Leitsatz (amtlich)

›Wer annimmt, er dürfe zur Aufdeckung eines Rauschgifthandels auch ohne konkrete Absprache mit einer Bundes- oder Landesbehörde im Sinne des § 4 Abs. 2 BtMG Betäubungsmittel in Besitz nehmen, unterliegt regelmäßig einem Verbotsirrtum (im Anschluß an BGH StV 1988, 432).‹

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten der Anstiftung zum Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Es hat ihn deshalb gemäß § 59 Abs. 1 StGB verwarnt und die Verurteilung zur Geldstrafe von dreißig Tagessätzen zu je 200 DM vorbehalten. Ferner hat es die Verpflichtung der Landeskasse ausgesprochen, "den Angeklagten für die Untersuchungshaft vom 19.10.1994 bis zum 17.05.1995 zu entschädigen". Hiergegen wenden sich der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Der Angeklagte erstrebt seinen Freispruch wegen fehlender Schuld. Die Staatsanwaltschaft möchte mit ihrem Rechtsmittel eine Verschärfung des Schuldspruchs und eine höhere Bestrafung des Angeklagten erreichen. Außerdem ficht sie die Entscheidung über die Entschädigung des Angeklagten mit der sofortigen Beschwerde an. Die Rechtsmittel erweisen sich im wesentlichen als begründet.

I. Feststellungen und rechtliche Würdigung durch das Landgericht:

1. Der Angeklagte ist fester freier Mitarbeiter des S. Rundfunks. Über einen Journalisten der S.-Zeitung lernte er im Juli 1993 B. kennen, der seit Oktober 1992 für das Landeskriminalamt (LKA) des S. "bei der Aufklärung von Straftaten im Bereich der internationalen Schwerstkriminalität" tätig war. Zuvor hatte B. für die gemeinsame Ermittlungsgruppe "Rauschgift" der Zollfahndung und des bayerischen LKA als Vertrauensperson gearbeitet. Der Angeklagte entwickelte die Idee, "B. und seine Geschichte zu vermarkten" und dabei "Stories aus dem Bereich seiner Tätigkeit als 'under-coveragent' ... für eine Fernsehserie" aufzuarbeiten. Im Rahmen ihrer nunmehr regelmäßigen Kontakte bestellte B. den Angeklagten im März 1994 auch einmal zu einem Treffen mit einem Beamten des LKA.

B. hatte zwischenzeitlich "für eine britische Behörde die Aufgabe übernommen, zur Überführung einer Zielgruppe englischer 'Gangster', die europaweit tätig waren, eine Haschischquelle ausfindig zu machen, um dann Haschisch nach England zu liefern und die betreffenden Personen bei dem Scheingeschäft festnehmen zu können". Mitte Juni 1994 trat er deshalb an KHK M. vom LKA heran, erhielt dort aber die Auskunft, daß das LKA selbst einer ausländischen Behörde kein Haschisch zur Verfügung stellen könne. Im Juli 1994 berichtete B. dem Angeklagten von der "Aktion britischer Behörden" und bat ihn, da ihm in Deutschland keine Bezugsquellen für Haschisch zur Verfügung stünden, bei der Suche nach einem Haschischlieferanten behilflich zu sein. Hierbei teilte er dem Angeklagten mit, "bei diesem Geschäft handele es sich um eine 'controlled delivery' ('kontrollierte Lieferung'), über die auch das hiesige LKA ... informiert sei"; der Zugriff sei in England geplant. Der Angeklagte lehnte das Ansinnen des B. zunächst ab, weil er "weder mit Betäubungsmitteln noch mit der Polizei zu tun haben wollte. Schließlich willigte er aus Freundschaft mit B. aber doch ein und erklärte, ... er wolle aber nichts daran verdienen, sondern er verspreche sich lediglich eine 'Story' von der ganzen Sache". Er fragte seine Arbeitskollegin S., von der er annahm, sie verfüge über berufliche Kontakte zur sogenannten "alternativen Szene", nach Haschisch für eine polizeilich kontrollierte Lieferung nach England. Über Frau S. erhielt der Angeklagte Kontakt zu Br., den er nach ausdrücklicher Anweisung von B. auf die Lieferung von 10 Kilogramm Haschisch ansprach, das er für einen Freund benötige. Von einer kontrollierten Polizeiaktion erwähnte er Br. gegenüber weisungsgemäß nichts. Br. versprach, sich umzuhören. B. seinerseits bekundete am 24. August 1994 im Rahmen einer Zeugenvernehmung beim LKA, der Angeklagte sei aus Freundschaft zu ihm "bereit, einen Lieferanten für ein größeres Haschischgeschäft nach England zu finden. Der Angeklagte ... habe ... bereits einen Kontakt ... mit einem Lieferanten hergestellt, der 10 oder mehr Kilogramm Haschisch beschaffen könne". B. wurde dabei nach dem Verpflichtungsgesetz förmlich verpflichtet und angewiesen, gegenüber dem Angeklagten Interesse an einem Geschäft über 200 Kilogramm Haschisch zu bekunden. Zwei Tage später erhielt der Angeklagte von S. eine ihr von Br. übergebene "Probe" von etwa 4 Gramm Haschisch, die er an B. übergab, der sie an das LKA weiterleitete.

