Entscheidungsstichwort (Thema)

AGB: Freizeichnung von der fünfjährigen Gewährleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Hat sich der Bauträger formularmäßig von der eigenen fünfjährigen Gewährleistung für eine neu errichtete Eigentumswohnung durch Abtretung seiner Gewährleistungsansprüche gegen die am Bau Beteiligten freigezeichnet, so schlägt die Schadloshaltung der Erwerber auch dann fehl, wenn der beteiligte Bauunternehmer keine Gewähr mehr leisten muß, weil der Mangel erst nach Ablauf der für ihn gem. § 13 Nr. 4 VOB/B geltenden zweijährigen Verjährungsfrist aufgetreten ist.

 

Normenkette

BGB §§ 633, 638; VOB/B § 13; AGB

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf

OLG Düsseldorf

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Kläger werden die Urteile des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. Februar 1980 und der 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 14. August 1979 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, in der Wohnungseigentumsanlage D…, B…er Weg 2, 4 und 6 sowie V…er Weg 47 und 49 die nachstehend aufgeführten Mängel zu beseitigen:

1. die Feuchtigkeitsstellen und ihre Ursachen an den Südfassaden und den Giebelwänden im Bereich der Wohnungen

F 4

B…er Weg 2,

G 4

B…er Weg 4,

H 4

B…er Weg 4,

J 3

B…er Weg 4,

J 4

B…er Weg 4,

K 3

B…er Weg 6,

K 4

B…er Weg 6,

einschließlich der an den Innenwänden der Wohnungen aufgetretenen Feuchtigkeitsschäden;

2. an der Dacheindeckung oberhalb der Wohnungen V…er Weg 47 und 49 sowie B…er Weg 2-6

  1. die Abplatzungen auf und die Eckstückabbrüche an den Dachpfannen, indem alle so beschädigten Dachpfannen ersetzt werden,
  2. die mangelhafte Verwahrung (durch Überschmieren mit Mörtel) der Pfanneneindeckung an der Übergangsstelle zwischen den Häuserzeilen B…er Weg/V…er Weg,
  3. die Undichtigkeit der Dachanschlüsse an den Aufzugs-Maschinenhäusern, insbesondere deren Westseiten,
  4. die mangelhaften Dachanschlüsse insbesondere (fehlerhafte Vermörtelung und Walzbleianbringung) an den Kaminanschlüssen,
  5. die mangelhaften Dachanschlüsse wie zu d) an den Wandanschlüssen und Wandeindichtungen
  6. die fehlerhaften Dach-/Wandanschlüsse in den Traufbereichen,
  7. die für die übrige Dacheindeckung systemfremden Ziegelelemente, welche durch passende Firstpfannen zu ersetzen sind,
  8. die fehlerhafte Befestigung aller Ortgangpfannen;

3. im Schwimmbad die mangelhafte Installation der im Boden verlegten Leitungen für Kalt-/Warmwasser sowie für den Heizungsvor- und Rücklauf, insbesondere die fehlende Isolierung der Leitungen gegenüber dem eingebrachten Estrich als Träger der Bodenfliesen, wobei auch die Rohrleitungen ersetzt werden müssen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte ließ als Bauträgerin in den Jahren 1971/1972 von der Firma Handwerkergesellschaft Bau (HGB) in E… als Generalunternehmerin eine Wohnungseigentumsanlage mit Hallenbad und Tiefgarage in errichten. Im Bauleistungsvertrag vom 26. April 1971 ist die Geltung der VOB/B, insbesondere für die Gewährleistung, vereinbart. Im Juli 1972 wurde die Anlage von der Beklagten abgenommen. Im November 1975 ging die HGB wegen Zahlungsunfähigkeit in Liquidation.

Die Kläger sind die Erwerber der 40 Eigentumswohnungen Das Gemeinschaftseigentum wurde ihnen um die Jahreswende 1972/73 übergeben. Im Jahre 1976 traten, nachdem zuvor schon Mängel am Gemeinschaftseigentum festgestellt und auch beseitigt worden waren, Feuchtigkeitsschäden an den Südfassaden und Giebelwänden sowie an Innenwänden auf. Ferner zeigten sich Mängel an der Dacheindeckung und an den Leitungsrohren im Schwimmbad. Die Beklagte lehnte die geforderte Beseitigung der Mängel und Schäden unter Berufung auf eine vertragliche Haftungsfreizeichnung ab. Ihre Verträge mit den Erwerbern der Eigentumswohnungen enthalten insofern folgende gleichlautende Bestimmungen:

„Die Übertragung erfolgt ohne Gewähr für eine bestimmte Größe und Beschaffenheit des Grundstücks und unter Ausschluß einer Haftung des Verkäufers für sichtbare und unsichtbare Mängel der Gebäude. Bis zur Übergabe steht der Verkäufer jedoch für sichtbare Mängel ein, soweit sie im Übergabeprotokoll festgehalten sind.

