Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummietvertrag. Aufzugskosten. Aufzug nicht nutzbar. Aufzug in anderem Gebäudeteil. Unangemessene Benachteiligung des Mieters. Umlage von Aufzugskosten auf Mieter

 

Leitsatz (amtlich)

Eine formularmäßige Vereinbarung in einem Wohnraummietvertrag, durch die ein Mieter anteilig mit Kosten für einen Aufzug belastet wird, mit dem seine Wohnung nicht erreicht werden kann, weil sich der Aufzug in einem anderen Gebäudeteil befindet, benachteiligt den Mieter unangemessen (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 20.9.2006 - VIII ZR 103/06, NJW 2006, 3557).

 

Normenkette

BGB § 556 Abs. 1; II. BVO § 27 Abs. 1; BGB § 307

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 11.03.2008; Aktenzeichen 65 S 111/07)

AG Berlin-Charlottenburg (Entscheidung vom 01.03.2007; Aktenzeichen 223 C 328/06)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 65 des LG Berlin vom 11.3.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Die Beklagte ist seit 1991 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in B. Der Formularmietvertrag der Parteien enthält folgende Regelungen:

"§ 3 Miete und Nebenkosten ... 2. Nebenkosten (z.B. Heizkostenvorschuss) Betriebskostenvorschuss gem. § 27 der II. BVO zur Zeit 95, - DM Heizkostenvorauszahlung zur Zeit 140, - DM ... § 4 Zahlung der Miete und der Nebenkosten ... 2. Die Nebenkosten für ______ werden in Form monatlicher Abschlagszahlungen erhoben und sind jährlich nach dem Stichtag vom ______ eines jeden Jahres mit dem Mieter abzurechnen. ... ... § 6 Benutzung der Aufzugsanlagen und Treppenhausreinigung 1. Der Mieter ist berechtigt, vorhandene Aufzugsanlagen mitzubenutzen. ..."

[2] Die Wohnung der Beklagten befindet sich im 4. Obergeschoss des hinteren Quergebäudes des Anwesens, das aus einem Vorderhaus, zwei Seitenflügeln und diesem Quergebäude besteht. Im Vorderhaus ist ein Aufzug vorhanden, mit dem die Wohnungen im Quergebäude nicht erreicht werden können. Die Beklagte weigert sich deshalb, die in den Betriebskostenabrechnungen der Klägerin für die Jahre 2002 bis 2005 enthaltenen Aufzugskosten zu bezahlen. Ein sich nach Abzug der Aufzugskosten zu ihren Gunsten rechnerisch ergebendes Guthaben von insgesamt 304,16 EUR verrechnete sie mit der Miete; die sich zu ihren Lasten aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2004 ergebende Nachforderung von 29,51 EUR beglich sie nicht.

[3] Mit der Klage macht die Klägerin u.a. die wegen der Verrechnung rückständige Miete und den Nachzahlungsbetrag aus der Betriebskostenabrechnung 2004i.H.v. insgesamt 333,67 EUR nebst Zinsen geltend. Das AG hat die Klage insoweit abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

[4] Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

[5] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

[6] Die Parteien hätten die Umlegung der Fahrstuhlkosten nicht vereinbart. Sie hätten zwar in § 3 Nr. 2 des Mietvertrags die Umlage der Betriebskosten i.S.d. § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung vorgesehen, also auch die Umlage von etwaigen Fahrstuhlkosten. Gemäß § 556a Abs. 1 BGB seien Betriebskosten auch nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen, wenn nichts anderes vereinbart sei. Aus der Bezeichnung der Wohnung im Mietvertrag mit "W., Quergebäude" lasse sich jedoch nicht ersehen, ob als maßgebliche Wirtschaftseinheit lediglich das Quergebäude oder sämtliche auf dem Gründstück W. befindlichen Gebäude gemeint sein sollten. Mangels ausdrücklicher Bezeichnung im Mietvertrag sei nur das konkrete Gebäude, im dem sich die Wohnung befinde, als diejenige Einheit anzusehen, für die die Parteien die Umlage der Betriebskosten vereinbart hätten. Danach dürfe die Klägerin hier nur die Betriebskosten des Quergebäudes umlegen.

