Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleichsanspruch des Leasinggebers gegen den Leasingnehmer bei Beschädigung des Leasingfahrzeugs

 

Leitsatz (amtlich)

Der Leasinggeber und Eigentümer des Kraftfahrzeugs hat gegen den Leasingnehmer und Halter des Kraftfahrzeugs bei einer Beschädigung dieses Fahrzeugs keinen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG.

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Urteil vom 14.09.2009; Aktenzeichen 6 S 101/09)

AG Chemnitz (Urteil vom 13.02.2009; Aktenzeichen 15 C 2473/08)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Chemnitz vom 14.9.2009 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des AG Chemnitz vom 13.2.2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten um gesamtschuldnerische Ausgleichsansprüche nach einem Verkehrsunfall.

Rz. 2

Die Beklagte zu 2) (zukünftig: Beklagte) ist Halterin eines von ihr geleasten Fahrzeugs, das am 29.7.2006 bei einem Unfall beschädigt wurde. An dem Unfall waren das bei der Klägerin haftpflichtversicherte Fahrzeug einerseits sowie andererseits das vom früheren Beklagten zu 1) geführte, auf Namen der Beklagten gehaltene und im Eigentum der Leasinggeberin stehende Fahrzeug beteiligt. Die Unfallursache hat im Verfahren nicht geklärt werden können.

Rz. 3

Die Klägerin hat die Schadensersatzansprüche der Leasinggeberin vollständig reguliert und begehrt von den Beklagten den Gesamtschuldnerausgleich i.H.v. 50 % der regulierten Kosten. Das AG hat der Klage ggü. dem früheren Beklagten zu 1) hinsichtlich der regulierten Kosten stattgegeben; die Klage gegen die Beklagte hat es abgewiesen. Gegen das erstinstanzliche Urteil hat die Klägerin mit einem am 23.3.2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Nachdem am 27.3.2009 die geltend gemachte Forderung ausgeglichen worden ist, hat sie den Rechtsstreit hinsichtlich ihrer Hauptforderung für erledigt erklärt und den Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Das Berufungsgericht hat daraufhin entsprechend dem Antrag der Klägerin festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 229,55 EUR zu zahlen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 4

Nach Auffassung des Berufungsgerichts stand der Klägerin vor dem erledigenden Ereignis gem. § 426 Abs. 1 BGB auch ggü. der Beklagten der geltend gemachte Gesamtschuldnerausgleich i.H.v. 50 % des ggü. der Leasinggeberin vollständig regulierten Schadens zu. Das AG habe den früheren Beklagten zu 1) nach § 18 StVG unter Zugrundelegung der gleich hoch eingeschätzten Betriebsgefahr der beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge von je 50 % verurteilt. Die Beklagte hafte gesamtschuldnerisch in gleicher quotenmäßiger Höhe, weil auch eine Leasingnehmerin als Halterin des Fahrzeugs im Verhältnis zur Leasinggeberin aus § 7 Abs. 1 StVG hafte. Deshalb müsse sie der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Verzugs auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren erstatten.

II.

Rz. 5

Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision macht zu Recht geltend, dass der Leasinggeber und Eigentümer des Kraftfahrzeugs gegen den Leasingnehmer und Halter eines Kraftfahrzeugs bei einer Beschädigung dieses Fahrzeugs keinen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG auf Ersatz des entstandenen Schadens hat und deswegen keine Gesamtschuld zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht, die nach § 426 BGB ausgeglichen werden könnte.

Rz. 6

1. Die Frage, ob der Halter eines Kraftfahrzeugs dem Eigentümer gegenüber aus § 7 Abs. 1 StVG auf Ersatz eines Schadens am Kraftfahrzeug haftet, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet.