Soweit dann noch Gewährleistungsansprüche des Verkäufers gegen die beteiligten Bauhandwerker, Statiker, Architekten und sonstige Unternehmer bestehen, werden diese hiermit jedoch ohne Gewähr für den Bestand, Inhalt und Umfang, an den dies annehmenden Käufer abgetreten, soweit es sich um Gemeinschaftseigentum handelt, als Gesamtgläubiger.

Der Verkäufer verpflichtet sich, dem Käufer die einzelnen Unternehmer namentlich bekanntzugeben und ihm bei der Durchsetzung berechtigter Mängelansprüche die erforderlichen Unterstützungen zu leisten. …”

In einem von den Klägern angestrengten Beweissicherungsverfahren bestätigte ein Gutachten des Sachverständigen E… G… vom 16. November 1977 die gerügten Baumängel.

Mit ihrer im Dezember 1978 eingereichten Klage verlangen die Kläger die Beseitigung der im einzelnen aufgeführten Baumängel und Schäden. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der – angenommenen – Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihre Ansprüche weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht ist der Meinung, die Beklagte habe sich durch die Abtretung ihrer eigenen Gewährleistungsansprüche gegen die HGB wirksam von ihrer Eigenhaftung befreit. Zwar enthalte die Vertragsklausel bei der gebotenen engen Auslegung keine völlige Freizeichnung, welche für neuerrichtete Häuser unangemessen wäre, sondern Gewährleistung durch Abtretung der Ansprüche gegen Bauhandwerker und andere am Bau Beteiligte. Mit der gebotenen Einschränkung, daß die Eigenhaftung des Veräußerers wieder auflebe, falls die Schadloshaltung des Erwerbers fehlschlage, könne die Benachteiligung des Erwerbers nicht als unangemessen betrachtet werden.

Hier sei die Eigenhaftung der Beklagten jedoch nicht wieder aufgelebt. Diese Mängel seien nämlich erst zutage getreten, als die gegen die HGB gerichteten zweijährigen Gewährleistungsansprüche bereits verjährt gewesen seien. Der Fall, daß abgetretene Ansprüche aus rechtlichen Gründen nicht mehr geltend gemacht werden könnten, sei nicht jenen gleichzuachten, in denen die Schadloshaltung aus tatsächlich Gründen fehlschlage. Die erst nach Verjährung der Gewährleistungsansprüche in Gang gekommene Liquidation der HGB sei für den Fehlschlag der Schadloshaltung nicht ursächlich geworden. Der Umstand, daß die abgetretenen Ansprüche einer kürzeren Verjährung unterlegen hätten als die gemäß § 638 BG fünfjährige Gewährleistung der Beklagten, habe nach Ablauf der kürzeren Gewährleistungsfrist nicht zum Wiederaufleben der Eigenhaftung der Beklagten geführt. Eine nur zeitweise wirksame Haftungsbefreiung würde Sinn und Zweck der für zulässig zu erachtenden Freizeichnung zuwiderlaufen. Mit der Abtretung der Gewährleistungsansprüche in ihrem jeweiligen Bestand und mit dem Einstehen müssen dafür, daß sie in diesem Rahmen auch wirtschaftlich durchsetzbar seien, habe der Veräußerer den von ihm zu fordernden angemessenen Ausgleich für seine Haftungsbefreiung gewährt.

II.

Das greift die Revision mit Erfolg an.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats richten sich Ansprüche der Erwerber aus Mängeln an neuerrichteten Häusern oder Eigentumswohnungen grundsätzlich nach dem Recht des Werkvertrags. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Parteien den Vertrag als Kaufvertrag – hier: Wohnungseigentums-Bau- und Kaufvertrag – und sich selbst als Käufer und Verkäufer bezeichnet haben (BGHZ 749 204t 206 m.w.N.; BGH NJW 1980, 2800 sowie Urteil vom 29. Juni 1981 – VII ZR 259/80 = ZfBR 1981, 219).

