern lässt die Frage ausdrücklich dahingestellt.

Die Auffassung des Berufungsgerichte ist aber auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ersichtlich bezieht das Berufungsgericht in die Vertragsbestimmung Mängelfolgeschäden, die die Klägerin u.a. geltend macht, mit ein. Damit bleibt es im Bereich der grundsätzlich dem Tatrichter überlassenen Auslegung einer Individualvereinbarung, ohne dass ein Rechtsfehler erkennbar wäre.

II.

1. Das Berufungsgericht versagt der Klägerin jedoch auch einen vom Architekten auf sie übergegangenen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB gegen die Beklagten. Dabei verkennt es nicht, dass die Rechtsprechung einen solchen Anspruch an sich nicht daran scheitern lässt, dass der Gläubiger mit einem von mehreren Gesamtschuldnern eine irgendwie geartete Haftungsbeschränkung vereinbart hat, auf Grund deren er diesen nicht oder nicht mehr auf Schadensersatz in Anspruch nehmen könnte. Denn eine solche Abrede dürfe nicht in die Interessen eines an ihr unbeteiligten weiteren Schädigers eingreifen.

Hier sei aber eine andere Interessenlage insofern gegeben, als Architekt I., der neben dem Bauunternehmer in Betracht kommende weitere Gesamtschuldner, bei der Auftragsvergabe als Bevollmächtigter des Bauherrn aufgetreten sei und die Vertragsklausel mit der Haftungsbeschränkung selbst verfasst habe. In einem solchen Falle entspreche es nicht der Billigkeit, den Beklagten die Berufung auf die in Frage stehende Abrede zu versagen. Denn der Umfang der Haftung des Bauunternehmers habe für dessen Preisgestaltung von erheblicher Bedeutung sein können, wie auch für den beim Zustandekommen des Vertrags beteiligten Architekten erkennbar gewesen sei. Dieser sei dem Bauunternehmer als Interessenvertreter des geschädigten Vereins gegenüber getreten. Deshalb widerspreche es den Grundsätzen von Treu und Glauben, von denen das sich aus § 426 Abs. 1 BGB ergebende Rechtsverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern im Wesentlichen bestimmt werde, wenn der Architekt bzw. seine Rechtsnachfolgerin, die Klägerin, noch Ausgleichsansprüche gegen die Beklagten geltend machen könnte.

2. Diese Ausführungen greift die Revision mit Erfolg an.

a) Der aus § 426 Abs. 1 BGB folgende Ausgleichsanspruch zwischen mehreren Gesamtschuldnern ist selbständig und unterliegt der 30-jährigen Verjährung. Er wird nicht davon berührt, dass etwa die Forderung des Gläubigers gegen einen der Gesamtschuldner nach Eintritt des Schadensfalles verjährt ist. Das bat der Bundesgerichtshof schon mehrfach entschieden (vgl. etwa WM 1971, 101; VR 1965, 804; 1960, 996). Ebenso wenig kann der nachträgliche Erlass gegenüber einem Schuldner ohne gleichzeitig vereinbarte Gesamtwirkung (§ 423 BGB) die Ausgleichspflicht zum Nachteil der anderen Schuldner verändern (BGHZ 47, 376, 379; 11, 170; aus dem Schrifttum statt vieler Wacke. AcP 1970, 42). Dasselbe gilt für einen Vergleich des Gläubigers mit einem der Gesamtschuldner (BGH, Schäfer/Finnern Z 301 Bl. 325; Wacke, aaO., S. 69).

b) Darüber hinaus legt der Bundesgerichtshof seit langem auch einer im Voraus getroffenen Abrede über einen Haftungsverzicht oder eine Haftungsbeschränkung nur Wirkung im Verhältnis der an der Absprache Beteiligten bei. Andernfalls würde der Zweck der gesetzlichen Ausgleichsvorschriften vereitelt, der darin besteht, es zu verhindern, dass durch Gläubigerwillkür bestimmt wird, welcher Gesamtschuldner das zur Befriedigung erforderliche Opfer aufzubringen hat. Die Möglichkeit freier Vertragsgestaltung muss ihre Grenze dort finden, wo eine Abrede in die Interessen des an der Vereinbarung nicht beteiligten Schädigers eingreift, die das Gesetz durch die Ausgleichsvorschriften schützt (BGHZ 12, 213, 217 ff.; 35, 317, 323).

An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten (so auch von Caemmerer, ZfRV 1968, 81, 93, 94). Sie kann freilich dazu führen, dass derjenige, dem die Haftungsfreistellung bzw. -minderung zugestanden worden ist, u.U. nicht in den vollen Genuss der ihm gewährten Vergünstigung kommt, wenn er von einem Mitschädiger auf Ausgleich des von diesem ersetzten Schadens in Anspruch genommen wird.

