Leitsatz (amtlich)

Eine nachträgliche rechtsgeschäftliche Einbeziehung der VOB/B in einen Bauvertrag folgt nicht schon daraus, daß die Prozeßbevollmächtigten der Parteien die VOB/B für anwendbar halten.

Eine Allgemeine Geschäftsbedingung eines Bauvertrages, die das in § 649 Satz 1 BGB geregelte freie Kündigungsrecht des Auftraggebers ausschließt, ist unwirksam.

a) Die Darlegung des Auftragnehmers zur Kalkulation seines Vertrages hat die tatsächliche Kostenentwicklung zu berücksichtigen.

b) Ob die infolge einer Kündigung nicht erbrachten Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen und dementsprechend der Auftragnehmer vom Auftraggeber Mehrwertsteuer auch für den Vergütungsteil verlangen kann, dem keine Leistungen zugrunde liegen, ist eine Frage der gemeinschaftsrechtlichen Auslegung der 6. Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG. Damit ist gegebenenfalls der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu befassen, Art. 234 EGV (früher Art. 177).

 

Normenkette

AGBG § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 2 Nr. 1; BGB § 649 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Bamberg (Beschluss vom 09.10.2001; Aktenzeichen 3 U 166/96)

LG Schweinfurt (Aktenzeichen 1 O 130/95)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 22. April 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin errichtete für die Beklagten ein Einfamilienhaus. Der zugrunde liegende Pauschalvertrag wurde von den Beklagten kurz vor Fertigstellung des Gebäudes mit der Begründung gekündigt, die Klägerin habe zögerlich und mangelhaft gearbeitet. Die Klägerin hatte zuvor die 6. und 7. Rate in Höhe von insgesamt 105.000 DM eingeklagt. Hilfsweise hat sie die Klage nach der Kündigung auf die im Prozeß vorgelegte Schlußrechnung vom 7. Dezember 1995 gestützt, mit der sie abzüglich der von den Beklagten gezahlten 210.000 DM eine Restforderung von 119.763,71 DM errechnete. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Kündigung sei ohne wichtigen Grund erfolgt. Abschlagszahlungen könne die Klägerin nicht verlangen. Der Anspruch ergebe sich jedoch aus der Schlußrechnung vom 7. Dezember 1995 in Höhe von 114.943,71 DM, von dem die Klägerin den Teilbetrag von 105.000 DM geltend gemacht habe.

Die Beklagten haben Berufung, die Klägerin hat Anschlußberufung wegen der Zinsen eingelegt. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 3. September 1997 eine neue Abrechnung vorgelegt, die mit einer Restforderung von 121.426,83 DM endete. Sie hat darin auch eine Entschädigung von 10 % der Vertragssumme gemäß Ziff. 11.2 ihrer Vertragsbedingungen eingestellt. Danach hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. Februar 1998 eine weitere Abrechnung vorgelegt, aus der sich eine Restforderung von 106.310,71 DM ergibt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Abrechnungen nicht prüffähig seien.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils mit Zinsen nach Maßgabe der Anschlußberufung erstrebt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist der Meinung, die Klägerin habe ihre Forderung nicht schlüssig dargelegt. Dem Vertrag liege die VOB/B zugrunde. Diese sei von der Klägerin gegenüber den nicht im Baugewerbe erfahrenen Beklagten zunächst nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Jedoch sei es der Klägerin als Verwenderin verwehrt, sich darauf zu berufen, weil die Parteien im Prozeß übereinstimmend von der wirksamen Einbeziehung der VOB/B ausgegangen seien und sich die anwaltlich vertretenen Beklagten vorprozessual auf die VOB/B berufen hätten. Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung habe den Beklagten nicht zugestanden. Die Kündigung sei aber gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B wirksam. Zwar habe der Vertrag nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen der Klägerin nur aus wichtigem Grund kündbar sein sollen, jedoch benachteilige diese Regelung den Auftraggeber unangemessen, so daß sie unwirksam sei. Der Vergütungsanspruch der Klägerin richte sich somit nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B. Der Klagevortrag entspreche nicht den vom Bundesgerichtshof gestellten Anforderungen an die Prüffähigkeit der Abrechnung eines gekündigten Pauschalvertrages.

