Entscheidungsstichwort (Thema)

Herausgabeanspruch. Zurückbehaltungsrecht wegen Aufwendungen für zurückbehaltene Sache. Verstoß gegen Treu und Glauben

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Schuldner, der unberechtigt die Herausgabe einer Sache verweigert, verstößt gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, wenn er sich gegenüber dem Herausgabeanspruch auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer Gegenforderung beruft, die erst infolge seiner Herausgabeverweigerung durch Aufwendungen auf die Sache entstanden ist.

 

Normenkette

BGB § 273 a.F.

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 02.08.2001; Aktenzeichen 11 U 45/00)

LG Heilbronn

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 2.8.2001 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Herausgabe seines Ackerschleppers Frastrac und auf Schadensersatz in Anspruch. Mit ihrer Widerklage verlangt die Beklagte Zahlung von Aufwendungen für Bergungsarbeiten und Folgekosten.

Der Kläger wurde am 21.6.1997 gegen 1 Uhr nachts auf der Bundesautobahn M. in Fahrtrichtung H. in einen Verkehrsunfall verwickelt. Ein niederländischer Lkw fuhr auf das Gespann des Klägers (Zugmaschine nebst einem mit Sojaschrot beladenen Anhänger) auf. Hierbei wurden die Fahrzeuge des Klägers schwer beschädigt. Infolge des Umstürzens des Anhängers wurde der größte Teil der Ladung (rund 11 Tonnen Sojaschrot) auf der Autobahn verstreut. Die Beklagte, die ein Bergungsunternehmen betreibt, übernahm die notwendige Reinigung der Autobahn und barg Schlepper und Anhänger. Hierfür stellte sie dem Kläger unter dem 7.7.1997 insgesamt 22.581,98 DM in Rechnung.

Der Kläger verweigerte Zahlung wegen Überhöhung der Rechnung. Er verlangt von der Beklagten Herausgabe der Zugmaschine sowie Ersatz von Finanzierungskosten i.H.v. 68.262,65 DM nebst Zinsen, weil er wegen unrechtmäßiger Zurückbehaltung des Frastrac ein Ersatzfahrzeug habe anschaffen müssen. Die Beklagte verweigerte zunächst Herausgabe der Zugmaschine wegen der Zahlungsverweigerung des Klägers. Sie hat sodann den Anspruch auf Herausgabe anerkannt und sich auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Abschlepp-, Bergungs- und Standkosten berufen.

Das LG hat die Beklagte durch Teilanerkenntnis- und Endurteil zur Herausgabe der Zugmaschine Zug um Zug gegen Zahlung der Bergungskosten und der Kosten für Entsorgung, Reinigung und Standentgelte i.H.v. 16.048,86 DM, weiterer Standentgelte von 19.313,14 DM bis zum 28.6.1999 und von 31,72 DM pro Tag ab dem 29.6.1999 sowie eines weiteren Betrages i.H.v. 1.179,90 DM für eine verauslagte Rechnung verurteilt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt hat. Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz Widerklage auf Zahlung der Vergütung Zug um Zug gegen Herausgabe der Zugmaschine erhoben und ferner die Feststellung begehrt, dass sich der Kläger im Annahmeverzug befinde. Das Berufungsgericht hat durch Versäumnisurteil v. 22.2.2001 die Berufung des Klägers zurückgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision des Klägers hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Herausgabeverlangen des Klägers aus § 985 BGB könne die Beklagte ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) entgegenhalten. Der Beklagten stehe ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB a.F. zu. Sie sei zur Herausgabe des Schleppers nur Zug um Zug gegen Erfüllung ihrer aus dem Bergungsvertrag der Parteien folgenden Ansprüche verpflichtet. Am wirtschaftlichen Zusammenhang von Forderung und Gegenforderung (Konnexität) könne kein Zweifel bestehen, weil die Beklagte durch Ausführung der Bergungsarbeiten in Besitz des Schleppers gekommen sei. Im Übrigen hat das Berufungsgericht auf die von ihm für zutreffend gehaltenen Ausführungen des LG Bezug genommen.

b) Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

aa) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass als Grundlage für eine Zurückbehaltung des Schleppers durch die Beklagte § 273 BGB a.F. in Betracht kommt, weil die nichterfüllten Zahlungsansprüche der Beklagten und der Herausgabeanspruch des Klägers nicht auf gegenseitigem Vertrag beruhen. Mit Recht ist es im Anschluss an die Erwägungen des LG auch davon ausgegangen, dass nach dieser Vorschrift die Verpflichtungen des Schuldners und sein Anspruch, wegen dessen Nichterfüllung er die von ihm geschuldete Leistung zurückbehalten will, aus "demselben rechtlichen Verhältnis" stammen müssen und dieser Begriff nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht erfordert, dass die sich gegenüberstehenden Ansprüche auf demselben Rechtsverhältnis beruhen. Vielmehr genügt es, wenn ihnen ein innerlich zusammenhängendes, einheitliches Lebensverhältnis zu Grunde liegt, wenn beide Ansprüche also aus Rechtsgeschäften hervorgegangen sind, die in einem solchen natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den der anderen Seite zustehenden geltend gemacht und durchgesetzt werden könnte (BGH v. 27.9.1984 - IX ZR 53/83, BGHZ 92, 194 [196] = MDR 1985, 137; v. 3.7.1991 - VIII ZR 190/90, BGHZ 115, 99 [103 f.] = MDR 1991, 841). Als besonderer Anwendungsfall des Verbots unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) darf das Zurückbehaltungsrecht nicht in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise ausgeübt werden (BGH v. 8.1.1990 - II ZR 115/89, MDR 1990, 700 = NJW 1990, 1171 [1172], m.w.N.; v. 11.4.1984 - VIII ZR 302/82, BGHZ 91, 73 [83] = MDR 1984, 1018; v. 17.11.1999 - XII ZR 281/97, MDR 2000, 213 = NJW 2000, 948 [949]). Da es nur der Sicherung eigener Ansprüche dient, ist seine Ausübung u.a. dann ausgeschlossen, wenn der Schuldner wegen einer unverhältnismäßig geringen Forderung die gesamte Leistung zurückbehalten will (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 273 Rz. 18, m.w.N.). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich auf der Grundlage der einzelnen Umstände, insbes. aber der Höhe der Forderung zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts.

bb) Diese Grundsätze haben die Instanzgerichte nicht beachtet. Bei der Prüfung des Gegenstandes und der Höhe des Zahlungsanspruchs der Beklagten hat das LG nicht nur eine Konnexität zwischen dem Herausgabeanspruch des Klägers und dem Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Bergungs- und Abschleppkosten laut Rechnung v. 22.7.1997 in der tatsächlich gerechtfertigten Höhe angenommen, sondern rechtsfehlerhaft auch alle nach der Verweigerung der Herausgabe des Schleppers durch die Beklagte entstandenen Kosten, vor allem die "Standgebühren", in der zuerkannten Höhe einbezogen. Das LG ist von einer zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bestehenden Gegenforderung der Beklagten i.H.v. 36.541,90 DM (16.048,86 DM Abschleppkosten, Reinigung und "Standgebühren" laut Rechnung v. 7.7.1997, ferner 1.179,90 DM Gutachterkosten und 19.313,14 DM weitere Standgebühren) sowie täglichen Standkosten von 31,72 DM zzgl. Mehrwertsteuer ab 29.6.1999 ausgegangen. Es hat der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zuerkannt, weil "unabhängig von dem 1998 veranschlagten Restwertes des Frastrac von ca. 45.000 bis 75.000 DM ... auch wegen eines geringeren Betrages (der Gegenforderung) die Zurückbehaltung erfolgen" könne, "damit der Kläger einen Anreiz" habe, "das Fahrzeug schnellstmöglich auszulösen, zumal mittlerweile von einem erheblichen Wertverlust auszugehen" sei. Damit hat das LG in seiner Bewertung nicht das zum Zeitpunkt des Herausgabeverlangens des Klägers und der Verweigerung der Herausgabe durch die Beklagte bestehende Verhältnis zwischen dem Herausgabeanspruch des Klägers und dem Vergütungsanspruch der Beklagten abgewogen, sondern fehlerhaft ein Wertverhältnis zu Grunde gelegt, das zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts noch nicht bestand, wie die Revision mit Recht rügt (§ 286 ZPO).