Rz. 7

a) Das Berufungsgericht meint unter Hinweis auf ein Urteil des Senats vom 22.3.1983 und eine im Schrifttum vertretene Auffassung, im Fall der Beschädigung eines geleasten Fahrzeugs könne der vom Halter verschiedene Eigentümer des Kraftfahrzeugs den Leasingnehmer als dessen Halter aus § 7 StVG in Anspruch nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1983 - VI ZR 108/81, BGHZ 87, 133, 138; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., § 7 StVG Rz. 218; Wussow/Baur, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 17 Rz. 31, 95). Dass die Gefährdungshaftung (anders als bei Mithaltern) eingreife, obwohl das schädigende Fahrzeug zugleich die beschädigte Sache sei, finde seinen Grund in der von den Beteiligten vorgenommenen Aufspaltung von rechtlicher und faktischer Herrschaftsgewalt (Greger, a.a.O.). Die Haftung aus § 7 StVG ergebe sich nämlich nicht aus Eigentum, sondern aus der durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs hervorgerufenen Gefährdung anderer Rechtsgüter. Eine Einschränkung der Halterhaftung dahingehend, dass Ansprüche des Eigentümers der beschädigten Sache dann ausgeschlossen sein sollen, wenn die Beschädigung durch den Halter des Fahrzeugs beim Betrieb desselben hervorgerufen worden sei, ergebe sich aus § 7 StVG nicht.

Rz. 8

b) Nach anderer Auffassung soll der Leasinggeber den Leasingnehmer für Schäden am geleasten Fahrzeug nur dann in Anspruch nehmen können, wenn den Leasingnehmer ein Verschulden trifft. Deshalb stehe dem regulierenden Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer kein Gesamtschuldnerausgleich ggü. dem nur aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung mithaftenden Halter und Leasingnehmer zu. Die Haftung des Halters nach § 7 Abs. 1 StVG erstrecke sich nicht auf das von ihm gehaltene Fahrzeug selbst. Unter der "Sache", für deren Beschädigung er bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG im Übrigen hafte, sei nur eine vom Fahrzeug verschiedene Sache zu verstehen, nicht dagegen das Fahrzeug selbst (vgl. Geyer, NZV 2005, 565, 568; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 3 Rz. 252; Heß, NZV 2007, 610, 611 f.; Hohloch, NZV 1992, 1, 5; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 7 StVG Rz. 16a; van Bühren/Lemcke, Anwalts-Handbuch Verkehrsrecht, 2003, Teil 2 Rz. 237, 250 f. und ZfS 2002, 327; Müller in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 3. Aufl., Kap. 6 Rz. 338; Nugel, NZV 2009, 313, 315; Schmitz, NJW 1994, 301).

Rz. 9

c) Diese Auffassung ist richtig. Soweit sich aus dem Senatsurteil vom 22.3.1983 etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht mehr festgehalten.

Rz. 10

Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.1.2005 - VI ZR 115/04, VersR 2005, 566, 567; v. 26.4.2005 - VI ZR 168/04, VersR 2005, 992, 993, jeweils m.w.N.). Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden (vgl. BGH, Urt. v. 23.5.1978 - VI ZR 150/76, BGHZ 71, 212, 214; v. 2.7.1991 - VI ZR 6/91, BGHZ 115, 84, 86; v. 18.1.2005 - VI ZR 115/04, a.a.O.; v. 26.4.2005 - VI ZR 168/04, a.a.O.; v. 5.10.2010 - VI ZR 286/09, juris Rz. 24, z.V.b.). Die Haftung wird mithin nicht schon durch jede Verursachung eines Schadens begründet, der im weitesten Sinne im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgelöst worden ist. Eine Haftung tritt vielmehr erst dann ein, wenn das Schadensereignis dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs nach dem Schutzzweck der Gefährdungshaftung auch zugerechnet werden kann. An diesem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (vgl. BGH, Urt. v. 27.1.1981 - VI ZR 204/79, BGHZ 79, 259, 263; v. 6.6.1989 - VI ZR 241/88, BGHZ 107, 359, 367; v. 2.7.1991 - VI ZR 6/91, a.a.O., 86 f.; v. 1.12.1981 - VI ZR 111/80, VersR 1982, 243, 244; v. 26.4.2005 - VI ZR 168/04, a.a.O.).

