Tatbestand

Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der F. -Gesellschaft mbH (im folgenden: GmbH). Diese hatte am 25. Oktober 1988 bei dem dänischen Kaufmann K. Weihnachtsbäume und Tannengrün bestellt, die dieser von Oktober bis Dezember 1988 nach Berlin lieferte. Die GmbH zahlte bis November 1988 217.322, 40 DM, nach einer Forderungsaufstellung des Lieferanten sind 492.134, 03 DM unbezahlt. Ein von der GmbH am 29. November 1988 ausgestellter Scheck über 106.776, 50 DM ist nicht eingelöst worden.

Bereits Ende Mai 1988 hatte eine andere Gläubigerin der GmbH, die einen Titel über mehr als 278.000, -- DM erwirkt und vergeblich wegen eines Teilbetrages von 10.000, -- DM die Zwangsvollstreckung betrieben hatte, einen Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung gestellt, die der Beklagte für die GmbH am 31. März 1989 geleistet hat. Den Antrag des Beklagten vom 3. Mai 1989 auf Eröffnung des Konkursverfahrens hat das Amtsgericht mangels Masse zurückgewiesen. Das gegen den Beklagten wegen Konkursvergehens eingeleitete Strafverfahren ist nach § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße von 9.000, -- DM eingestellt worden.

Über das Vermögen des Lieferanten K. ist von dem zuständigen dänischen Gericht mit Wirkung vom 4. Juli 1989 das Konkursverfahren eröffnet, der Kläger ist zum Konkursverwalter bestellt worden. Er hat den von dem Gemeinschuldner selbst im Frühjahr 1991 mit einem Mahnverfahren eingeleiteten Rechtsstreit übernommen und von dem Beklagten Schadenersatz wegen eines Teilbetrages von 100.000, -- DM zuzüglich Zinsen gefordert. Nach seiner Behauptung war die GmbH spätestens seit Mai 1988 konkursreif, so daß der Beklagte persönlich für die nicht bezahlten Lieferungen aus culpa in contrahendo und wegen Konkursverschleppung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 GmbHG) haften müsse.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, über die wegen der Säumnis des Beklagten durch Versäumnisurteil, aber aufgrund sachlicher Prüfung (BGHZ 37, 79 f.) entschieden wird, ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Oberlandesgericht hat das Bestehen von Schadenersatzansprüchen aus culpa in contrahendo u.a. deswegen verneint, weil die besonderen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise ein Vertreter für das Verschulden des Geschäftsherrn persönlich einzustehen habe, nicht vorlägen. Dies hält im Ergebnis den Angriffen der Revision stand, so daß es nicht mehr auf die von dem Berufungsgericht hilfsweise erörterte Frage ankommt, ob die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreift.

Dabei kann zugunsten des Klägers sein ungeprüfter Vortrag als richtig unterstellt werden, daß der Beklagte nicht nur alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH gewesen ist, sondern sich auch für deren Kreditverbindlichkeiten verbürgt hat. Wie der Senat in seiner nach Einreichung der Revisionsbegründung ergangenen Entscheidung vom 6. Juni 1994 (II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103 ff., 1105 f. = WM 1994, 1428 ff. m. Anm. von Wilhelm, EWiR 1994, 791 und Heidenhain, LM Nr. 135 zu § 276 [Fa] BGB) näher ausgeführt hat, begründet weder der Umstand, daß der für die GmbH handelnde Geschäftsführer deren alleiniger Gesellschafter ist, für sich allein noch im Zusammenhang damit, daß er sich für Kreditschulden der Gesellschaft verbürgt oder andere Sicherheiten gestellt hat, ein wirtschaftliches Eigeninteresse, das es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes rechtfertigen könnte, ihn als "gleichsam in eigener Sache" (vgl. Sen. Urt. v. 17. Juni 1991 - II ZR 171/90, LM Nr. 118 zu § 276 [Fa] BGB; Sen. Urt. v. 1. Juli 1991 - II ZR 180/90, LM Nr. 119 zu § 276 [Fa] BGB; MünchKomm/Emmerich, BGB, 3. Aufl. vor § 275 RdNr. 175 m.w.N.) handelnd persönlich für vorvertragliches Verschulden haften zu lassen.

