Leitsatz (amtlich)

Die folgende Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauträgervertrages:

„Der amtierende Notar wird angewiesen, den Antrag auf Umschreibung des Eigentums erst dann zu stellen, wenn der in bar zu entrichtende Kaufpreis … voll gezahlt ist.”

benachteiligt den Klauselgegner hinsichtlich der Pflicht zur Vorleistung unangemessen und ist daher wegen eines Verstoßes gegen das AGBG unwirksam.

Der Erwerber kann mit einem Schadensersatzanspruch wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum aufrechnen oder den Erwerbspreis mindern, wenn der Bauträger als alleiniger Eigentümer durch die endgültige Verweigerung der Nachbesserung zu erkennen gibt, daß er nicht bereit ist, an der Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche mitzuwirken.

 

Normenkette

AGBG § 9 Abs. 1, 2 Nr. 1; BGB § 634 Abs. 1, § 635

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg

LG Stendal

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. November 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Mit notariellem Vertrag vom 19. Dezember 1995 erwarben die Kläger von dem Beklagten Wohnungseigentum an einer neu errichteten, bezugsfertigen Doppelhaushälfte zu einem Preis von rund 318.000 DM. Von diesem Betrag sollten die Kläger zunächst 303.000 DM und den Restbetrag nach vollständiger Fertigstellung und Abnahme zahlen.

Die Vertragsparteien erklärten die Auflassung und der Beklagte bewilligte und beantragte die Eintragung der Kläger im Grundbuch. Mit dem Vollzug des Vertrages beauftragten die Parteien den beurkundenden Notar. In § 10 Abs. 5 des Vertrages heißt es:

„Der amtierende Notar wird angewiesen, den Antrag auf Umschreibung des Eigentums erst zu stellen, wenn der in bar zu entrichtende Kaufpreis gemäß § 3 voll gezahlt ist.”

Die Kläger zahlten den vereinbarten Erwerbspreis bis auf einen Restbetrag von 23.200 DM.

Die Kläger haben den Beklagten wegen verschiedener Mängel vergeblich zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Unter anderem haben sie beanstandet, daß das Doppelhaus nicht über die beantragte und in die Baugenehmigung eingeflossene 18 cbm Kläranlage verfüge. Sie behaupten, für die erforderlichen Nachbesserungen sei ein Betrag von 30.400,47 DM aufzuwenden. Um diesen Betrag sei die offene Restkaufpreisforderung des Beklagten zu mindern. Sie könnten deshalb vom Beklagten die Umschreibung des Eigentums verlangen.

Hilfsweise begehren sie, den Beklagten zu verurteilen, die Zustimmung zur Eigentumsumschreibung Zug um Zug gegen Hinterlegung des streitigen Restwerklohns in Höhe von 23.200 DM zu erteilen.

Der Beklagte, der Eigentümer beider Doppelhaushälften ist, hat die Auffassung vertreten, hinsichtlich der Sammelgrube liege kein Mangel vor. Für eine Minderung fehle den Klägern auch die Aktivlegitimation, da die Kläranlage gemeinschaftliches Eigentum der Wohnungseigentümer sei. Ein Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft liege nicht vor. Da die Kläger den Vertrag nicht vollständig erfüllt hätten, müsse er der Eintragung der Kläger als Eigentümer im Grundbuch nicht zustimmen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg, sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Beklagte sei nach § 10 Abs. 5 des Erwerbervertrages gegenwärtig nicht verpflichtet, an der Eintragung der Kläger in das Grundbuch mitzuwirken, weil die Kläger die Kaufpreisschuld bisher nicht vollständig getilgt hätten. Die Kläger seien uneingeschränkt vorleistungspflichtig.

Der Einwand der Kläger, der Kaufpreis sei durch Verrechnung getilgt, da ihnen entweder ein Schadensersatzanspruch in Höhe des noch offenen Betrages oder eine entsprechende Minderung zustehe, sei unbegründet. Dabei könne offenbleiben, ob Mängel bestünden und ob die Kläger berechtigt seien, hieraus Rechte geltend zu machen. Selbst wenn derartige Ansprüche bestünden, verbliebe eine Restforderung des Beklagten. Wenn ein Mangel am Gemeinschaftseigentum vorliege, könne der Erwerber nur einen seinem Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum entsprechenden Betrag geltend machen. Danach könnten die Kläger für die Balkonsanierung die behaupteten Kosten in Höhe von insgesamt 5.126,34 DM und von den Kosten für die Kläranlage lediglich die Hälfte, 12.637,04 DM verrechnen. Selbst wenn die Kläger berechtigt sein sollten, den gesamten Betrag geltend zu machen, könnten sie nur Leistung an die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen, aber nicht einen bestehenden Schadensersatzanspruch mit ihrer Kaufpreisrestschuld verrechnen.

II.

Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist der Vortrag der Kläger zu unterstellen, daß das zu erwerbende Sondereigentum der Kläger und das Gemeinschaftseigentum Mängel aufweisen, deren Beseitigung der Beklagte endgültig verweigert hat und deren Behebung einen Kostenaufwand von 30.400,47 DM erfordert. Der Ansicht des Berufungsgerichts, den Klägern sei es verwehrt, in Höhe der Mängelbeseitigungskosten den Preis für den Erwerb des Wohnungseigentums zu mindern oder mit einem entsprechenden Schadensersatzanspruch aufzurechnen, kann nicht beigetreten werden. Sie wird den Besonderheiten des Streitfalls nicht gerecht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dem einzelnen Erwerber der Schadensersatzanspruch wegen eines behebbaren Mangels am Gemeinschaftseigentum in Höhe der gesamten Mängelbeseitigungskosten zu (BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 – VII ZR 208/97, BGHZ 141, 63, 65). Der Erwerber ist jedoch ohne einen dazu ermächtigenden Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich daran gehindert, den Schadensersatzanspruch oder die Minderung mit Zahlung an sich selbst durchzusetzen (BGH, aaO; Urteil vom 10. Mai 1979 – VII ZR 30/78, BGHZ 74, 258, 264). Der vorliegende Fall gebietet hiervon aber eine Ausnahme, wie sie der Bundesgerichtshof stets dann bejaht hat, wenn die Interessen der Gemeinschaft an der Durchsetzung der gemeinschaftsbezogenen Ansprüche und die Interessen des Schuldners an einer übersichtlichen Haftungslage nicht berührt sind (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1991 – VII ZR 372/89 = BGHZ 114, 387).

Der Beklagte ist Eigentümer beider Doppelhaushälften. Er hat sich als Vertragspartner der Kläger endgültig geweigert, die gerügten Mängel zu beseitigen. Er hat damit auch zu erkennen gegeben, daß er kein Interesse daran hat, an der Beseitigung der gerügten Mängel am Gemeinschaftseigentum oder an der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen mitzuwirken. Weitere Miteigentümer sind nicht betroffen. In einem solchen Fall ist es geboten, den Klägern auf der Grundlage ihrer Befugnis, Mängel am Gemeinschaftseigentum selbständig geltend zu machen (BGH, Urteil vom 15. Februar 1990 – VII ZR 269/88, BGHZ 110, 258, 259 f.), auch das Recht zuzubilligen, wegen der Mängel am Gemeinschaftseigentum in Höhe der Mängelbeseitigungskosten den Erwerbspreis zu mindern oder mit einem entsprechenden Schadensersatzanspruch aufzurechnen, um die Eigentumsumschreibung zu bewirken. Der Beklagte verdient als bisheriger Alleineigentümer und Vertragspartner, der seinen Vertragspflichten nicht nachkommt, keinen Schutz. Er kann sich deshalb auch nicht darauf berufen, daß seine Interessen als Miteigentümer durch die Aufrechnung oder Minderung berührt seien. Daß der Gemeinschaft durch die Verringerung des Erwerbspreises die Mittel für eine Sanierung nicht unmittelbar zur Verfügung stehen, muß der Beklagte als Folge seines vertragswidrigen Verhaltens hinnehmen.

III.

Zur Feststellung der von den Klägern behaupteten Mängeln und Mängelbeseitigungskosten ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sollten die Mängelbeseitigungskosten nur geringfügig unter dem noch offenen Preis für den Erwerb des Wohnungseigentums liegen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob der Klage im Hinblick auf § 320 Abs. 2 BGB gleichwohl stattzugeben ist.

Sollte sich bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung der Sache herausstellen, daß keine Mängel vorliegen oder trotz der Aufrechnung oder Minderung noch ein so erheblicher Preis geschuldet wird, daß eine Anwendung des § 320 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die in § 10 Nr. 5 des Erwerbsvertrages enthaltene Verpflichtung der Erwerber zur Vorleistung wirksam vereinbart ist. Sollte die Klausel, wie die Revision geltend macht, eine von dem Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung sein, hielte sie einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht stand. Durch die auferlegte Pflicht zur Vorleistung verliert der Erwerber die Möglichkeit, sein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB zur Geltung zu bringen, wenn der Veräußerer nicht oder schlecht erfüllt. Eine Vorleistungsverpflichtung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nur dann wirksam, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, der auch bei der Abwägung mit den hierdurch für den Erwerber entstehenden Nachteilen Bestand hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1999 – VIII ZR 204/98, BGHZ 141, 108, 114).

Ein solcher ist nicht ersichtlich.

 

Unterschriften

Ullmann, Thode, Hausmann, Wiebel, Kniffka

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 07.06.2001 durch Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 651893

BGHZ

BGHZ, 85

BB 2001, 2446

NJW 2002, 140

BGHR 2002, 53

BauR 2002, 81

DNotI-Report 2001, 191

EWiR 2001, 1075

IBR 2001, 669

IBR 2001, 670

JurBüro 2002, 217

NZM 2002, 32

Nachschlagewerk BGH

WM 2001, 2343

WuB 2002, 263

ZAP 2001, 1506

ZIP 2001, 2140

ZfIR 2001, 981

DNotZ 2002, 41

MDR 2002, 28

NJ 2002, 37

ZfBR 2002, 146

ZfBR 2002, 3

BTR 2002, 38

NZBau 2002, 26

NotBZ 2001, 462

RNotZ 2002, 50

RdW 2002, 248

ZNotP 2002, 69

IWR 2002, 67

IWR 2002, 71

JbBauR 2003, 296

JbBauR 2003, 297

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