[7] Auch wenn § 19 des Wohnungsförderungsgesetzes (gemeint wohl: § 19 Abs. 2 des Wohnraumförderungsgesetzes - WoFG - in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung) und § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung als Betriebskosten diejenigen Kosten definierten, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück entstünden, werde auch dort hinsichtlich der übrigen Kosten auf das Gebäude abgestellt; der Gesetzgeber unterscheide zwischen Betriebskosten, die durch das Grundstück entstünden und hinsichtlich derer eine Wirtschaftseinheit hinsichtlich sämtlicher auf dem Grundstück stehender Gebäude gebildet werden müsse, und gebäudebezogenen Betriebskosten. Das ergebe sich weiter aus § 24 Abs. 2 der NeubaumietenVO, wonach im öffentlich geförderten preisgebundenen Wohnungsbau der Vermieter (nur) den Erdgeschossmieter von den Kosten des Fahrstuhls freistellen könne. Da in einem Nachbargebäude wohnhafte Mieter noch weniger Nutzen vom Aufzug hätten, müsse der Gesetzgeber davon ausgegangen sein, dass sie von vornherein keine Fahrstuhlkosten zu tragen hätten.

[8] Danach seien als Gebäude i.S.v. § 19 WoFG bei größeren Wohnanlagen grundsätzlich die Bauten mit jeweils eigenem Aufgang anzusehen. Ein Quergebäude in einem Berliner Altbau mit Hinterhöfen sei deshalb ein eigenständiges Gebäude in diesem Sinne. Der Vermieter dürfe zwar Wirtschaftseinheiten aus mehreren Gebäuden bilden, wenn dies sachdienlich sei. Voraussetzung sei jedoch dieselbe Bauweise und Ausstattung der zusammengefassten Gebäude, soweit sich diese Merkmale auf die geltend gemachten Betriebskosten auswirkten.

II.

[9] Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

[10] 1. Allerdings haben die Parteien entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung in § 3 Nr. 2 des Mietvertrags grundsätzlich gem. § 556 Abs. 1 BGB vereinbart, dass die Beklagte Betriebskosten i.S.v. § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung (im Folgenden: II. BV) zu tragen hat. Nach der Rechtsprechung des Senats genügt für die Berechtigung zur Umlegung von Betriebskosten eine Verweisung im Mietvertrag auf die Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV, sofern es sich nicht um "sonstige Betriebskosten" im Sinne von Nr. 17 der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV handelt (BGH vom 27.6.2007 - VIII ZR 202/06, NJW 2007, 3060, Tz. 19; v. 7.4.2004 - VIII ZR 167/03, NJW-RR 2004, 875, unter II 1b bb). Der Verweis auf § 27 II. BV findet sich in dem Mietvertrag der Parteien zwar nur im Zusammenhang mit der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Betriebskostenvorschusses. Dadurch wird jedoch für den Mieter hinreichend deutlich, dass er Betriebskosten im Sinne der in § 27 Abs. 1 II. BV enthaltenen Definition zu tragen hat und dass es sich bei dem Vorschuss um Abschlagszahlungen auf solche Betriebskosten handelt. Die Vereinbarung zur Übernahme der Betriebskosten durch den Mieter wird ferner nicht dadurch unklar (§ 307 Abs. 1 Satz 3 BGB), dass der Mietvertrag nur eine Bezugnahme auf § 27 II. BV und nicht zugleich auf die Anlage 3 zu dieser Vorschrift enthält, in der die umlagefähigen Betriebskosten, u.a. die Kosten des Betriebs des maschinellen Personen- oder Lastenaufzuges (Nr. 7), aufgeführt sind. Die Maßgeblichkeit dieser Aufstellung ergibt sich erkennbar daraus, dass § 27 Abs. 1 Satz 2 II. BV in der zur Zeit des Vertragsabschlusses der Parteien geltenden Fassung unmittelbar auf diese Anlage 3 verwiesen hat.

[11] 2. Mit der Vereinbarung in § 3 Nr. 2 des Mietvertrages hat die Klägerin der Beklagten jedoch nicht wirksam anteilige Kosten der im Vorderhaus befindlichen Aufzugsanlage auferlegt. Dabei kann offen bleiben, ob sich diese Beschränkung der Umlagevereinbarung schon im Wege der Auslegung der genannten Mietvertragsklausel ergibt, wie das Berufungsgericht angenommen hat. Jedenfalls würde die Beklagte durch eine Verpflichtung zur anteiligen Übernahme der Aufzugskosten unangemessen benachteiligt, so dass eine solche Bestimmung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam wäre.