c) Bereits aus diesem Grunde konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Bei der erneuten Befassung mit der Sache wird das Berufungsgericht zunächst klären müssen, wann der Kläger erstmals Herausgabe verlangt hat und welche Forderung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt welchem Wert der Gegenstände gegenüberstand, deren Herausgabe die Beklagte wegen ihrer Ansprüche verweigert hat. In diesem Zusammenhang wird es dem unter Beweis gestellten Vorbringen des Klägers nachgehen müssen, am 22.6.1997 habe er die Herausgabe des Fahrzeugs von der Beklagten verlangt, die Beklagte habe dessen Herausgabe bereits damals von der vorherigen Begleichung der vollen Kosten abhängig gemacht, obwohl der Restwert der Zugmaschine die berechtigte Kostenhöhe bei weitem überstiegen habe. Vor allem wird das Berufungsgericht bei seiner Würdigung berücksichtigen müssen, dass die Summe der Rechnung v. 7.7.1997, wie von beiden Instanzgerichten festgestellt, tatsächlich mit 28 % beträchtlich überhöht war und dass nach der Behauptung des Klägers die bei dem Unfall beschädigte Zugmaschine in dessen landwirtschaftlichem Betrieb dringend benötigt wurde. Bei seiner Abwägung wird das Berufungsgericht davon ausgehen müssen, dass es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Im Rahmen der gebotenen Abwägung wird allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass ein Zurückbehaltungsrecht auch dann gegeben sein kann, wenn der Wert der Forderung, wegen der die Herausgabe eines Gegenstandes verweigert wird, erheblich geringer ist als der Wert der herausverlangten Sache; denn das Recht auf Zurückbehaltung würde seinen vom Gesetzgeber verfolgten Zweck verlieren, auf den Schuldner Druck auszuüben, wenn es nur dann ausgeübt werden könnte, wenn das Wertverhältnis in etwa ausgeglichen ist. Sollte das Berufungsgericht, möglicherweise nach ergänzendem Vortrag der Parteien und weiterer Beweisaufnahme, zu dem Ergebnis gelangen, dass zu dem maßgeblichen Zeitpunkt bereits kein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten bestand, so konnte ein solches Recht auch nicht nachträglich wegen weiterer "Standgebühren" entstehen. Es mag bereits zweifelhaft sein, ob zwischen dem Herausgabeanspruch des Klägers und den "Standgebühren" ein Zusammenhang i.S.d. § 273 BGB a.F. besteht. Jedenfalls wäre es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, wenn die Beklagte durch unberechtigte Verweigerung der Herausgabe eine Gegenforderung schaffen könnte, die sie zur Zurückbehaltung berechtigte.

2. Das LG hat den mit Klageantrag zu 2) geltend gemachten Schadensersatzanspruch des Klägers, mit dem dieser Ersatz der Finanzierungskosten für eine neue Zugmaschine i.H.v. 68.262,50 DM verlangt hat, mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei berechtigt gewesen, das Fahrzeug zurückzubehalten. Das Berufungsgericht ist dem ohne Begründung gefolgt. Sollte sich erweisen, dass ein Zurückbehaltungsrecht zu dem maßgeblichen Zeitpunkt nicht bestand, wird der Schadensersatzanspruch des Klägers erneut zu prüfen sein.

3. a) Das Berufungsgericht hat der Beklagten einen Vergütungsanspruch auf Zahlung von 16.048,86 DM (Bergungskosten), von weiteren 1.179,90 DM (Gutachterkosten), 19.313,14 DM (weitere "Standgebühren" v. 7.7.1997 bis 28.6.1999) sowie kalendertägliche Standgebühren ab 29.6.1999i.H.v. 31,72 DM/Tag zzgl. 16 % Mehrwertsteuer, Zug um Zug gegen Herausgabe des Ackerschleppers aus Werkvertrag (§ 631 BGB a.F.) zuerkannt. Es hat angenommen, zwischen den Parteien sei an der Unfallstelle wirksam ein Werkvertrag zu Stande gekommen. Der Kläger sei bei der Auftragserteilung geschäftsfähig gewesen. Geschäftsunfähigkeit habe er nicht bewiesen. Jedenfalls sei der Anspruch auf Aufwendungsersatz auch aus Geschäftsführung ohne Auftrag begründet (§§ 683, 670 BGB). Ein entgegenstehender Wille des Klägers sei nach § 679 BGB unbeachtlich. Da die Beklagte das Bergen und Abschleppen von Unfallfahrzeugen gewerblich betreibe, könne die Beklagte hierfür die übliche Vergütung beanspruchen.

Die hiergegen geführten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg. Selbst wenn entgegen den Feststellungen des Berufungsgerichts von der Geschäftsunfähigkeit des Klägers auszugehen wäre, änderte dies im Ergebnis nichts. Das Berufungsgericht hat jedenfalls zurecht einen Anspruch der Beklagten aus §§ 683, 670 BGB bejaht.

b) aa) Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs der Beklagten hat sich das Berufungsgericht die Feststellungen des LG zu Eigen gemacht. Dieses hat sachverständig beraten bei der Ermittlung des üblichen Entgelts auf die Branchenüblichkeit abgestellt. Die Ortsüblichkeit der Leistung könne nicht ermittelt werden, weil es vom Standort der Beklagten gesehen im Umkreis von 10, 15 oder auch mehr Kilometern keine vergleichbaren Unternehmen gebe. Das Vorbringen des Klägers, der Unternehmer P. hätte die Bergung zu einem Drittel des Preises der Beklagten ausgeführt, hat das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang nicht als entscheidungserheblich angesehen.

bb) Auch diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

Mit Recht rügt die Revision, der Sachverständige B. habe die an-gemessenen Kosten der Bergung auf der Grundlage einer sog. Preis- und Strukturumfrage ermittelt, die der Verband der Bergungs- und Abschleppunternehmen e.V. durchgeführt habe. Bei der Würdigung dieses Beweisergebnisses habe das Berufungsgericht das unter Beweis gestellte Vorbringen des Klägers außer Acht gelassen, dass es in dem beschriebenen Umkreis der Beklagten zwei Unternehmen, die Fa. H. in S. und die Fa. P. in N. gebe, deren Geschäftstätigkeit mit der der Beklagten identisch sei und die den vorliegenden Bergungs- und Abschleppfall zu einem Preis von 5.000 - 6.000 DM abgewickelt hätten. Üblich sei dieser Preis.

