Entscheidungsstichwort (Thema)

Feuerversicherer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Feuerversicherer des Eigentümers gegen den Mieter oder Pächter des versicherten Gebäudes Rückgriff nehmen kann.

 

Normenkette

VVG § 67

 

Tatbestand

Die Klägerin hat als Feuerversicherer des Hauses M. Straße 83 in V. den Hauseigentümer wegen eines Brandschadens entschädigt. Sie nimmt im vorliegenden Rechtsstreit Rückgriff gegen die Pächterin dieses Hauses.

Der Hauseigentümer schloß am 1. März 1984 mit der Klägerin einen Vertrag, durch den das Haus gegen Feuer, Leitungswasser und Sturmschäden versichert wurde. Am 10. Februar 1985 verpachtete der Eigentümer der Beklagten das Gebäude zum Betriebe einer Gaststätte mit Nacht-Cabaret sowie als Wohnhaus zur eigenen Nutzung durch die Pächterin und zur Unterbringung von im Gewerbebetrieb angestellten Personen.

In § 4 des Pachtvertrages ist der vorgedruckte Text um folgenden maschinenschriftlichen Zusatz erweitert:

"Der Verpächter verpflichtet sich, eine Feuer-, Leitungswasser- und Stromschädenversicherung für das Gebäude auf seine Kosten abzuschließen."

§ 7 Ziffer 3 des Pachtvertrages lautet:

"Die zusätzlichen Kosten für die Gebäudeversicherung, die sich aus dem Betrieb eines Nacht-Cabarets im Unterschied zum normalen Gaststättenbetrieb ergeben, sind vom Pächter zu übernehmen. Die Berechnung ergibt sich aus der Differenz der Versicherungsprämie für Gebäude mit Gewerbebetrieb ohne und solche mit Nacht-Cabaret. Sie erfolgt durch die zur Zeit versichernde Gesellschaft. Die Kosten werden jeweils nach Rechnungstellung von dem Verpächter dem Pächter aufgegeben und sind innerhalb von 14 Tagen nach Aufgabe zahlbar und fällig. Zur Zeit beträgt die anteilige Versicherungsprämie DM 130,-- monatlich."

Seit dem 10. April 1985 wurde die Bar von der Schwester der Beklagten geführt, die eine sogenannte Stellvertretererlaubnis des Gewerbeaufsichtsamtes besaß. In den frühen Morgenstunden des 26. Januar 1986 brannte das Lokal weitgehend ab. Beim Eintreffen der Feuerwehr waren alle Türen verschlossen. Als Ausgangspunkt des Feuers wurde eine Brandstelle auf der rechten Seite des Barraumes festgestellt. Die Brandursache konnte auch im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nicht zweifelsfrei geklärt werden. Die Klägerin zahlte auf den dem Eigentümer entstandenen Schaden in Höhe von 316.690 DM einen Betrag von 207.410 DM.

Die Klägerin behauptet, Ursache des Brandes sei eine von einem Gast weggeworfene Zigarettenkippe. Sie hält deshalb die Beklagte für schadensersatzpflichtig und verlangt von ihr die Zahlung von 207.410 DM.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach der Überzeugung des Berufungsgerichts läßt sich nicht feststellen, ob bei der Entstehung des Brandes ein Verschulden der Beklagten oder ihrer Erfüllungsgehilfen mitgewirkt hat. Diese Ungewißheit müsse zu Lasten der Beklagten gehen; denn im Verhältnis zum Vermieter treffe den Mieter die Beweislast dafür, daß eingetretene Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsachen von ihm nicht zu vertreten seien. Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 66, 349).

II.

Das Berufungsgericht folgert daraus, daß die Beklagte sich gegenüber dem Hauseigentümer schadensersatzpflichtig gemacht habe. Einen Ausschluß der gesetzlichen Schadensersatzpflicht glaubt es aus dem Mietvertrag nicht entnehmen zu können. Gemäß § 67 VVG sei der Schadensersatzanspruch des Hauseigentümers auf die Klägerin übergegangen.

Diese Beurteilung ist rechtsfehlerhaft.

1.