[12] a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 II. BV sind allerdings Betriebskosten alle Kosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Dazu gehören hier auch die Aufzugskosten, unabhängig davon, ob man das Quergebäude, in dem sich die Wohnung der Beklagten befindet, - wie das Berufungsgericht - als selbständiges Gebäude betrachtet, das mit den übrigen Gebäuden auf dem Grundstück "W." lediglich eine Wirtschaftseinheit bildet, oder ob es sich dabei - wie die Revision geltend macht - um einen Teil eines einheitlichen Gebäudes handelt, das aus Vorderhaus, Seitenflügeln und Quergebäude besteht.

[13] b) Es ist jedoch anerkannt, dass an Kosten für Einrichtungen, die einzelnen Mieter zur alleinigen Nutzung überlassen sind, die "ausgeschlossenen" Mieter nicht beteiligt werden dürfen (BGH, Urt. v. 26.5.2004 - VIII ZR 135/03, WuM 2004, 399, unter II 2, für Gartenflächen; KG, GE 2005, 1424, 1425, für Heizungsanlagen; OLG Düsseldorf, DWW 2000, 54, für Aufzugsanlagen; MünchKomm/BGB/Schmid, 5. Aufl., § 556a Rz. 8; Ehlert, in: Bamberger/Roth, 2. Aufl., § 556a Rz. 13). Wenn etwa ein Aufzug nur in eine Dachgeschosswohnung führt, hat folglich der Mieter dieser Wohnung die Aufzugskosten allein zu tragen (Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., § 556a BGB Rz. 101).

[14] Entsprechendes muss gelten, wenn der Aufzug nur einem Teil der Mieter eines Gebäudes oder einer Wirtschaftseinheit zur Verfügung steht. Auf die Mieter der übrigen Wohnungen, die durch den Aufzug nicht erschlossen werden in dem Sinne, dass von dem Aufzug aus kein Zugang zu den Wohnungen besteht, können Aufzugskosten deshalb nicht umgelegt werden (LG Berlin, GE 2005, 1489; Staudinger/Weitemeyer, BGB (2006), § 556a Rz. 26; Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 535 Rz. 89). So liegt der Fall hier. Die Wohnung der Beklagten ist nach den unangegriffen gebliebenen tatrichterlichen Feststellungen mit dem Aufzug, der sich im Vorderhaus befindet, nicht zu erreichen.

[15] c) Dadurch unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von dem Fall des Erdgeschossmieters, dessen Wohnung mit dem Aufzug erreicht werden kann, auch wenn er ihn wegen der Lage seiner Wohnung faktisch nicht nutzt. Für diesen Fall hat der Senat (Urt. v. 20.9.2006 - VIII ZR 103/06, NJW 2006, 3557, Tz. 12 ff.) ausgesprochen, dass der Erdgeschossmieter eine Beteiligung an den Aufzugskosten aufgrund eines einheitlichen, generalisierenden Maßstabs AGB-rechtlich hinzunehmen hat, weil es naheläge, andernfalls auch bei den Mietern der Wohnungen in den höher gelegenen Etagen nach dem Grad der tatsächlichen Nutzung zu differenzieren, der damit angestrebten möglichst weitgehenden Umlagegerechtigkeit aber Gründe der Praktikabilität und der Transparenz der Abrechnung entgegenstehen.

[16] Die Grenze der Zumutbarkeit einer generalisierenden Betrachtungsweise für den Mieter wird jedoch überschritten, wenn er einen Aufzug nicht nur tatsächlich nicht nutzt oder dafür kein Bedürfnis hat, sondern wenn seine Wohnung mit dem Aufzug überhaupt nicht erreicht werden kann. Ob etwas anderes gilt, wenn dem Mieter der Aufzug ungeachtet dessen jedenfalls zur Verfügung steht, um etwa einen seiner Wohnung zugewiesenen Keller oder eine Gemeinschaftseinrichtung zu erreichen (vgl. LG Berlin, GE 2007, 54), kann dahinstehen, weil dafür im vorliegenden Fall nach den tatrichterlichen Feststellungen keine Anhaltspunkte bestehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2166104

NJW 2009, 2058

BGHR 2009, 765

EBE/BGH 2009

NZM 2009, 478

ZAP 2009, 722

ZMR 2009, 675

MDR 2009, 794

NJ 2010, 230

WuM 2009, 351

Info M 2009, 207

MietRB 2009, 189

NJW-Spezial 2009, 435

RdW 2009, 578

IGZInfo 2010, 63

MK 2009, 135

NRÜ 2009, 298

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