Auf die in den Vertragsbedingungen vereinbarte Pauschale von 10 % Entschädigung nach einer Kündigung, deren Gründe der Auftraggeber zu vertreten habe, könne der Anspruch nicht gestützt werden. Die Klausel sei nicht anwendbar, weil die Klägerin den Vertrag nicht wegen eines von den Beklagten zu vertretenden Grundes außerordentlich gekündigt habe.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Das Berufungsgericht geht zu Unrecht von der Anwendung des § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B aus. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich vielmehr aus § 649 Satz 2 BGB. Dieser Anspruch ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schlüssig dargelegt. Zweifelhaft ist lediglich der Anspruch auf Zahlung der in einem Betrag von 36.352,65 DM enthaltenen Mehrwertsteuer in Höhe von 4.741,64 DM. Insoweit ist der Klägerin Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin ihren Werklohn nicht nach Ziff. 11 Nr. 2 des Vertrages berechnen kann. Die von der Klägerin vielfach verwendete Regelung lautet:

„Erfolgt die Kündigung aus Gründen, die der Auftraggeber zu vertreten hat, so sind die erbrachten Aufwendungen des Auftragnehmers abzurechnen, diese beinhalten auch die bis zur Kündigung erbrachten Architektenleistungen nach HOAI (Zone III oder IV, Honorarhöchstgrenze). Der AG zahlt ferner an den AN eine angemessene Entschädigung, die mit 10 % der Vertragssumme angesetzt wird.”

Es kann dahinstehen, ob diese Regelung auch den Fall erfaßt, daß der Auftraggeber ohne wichtigen Grund kündigt, wie die Revision geltend macht. Die Klausel ist unwirksam. Sie hält einer Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG nicht stand, weil sie den Auftraggeber unangemessen benachteiligt. Die Klausel setzt für die nicht erbrachten Leistungen eine Pauschale von 10 % der Vertragssumme fest, ohne daß anderweitiger Erwerb angerechnet werden soll. Das benachteiligt den Auftraggeber unangemessen, weil der Auftragnehmer im Falle anderweitigen Erwerbs einen ungerechtfertigten Vorteil durch die Kündigung erlangen kann (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1996 - VII ZR 250/94 = BauR 1997, 156 = ZfBR 1997, 36; Urteil vom 19. Februar 1998 - VII ZR 207/96 = BauR 1998, 866 = ZfBR 1998, 236). Darüber hinaus enthält die Klausel eine weitere unangemessene Regelung, weil sie das Architektenhonorar für erbrachte Leistungen unabhängig davon pauschaliert, wie es konkret in die Vertragspreise einkalkuliert wurde.

2. Die Vertragsbedingungen enthalten demnach keine wirksame Vergütungsregelung für den Fall, daß der Auftraggeber aus wichtigem Grund kündigt, ohne daß ein solcher Grund vorlag. Zu Unrecht wendet das Berufungsgericht für diesen Fall § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B als Anspruchsgrundlage an. Die VOB/B ist nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, weil den mit der VOB/B nicht vertrauten Beklagten bei Vertragsschluß keine Gelegenheit gegeben worden war, in zumutbarer Weise von deren Inhalt Kenntnis zu nehmen, § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG (BGH, Urteil vom 9. November 1989 - VII ZR 16/89 = BGHZ 109, 192, 196; Urteil vom 10. Juni 1999 - VII ZR 170/98). Die VOB/B ist demnach nicht anwendbar. Es verstößt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gegen Treu und Glauben, wenn sich die Klägerin darauf beruft. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben käme allenfalls dann in Betracht, wenn die konkret anwendbaren Regelungen der VOB/B für die Beklagten günstiger wären als die gesetzlichen Regelungen, den Beklagten also durch die Anwendung des Bürgerlichen Gesetzbuches Rechte entzogen würden. Das hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt und ist auch nicht erkennbar. Allein der Umstand, daß die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten meinten, die VOB/B sei anwendbar, führt entgegen der vom Berufungsgericht unter Berufung auf OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1422 vertretenen Auffassung nicht zu deren Einbeziehung in den Vertrag. Die nachträgliche Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag ist zwar möglich. Jedoch muß ein entsprechendes Erklärungsbewußtsein der Vertragsparteien, bzw. ihrer Bevollmächtigten vorhanden sein. Das setzt die Erkenntnis voraus, daß die VOB/B bisher nicht Vertragsbestandteil war. Das ist hier nicht festgestellt.

3. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 649 Satz 2 BGB. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht zu § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B getroffenen Feststellungen bestehen gegen dessen Anwendung keine Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1996 - VII ZR 219/94 = BauR 1996, 412 = ZfBR 1996, 200; Urteil vom 10. Oktober 1996 - VII ZR 250/94 = BauR 1997, 156 = ZfBR 1997, 36; Urteil vom 24. Juni 1999 - VII ZR 196/98). Richtig nimmt das Berufungsgericht an, daß dem nicht Ziff. 10 der Vertragsbedingungen entgegensteht. Diese Klausel lautet:

„Die Kündigung des Vertrages ist nur aus wichtigem Grund möglich. Ein wichtiger Grund liegt u.a. vor, wenn die Parteien ihre Verpflichtungen aus diesem Vertrag trotz Mahnung und Fristsetzung nicht erfüllen. Die Kündigung hat mit eingeschriebenem Brief zu erfolgen.”

Das benachteiligt nach der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichts den Auftraggeber unangemessen, weil die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 649 Satz 1 BGB nicht zu vereinbaren ist, § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG (Kleine-Möller/Merl/Oelmaier, Handbuch des privaten Baurechts, 2. Aufl., § 2 Rdn. 627; Korbion/Locher, AGB-Gesetz und Bauerrichtungsverträge, 3. Aufl., Rdn. 148; Beckscher VOB-Komm/Motzke, § 8 Nr. 1 Rdn. 63; Vygen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 3. Aufl., Rdn. 967; a.A. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., B § 8 Rdn. 16). Nach § 649 Satz 1 BGB hat der Auftraggeber jederzeit das Recht, einen Werkvertrag zu kündigen. Dieser hat vorzugsweise Interesse an der Ausführung des Werkes und soll deshalb die Möglichkeit einer Lösung vom Vertrag für den Fall erhalten, daß das Interesse wegfällt. Diese grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers hat vor allem auch bei langfristig angelegten Werkverträgen, wie bei Bau- oder Architektenverträgen, ihre Berechtigung. Denn es können sich insbesondere bei diesen Vertragstypen nachträglich Umstände ergeben, die die ursprüngliche Entscheidung des Auftraggebers, das Werk in Auftrag zu geben, in Frage stellen. Der Auftragnehmer ist nach der Wertung des Gesetzes durch die Regelung des § 649 Satz 2 BGB ausreichend geschützt.

4. Zu Unrecht vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, die Klägerin habe den Vergütungsanspruch nicht schlüssig abgerechnet.

a) Die Klägerin hat den Pauschalpreis unter Einbeziehung der Mehrwertsteuer zuletzt wie folgt erläutert:

Vertragspreis

351.430,00

DM

davon:

erbrachte Leistungen

262.662,06

DM

(nach auf vorgelegten Rahmenverträgen basierenden Subunternehmerrechnungen, die mit Aufmaßen den Beklagten bekannt gemacht worden sind)

erbrachte Architektenleistungen

17.296,00

DM

(nach dem vorgelegten, zugrundeliegenden Architektenvertrag)

nicht erbrachte Leistungen

32.130,68

DM

(auf der Grundlage der Rahmenverträge, teilweise als während der Bauausführung geänderte oder entfallene Leistungen, teilweise als durch die Kündigung entfallene Leistungen im einzelnen aufgeschlüsselt)

nicht erbrachte Architektenleistungen

2.300,00

DM

(nach dem zugrunde liegenden Architektenvertrag)

ersparte Gemeinkosten

668,61

DM

Rest

36.352,65

DM

Sie läßt sich als Ersparnis die Beträge von 32.130,68 DM, 2.300 DM und 668,61 DM abziehen. Von der sich daraus ergebenden Forderung in Höhe von 316.330,71 DM zieht sie die Abschlagszahlungen von 210.000 DM ab. Aus dem Restbetrag von 106.330,71 DM macht sie einen Teilbetrag von 105.000 DM geltend.

b) Die vom Berufungsgericht gegen die Schlüssigkeit dieser Abrechnung erhobenen Bedenken greifen nicht durch.

aa) Das Berufungsgericht nimmt Anstoß daran, daß die erbrachten Leistungen gemäß den zuletzt mitgeteilten Subunternehmerrechnungen höher sind als in der vorherigen Abrechnung vom 3. September 1997. Ihnen liegen die den Beklagten vorgelegten Subunternehmerrechnungen mit Aufmaßen zugrunde. Daß die Klägerin zuvor anders abgerechnet hat, stellt die Schlüssigkeit der nunmehr vorgelegten Abrechnung nicht in Frage.

