Entscheidungsstichwort (Thema)

Aktivlegitimation nach Abtretung der Forderung und anschließend herbeigeführten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen. Prozessbürgschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Der Streitgegenstand ändert sich nicht, wenn der Kläger seine Aktivlegitimation zunächst aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und später aus einer Abtretung der Klageforderung herleitet (im Anschluss an BGH, Urt. v. 23.3.1999 - VI ZR 101/98, MDR 1999, 884 = WM 1999, 1065, 1066).

 

Normenkette

BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 398; ZPO §§ 253, 829, 835

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 13.07.2006; Aktenzeichen 13 U 226/05)

LG Stuttgart (Entscheidung vom 26.10.2005; Aktenzeichen 21 O 530/04)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 13.7.2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens, mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die die Streithelferin der Beklagten trägt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem und gepfändetem Recht als Prozessbürgin in Anspruch.

[2] Die I. GmbH (im Folgenden: I.) wurde durch - inzwischen rechtskräftiges - Vorbehaltsurteil des LG E. vom 23.12.1998 verurteilt, 90.943 DM nebst Zinsen an die IM. GmbH (im Folgenden: IM.) zu zahlen. Der I. wurde nachgelassen, die Vollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil durch Sicherheitsleistung i.H.v. 105.000 DM abzuwenden. Nach dem Beschluss des LG E. vom 28.1.1999 konnte die Sicherheitsleistung auch durch eine Bankbürgschaft erbracht werden.

[3] Am 29.7.1999 verbürgte sich die Beklagte ggü. der IM. für die von der I. zu leistende Sicherheit i.H.v. 52.600,95 DM. Die IM. trat der Klägerin am 10.9.1999 ihre Forderungen aus dem Rechtsstreit gegen die I. und aus der Bürgschaft sicherungshalber ab. Am selben Tag erklärte sie in einem notariell beurkundeten Schuldanerkenntnis, der Klägerin 260.000 DM zu schulden, und unterwarf sich der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgelehnt worden war, wurde die IM. im Jahre 2002 im Handelsregister gelöscht. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17.2.2003 wurden die Forderungen der IM. gegen die I. und gegen die Beklagte gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen.

[4] Die Klage auf Zahlung von 26.894,44 EUR (= 52.600,95 DM) nebst Zinsen hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

[5] Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

I.

[6] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

[7] Die Klägerin sei aufgrund der Abtretung vom 10.9.1999 aktivlegitimiert. Außerdem habe sie, auch wenn sie als Zessionarin bereits materielle Rechtsinhaberin gewesen sei, die Forderung der IM. pfänden können, um Inhaberin der formell titulierten Rechtsposition zu werden. Die Pfändungen seien nicht aus formellen Gründen nichtig. Die gepfändete Forderung sei in dem Beschluss vom 11.2.2003 ausreichend genau bezeichnet. Dass die IM. als Vollstreckungsschuldnerin bereits seit dem Jahre 2002 im Handelsregister gelöscht gewesen sei, stehe der Wirksamkeit der Pfändung nicht entgegen.

[8] Die Klageforderung sei nicht verjährt. Ein Anspruch aus einer Prozessbürgschaft verjähre wie die titulierte Hauptforderung in 30 Jahren. Aus § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergebe sich eine Gleichwertigkeit von Bürgschaft und Hinterlegung. Der Anspruch auf Herausgabe hinterlegter Gegenstände erlösche gem. § 21 Abs. 1 HinterlO grundsätzlich nach 30 Jahren.