Dafür, daß der Beklagte besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen, also gegenüber dem Vertragspartner der GmbH die persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts übernommen hat und deswegen aus culpa in contrahendo haftet (vgl. Sen. Urt. v. 7. Dezember 1992 II ZR 179/91, LM Nr. 131 zu § 276 [Fa] BGB m.w.N.), fehlt jeder Anhaltspunkt.

2. Eine Haftung des Beklagten wegen sog. Konkursverschleppung (§§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG) scheidet nach Meinung des Berufungsgerichts deswegen aus, weil nach diesen Vorschriften allein Ersatz des Quotenschadens verlangt werden könne und der Kläger nicht dargelegt habe, daß der Gemeinschuldner bei frühzeitigerer Konkursantragstellung auf seine Lieferungen überhaupt irgend eine Quote erhalten hätte.

Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht. Mit der nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen, bereits oben erwähnten Entscheidung vom 6. Juni 1994 (ZIP 1994, 1103, 1106 ff. = WM 1994, 1428 ff.) hat der Senat mit Zustimmung der übrigen betroffenen Zivilsenate des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts die bisherige Rechtsprechung (BGHZ 29, 100 ff.) aufgegeben, nach der auch durch verspätete Konkursantragstellung geschädigte Neugläubiger auf die Geltendmachung des Quotenschadens beschränkt sind. Da mit der in § 64 Abs. 1 GmbHG angeordneten Konkursantragspflicht auch der Zweck verfolgt wird, ein Unternehmen mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr auszuschließen und dadurch schon präventiv zu verhindern, daß Dritte in ihren Vermögensinteressen dadurch gefährdet werden oder Schaden erleiden, daß sie mit einer konkursreifen GmbH noch in Vertragsbeziehungen treten, hat bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 GmbHG der Neugläubiger einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte er den Vertrag mit dem konkursreifen Unternehmen nicht geschlossen.

Nach dem für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Vortrag des Klägers liegt ein Fall der Konkursverschleppung vor. Die GmbH war schon im Mai 1988 zahlungsunfähig und überschuldet, der Beklagte hat dies nicht nur erkennen können, sondern mit Rücksicht auf das von der niederländischen Gläubigerin betriebene Zwangsvollstreckungsverfahren sogar genau gewußt, dennoch aber zu Beginn des Weihnachtsgeschäfts den Gemeinschuldner K. zu umfangreichen Lieferungen von Weihnachtsbäumen und Tannengrün veranlaßt, zu denen dieser sich nicht bereit gefunden hätte, wenn er von der desolaten finanziellen Lage der GmbH unterrichtet gewesen wäre. Den aus diesem Grund bestehenden Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses kann der Neugläubiger - im Konkurs für ihn sein Konkursverwalter - selbst geltend machen (Sen. Urt. v. 6. Juni 1994, ZIP a.a.O. S. 1110; a.A. Uhlenbruck, ZIP 1994, 1153, 1155).

Damit das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen nachholen kann, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

3. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht zugleich die Gelegenheit - sofern es noch darauf ankommen sollte - seine Ablehnung eines auf die §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB oder auf § 826 BGB gestützten Schadenersatzanspruchs unter Berücksichtigung der von der Revision erhobenen Rügen zu überprüfen. Dabei wird es vor allem näher zu untersuchen haben, ob nicht die Hingabe und praktisch zeitgleiche Sperrung des Schecks über 106.776, 50 DM allein das Ziel verfolgt hat, den Gemeinschuldner zur Fortsetzung seiner für das Weihnachtsgeschäft bestimmten, fristgebundenen Lieferungen zu veranlassen, der Beklagte aber von vornherein wie der Kläger behauptet hat - nicht gewillt war, die weiteren Lieferungen zu bezahlen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993299

NJW 1995, 398

KTS 1995, 282

ZIP 1995, 211

GmbHR 1995, 226

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