Von dieser Haftung kann der Bauträger sich zwar dadurch befreien, daß er an die Erwerber die Gewährleistungsansprüche abtritt, die ihm gegenüber den anderen am Bau Beteiligten zustehen. Eine formularmäßig in die Erwerbsverträge aufgenommene Freizeichnung vermag die Eigenhaftung des Veräußerers aber nicht völlig aufzuheben. Diese ist vielmehr nur insoweit wirksam abbedungen, als der Erwerber sich aus den abgetretenen Ansprüchen auch tatsächlich schadlos halten kann. Das Risiko, daß die Schadloshaltung fehlschlägt, bleibt bei dem Veräußerer (BGHZ 74, 258, 270 m.w.N.; BGH NJW 1980, 2800 sowie Urteile vom 4. Juni 1981 – VII ZR 212/= ZfBR 19819214 – und vom 29. Juni 1981 – VII ZR 259/80 – ZfBR 1981, 219). Er haftet deshalb wieder unmittelbar selbst, sobald der am Bau beteiligte Schuldner leistungsunfähig geworden ist (vgl. BGHZ 74, 258, 270 m.w.N.).

Von seiner subsidiären Eigenhaftung kann der Bauträger sich formularmäßig nicht wirksam freizeichnen. Nur wenn die subsidiäre Werkmängelhaftung des Bauträgers fortbesteht, werden die Erwerber im allgemeinen nicht unzumutbar benachteiligt. Dabei werden die Erschwernisse und Unbequemlichkeiten, die mit der Geltendmachung der abgetretenen Ansprüche vielfach verbunden sind, durch den Vorteil aufgewogen, daß die Erwerber durch die Erlangung unmittelbarer Ansprüche gegen die Bauunternehmer vor einem Vermögensverfall des Bauträgers geschützt werden. Außerdem bleibt ihnen gegenüber dem Bauträger die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erhalten (vgl. BGHZ 70, 193, 197 sowie BGH, Urteil vom 18. Mai 1978 – VII ZR 138/77 = BauR 1978, 3989 400 = ZfBR 1978, 259 26).

2. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß für die Gewährleistung im Verhältnis zwischen den Parteien die fünfjährige Verjährungsfrist des § 638 BGB gilt. Dabei kann offen bleiben, inwieweit eine formularmäßige Abkürzung Verjährungsfrist möglich gewesen wäre. Die Erwerbsverträge enthalten eine solche Abkürzung nicht. Dann aber schlägt die Schadloshaltung des Erwerbers auch dann fehl, wenn bei Feststellung des Baumangels die abgetretenen Gewährleistungsansprüche bereits verjährt und daher nicht mehr durchzusetzen sind (so auch Glanzmann in RGRK, BGB, 12. Aufl., Anh. zu §§ 633 – 635 Rn. 100; Staudinger/Schlosser, BGB, 12. Aufl., § 11 Nr. 10 AGBG Rn. 34; Ingenstau/Korbion, VOB, 9. Aufl., B § 13 Rn. 24 a; Brych in Reitmann/Brych/Manhart, Kauf vom Bauträger, 4. Aufl., Rn. 71, 101, 107, 109, 110; Deckert, Baumängel am Gemeinschaftseigentum der Eigentumswohnung, 2. Aufl. Seite 216ff.; Locher/Koeble, Baubetreuungs- und Bauträgerrecht, 2. Aufl. Rn. 327; Ohmen, DNotZ 1975, 344, 350).

a) Die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen gegen am Bau Beteiligte an Stelle der Eigengewährleistung des Bauträgers stellt für den Erwerber nur dann ein hinreichende Äquivalent dar, wenn die abgetretenen Ansprüche an Umfang, Dauer und Durchsetzbarkeit nicht wesentlich hinter den vertraglich hier geltenden gesetzlichen Ansprüchen gegen den Bauträger zurückbleiben. Das ist nicht der Fall, wenn die abgetretenen Ansprüche gemäß § 13 Nr. 4 VOB/B bereits in zwei Jahren nach Abnahme der Fremdleistung verjähren, während der Bauträger fünf Jahre seit Übergabe des Bauwerks haftet.