[9] Auch bei Zugrundelegung einer nur dreijährigen Verjährungsfrist sei keine Verjährung eingetreten. Die gem. Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB bis zum 31.12.2004 laufende Verjährungsfrist sei durch die Zustellung der Klage am 15.12.2004 gehemmt worden. Dies gelte nicht nur, wenn die Klägerin die Bürgschaftsforderung durch die Pfändung erworben habe, auf die die Klage von Anfang an gestützt worden sei, sondern auch bei einem Erwerb durch die Abtretung, auf die die Klägerin sich erstmals im Schriftsatz vom 1.6.2005 bezogen habe. Streitgegenstand sei immer die Bürgschaftsforderung gewesen, die die Klägerin aus fremdem Recht geltend gemacht habe. Ob die Klägerin durch Abtretung oder durch Pfändung Rechtsinhaberin geworden sei, habe auf den Streitgegenstand der Bürgschaftsklage keinen Einfluss.

II.

[10] Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

[11] 1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen festgestellt, dass die Klägerin aufgrund der Abtretung vom 10.9.1999 Inhaberin der Forderung gem. § 765 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte in Höhe der Klagesumme geworden ist. Deshalb braucht nicht entschieden zu werden, ob die Klägerin auch aufgrund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17.2.2003 aktivlegitimiert ist, d.h. ob die Klägerin die Forderung, deren Inhaberin sie bereits durch die Abtretung geworden war, noch wirksam pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen konnte (bejahend: OLG Köln WM 1978, 383, 385; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 22. Aufl., § 829 Rz. 21, 67; Musielak/Becker, ZPO 5. Aufl., § 829 Rz. 8; Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl., § 829 Rz. 11; HK-ZPO/Kemper, § 829 Rz. 9; vgl. auch RGZ 86, 135, 137; verneinend: Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht 10. Aufl., § 54 S. 636; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz 2. Aufl., § 829 Rz. 18).

[12] 2. Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klageforderung sei nicht verjährt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

[13] a) Dies gilt auch dann, wenn für den Anspruch aus der Prozessbürgschaft vom 29.7.1999 die kürzeste in Betracht kommende, nämlich die dreijährige Verjährungsfrist gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB gilt, die nach der rechtsfehlerfreien und von der Revision unangegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts am 31.12.2004 endete. Deshalb kann dahinstehen, ob aufgrund einer längeren Verjährungsfrist, eines späteren Fristbeginns, etwa erst mit der Inanspruchnahme des Bürgen, oder einer Ablaufhemmung, z.B. bis zur Verjährung der Hauptschuld (vgl. Palandt/Sprau, BGB 66. Aufl., § 765 Rz. 26 m.w.N.), von einem späteren Ende der Verjährungsfrist auszugehen ist.

[14] b) Die Verjährungsfrist ist durch die Zustellung der Klageschrift am 15.12.2004 gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Aktivlegitimation in der Klageschrift nur mit den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 11. und 17.2.2003 begründet und erst nach Ablauf der Verjährungsfrist in einem Schriftsatz vom 1.6.2005 auf die Abtretung vom 10.9.1999 gestützt worden ist.

[15] Die Erhebung der Klage hemmt die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch (BGH, Urt. v. 4.5.2005 - VIII ZR 93/04, MDR 2005, 1153 = BGHReport 2005, 1165 = NJW 2005, 2004, 2005 m.w.N.). Hingegen erstreckt sich die Verjährungshemmung nicht auf Ansprüche, die nicht Gegenstand der Klageerhebung waren (vgl. BGH v. 5.5.1988 - VII ZR 119/87, BGHZ 104, 268, 271 ff. = MDR 1988, 852; BGH, Urt. v. 23.3.1999 - VI ZR 101/98, MDR 1999, 884 = WM 1999, 1065, 1066). Der auf die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse und der auf die Abtretung gestützte Anspruch ist entgegen der Auffassung der Revision derselbe prozessuale Anspruch.

[16] aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH wird mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgebehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. In diesem Sinn geht der Klagegrund über die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGH v. 19.12.1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5 f. = MDR 1992, 293; BGH, Urt. v. 6.5.1999 - III ZR 265/98, MDR 1999, 952 = NJW 1999, 3126, 3127 m.w.N.).