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob § 67 VVG im vorliegenden Fall Anwendung findet. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen Dritte, nicht aber auf solche gegen mitversicherte Personen. Nun ergeben sich allerdings im konkreten Fall aus dem Versicherungsvertrag keine Anhaltspunkte dafür, daß die Vertragspartner eine Mitversicherung des Mieters (oder Pächters) des Gebäudes gewollt hätten. Es fragt sich jedoch, ob nicht in der Feuerversicherung der Mieter oder Pächter allgemein - also allein aufgrund der in diesem Versicherungszweig bestehenden Interessenlage - als in den Versicherungsschutz einbezogen angesehen werden muß. Für diese Ansicht werden namentlich von Honsell (VersR 1985, 301) beachtliche Gründe geltend gemacht.

Die Aufgaben des Brandversicherers werden in großen Teilen Deutschlands von öffentlich-rechtlichen Körperschaften wahrgenommen, die vom Staat ins Leben gerufen worden sind, um die Bevölkerung vor den schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen von Bränden zu schützen. Wenn nun diese Einrichtungen in allen Fällen, in denen das Haus vermietet ist, gegen den Mieter Rückgriff nehmen könnten, sofern dieser nicht sein mangelndes Verschulden am Brand nachweist, so würden die durch die Brände entstehenden wirtschaftlichen Lasten häufig auf die Mieter verlagert. Das wäre aber mit dem Zweck, von dem sich der Staat bei der Einrichtung der Brandkassen und ähnlichen Institutionen hat leiten lassen, nicht zu vereinbaren; denn es ist nicht einzusehen, warum die Mieter gegen die wirtschaftlichen Folgen von Brandschäden weniger geschützt werden sollten als die Hauseigentümer. Auch die privaten Feuerversicherer wollen grundsätzlich den gleichen Versicherungsschutz bieten wie die öffentlichen Versicherungsanstalten und verwenden häufig auch weitgehend gleichlautende Versicherungsbedingungen. Es wäre daher nicht angemessen, der Deckungspflicht privater Feuerversicherer eine engere Grenze zu ziehen als der der öffentlich-rechtlichen Feuerversicherungsanstalten.

Im übrigen würde - worauf Honsell mit Recht aufmerksam macht - die Anwendung des § 67 VVG dazu führen, daß der Versicherer im Falle einer Vermietung bessergestellt wäre als im Falle einer Nutzung des Hauses durch den Eigentümer. Dafür fehlt es jedoch an einem rechtfertigenden Grund, da das Brandrisiko in der Regel durch die Vermietung nicht erhöht wird (so auch OLG Hamm VersR 1987, 300). Es spricht daher viel dafür, den Rückgriff gegen den Mieter nur in den Fällen zuzulassen, in denen der Versicherer auch gegenüber dem Eigentümer leistungsfrei wäre, d.h. also in den Fällen, in denen dem Mieter Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann.

2.

Einer abschließenden Entscheidung dieser Frage bedarf es jedoch nicht. Der von der Klägerin geltendgemachte Anspruch muß bereits daran scheitern, daß die Parteien in ihrem Mietvertrag eine Regelung getroffen haben, durch die der gesetzliche Schadensersatzanspruch des Vermieters auf die Fälle nachgewiesenen Vorsatzes und nachgewiesener grober Fahrlässigkeit beschränkt wurde. Die gegenteilige Auslegung, die der Tatrichter dem Mietvertrag gegeben hat, beruht auf Rechtsfehlern und kann daher revisionsrechtlich keinen Bestand haben.

Besondere Bedeutung kommt in dem Zusammenhang dem Umstand zu, daß der Vermieter sich im Mietvertrag zum Abschluß einer Feuerversicherung verpflichtet hatte. Dies ist ein gewichtiges Indiz dafür, daß nach dem Willen der Mietvertragsparteien die Feuerversicherung auch im Interesse des Mieters abgeschlossen, der Versicherungsschutz also auch ihm zugute kommen sollte. Bereits das Reichsgericht (RGZ 122, 292) hatte darauf hingewiesen, daß in der vertraglichen Übernahme der Zahlung der Feuerversicherungsprämie durch den Mieter eine Vereinbarung gesehen werden könne, durch die der Mieter von der Haftung für Zufall und leichte Fahrlässigkeit befreit werde; das muß in erhöhtem Maße dann gelten, wenn der Vermieter eine ausdrückliche Verpflichtung zum Abschluß der Feuerversicherung übernimmt. Der Bundesgerichtshof hat angenommen, daß der Mieter eines Kraftfahrzeugs, der die Zahlung der Kaskoversicherungsprämie übernommen hat, dem Vermieter bei einer Beschädigung des Fahrzeugs nur in dem Umfang haftet, in dem er auch dann für den Schaden einzustehen hätte, wenn er selbst eine Kaskoversicherung für einen ihm gehörigen Wagen abgeschlossen hätte (BGHZ 22, 109). Es gibt keinen sachlichen Grund, bei der Vermietung eines Hauses diesen Grundsatz nicht anzuwenden.