bb) Das Berufungsgericht bemängelt auch, daß nunmehr weniger Architektenkosten abgerechnet werden als vorher. Das ist ebenfalls nicht entscheidend. Im übrigen rechnet die Klägerin jetzt richtig auf der Grundlage der Pauschalvereinbarung mit der Architektin ab, während sie vorher fehlerhaft, auf der Grundlage der nichtigen Klausel, mit Höchstsätzen und anrechenbaren Kosten abgerechnet hat.

cc) Unschädlich ist auch, daß in der letzten Abrechnung der entstandenen Aufwendungen keine Handelsvertreterprovision auftaucht. Die Handelsvertreterprovision ist nach der Darstellung der Klägerin nicht erspart. Es liegt deshalb nahe, daß sie in dem nach Abzug der Ersparnis und nach Berechnung der erbrachten Leistungen enthaltenem Teil von 36.352,65 DM enthalten ist. Das hätte das Berufungsgericht aufklären können.

dd) Das Berufungsgericht führt weiter aus, der Vortrag der Klägerin lasse nicht erkennen, welchen Wert das erstellte Teilwerk unter Beibehaltung des Preisniveaus des vereinbarten Pauschalpreises gehabt habe. Die schlichte Erklärung, daß die tatsächlichen Kosten der Kalkulation der Pauschale entsprächen, reiche nicht aus. Diese ergebe sich nicht aus dem Kalkulationsblatt. Die Klägerin habe zudem bei den ersparten Aufwendungen nicht zwischen solchen getrennt, die durch Minderleistungen entstanden seien und solchen, die durch die Kündigung entstanden seien.

Auch diese Bedenken greifen nicht durch.

(1) Die Klägerin hat ihre Kalkulation ausreichend offen gelegt, um die Ersparnis in Höhe der Handwerkerkosten von 32.130,68 DM, der Architektenkosten von 2.300 DM und der Gemeinkosten von 668,61 DM nachzuweisen. Sie hat die einzelnen Leistungen auf der Grundlage des Vertrages bewertet und unter Beibehaltung des Preisniveaus einzeln aufgeschlüsselt. Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, wenn es den Vortrag der Klägerin nicht ausreichen läßt, die tatsächliche Abrechnung der Subunternehmer entspreche der Kalkulation. Die Klägerin war mangels ausreichender Kalkulationsunterlagen gehalten, die Preisermittlungsgrundlagen nachträglich zusammenzustellen. Das hat sie getan. Die abgerechneten Leistungen und die nicht erbrachten Leistungen sind genau benannt und die Preisermittlungsgrundlagen (Rahmenverträge mit Kosten und Massen) mitgeteilt. Insoweit unterscheidet sich der Vortrag der Klägerin von dem Vortrag, der dem Urteil des Senats vom 7. November 1996 - VII ZR 82/95 (BauR 1997, 304 = ZfBR 1997, 78) zugrunde lag. In jenem Fall scheiterte die Klage daran, daß nicht nachvollziehbare Prozentsätze vorgetragen worden waren. Hier liegt der Fall anders. Die Klägerin hat konkret abgerechnet. Das Berufungsgericht unterliegt möglicherweise dem Irrtum, daß es für die Darlegung ausschließlich auf die Kalkulation der Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt. Das ist nicht richtig. Soweit Subunternehmerleistungen bereits erbracht sind, sind deren Preise vorzutragen. Denn nur auf diese Weise ist gewährleistet, daß der Auftragnehmer durch die Kündigung keinen Vor- oder Nachteil erlangen kann. Offen bleiben kann, ob die Klägerin die ersparten Gemeinkosten und den nicht ersparten Gewinn- und Kostenanteil ausreichend aufgegliedert hat. Die Beklagten haben diesbezüglich keine konkreten Einwände erhoben, so daß die Klage nicht wegen der fehlenden Aufgliederung als unschlüssig abgewiesen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97 = BauR 1999, 635).