Weitere Treffen des Angeklagten mit Br. verliefen jedoch zunächst ergebnislos. Daraufhin wurde B. (vom LKA) angewiesen, "die Sache zu beenden". Gleichwohl erklärte er gegenüber dem Angeklagten am 2. September 1994, "seine Leute" seien an größeren Mengen Haschisch interessiert; er "schlug vor, der Angeklagte solle deshalb Interesse an einer Mindestmenge von 100 Kilogramm Haschisch bekunden". Demgemäß setzte sich der Angeklagte mit Br. in Verbindung, der seinerseits von seinen Lieferanten die Auskunft erhielt, "daß 20 Kilogramm möglich seien". Der Angeklagte hatte B. aber bereits zuvor mitgeteilt, es stünden größere Mengen zur Verfügung. Daraufhin erhielt B. vom LKA die Weisung, "Interesse an der Lieferung von 150 Kilogramm durch Vermittlung des Angeklagten zu zeigen". Da fortan "B. dem Angeklagten gegenüber ständig auf 150 Kilogramm bestand, tat dies der Angeklagte auch Br. gegenüber". Bei einem Treffen am 7. Oktober 1994 stellte B. dem Angeklagten "einen vom LKA ebenfalls als Vertrauensperson eingesetzten US-amerikanischen Polizeibeamten als Vertreter der Käuferseite vor". Bei diesem Treffen verständigte man sich auf die Übergabe des Haschischs am 14. Oktober 1994 auf dem Parkplatz bei der Kongreßhalle. An diesem Tag deponierten die Lieferanten des Br. 48 Kilogramm Haschisch in einem vom Angeklagten angemieteten Pkw. Der Angeklagte übernahm den Pkw und fuhr damit zu Br.. Gemeinsam fuhren beide sodann zum vereinbarten Übergabeort, wo ihnen B. jedoch mitteilte, "das Geschäft könne heute nicht wie vorgesehen abgewickelt werden, da der englische Bandenchef ... auf den ursprünglich vereinbarten 150 Kilogramm bestanden und eine geringere Menge nicht akzeptiert habe". Der Angeklagte und Br. fuhren deshalb mit dem Mietfahrzeug zur Wohnung von Br., wo sie das Haschisch gemeinsam ausluden. "Am 17.10.1994 rief B. den Angeklagten an und berichtete ihm, daß die Verkäuferseite (richtig wohl: Käuferseite) sich jetzt doch mit den vorhandenen 50 Kilogramm begnügen würde". Daraufhin verabredeten B., der Angeklagte und der US-Amerikaner die Übergabe für den 19. Oktober. An diesem Tag holte der Angeklagte Br. wieder mit einem Mietfahrzeug ab. Mit dem in zwei von dem Angeklagten mitgebrachten Sporttaschen umgepackten Haschisch (45 Kilogramm; THC-Gehalt 3.084,9 Gramm) begaben sie sich zu dem Parkplatz, wo der polizeiliche Zugriff erfolgte.

Auch der Angeklagte wurde festgenommen, dabei übergab er den Beamten von sich aus die zuvor erhaltene "Provision" und äußerte, er habe "das Haschischgeschäft nur deshalb getätigt, um im Einvernehmen mit dem hiesigen LKA in England eine größere 'Rauschgiftgang auffliegen' zu lassen". Auch verlangte er, den Leiter des LKA oder KHK M. sprechen zu dürfen, "weil sich dann 'alles aufklären' werde".

