Orientierungssatz

1. Die nach Erlaß eines Allgemeinen Veräußerungsverbotes erfolgte Belastung eines zur Gesamtvollstreckungsmasse gehörenden Grundstücks mit einer Grundschuld ist nicht nach KO § 15 S 2 analog, BGB § 878 wirksam, auch wenn der Antrag auf Grundbucheintragung vor Zustellung des allgemeinen Veräußerungsverbotes an den Gemeinschuldner erfolgt ist, wenn das Veräußerungsverbot vom Richter nach Tag und Stunde datiert worden ist (Abgrenzung BGH, 1982-03-01, VIII ZR 75/81, ZIP 1982, 464).

2. Das bedeutet, daß der Richter den Zeitpunkt des Wirksamwerdens festlegen wollte. Dagegen bestehen keine Bedenken. Die zweifelsfreie Feststellung des Wirksamwerdens des Allgemeinen Veräußerungsverbotes ist durch die Zeitangabe in dem richterlichen Beschluß genauso gewährleistet, wie wenn man auf den Zeitpunkt der Zustellung abstellt. Im übrigen gehört es nicht zu den Wirksamkeitserfordernissen eines Verfügungsverbotes, daß der Adressat das Verbot kennt. Das ist bei gesetzlich normierten Verfügungsverboten selbstverständlich, gilt aber – wie sich dem VerglO § 60 Abs 1 (juris: VglO) entnehmen läßt – auch bei richterlich angeordneten Verfügungsverboten.

 

Nachgehend

AG Duisburg (Beschluss vom 22.04.2010; Aktenzeichen 60 IN 26/09)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. Februar 1994 wird nicht angenommen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.

1. Bei Eigentumsumschreibung fiel das Grundstück unmittelbar in die Gesamtvollstreckungsmasse, weil die Schuldnerin im Zeitpunkt der Beschlagnahme (1. Juni 1992) ein Anwartschaftsrecht besaß, das gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 GesO der Gesamtvollstreckung unterlag. Das Anwartschaftsrecht beruhte darauf, daß am 5. Mai 1992 eine Eigentumserwerbsvormerkung eingetragen worden war.

2. Die nachträgliche Belastung durch die Grundschuld ist nicht gemäß § 15 Satz 2 KO analog, § 878 BGB wirksam. Zwar hätte die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens für sich allein den Rechtserwerb der Beklagten nicht verhindert, weil der Eintragungsantrag bereits vor dem 1. Juni 1992 – nämlich am 6. Mai 1992 – beim Grundbuchamt eingegangen war. Da aber schon vor dem 6. Mai 1992 ein Allgemeines Veräußerungsverbot gemäß § 2 Abs. 3 GesO erlassen war, wird die Beklagte durch § 15 Satz 2 KO analog, § 878 BGB nicht geschützt.

a) Der Meinung der Revision, die Schuldnerin sei durch das Veräußerungsverbot nicht gehindert gewesen, über das Grundstück zu verfügen, kann nicht gefolgt werden. Das Veräußerungsverbot bezieht sich auf Verfügungen über solche Gegenstände, die bei Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens zur Masse gehören oder ohne die Verfügung dazu gehören würden (vgl. BGHZ 118, 151, 159; Kuhn/Uhlenbruck, § 106 KO Rdnr. 4 d). Es ist nicht erforderlich, daß sie bereits zum Zeitpunkt des Veräußerungsverbots im Vermögen des Schuldners vorhanden waren. Andernfalls wäre der durch das Allgemeine Veräußerungsverbot bezweckte Schutz der Gesamtvollstreckungsgläubiger lückenhaft. Überdies wäre ihre gleichmäßige Befriedigung nicht mehr gewährleistet. Aus denselben Gründen schadet es auch nicht, daß die Schuldnerin über das ihr damals noch nicht gehörende Grundstück mit Ermächtigung der Eigentümerin, gegen die das Allgemeine Veräußerungsverbot nicht gerichtet war, verfügt hat. Die Ermächtigung verhindert nur, daß die Verfügung schon wegen fehlender Sachbefugnis unwirksam ist. Die Ermächtigung hat indessen nicht zur Folge, daß eine Verfügung, die dem Verfügenden sogar dann verboten wäre, wenn er als Eigentümer handelte, nunmehr erlaubt ist.

b) Ob § 878 BGB – wie das Berufungsgericht gemeint hat – bei Verfügungen eines Nichtberechtigten nicht anwendbar ist (so BGHZ 49, 197, 207), mag dahinstehen. Jedenfalls ist § 878 BGB hier unanwendbar, weil der Antrag auf Eintragung der Grundschuld erst nach dem Erlaß des Veräußerungsverbots gestellt worden ist. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1. März 1982 (VIII ZR 75/81, ZIP 1982, 464, 465), in der die Zustellung an den Gemeinschuldner für maßgeblich erklärt worden ist, trifft nicht den vorliegenden Fall. Hier besteht die Besonderheit, daß das Veräußerungsverbot vom Richter nach Tag und Stunde datiert worden ist. Das bedeutet, daß der Richter den Zeitpunkt des Wirksamwerdens festlegen wollte. Dagegen bestehen keine Bedenken. Die zweifelsfreie Feststellung des Wirksamwerdens des Allgemeinen Veräußerungsverbots ist durch die Zeitangabe in dem richterlichen Beschluß genauso gewährleistet, wie wenn man auf den Zeitpunkt der Zustellung abstellt. Im übrigen gehört es nicht zu den Wirksamkeitserfordernissen eines Verfügungsverbots, daß der Adressat das Verbot kennt. Das ist bei gesetzlich normierten Verfügungsverboten selbstverständlich (vgl. §§ 6, 7, 108 KO), gilt aber – wie sich dem § 60 Abs. 1 VerglO entnehmen läßt – auch bei richterlich angeordneten Verfügungsverboten.

3. Aus § 9 Abs. 1 GesO kann die Revision nicht herleiten, daß der Kläger der Beklagten die Grundschuld belassen muß, falls er an dem Grundstückskaufvertrag festhält. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Daß der Kaufvertrag eine Verpflichtung der Schuldnerin enthalten habe, zugunsten der Beklagten eine Sicherheit zu bestellen, ist in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet worden. Für eine Verknüpfung des Kaufvertrages und des Sicherstellungsvertrages ist nichts festgestellt und auch nichts vorgetragen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI650067

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