Zwar gewinnt der Erwerber mit der Abtretung der Ansprüche aus § 13 VOB/B durch den Bauträger das Recht, die Gewährleistungsfrist durch schriftliches Mängelbeseitigungsverlangen erneut in Gang zu setzen. Diese Möglichkeit der Schadloshaltung für den Erwerber kommt aber nur dann in Betracht, wenn sich der Baumangel vor Ablauf der Regelfrist des § 13 Nr. 4 VOB/B zeigt. Tritt er wie hier erst später zutage, so nützen die abgetretenen Ansprüche dem Erwerber nichts. Für ihn macht es keinen Unterschied, ob die Schadloshaltung an wirtschaftlichen oder rechtlichen Hindernissen scheitert. In jedem Fall sind die abgetretenen Ansprüche nicht durchzusetzen, sei es weil der Schuldner in Vermögensverfall geraten ist, sei es weil er die Einrede der Verjährung erheben kann. – Aus der gleichen Erwägung hat der Senat bei der Auslegung eines Architektenvertrages mit Subsidiaritätsklausel für Aufsichtsverschulden dem Nachbesserungsunvermögen des primär haftenden Bauunternehmers den Fall gleichgesetzt, daß die Gewährleistungsansprüche des Bauherrn gegen den Bauunternehmer bereits vor Auftreten des Baumangels verjährt waren (Urteil vom 27. September 1973 – VII ZR 142/71 = BauR 1974, 66).

b) Das Berufungsgericht geht ersichtlich von der Vorstellung aus, es genüge für eine formularmäßige Freizeichnung des Bauträgers, alle selbst erworbenen Rechte gegen andere am Bau Beteiligte in ihrem jeweiligen Umfang und Bestand abzutreten. Das geht fehl.

Eine an Umfang, Dauer und Durchsetzbarkeit erheblich hinter der abbedungenen Eigenhaftung zurückbleibende Fremdgewährleistung benachteiligt den Erwerber unangemessen, sofern er nicht in anderer Weise abgesichert ist. Eine Freizeichnung unter Abtretung der Gewährleistungsansprüche gegenüber Dritten hält der gebotenen Inhaltskontrolle nach Treu und Glauben vielmehr nur dann stand, wenn die Abtretung nur erfüllungshalber erfolgt und die subsidiäre Gewährleistungspflicht des Bauträgers über die gesamte vertragliche Gewährleistungszeit hinweg aufrecht erhalten bleibt, so daß der Erwerber auf sie zurückgreifen kann, falls aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen seine Schadloshaltung bei dem Drittbeteiligten fehlschlägt. Eine nur zweijährige Fremdgewährleistung stellt daher kein angemessenes Äquivalent für den Verzicht des Erwerbers auf die fünfjährige Eigenhaftung des Bauträgers dar.

c) Berechtigte Interessen des Veräußerers stehen dem nicht entgegen. Freilich kann er nicht mehr Rechte abtreten, als er selbst erworben hat, und ist es für ihn mißlich, wenn seine eigene Gewährleistung fortdauert, nachdem von den beauftragten Unternehmern Nachbesserung wegen Verjährung nicht mehr zu erlangen ist. Dies ist aber bei Zahlungsunfähigkeit des für den Baumangel verantwortlichen Unternehmers im Grundsatz nicht anders. Immerhin kann sich der Bauträger gegen die rechtlichen Risiken in den Bauleistungsverträgen absichern, indem er auf einer etwa gleichen Gewährleistungsfrist besteht, wie sie auch für ihn gegenüber den Erwerbern gilt. So hatte es die Beklagte in ihren Besonderen Vertragsbedingungen zum Bauleistungsvertrag auch vorgesehen. Wenn sie dann aber auf Verlangen der HGB die Gewährleistungsfrist nach VOB/B zugestanden hat, darf dies nicht zu Lasten der Erwerber der Wohnungseigentumsanlage gehen. Eine solche Regelung fällt allein in den Risikobereich des Bauträgers.

III.

Die Beklagte ist somit von ihrer Gewährleistungspflicht nicht frei geworden. Sie haftet für die von den Klägern geltend gemachten und vom Berufungsgericht in diesem Umfang auch festgestellten, überdies von der Beklagten nicht bestrittenen Baumängel und Folgeschäden. Die Ansprüche der Kläger sind nicht verjährt. Weiterer Feststellungen bedarf es nicht.

Die angefochtenen Urteile der Vorinstanzen sind daher aufzuheben. Der Klage ist stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609655

NJW 1982, 169

DNotZ 1982, 122

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