2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht eine strafbare Beteiligung des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge "wegen der Absicht ..., das Haschisch der (britischen) Polizei in die Hände zu spielen", verneint. Es hat den Angeklagten aber der Anstiftung zum unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für schuldig befunden. Die Anstiftung sieht es in der "Veranlassung des Br. durch den Angeklagten, das später sichergestellte Haschisch zu besorgen und der Käuferseite zu übergeben"; durch den "zweimalige(n) Transport des Haschischs und das Verbringen desselben in die Wohnung des Br." sei der Angeklagte zudem als Gehilfe (§ 27 StGB) des Br. tätig geworden; die Beihilfe trete jedoch hinter der Anstiftung zurück.

II. Revision der Staatsanwaltschaft

1. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts greift die Staatsanwaltschaft nicht an, soweit dieses den Angeklagten nicht als Täter oder Teilnehmer eines unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt hat. Sie läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, daß derjenige, der Betäubungsmittel der Polizei in die Hände spielen und damit erreichen will, daß sie aus dem Verkehr gezogen werden, nicht auf den Umsatz des Stoffes abzielt und damit schon nicht Teilnehmer eines unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist (BGH StV 1981, 549; 1988, 432, 433 m.w.N.).

2. Zutreffend hat das Landgericht auf das Verhalten des Angeklagten den Besitztatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG angewendet, der durch den vom Täter verfolgten Zweck, die Betäubungsmittel letztlich der Polizei zuzuspielen, nicht in Frage gestellt wird (vgl. BGH StV 1988, 432, 433).

a) Jedoch hält - wie die Staatsanwaltschaft zu Recht beanstandet - die Begründung, mit der das Landgericht täterschaftlich begangenen unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verneint, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach Auffassung der Strafkammer scheidet eine Verurteilung des Angeklagten "wegen (eigenen) Besitzes" aus, "da der zweimalige Transport des Haschischs und das Verbringen desselben in die Wohnung des Br. hierfür noch nicht ausreicht, und zwar im Hinblick darauf, daß dies alles zusammen mit Br. erfolgte, der das Haschisch auf seine alleinige Rechnung besorgt hatte und der darüber allein verfügungsberechtigt war, was sich auch an dem Aufbewahren in seiner Wohnung nach der ersten gescheiterten Übergabe gezeigt hat" (UA 20/21). Diese rechtliche Würdigung wird den festgestellten Umständen insbesondere zum Transport des Haschischs am 14. Oktober 1994 schon deshalb.nicht gerecht, weil der Angeklagte die 48 Kilogramm Haschisch zeitweilig in seiner ausschließlichen Verfügungsgewalt hatte, als er mit dem Mietfahrzeug, in dem die Lieferanten das Rauschgift zuvor deponiert hatten, zu Br. fuhr. Um einen Fall ganz kurzer Hilfstätigkeit eines bloßen Besitzdieners, wie er der Entscheidung BGHSt 26, 117 zugrunde liegt (zum Besitzbegriff vgl. ferner BGHSt 27, 380), handelte es sich dabei ersichtlich nicht (vgl. auch BGH StV 1995, 197).

Dagegen kann der Staatsanwaltschaft nicht darin gefolgt werden, daß der Angeklagte durch den Transport der (nunmehr nur noch 45 Kilogramm) Haschisch am 19. Oktober 1994 sich einer weiteren (selbständigen) Tat des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht hat. Dabei kann dahinstehen, ob die Annahme täterschaftlichen Besitzes insoweit schon daran scheitert, daß der Angeklagte an diesem Tag das Rauschgift nur mit Br. zusammen transportierte. Jedenfalls dann, wenn sich der Besitz - wie hier - jeweils auf dieselbe Betäubungsmittelmenge bezieht, die der Täter zwar an mehreren Tagen, aber innerhalb eines kurzen Zeitraums im Rahmen ein und desselben Rauschgiftgeschäfts transportiert, liegt eine natürliche Handlungseinheit vor. Eine solche ist dadurch gekennzeichnet, daß zwischen einer Mehrheit gleichgearteter, strafrechtlich erheblicher Betätigungen ein derart enger Zusammenhang besteht, daß sich das gesamte Handeln des Täters objektiv als ein einheitlich zusammengehöriges Tun darstellt und die einzelnen Handlungen durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (st. Rspr.; BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluß, einheitlicher 4, 7). Die zeitliche Unterbrechung ist hier nicht von solcher Art, daß der enge Zusammenhang zwischen den beiden Teilakten in Frage gestellt wird, zumal der Angeklagte an beiden Tagen das Haschisch an denselben Übergabeort und zu denselben Abnehmern brachte.