Rz. 11

Mit der ganz überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung erstreckt sich nach dem Schutzzweck die Haftung des Halters nach § 7 Abs. 1 StVG nicht auf das von ihm gehaltene Fahrzeug selbst. Unter der "Sache", für deren Beschädigung er bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG im Übrigen haftet, ist nur eine vom Fahrzeug verschiedene Sache zu verstehen, nicht dagegen das Fahrzeug selbst. Die verschärfte Haftung des Kraftfahrzeughalters bezweckt nur, Dritte vor den ihnen aufgezwungenen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs zu schützen (vgl. Amtliche Begründung zu § 3 des Gesetzesentwurfs über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, Verhandlungen des Reichstages 1909 Bd. 248, 5599; BGH, Urt. v. 13.7.1971 - VI ZR 245/69, VersR 1971, 1043; Greger, a.a.O., 4. Aufl., § 3 Rz. 4). Damit wäre eine Haftung des Leasingnehmers ggü. dem Leasinggeber alleine aufgrund dessen Eigentums nicht zu vereinbaren. Anders als etwa in dem Fall, dass der Eigentümer und Leasinggeber durch den Betrieb des Fahrzeugs körperlich geschädigt wird (vgl. Greger, a.a.O., Rz. 252), greift hier der Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG nicht ein, Dritte vor den ihnen aufgezwungenen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs zu schützen.

Rz. 12

Dieses Ergebnis ist nicht unbillig, insb. auch nicht im Hinblick auf das Urteil des erkennenden Senats vom 10.7.2007 (VI ZR 199/06, BGHZ 173, 182). In diesem Urteil hat der Senat nur entschieden, dass sich ein Leasinggeber, der Eigentümer aber nicht Halter des Leasing-Kraftfahrzeugs ist, im Rahmen der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach § 823 BGB wegen Verletzung seines Eigentums am Leasingfahrzeug bei einem Verkehrsunfall weder ein Mitverschulden des Leasingnehmers oder des Fahrers des Leasingfahrzeugs noch dessen Betriebsgefahr anspruchsmindernd zurechnen lassen muss. Diese Entscheidung betrifft mithin nur den Schadensersatzanspruch des Eigentümers aus § 823 BGB. In diesem Fall des vom Fahrer des Leasingfahrzeugs oder dem Halter mitverschuldeten Unfalls besteht zwischen diesen und dem "gegnerischen" Fahrer, Halter oder Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer im Verhältnis zum Leasinggeber ein Gesamtschuldverhältnis, so dass dann nach - ungekürzter - Regulierung der Ansprüche des Leasinggebers aus § 823 BGB der Gesamtschuldnerausgleich gem. § 426 BGB vorgenommen werden kann. Bestehen hingegen wegen nicht nachweisbaren Verschuldens nur Ansprüche des Leasinggebers aus Gefährdungshaftung i.S.d. § 7 StVG, muss er sich im Haftungssystem des Straßenverkehrsgesetzes das Verschulden des Fahrers des Leasingfahrzeugs bereits bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Unfallgegner nach §§ 9, 17 StVG, § 254 BGB anspruchsmindernd zurechnen lassen. In diesem Fall sind nämlich anders als im Fall des Senatsurteils vom 10.7.2007 die Sondervorschriften des Straßenverkehrsgesetzes für die Gefährdungshaftung anwendbar (vgl. Heß, a.a.O., 611; van Bühren/Lemcke, Anwalts-Handbuch Verkehrsrecht, Teil 2, Rz. 223; Müller, a.a.O., Rz. 306). Wird der Anspruchsgegner bzw. sein Haftpflichtversicherer nur aus § 7 Abs. 1 StVG in Anspruch genommen, ist mithin keine Notwendigkeit für den Gesamtschuldnerausgleich gegeben.

Rz. 13

2. Das Berufungsurteil ist auch nicht deswegen im Ergebnis richtig, weil sich ein Schadensersatzanspruch des Leasinggebers gegen den Leasingnehmer unter Umständen aus § 280 BGB oder §§ 823 ff. BGB ergeben könnte, da eine Pflichtverletzung des früheren Beklagten zu 1) nicht festgestellt ist. Der Unfallhergang konnte nicht aufgeklärt werden.

Rz. 14

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2659970

BGHZ 2011, 379

NJW 2011, 996

EBE/BGH 2011, 53

JR 2012, 246

ZAP 2011, 233

DAR 2011, 198

DAR 2011, 305

JuS 2011, 643

MDR 2011, 222

NJ 2011, 290

NZV 2011, 179

VRS 2011, 281

VersR 2011, 365

ZfS 2011, 196

GuT 2013, 135

NJW-Spezial 2011, 105

RÜ 2011, 214

VRA 2011, 55

ZGS 2011, 380

r+s 2011, 132

FMP 2011, 61

LL 2011, 240

NRÜ 2011, 151

Verkehrsjurist 2011, 5

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