Die Gründe, die das Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht anführt, sind nicht stichhaltig. Es bemerkt zunächst unter Berufung auf die Urteile von zwei anderen Instanzgerichten, daß aus dem Abschluß einer Feuerversicherung und der anschließenden Umlegung der Feuerversicherungsprämie auf die Miete nicht geschlossen werden könne, daß die Haftung des Mieters für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein solle. Ob diese Auffassung zutreffend ist, kann dahingestellt bleiben; in dem jetzt zu entscheidenden Fall hat der Vermieter nicht nur die Feuerversicherungsprämie umgelegt, sondern eine ausdrückliche Verpflichtung zum Abschluß einer Feuerversicherung übernommen. Das Berufungsgericht verweist weiterhin darauf, daß diese Verpflichtung nicht auf Drängen der Beklagten in den Mietvertrag aufgenommen wurde, sondern bereits in dem ihr vom Vermieter vorgelegten Entwurf enthalten war. Hierauf darf jedoch bei der Auslegung des Vertrags nicht entscheidend abgestellt werden. Auch wenn der Vermieter der Beklagten von sich aus diese Klausel angeboten hatte, ist sie ein wirksamer Bestandteil des Mietvertrags geworden. Der Mieter kann auch aus solchen Vertragsklauseln, die der Vermieter aus freien Stücken in den Mietvertrag eingefügt hat, für sich günstige Rechtsfolgen herleiten. Daß sich der Vermieter dem Mieter gegenüber zum Abschluß einer Feuerversicherung verpflichtete, gibt nur dann einen vernünftigen Sinn, wenn diese Versicherung in irgendeiner Weise auch dem Mieter zugute kommen sollte. Das Berufungsgericht meint nun allerdings, die Klausel könne auch mit dem Interesse der Beklagten erklärt werden, im Brandfall einen baldigen Wiederaufbau des Gebäudes gesichert zu wissen. Damit allein läßt sich jedoch die Vertragsklausel nicht in einer plausiblen Weise erklären. Denn der bloße Wiederaufbau des Gebäudes hätte der Beklagten nichts genützt, wenn sie womöglich mit Schadensersatzverpflichtungen gegenüber dem Feuerversicherer belastet blieb, die sie zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs zwangen. Wenn sie aber über genügend flüssige Mittel verfügte, um die Schadensersatzverpflichtung erfüllen zu können, ohne den Fortbestand ihres Unternehmens zu gefährden, dann hätte sie den Wiederaufbau auch dadurch sicherstellen können, daß sie die Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem Hauseigentümer erfüllte; es war für sie gleichgültig, ob sie Zahlung an diesen oder an den Versicherer leistete.

3.

Da die vom Tatrichter vorgenommene Auslegung auf rechtsirrigen Überlegungen beruht und daher nicht bestehen bleiben kann, zu einer rechtsfehlerfreien Auslegung aber eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich ist, kann das Revisionsgericht die in Frage stehende Vertragsbestimmung selbst auslegen (BGH, Urteil vom 17. September 1980 - IVb ZR 550/80 - NJW 1981, 51). Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß bei richtigem Verständnis des Vertrages die Beklagte nur insoweit mit den wirtschaftlichen Folgen eines Brandschadens belastet sein sollte, als der Eigentümer gegenüber dem Feuerversicherer den Schaden zu tragen hätte, d.h. also nur dann, wenn ihr nachweislich Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Daß die Beklagte den Schaden grob fahrlässig verursacht hätte, hat die Klägerin jedoch weder behauptet noch näher dargelegt, geschweige denn unter Beweis gestellt.

Die Berufung der Klägerin muß daher unter Aufhebung des oberlandesgerichtlichen Urteils zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456123

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