Mangels Vereinbarung ist nach § 632 Abs. 2 BGB a.F. die übliche Vergütung zu zahlen. Üblich ist die Vergütung, die zurzeit des Vertragsschlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt. Vergleichsmaßstab sind Leistungen gleicher Art, gleicher Güte und gleichen Umfangs. Die Anerkennung der Üblichkeit setzt damit gleiche Verhältnisse in zahlreichen Einzelfällen voraus (BGH v. 26.10.2000 - VII ZR 239/98, BGHReport 2001, 2 = MDR 2001, 212 = NJW 2001, 151 [152], m.w.N.; Soergel in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 632 Rz. 14). Die auf Grund von Abfragen durch einen Berufsverband ermittelte branchenübliche Vergütung entspricht nicht zwingend der ortsüblichen Vergütung. Der gerichtliche Sachverständige hat, wie seine Anhörung vor dem LG und vor allem sein Beispiel der ortsüblichen Mieten deutlich machen, das Bestehen ortsüblicher Preise bei Bergungsunternehmen verneint, weil in vielen Fällen im Umkreis von 10, 15 oder mehr Kilometern keine vergleichbaren Unternehmen bestünden; er hat demnach nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse abgestellt, sondern den allgemein branchenüblichen Preis seinen Ausführungen zu Grunde gelegt. Die Instanzgerichte sind dem gefolgt, ohne den Vortrag des Klägers zu berücksichtigen, im Streitfall bestünden in unmittelbarer Umgebung der Beklagten zwei vergleichbare Unternehmen mit erheblich niedrigeren Preisen. Ermittlungen zum ortsüblichen Preis wird das Berufungsgericht nunmehr bei seiner erneuten Würdigung nachzuholen haben.

II. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht weiter Folgendes zu beachten haben:

Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung sein Versäumnisurteil v. 22.2.2001 aufrechterhalten. Den Erlass des Versäumnisurteils hat es damit begründet, der Kläger sei säumig gewesen, weil er nach Kündigung des Mandats seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht mehr ordnungsgemäß durch einen beim OLG zugelassenen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei.

Dies greift die Revision mit Recht als verfahrensfehlerhaft an.

Nach § 542 Abs. 1 ZPO a.F. ist die Berufung auf Antrag durch Versäumnisurteil zurückzuweisen, wenn der Berufungskläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint. Nach Abs. 3 gelten im Übrigen die Vorschriften über das Versäumnisverfahren im ersten Rechtszug (§§ 330, 333 ZPO a.F.). Danach kann ein Versäumnisurteil gegen den Kläger ergehen, wenn dieser nicht erscheint oder nicht verhandelt. Verhandelt hat, wer sich zur Sache geäußert und Anträge gestellt hat. Die Stellung der Sachanträge ist regelmäßig als ein Verhandeln anzusehen, da in einem Sachantrag in aller Regel zugleich eine tatsächliche oder rechtliche Stellungnahme liegt (Prütting in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 333 Rz. 7).

Dies war hier der Fall. Ausweislich des Sitzungsprotokolls ist bei Aufruf in der Berufungsverhandlung v. 15.2.2001 der Prozessbevollmächtigte des Klägers erschienen. Nach Erörterung des Sach- und Streitstandes wurden die Anträge gestellt. Das Gericht unterbreitete sodann einen Vergleichsvorschlag, der den Kläger veranlasste, seinem Prozessbevollmächtigten das Mandat zu entziehen und die Beiordnung eines Notanwalts zu beantragen. Da verhandelt worden ist, greift § 333 ZPO a.F. selbst dann nicht ein, wenn nach der Verhandlung die Vertretung niedergelegt oder die Fortsetzung der Verhandlung verweigert wird (Baumbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 333 Rz. 4 f.). Hiervon abgesehen konnte das Erlöschen der Vollmacht gem. § 87 Abs. 1 ZPO rechtliche Wirksamkeit erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts erlangen, so dass der Kläger auch nach der Kündigung des Mandatsvertrages durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1209803

DB 2004, 2810

NJW 2004, 3484

BGHR 2004, 1639

JurBüro 2005, 166

ZAP 2004, 1207

MDR 2004, 1287

GuT 2004, 185

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