[17] Nach diesen Grundsätzen liegt im Übergang von einem Anspruch aus eigenem Recht zu einem solchen aus abgetretenem Recht wegen der Änderung des dazu vorgetragenen Lebenssachverhalts grundsätzlich ein Wechsel des Streitgegenstandes im Sinne einer Klageänderung gem. § 263 ZPO (BGH, Urt. v. 4.5.2005 - VIII ZR 93/04, MDR 2005, 1153 = BGHReport 2005, 1165 = NJW 2005, 2004, 2005). Hingegen ändert sich der Streitgegenstand nicht, wenn bei einer stillen Sicherungszession der Zedent die abgetretene Forderung zunächst aufgrund der ihm eingeräumten Einziehungsermächtigung geltend macht und später aufgrund einer Rückabtretung des Sicherungsnehmers weiterverfolgt. Dasselbe gilt für eine Umstellung des Klageantrages auf Zahlung an den Sicherungsnehmer nach Offenlegung der Sicherungsabtretung. Bei einer stillen Zession macht der Zedent nämlich aufgrund der Einziehungsermächtigung, auch wenn er Zahlung an sich verlangt, grundsätzlich die an den Sicherungsnehmer abgetretene Forderung geltend (BGH, Urt. v. 23.3.1999 - VI ZR 101/98, MDR 1999, 884 = WM 1999, 1065, 1066).

[18] bb) Gemessen hieran hat sich der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht dadurch geändert, dass die Klägerin den Anspruch gegen die Beklagte gem. § 765 Abs. 1 BGB aufgrund der Prozessbürgschaft vom 29.7.1999 zunächst auf die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17.2.2003 und später auf die Abtretung vom 10.9.1999 gestützt hat. Die Klägerin hat, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, unabhängig von der Begründung ihrer Aktivlegitimation, immer die in der Person der IM. entstandene Bürgschaftsforderung gegen die Beklagte geltend gemacht. Die Revision wendet hiergegen ohne Erfolg ein, die Klägerin sei aufgrund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse aus fremdem Recht, aufgrund der Abtretung hingegen aus eigenem Recht vorgegangen. Die Überweisung einer Forderung zur Einziehung bewirkt zwar keinen Forderungsübergang (BGH v. 25.3.1991 - II ZR 13/90, BGHZ 114, 138, 141 = MDR 1991, 736) und steht deshalb einer Forderungsabtretung nicht gleich (Stöber, Forderungspfändung 14. Aufl. Rz. 589). Sie verschafft dem Vollstreckungsgläubiger aber ein eigenes Einziehungsrecht und ermächtigt ihn, die Forderung in eigenem Namen einzuziehen (BGH, Urt. v. 8.10.1981 - VII ZR 319/80, MDR 1982, 221 = WM 1981, 1338). Deshalb tritt - ebenso wie bei Geltendmachung einer abgetretenen Forderung aufgrund einer rechtsgeschäftlich erteilten Einziehungsermächtigung und später aufgrund einer Rückabtretung (BGH, Urt. v. 23.3.1999 - VI ZR 101/98, MDR 1999, 884 = WM 1999, 1065, 1066) - keine Änderung des Streitgegenstandes ein, wenn - wie hier - eine Forderung zunächst aufgrund des durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlangten Einziehungsrechts und später aufgrund einer Abtretung geltend gemacht wird. Der zeitliche Abstand zwischen der Abtretung und dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist entgegen der Auffassung der Revision für die Bestimmung des Streitgegenstandes unerheblich (vgl. BGH, Urt. v. 23.3.1999 - VI ZR 101/98, MDR 1999, 884 = WM 1999, 1065).

III.

[19] Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1762251

NJW 2007, 2560

BGHR 2007, 887

EBE/BGH 2007

JurBüro 2007, 556

WM 2007, 1241

WuB 2007, 825

ZAP 2007, 828

ZIP 2007, 1779

InVo 2007, 412

MDR 2007, 1152

RÜ 2007, 397

ZBB 2007, 389

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