Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeschiedene Gesellschafter im Hinblick auf seinen Abfindungsanspruch ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB an dem Anspruch auf Berichtigung des Grundbuches i. S. des § 894 BGB ausüben kann, den der verbleibende Gesellschafter bezüglich des Grundstücks geltend macht, das zum Gesellschaftsvermögen gehört hat.

 

Normenkette

BGB § 273 Abs. 1, § 738 Abs. 1, § 894

 

Verfahrensgang

LG Münster

OLG Hamm

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. April 1989 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte ist aufgrund einer zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung am 30. September 1976 aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts „de R. & W.” ausgeschieden, die von den Parteien gemäß Gesellschaftsvertrag vom 31. Mai 1967 gegründet worden war und die der Kläger seit dem Ausscheiden des Beklagten als Einzelgeschäft fortführt. Zu dem von der Gesellschaft betrieblich genutzten Vermögen gehörte das im Grundbuch von Beckum Blatt 7706 verzeichnete Grundstück Flur 209 Flurstück 34, als dessen Eigentümer die Parteien „als Gesellschafter des bürgerlichen Rechts” seit dem 26. Mai 1975 eingetragen sind. Der Kläger hat dem Beklagten einen der Höhe nach zwischen den Parteien streitigen Abfindungsbetrag gezahlt. Er verlangt von dem Beklagten die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuches. Der Beklagte macht an dem Grundbuchberichtigungsanspruch ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Zur Begründung hat er ausgeführt, ihm stehe gegen den Kläger noch ein Restabfindungsanspruch von mindestens 50.000,– DM zu.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Abgabe der verlangten Zustimmungserklärung verurteilt. Mit seiner Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.

Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen haben die Parteien eine Vereinbarung darüber getroffen, daß der Kläger nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts „de R. & W.” unter Übernahme des Gesellschaftsvermögens und gegen Gewährung einer Abfindung an den Beklagten den Geschäftsbetrieb fortführt. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Rechtsgedanke des § 142 HGB auch auf eine zwischen zwei Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts getroffene Übernahmevereinbarung Anwendung findet (vgl. BGHZ 32, 307, 314 ff.; für die Übernahmevereinbarung bei der zweigliedrigen Personenhandelsgesellschaft vgl. BGH, Urt. v. 14. November 1988 – II ZR 77/88, NJW 1989, 1030 = BGHR HGB § 142 Abs. 1 Geschäftsübernahme 1/durch Vertrag/Rechtswirkungen m.w.N.) und die Geschäftsübernahme durch den Kläger entsprechend § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB das bisherige Gesamthandeigentum der Gesellschafter zu seinem Alleineigentum hat werden lassen. Eine derartige Abrede bedarf auch dann nicht der Form des § 313 BGB, wenn zum Gesellschaftsvermögen ein Grundstück gehört (RGZ 65, 227, 240; 68, 410; 82, 160, 161; zur Anteilsübertragung vgl. BGHZ 86, 367, 370 f.). Das Berufungsgericht hat daher dem Kläger gegenüber dem Beklagten im Grundsatz zutreffend einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung gemäß § 894 BGB zuerkannt.

II.

Die Revision rügt jedoch zu Recht, daß das Berufungsgericht dem Beklagten die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 273 Abs. 1 BGB versagt hat.