b) Der Änderung des Schuldspruchs durch den Senat steht hier § 265 StPO entgegen. Im übrigen bedingen schon die Gründe, die auf die Revision des Angeklagten zur Aufhebung des Urteils führen (s.u. III.), eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Durch die Aufhebung des Urteils wird die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung über die Entschädigung des Angeklagten gegenstandslos.

III. Revision des Angeklagten

1. Das Landgericht hält die Einlassung des Angeklagten "geglaubt zu haben, nichts Verbotenes zu tun" für "glaubhaft ..., da B. dem Angeklagten die Vorstellung vermittelt hatte, an einer Polizeiaktion zur Überführung englischer 'Gangster' teilzunehmen", zumal es "auch für einen Laien nicht selbstverständlich (sei), daß trotz des Willens, das Haschisch der Sicherstellung durch Polizeibehörden zuzuführen, eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zum Besitz von Betäubungsmitteln möglich bleibt" (UA 20). Es hält dem Angeklagten deshalb einen Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB zugute. Dies weist keinen Rechtsfehler auf. Vergeblich wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision dagegen, daß das Landgericht seinen Irrtum nicht als einen nach § 16 Abs. 1 StGB zu behandelnden Erlaubnistatbestandsirrtum (vgl. dazu Dreher/Tröndle StGB 47. Aufl. § 16 Rdn. 27) bewertet hat. Dies ergibt sich aus folgendem:

Das Verhalten des Angeklagten war nach den Maßstäben der Entscheidung BGH StV 1988, 432, 433 objektiv tatbestandsmäßig und rechtswidrig (vgl. zu den erforderlichen Feststellungen zur objektiven Tatseite in Irrtumsfällen BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4; BGH, Urteil vom 13. Dezember 1995 - 3 StR 514/95 - UA 7/8). Hierzu bedarf es anders als im Fall der Entscheidung BGH, Urteil vom 2. Mai 1984 - 2 StR 129/84 -, auf die sich der Generalbundesanwalt möglicherweise bezieht, keiner weiter gehenden Sachaufklärung durch den Tatrichter.

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht eine Rechtfertigung des Verhaltens des Angeklagten nach § 4 Abs. 2 BtMG verneint, "da der Angeklagte mangels eigener eindeutiger Absprachen mit dem LKA objektiv nicht den Status eines Mitarbeiters der Polizei hatte" (UA 21). Nach § 4 Abs. 2 BtMG bedürfen Bundes- und Landesbehörden für den Bereich ihrer dienstlichen Tätigkeit für den Umgang mit Betäubungsmitteln keiner Erlaubnis. Ob die Befreiung von der Erlaubnispflicht nach dieser Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch für V-Leute der Polizei gilt, die im Rahmen von der Polizei erteilter Anweisungen Verhandlungen führen oder Betäubungsmittel in Besitz nehmen (offengelassen in BGH StV 1988, 432, 433; bejahend: Körner BtMG 4. Aufl. Rdn. 8; Joachimski BtMG 6. Aufl. § 4 Rdn. 21), bedarf keiner Entscheidung. Auch wenn der Angeklagte - wie der Generalbundesanwalt in seiner schriftlichen Stellungnahme zu erwägen gegeben hat - vom L "als Person, die der Polizei nützlich sein wolle, betrachtet" worden sein mag, verschaffte ihm dies nicht den Status einer Vertrauensperson (vgl. zur Inanspruchnahme von Informanten u.a. Anlage D der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren, RiStBV); er blieb vielmehr Privatperson. Daß er mit Wissen der Polizei tätig war, besagt nichts anderes. Richteten sich die Ermittlungen nämlich - wie die weiteren Ereignisse zeigen - auch gegen ihn, so schließt dies aus, darin, daß das LKA ihn gewähren ließ, zugleich eine rechtfertigende Einwilligung zum Umgang mit dem Haschisch zu sehen.