Das muss jedoch in Kauf genommen werden (BGH, aaO.). Denn für eine anderweitige Lösung bieten sich nur zwei Wege, von denen der eine ein noch weniger befriedigendes Ergebnis bringt und der andere jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art nicht gangbar ist.

aa) So wird die etwaige aus einer vertraglichen Haftungsfreistellung eines Gesamtschuldners zuziehende Folgerung, dass dann der andere Gesamtschuldner den vollen Schaden tragen müsse, allgemein abgelehnt. Wenn der Bundesgerichtshof für die in den §§ 636, 637 RVO geregelten Fälle der gesetzlichen Haftungsbefreiung etwas anderes annimmt (BGHZ 19, 114, 120; BGH, LM Nr. 27 zu § 426 BGB = NJW 1967, 982; einschränkend BGHZ 51, 37, 39; 54, 177 und 256; 55, 11; BGH, LM Nr. 31 zu § 426 BGB = NJW 1971, 752), so erklärt sich das aus den Besonderheiten der Unfallhaftung innerhalb der Sozialversicherung. Auf vertragliche Haftungsbeschränkungen im privaten Haftpflichtrecht lassen sich diese Bestimmungen, auch nach dem in ihnen zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken, nicht übertragen (vgl. auch von Caemmerer, aaO., S. 97). Wollte man hier dem Zweitschädiger einen Ausgleich gegen den Erstschädiger versagen, so würde sich das im Übrigen als Folge eines Vertrags "zu Lasten Dritter" darstellen, den das geltende bürgerliche Recht nicht kennt.

bb) Im Schrifttum wird deshalb verbreitet die Ansicht vertreten, eine sachgerechte Lösung des hier auftretenden Interessenwiderstreits könne nur dadurch erreicht werden, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den an der Abrede über den Haftungsausschluss bzw. die Haftungsbeschränkung nicht beteiligten Dritten von vornherein auf das verkürzt werde, was dieser ohne die Haftungsvereinbarung im Verhältnis zu dem aus der Abrede Begünstigten zu tragen hätte. Dann käme es zu einem Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB überhaupt nicht mehr (vgl. die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, 31. Aufl., Anm. 5 zu § 426 BGB und bei Wacke, AeP 1970, 42, 68 Fn. 130).

Dieser Auffassung kann in ihrer Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Das von ihr angestrebte Ergebnis ist nur zu erzielen, wenn sich die Abrede zwischen dem Gläubiger und dem einen Gesamtschuldner über dessen völlige oder teilweise Haftungsfreistellung - zumindest auch - als ein echter (berechtigender) Vertrag "zu Gunsten eines Dritten", d.h. des anderen Gesamtschuldners, ausdeuten lässt. Allein dann ist dieser in der Lage, in seinem Verhältnis zum Gläubiger den Einwand aus der nach § 425 BGB sonst für ihn unmaßgeblichen Vertragsbeziehung zwischen seinem Mitschuldner und dem Gläubiger zu erheben.

Als Vertrag zu Gunsten eines Dritten, nämlich des Architekten, kann die bloße Bestimmung in einem Bauvertrag, wie er hier abgeschlossen worden ist, wonach der Unternehmer lediglich zwei Jahre für die Güte der von ihm ausgeführten Arbeiten und gelieferten Baustoffe haften soll, auf keinen Fall angesehen werden. Diese Vertragsklausel hat ersichtlich nur die Rechtsbeziehung zwischen dem Bauherrn und dem Unternehmer im Auge und gibt nichts dafür her, dass sie auch im Verhältnis des Bauherrn zu seinem Architekten gelten soll. Das kann umso weniger angenommen werden, als der Bauherr zu seinem Architekten in einem eigenen, von den jeweils mit den Bauunternehmern bestehenden Rechtsbeziehungen unabhängigen Vertragsverhältnis steht, das auch selbständig für die Mängelhaftung des Architekten maßgebend ist, einschließlich der Verjährungsfristen. Es müsste deshalb schon in irgend einer Form zum Ausdruck gekommen sein, dass sich der Architekt - entgegen der Regelung in seinem eigenen Vertragsverhältnis zum Bauherrn - diesem gegenüber auch auf etwaige zeitliche Haftungsbeschränkungen soll berufen können, die sich aus den mit den Handwerkern abgeschlossenen Bauverträgen ergeben. Das ist hier nicht geschehen.