1. Allerdings geht auch das Berufungsgericht davon aus, daß an dem Grundbuchberichtigungsanspruch im Sinne des § 894 BGB ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden kann (vgl. BGHZ 41, 30, 33 ff.; 75, 288, 293; BGH, Urt. v. 25. April 1988 – II ZR 17/87, NJW 1988, 3260, 3261; RGZ 72, 61, 66 f.; 115, 35, 43 f.; 141, 220, 226 f.; Augustin in: BGB-RGRK, 12. Aufl., § 894 Rdn. 47; MünchKomm/Wacke, 2. Aufl., § 894 Rdn. 29; Staudinger/Gursky, BGB, 12. Aufl., § 894 Rdn. 106). Die Revisionserwiderung meint, das könne im Gesellschaftsrecht deswegen nicht gelten, weil es hier an einem innerlich zusammenhängenden einheitlichen Lebensverhältnis fehle. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Für das Zurückbehaltungsrecht spielt es keine Rolle, aus welchem Rechtsgebiet die Ansprüche stammen und ob sie auf Vertrag oder Gesetz beruhen (BGHZ 92, 194, 196). Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die vielfältigen, zwischen den Gesellschaftern einer Personengesellschaft bestehenden Rechtsbeziehungen als ein innerlich zusammenhängendes einheitliches Lebensverhältnis anzusehen sind und die aus dem Gesellschaftsverhältnis hergeleiteten Ansprüche damit auf „demselben rechtlichen Verhältnis” im Sinne des § 273 Abs. 1 BGB beruhen. Das gilt auch für die hier umstrittenen Ansprüche auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung und Gewährung einer Abfindung, die mit dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts entstanden sind (zur Entstehung des Abfindungsanspruches vgl. BGH, Urt. v. 11. Juli 1988 – II ZR 281/87, NJW 1989, 453 = BGHR BGB § 738 Auseinandersetzungsanspruch 1/Entstehung).

Eine andere Frage ist es, ob die Konnexität dieser beiden Ansprüche nach dem Gesetz dazu führt, daß der ausgeschiedene Gesellschafter an dem geltend gemachten Anspruch des das Geschäft fortführenden Gesellschafters im Hinblick auf einen ihm zustehenden fälligen Gegenanspruch aus dem Gesellschaftsverhältnis ein Zurückbehaltungsrecht ausüben kann oder ob das wegen der Natur des Schuldverhältnisses ausgeschlossen ist (vgl. dazu BGHZ 92, 194, 197 f.).

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, ein Zurückbehaltungsrecht an dem Grundbuchberichtigungsanspruch scheide mit Rücksicht auf die Natur dieses Gläubigeranspruches im vorliegenden Verfahren aus. Der Kläger sei mit dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gesellschaft Grundstückseigentümer geworden, hingegen habe die Höhe des Abfindungsanspruches des Beklagten erst nach Hinzuziehung von Sachverständigen zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt festgelegt werden können. Unter diesen Umständen sei es weder sach- noch interessengerecht, die Eintragung des Klägers als Alleineigentümer von der Erfüllung des Abfindungsanspruches mit der Folge abhängig zu machen, daß er über das ihm angewachsene Vermögen nicht nach seinem Belieben verfügen könne. Dem vermag der Senat aus Rechtsgründen nicht zu folgen.

a) Die Tatsache, daß das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Alleinvermögen des Klägers und dieser damit Alleineigentümer des zu diesem Vermögen gehörenden Grundstücks geworden ist, vermag es, wie die Revision zutreffend ausführt, nicht zu rechtfertigen, im Rahmen der Auseinandersetzung der Parteien der Rechtsstellung des Klägers größeres Gewicht beizumessen als der des Beklagten und die Ansprüche, die dem Kläger im Zuge der Abwicklung erwachsen, gegenüber denen des Beklagten bei deren Durchsetzung generell zu bevorzugen. Zwar soll mit der von den Parteien im Zuge der Auflösung der Gesellschaft getroffenen Übernahme- und Fortsetzungsregelung eine Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens im Sinne der §§ 730 ff. BGB vermieden und dem übernahmebereiten Gesellschafter die Fortführung des Geschäftes ermöglicht werden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß dieser Vereinbarungszweck der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes generell entgegenstünde. Es mag allerdings gerechtfertigt sein, dem ausscheidenden Gesellschafter die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht an dem Grundbuchberichtigungsanspruch im Einzelfall zu versagen, wenn mit dessen Ausübung die Fortsetzung des Geschäftes durch den anderen Vertragspartner in Frage gestellt, gefährdet oder beeinträchtigt würde, etwa weil das Grundstück als Sicherungsobjekt für die Aufnahme eines dringend benötigten Betriebsmittelkredites gebraucht wird oder weil es zur Befriedigung sonstiger Ansprüche beliehen oder verwertet werden muß, diese Maßnahmen aber ohne vorherige Berichtigung des Grundbuches nicht durchgeführt werden können. Derartige oder vergleichbare Umstände sind jedoch von den Parteien nicht vorgetragen worden.

b) Ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten ist mit Rücksicht auf die Natur des Gegenanspruches des Klägers auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil im Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten aus der Gesellschaft die Höhe des Abfindungsbetrages nicht festgestanden hat, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt werden konnte, da der Wert der zum betrieblichen Anlagen- und sonstigen Betriebsvermögen gehörenden Gegenstände noch ermittelt werden mußte. Zwar darf die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes, das ein besonderer Anwendungsfall des Verbotes unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) ist und der Sicherung eigener Ansprüche dient, nicht dazu führen, daß die Durchsetzung der Gegenforderung faktischvereitelt wird (BGHZ 91, 73, 83). Diese Voraussetzung wäre dann gegeben, wenn die Erfüllung der unbestrittenen Gegenforderung nach § 273 BGB im Hinblick auf eine Eigenforderung verweigert wird, deren Klärung derart schwierig und zeitraubend ist, daß die Durchsetzung der Gegenforderung auf unabsehbare Zeit verhindert werden kann (BGHZ aaO S. 83; BGH, Urt. v. 19. Juni 1968 – VIII ZR 97/66, NJW 1968, 2139, 2140). Das Berufungsgericht hat seinen Ausführungen diesen rechtlichen Bewertungsmaßstab nicht zugrunde gelegt. Ihm genügt bereits einzeitlich absehbarer Zeitraum, um den die Durchsetzung der Gegenforderung verzögert wird. Das reicht jedoch für den Ausschluß des Zurückbehaltungsrechts nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht aus.

III.

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann für die Revisionsinstanz nicht davon ausgegangen werden, daß dem Beklagten deswegen kein Zurückbehaltungsrecht an dem Grundbuchberichtigungsanspruch zusteht, weil feststehe, daß seine Gegenforderung noch nicht fällig sei.

1. Die Frage nach der Fälligkeit des Abfindungsanspruches wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als maßgebend erachtet, teilweise der Zeitpunkt der Feststellung der Abschichtungsbilanz (vgl. Ulmer, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2. Aufl., § 738 Rdn. 15; Stötter, BB 1977, 1219; vgl. auch BGH, Urt. v. 29. Juni 1981 – II ZR 165/80, WM 1981, 1126; zu § 740 BGB vgl. BGH, Urt. v. 4. November 1979 – II ZR 245/78, WM 1980, 212, 213). Kann der Fälligkeitszeitpunkt den Vereinbarungen der Parteien entnommen werden, kommt es auf diese Streitfrage nicht an. Nach dem Vortrag des Beklagten ist der von ihm geltend gemachte Restanspruch aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelung fällig; der Kläger bestreitet diesen Vortrag. Da das Berufungsgericht dazu keine Feststellungen getroffen hat, ist für die Revisionsinstanz von der Fälligkeit des Anspruchs auszugehen.

2. Der Kläger hat im Rahmen des Verfahrens unter Überreichung von Unterlagen die Abrechnungsposten vorgetragen, die nach seiner Ansicht der Ermittlung des Abfindungsanspruchs des Beklagten zugrunde zu legen sind. Folgt man diesem Vortrag, ergibt sich daraus zugleich die Fälligkeit des von dem Beklagten geltend gemachten Anspruchs. Soweit der Beklagte in der Höhe verschiedener Positionen von dem Klägervortrag abweicht, könnte er den sich nach seiner Behauptung zu seinen Gunsten ergebenden Unterschiedsbetrag mit einer Zahlungsklage geltend machen und im Rahmen dieser Klage den Streit über die Berechtigung und Höhe der umstrittenen Posten austragen (BGH, Urt. v. 13. Juli 1987 – II ZR 274/86, WM 1987, 1280). Da der Beklagte sein Zurückbehaltungsrecht auf den der Höhe nach umstrittenen Abfindungsanspruch stützt, kann er diesen Streit auch im Zuge der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts austragen.

IV.

Nach alledem war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht – gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – die weiterhin erforderlichen Feststellungen treffen kann.

 

Unterschriften

Boujong, Dr. Bauer, Dr. Hesselberger, Röhricht, Dr. Henze

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 08.01.1990 durch Spengler Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BB 1990, 444

NJW 1990, 1171

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1990, 305

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