2. Dem Angeklagten hat nach den getroffenen Feststellungen jedoch die Einsicht gefehlt, Unrecht zu tun. Zwar braucht der Täter die Strafbarkeit seines Handelns nicht positiv zu kennen; es genügt für die Annahme eines Unrechtsbewußtseins, daß der Täter es für möglich hält, Unrecht zu tun, und diese Möglichkeit in derselben Weise wie beim bedingten Vorsatz in seinen Willen aufnimmt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1995 - 3 StR 514/95). Dies hat hier das Landgericht indes rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Zu Recht hat es die Annahme des Angeklagten, "nichts Verbotenes zu tun" (UA 20, 21), aber lediglich als Verbotsirrtum bewertet (BGH StV 1988, 432, 433).

a) Die Besitztatbestände der §§ 29 Abs. 1 Nr. 3, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG stellen den Besitz "ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1" erlangter Betäubungsmittel unter Strafe. Das Fehlen der (schriftlichen; § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG in der durch das am 28. Februar 1994 in Kraft getretene Ausführungsgesetz Suchtstoffübereinkommen 1988 vom 2. August 1993 - BGBl I 1407 - geänderten Fassung; vgl. dazu BTDrs 12/3533 S. 17; Joachimski aaO § 29 Rdn. 147) Erlaubnis gehört deshalb zum Tatbestand (Körner aaO. § 29 Rdn. 16, 783); die irrige Annahme einer Erlaubnis ist daher ein Tatbestandsirrtum (vgl. zum Irrtum im verwaltungsakzessorischen Nebenstrafrecht Steindorf in Festschrift für Salger, 1995, S. 167, 186). Doch nahm der Angeklagte nicht irrig an, eine Erlaubnis nach § 3 BtMG zu besitzen. Vielmehr ging seine Vorstellung nach Lage der Dinge dahin, einer Erlaubnis nicht zu bedürfen. Dieser Irrtum ist nur dann nach § 16 Abs. 1 StGB beachtlich, wenn der Angeklagte sich irrig Umstände vorstellt, denen zufolge er zu dem nach der Ausnahmevorschrift des § 4 BtMG (vgl. Körner aaO. § 3 Rdn. 1, § 29 Rdn. 16) von der Erlaubnispflicht befreiten Personenkreis gehört. In einem solchen Irrtum befand sich der Angeklagte jedoch nicht; denn er wußte, daß er weder der Polizei angehörte noch von der Polizei - mit der er nichts "zu tun haben wollte" (UA 6) - als V-Person eingesetzt war.

b) Die Rechtsprechung sieht in dem allgemeinen Irrtum, keiner Erlaubnis zu bedürfen, regelmäßig einen Verbotsirrtum (BGH NStZ 1993, 594). Allerdings ergeben die Feststellungen, daß sich der Angeklagte nicht nur über das allgemeine Erfordernis einer Erlaubnis für den Umgang mit Betäubungsmitteln irrte, sondern er sich vorstellte, daß das LKA im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit (vgl. § 4 Abs. 2 BtMG) mit der Beschaffung von Haschisch durch ihn im Zusammenhang mit der "Aktion britischer Behörden" einverstanden war und er deshalb keiner Erlaubnis bedurfte. Doch ist die Annahme, die Polizei sei damit einverstanden gewesen, daß er das Rauschgiftgeschäft betreibt, nur unter dem Gesichtspunkt seiner - zu Recht verneinten (s.o. II. 1.) - Strafbarkeit wegen Beteiligung am unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln relevant. Dagegen beinhaltete ein solches - angenommenes - Einverständnis der Polizei nicht auch die Befugnis des Angeklagten, bei seinem Bemühen, der Polizei Rauschgift in die Hände zu spielen, dieses dabei - und sei es unter Umständen auch nur kurzfristig - selbst in Besitz zu nehmen. Schon im Hinblick auf die mit dem Besitz von Betäubungsmitteln verbundene Gefahr, daß das Rauschgift durch Weitergabe oder auch auf sonstige Weise unkontrolliert in den Verkehr gelangt, muß verhindert werden, daß sich Rauschgift in den Händen von dazu nicht ausdrücklich befugten Personen befindet, namentlich von solchen, deren Zuverlässigkeit die Polizei nicht selbst geprüft hat. Deshalb kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß die Polizei damit einverstanden ist, daß eine Privatperson Rauschgift in einer Weise in ihrer Verfügungsgewalt hat, daß es auch nur vorübergehend der Kontrolle durch die Strafverfolgungsorgane entzogen ist. Jedenfalls bedarf es, um der Gefahr eines Mißbrauchs vorzubeugen, im Ausnahmefall einer konkreten Absprache zwischen der Polizei und der betreffenden Person und eines ihr von der Polizei persönlich und unmittelbar erteilten Auftrags. Daß ihm ein solcher Auftrag durch die Polizei nicht erteilt war, wußte der Angeklagte. Seine möglicherweise irrige Vorstellung, einer solchen Absprache bedürfe es nicht, vielmehr genüge seine Einbindung in die "Polizeiaktion" (UA 20) durch B., beruht lediglich auf einer fehlerhaften Bewertung der Grenzen der Erlaubnisfreiheit für den Besitz des Haschischs. Ein solcher Irrtum ist aber Verbots-, nicht (Erlaubnis-)Tatbestandsirrtum.