Deshalb kommt im vorliegenden Falle eine nur auf seinen eigenen Verantwortungsanteil beschränkte Haftung des Architekten I. gegenüber dem Verein als Bauherrn, die einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB gegen den Bauunternehmer M. gar nicht erst entstehen ließe, von vornherein nicht in Betracht.

c) Das Berufungsgericht geht vielmehr zutreffend davon aus, dass I. ein solcher Ausgleich nicht grundsätzlich verschlossen war. Allerdings konnte es ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) versagt sein, eine dementsprechende Forderung gegen die Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgänger zu erheben. Was das Berufungsgericht hierzu anführt, reicht zu dieser Annahme aber nicht aus, wie der Revision zuzugeben ist. Vorgetragen ist lediglich, dass der Architekt die in Frage stehende Gewährleistungsklausel selbst entworfen und zum Bestandteil des Vertrages zwischen dem Bauherrn und dem Unternehmer gemacht habe. Damit allein hat der Architekt keinen Vertrauenstatbestand geschaffen oder an seiner Entstehung in einer Weise mitgewirkt, dass sieh der Rechtsvorgänger der Beklagten darauf einrichten durfte und es nunmehr als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen muss, wenn der Architekt bzw. die Klägerin mit eigenen Ausgleichsansprüchen gegen ihn hervortritt.

aa) Einmal konnte der Bauunternehmer schon aus der Fassung der Vertragsbestimmung nicht herleiten, dass er auf gar keinen Fall für einen nach Ablauf von zwei Jahren seit Abnahme des Werkes auftretenden Schaden mehr aufkommen müsse. Denn zunächst war durchaus nicht eindeutig, inwieweit seine eigene eventuelle Haftung aus unerlaubter Handlung von der an sich nur auf vertragliche Ansprüche abzielenden Klausel berührt wurde. Etwaige Deliktsansprüche folgten aber der selbständigen Verjährungsvorschrift des § 852 BGB (BGHZ 55, 392, 395 ff.). Dass ein Bauunternehmer wegen mangelhafter Ausführung der ihm übertragenen Arbeiten auch aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung in Anspruch genommen werden kann, ist keineswegs ausgeschlossen (vgl. z.B. BGH, LM Nr. 4 zu § 830 BGB). Gerade bei Um- und Erweiterungsbauten, wie sie hier zu erstellen waren, kommt das in Betracht. Dabei ist ohne weiteres auch eine gesamtschuldnerische Haftung, etwa des Bauunternehmers und seiner Verrichtungsgehilfen, mit nachfolgenden Ausgleichsverpflichtungen denkbar.

Der Fassung der in Frage stehenden Vertragsbestimmung ist aber außerdem ohnehin nichts über etwaige Ausgleichsansprüche zu entnehmen, die weitere Schädiger möglicherweise gegen den Rechtsvorgänger der Beklagten zu erheben berechtigt waren. Dieser konnte jedoch keinesfalls davon ausgehen, dass alle an dem Bauvorhaben außerdem noch Beteiligten (insbesondere der Architekt, aber auch der Statiker, der Vermessungsingenieur, etwaige andere Bauhandwerker) nach den gleichen Grundsätzen und mit den gleichen zeitlichen Beschränkungen haften wie er, so dass ein Schadensausgleich nach Ablauf der ihm zugestandenen zweijährigen Frist gänzlich ausschied. Wenn er sieh darauf bei seiner Preisgestaltung überhaupt nicht eingerichtet hatte, so bat er sich das selbst zuzuschreiben.

bb) Zum anderen hat Architekt I., als er den Bauauftrag dem Rechtsvorgänger der Beklagten erteilte ausschließlich im Namen des Bauherrn gehandelt. Er war also selbst an dem Vertragsschluss nicht unmittelbar beteiligt und erwarb aus ihm gegen die Vertragspartner keine Rechte, ging aber auch keine eigenen Verpflichtungen ein. Wie die Revision mit Recht hervorhebt, war er beim Aushandeln des Vertrags für seinen Auftraggeber in der Wahrnehmung seiner eigenen Interessen keineswegs frei, sondern eher behindert. Denn die Zugeständnisse, die er als Vertreter des Bauherrn den Bauunternehmern gegenüber machen musste - gerade etwa im Hinblick auf die Mängelhaftung -, konnten seinen eigenen Interessen zuwiderlaufen, wenn er nicht in der Lage war, in seinem Vertragsverhältnis zum Bauherrn entsprechend günstige Bedingungen durchzusetzen. Dann kann es aber auch nicht, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn er später ihm gesetzlich zustehende eigene Rechte gegen den Bauunternehmer geltend macht, auf die er nie verzichtet hat, weil er an dem Bauvertrag selbst nicht beteiligt war. Wird dadurch der Bauunternehmer beeinträchtigt oder in seinen Erwartungen über die Tragweite der von ihm ausgehandelten Vertragsbedingungen enttäuscht, so fällt das auf den Bauherrn zurück, als dessen Vertreter der Architekt lediglich gehandelt hat.