(2) Soweit die Abrechnung der Klägerin bei den nicht erbrachten Leistungen nicht differenziert zwischen solchen Leistungen, die durch Minderleistungen bei der Erstellung des Teilwerkes entstanden sind und solchen, die infolge der Kündigung nicht mehr erbracht wurden, fehlt den Bedenken des Berufungsgerichts schon eine tragfähige rechtliche Grundlage. Denn auf eine Differenzierung könnte es nur dann ankommen, wenn die geänderten Leistungen und Minderleistungen anders abzurechnen wären als die gekündigten Leistungen. Das ist nicht selbstverständlich (vgl. z.B. § 2 Nr. 4 VOB/B). Feststellungen des Berufungsgerichts dazu fehlen. Im übrigen hätte das Berufungsgericht diese Frage durch präzise richterliche Hinweise aufklären müssen.

5. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zumindest teilweise richtig.

Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage könnten allerdings bestehen, soweit unklar ist, ob die Klägerin Mehrwertsteuer auch für den Vergütungsteil verlangt, dem keine Leistungen zugrunde liegen. Denn nach der Rechtsprechung des Senats kann der Auftragnehmer Mehrwertsteuer nicht verlangen, soweit er Vergütung für nicht erbrachte Leistungen geltend macht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1980 - VII ZR 324/79 = BauR 1981, 198, 199 = ZfBR 1981, 80; Urteil vom 24. April 1986 - VII ZR 139/84 = BauR 1986, 577 = ZfBR 1986, 220; Versäumnisurteil vom 4. Juli 1996 - VII ZR 227/93 = BauR 1996, 846, 848 = ZfBR 1996, 310).

Die Klägerin hat die Abrechnung mit Preisen inklusive Mehrwertsteuer vorgenommen. Sie hat keine Mehrwertsteuer auf die nicht erbrachten Handwerker- und Architektenleistungen sowie auf die ersparten Gemeinkosten berechnet. Demgegenüber ist in dem nicht weiter aufgeschlüsselten Rest von 36.352,65 DM die Mehrwertsteuer von 15 % (= 4.741,64 DM) enthalten. Dieser Rest enthält den Gewinnanteil und sonstige Kostenfaktoren, wie z.B. allgemeine Geschäftskosten. Es ist unklar, wie die Klägerin diese Kostenfaktoren auf die erbrachten und nicht erbrachten Leistungen umgelegt hat.

Die Sache ist jedoch insoweit nicht entscheidungsreif. Die Klägerin ist auf diesen Gesichtspunkt bisher nicht hingewiesen worden. Ihr ist Gelegenheit zu geben, ergänzend vorzutragen. Erst dann kann beurteilt werden, in welcher Höhe sie überhaupt Mehrwertsteuer auf die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen verlangt und eine Abweisung der Klage in Betracht zu ziehen ist.

III.

Das Berufungsurteil ist deshalb insgesamt aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Klägerin erhält Gelegenheit ergänzend vorzutragen und zu prüfen, ob sie weiterhin Mehrwertsteuer auf den Vergütungsteil verlangen will, der den nicht erbrachten Leistungen zuzuordnen ist. Für diesen Fall wird das Berufungsgericht eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 EGV (früher Art. 177) zu erwägen haben. Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht sich der Auffassung des Senats anschließt, nach der auf die nicht erbrachten Leistungen keine Umsatzsteuer erhoben werden darf. Den anwendbaren Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes (vgl. dazu BGH, Urteil vom 2. Juni 1987 - X ZR 39/86 = BGHZ 101, 130, 132) liegen die entsprechenden Regelungen der 6. Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Abl. Nr. L 145 S. 1) zugrunde. Deren gemeinschaftsrechtliche Auslegung ist nicht eindeutig. Die Rechtsprechung des Senats ist umstritten (vgl. Weiß, ZIP 1987, 1193; Kapellmann, Jahrbuch Baurecht 1998, 35, 55). Mit der Auslegung der maßgeblichen Regelungen der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie ist deshalb zur Wahrung der Rechtseinheit in der Europäischen Union der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu befassen.

 

Unterschriften

Thode, Quack, Wiebel, Kuffer, Kniffka

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 08.07.1999 durch Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BB 1999, 1997

NJW 1999, 3261

NWB 1999, 3661

BauR 1999, 1294

EBE/BGH 1999, 294

EWiR 2000, 281

Nachschlagewerk BGH

WM 1999, 2124

ZAP 1999, 955

ZIP 1999, 1600

MDR 1999, 1378

ZfBR 1999, 291

ZfBR 2000, 30

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