3. Das Urteil hat jedoch keinen Bestand, weil - wie der Angeklagte mit seiner Revision zu Recht geltend macht - das Landgericht die Frage der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums unerörtert gelassen hat, und auf die ausdrückliche Auseinandersetzung hiermit auch nicht ausnahmsweise verzichtet werden konnte.

Insoweit bemerkt der Senat zugleich als Hinweis für die neue Hauptverhandlung:

a) Nach gefestigter Rechtsprechung ist der Irrtum unvermeidbar, wenn der Täter trotz der ihm nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seines Lebens- und Berufskreises zuzumutenden Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtmäßige nicht zu gewinnen vermochte; im Zweifel trifft ihn eine Erkundigungspflicht (BGHSt 21, 18, 20/21 m.w.N.).

b) Daß der Angeklagte sein Gewissen nicht genügend angespannt hat, ergeben die Feststellungen nicht; vielmehr hält ihm das Landgericht selbst zugute, es sei "auch für einen Laien nicht selbstverständlich", daß das Verhalten trotz des Willens, das Rauschgift der Polizei zuzuführen, strafbar bleiben kann. Um so mehr trifft diese Einschätzung zu, wenn der Täter - wie hier - auf Initiative eines V-Mannes der Polizei tätig wird und aufgrund dessen Angaben die Vorstellung hat, mit Einverständnis der Polizei zu handeln.

c) Es bedarf jedoch näherer Klärung, ob der Angeklagte gegen seine Erkundigungspflicht verstoßen hat. Zwar hat er sich nicht durch Rückfrage beim LKA vergewissert, ob die Angaben B. s zutrafen. Damit steht jedoch nicht fest, daß ihm dies auch als schuldhaft anzulasten ist. Angesichts des freundschaftlichen Verhältnisses des Angeklagten zu B. und seiner - zutreffenden - Kenntnis von dessen Tätigkeit für das LKA, könnte zweifelhaft sein, ob für den Angeklagten Anlaß bestand, den Angaben B.'s zu mißtrauen. Im übrigen wird der neue Tatrichter zu erwägen haben, daß, hätte der Angeklagte sich an das LKA mit dem Hinweis auf seine Erkenntnisse über die Bereitschaft von Br., eine große Menge Haschisch zu liefern, gewandt, die Polizei ihm möglicherweise auch gestattet hätte, das Haschisch in seine Verfügungsgewalt zu bekommen, um es um so sicherer der Polizei zuzuspielen; dann aber hätte die Erkundigung des Angeklagten beim LKA zu keinem anderen Ergebnis geführt (vgl. Dreher/Tröndle aaO. § 17 Rdn. 9 m.w.N.).

IV. Die aufgezeigten Rechtsfehler berühren die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht; diese können deshalb bestehenbleiben. Dies hindert den neuen Tatrichter nicht, ergänzende Feststellungen zu treffen, die mit den bisher getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen. Im übrigen weist der Senat für den Fall, daß der neue Tatrichter wiederum zur Verurteilung des Angeklagten gelangt, darauf hin, daß gegen die Rechtsfolgeentscheidung des Landgerichts rechtliche Bedenken nicht bestehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993391

NJW 1996, 1604

NStZ 1996, 338

MDR 1996, 724

StV 1996, 424

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