Etwas anderes könnte nur in besonderen Fällen angenommen werden, wobei an die zum Verschulden eines Vertreters bei Vertragsschluss entwickelten Grundsätze angeknüpft werden kann. Als eine Frage der Verantwortlichkeit für das Verhalten eines Vertreters bei der Anbahnung von Vertragsverhandlungen stellt sich der hier zu behandelnde Interessenkonflikt letzten Endes auch dar. Nach gefestigter Rechtsprechung treffen aber die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis grundsätzlich den Vertretenen. Nur unter besonderen Umständen muss auch der Vertreter selbst für die Verletzung dieser Pflichten einstehen, nämlich dann, wenn ihm persönlich vom Vertragsgegner besonderes Vertrauen entgegengebracht wurde oder wenn er am Abschluss des Geschäfts ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte (vgl. BGHZ 56, 81, 83 mit Nachweisen).

Dafür, dass diese Voraussetzungen hier gegeben sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Der Senat hat allerdings schon einmal die Haftung eines Architekten nach diesen Grundsätzen in Betracht gezogen, der im Zuge der ihm vom Bauherrn übertragenen Bauleitung mit Bauhandwerkern über die Beseitigung von Mängeln verhandelt hat (LM Nr. 37 zu § 278 BGB = NJW 1963, 2166). Dieser Fall liegt jedoch wesentlich anders, als wenn der Architekt im Namen des Bauherrn die auszuführenden Arbeiten überhaupt erst vergibt. Hier ist eine besondere persönliche Vertrauensstellung des Architekten den Bauhandwerkern gegenüber, was die Vertragsgestaltung angeht, und ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Bauvertrages nur ausnahmsweise anzunehmen. In der Regel tritt vielmehr der Architekt bei der Begründung des Werkvertragsverhältnisses den Bauhandwerkern lediglich als Interessenvertreter seines Auftraggebers, des Bauherrn, gegenüber. Dass es im vorliegenden Falle anders gewesen sein soll, haben die Beklagten nicht vorgetragen. Damit konnte der Architekt für etwaige Versäumnisse bei Abschluss des Vertrages nicht selbst verantwortlich gemacht werden. Dann ist aber auch nicht einzusehen, dass er sich bei der späteren Verfolgung eigener Rechte gegenüber einem Bauunternehmer und besonders eines etwaigen Ausgleichsanspruchs nach § 426 Abs. 1 BGB als treuwidrig, ja arglistig soll entgegenhalten lassen müssen, was er bei Vertragsschluss lediglich im Namen und im Interesse des Bauherrn, seines Auftraggebers, getan hat.

Hinzu kommt, dass die hier vom Architekten in den Bauvertrag aufgenommene Klausel dem Inhalt nach der Bestimmung des § 13 Ziffer 4 VOB (B) entspricht, deren Vereinbarung allgemein üblich ist. Was das Berufungsgericht annimmt, würde also gerade für den Regelfall gelten, in dem der mit der geschäftlichen Oberleitung eines Bauvorhabens betraute Architekt nichts weiter bewirkt, als dass den Rechtsbeziehungen zwischen dem Bauherrn und den Bauhandwerkern die VOB (B) zugrunde gelegt wird. Allein damit schon würde sich der Architekt - wäre die Ansicht des Berufungsgerichts zutreffend - weitgehend seiner eigenen Rechte gegenüber den Bauhandwerkern begeben. Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen.

Die bloße Mitwirkung I. bei der Vereinbarung der auf zwei Jahre begrenzten Mängelhaftung des Rechtsvorgängers der Beklagten lässt es deshalb nicht als einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erscheinen, wenn sich die Klägerin als Rechtsnachfolgerin I darauf beruft, dass die Gewährleistungsklausel im Bauvertrag des Vereins mit dem Bauunternehmer M. die eigenen Ausgleichsansprüche I. gegen M. nach § 426 Abs. 1 BGB unberührt ließ.

III.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es muss aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, das sich nunmehr mit den von der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts erhobenen Einwänden zu befassen haben wird, die es - von seinem bisherigen Rechtsstandpunkt folgerichtig - noch nicht behandelt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992680

BGHZ 58, 216

BGHZ, 216

NJW 1972, 942

BauR 1972, 246

JR 1972, 375

JZ 1972, 525

JuS 1972, 601

MDR 1972, 596

ZfBR 1991, 207

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