Leitsatz (amtlich)

1. Eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes führt grundsätzlich nicht zu einem Anspruch auf Geldentschädigung.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Darstellung des Leichnams eines nahen Angehörigen in einer TV-Filmberichterstattung Hinterbliebene in ihrem eigenen Persönlichkeitsrecht verletzen kann.

 

Normenkette

BGB § 823; GG Art. 1, 2 Abs. 2, Art. 5

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 08.09.2004; Aktenzeichen 28 O 101/04)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 19.10.2006; Aktenzeichen 1 BvR 402/06)

 

Tenor

Die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil der 28. Zivilkammer des LG Köln v. 8.9.2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Geldentschädigung wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts seiner Mutter, hilfsweise wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend.

Die 80-jährige Mutter des Klägers wurde im Oktober 2000 von dessen Schwester unter dem Einfluss einer Psychose in dem von Mutter und Schwester gemeinsam bewohnten Haus erschlagen. Ein Kamerateam der Beklagten, dem die Polizei Zutritt zu dem Haus gewährt hatte, filmte den teils entkleideten Leichnam der Mutter zunächst im Haus und später noch einmal im Obduktionssaal. Die Schwester des Klägers, die sich in einem ersichtlich nicht vernehmungsfähigen Zustand befand, wurde unmittelbar nach ihrer vorläufigen Festnahme von einem Mitarbeiter der Beklagten befragt und mit angelegten Handschellen gefilmt. Am 26.2.2001 strahlte der Fernsehsender SAT 1 im Rahmen des Programms Spiegel TV unter dem Titel "Mordkommission Köln" einen etwa 30-minütigen Filmbericht der Beklagten aus. Zwischen den Parteien ist u.a. streitig, welche Aufnahmen insb. von der getöteten Mutter des Klägers gezeigt wurden.

Der Kläger hat vorprozessual eine strafbewehrte Erklärung der Beklagten angenommen, in der diese sich verpflichtete, es zu unterlassen, ein Bildnis seiner Mutter zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Der Schwester des Klägers ggü. wurde ebenfalls eine Unterlassungserklärung abgegeben. Zudem wurde ihr gerichtlich immaterieller Schadensersatz i.H.v. 20.000 DM zugesprochen. Der Kläger verlangt eine angemessene Geldentschädigung von mindestens 20.000 EUR. Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Sprungrevision verfolgt er sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das LG verneint einen Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts seiner Mutter. Kommerziell verwertbare Bestandteile seien nicht vorhanden gewesen. Es seien ausschließlich ideelle Interessen betroffen gewesen. Dieser Teil des Persönlichkeitsrechts sei jedoch unauflöslich an die Person des Trägers gebunden, so dass hierauf gestützte Ansprüche auf Geldentschädigung nur zu Lebzeiten des Trägers des Persönlichkeitsrechts in Betracht kämen.

Ein Anspruch des Klägers auf eine Entschädigung in Geld wegen Verletzung seines eigenen Persönlichkeitsrechts durch die Verbreitung des Bildnisses seiner Mutter in für Dritte identifizierbarer Weise bestehe gleichfalls nicht. Den Angehörigen eines Verstorbenen stehe angesichts der Genugtuungsfunktion des Geldentschädigungsanspruchs für immaterielle Schäden kein solcher Anspruch zu, wenn über den Verstorbenen berichtet werde. Eingriffe in Rechte Verstorbener seien i.d.R. keine Angriffe auf deren Angehörige. Dies könne nur dann anders sein, wenn zugleich mit dem Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen auch das Persönlichkeitsrecht des Angehörigen unmittelbar und ausdrücklich tangiert werde, was im Streitfall nicht gegeben sei. Die Privatsphäre beinhalte zwar grundsätzlich auch das Recht, mit der Trauer um einen Angehörigen allein zu sein. Jedoch sei dieser Bereich von den Filmszenen nicht tangiert worden. Es werde gerade nicht der trauernde Kläger gezeigt, sondern die von der Schwester getötete Mutter.

II.

Das Urteil hält den Angriffen der Revision stand.

1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Geldentschädigung wegen der Verletzung eines postmortalen Persönlichkeitsrechts seiner verstorbenen Mutter zu.

a) Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seiner besonderen Erscheinungsformen wie dem Recht am eigenen Bild kann allerdings bei einer lebenden Person einen Anspruch auf Ausgleich immaterieller Schäden begründen. Dieser Anspruch auf Geldentschädigung gründet nach gefestigter Rechtsprechung des erk. Senats auf dem Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und wird demgemäß aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 und Art. 2 GG hergeleitet (BGH, Urt. v. 15.11.1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1 [15] = MDR 1995, 804; Urt. v. 5.10.2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298 [302] = MDR 2005, 393 = BGHReport 2005, 450; Urt. v. 5.12.1995 - VI ZR 332/94, MDR 1996, 366 = VersR 1996, 339 [340]; Urt. v. 12.12.1995 - VI ZR 223/94, MDR 1996, 365 = VersR 1996, 341 [342]; Urt. v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 [218 f.] = MDR 2000, 1147; BVerfGE 34, 269 [292] - Soraya; BVerfG v. 8.3.2000 - 1 BvR 1127/96, MDR 2000, 829 = VersR 2000, 897 [898]).

b) Auch wird die Persönlichkeit des Menschen über den Tod hinaus geschützt. Dies folgt, wie das BVerfG klargestellt hat (BVerfGE 30, 173 [194]; BVerfG v. 5.4.2001 - 1 BvR 932/94, VersR 2001, 1252 [1254]; v. 25.8.2000 - 1 BvR 2707/95, NJW 2001, 594; BGH v. 8.6.1989 - I ZR 135/87, BGHZ 107, 384 [391] = MDR 1989, 1076 - Emil Nolde; Urt. v. 17.5.1984 - I ZR 73/82, MDR 1984, 997 = GRUR 1984, 907 [908] - Frischzellenkosmetik; Urt. v. 22.4.2005 - 2 StR 310/04, NJW 2005, 1876 [1878]; BSG, Urt. v. 15.2.2005 - B 2 U 3/04 R, juris, zum Abdruck in BSGE bestimmt) aus dem Grundrecht des Art. 1 Abs. 1 GG, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. Demgegenüber kann das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG nur einer lebenden Person zukommen, weil dieses auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit gerichtete Grundrecht die Existenz einer wenigstens potentiell oder zukünftig handlungsfähigen Person, also eines lebenden Menschen als unabdingbar voraussetzt (vgl. zu den bereits genannten Entscheidungen noch aus der Instanzrechtsprechung und der Literatur OLG Hamm ZUM 2002, 385 [386]; OLG München v. 6.4.2000 - 21 W 1286/00, OLGReport München 2000, 164; v. 9.8.2002 - 21 U 2654/02, OLGReport München 2002, 416 [417]; OLG Düsseldorf v. 16.6.1999 - 15 U 171/98, NJW-RR 2000, 321; Möhring/Nicolini/Gass, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 60 Anh., § 22 KUG Rz. 41; Rixecker in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 12 Anh. Rz. 23; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearb., § 823 Rz. C 34; Schulze Wessel, Die Vermarktung Verstorbener, 2001, S. 44 f., m.w.N.; Trachternach, Erinnerungsschutz - Zum Persönlichkeitsschutz nach einem Todesfall, 2004, S. 65 f.; Bender, VersR 2001, 815 [817]).

Das LG hat keine Feststellungen zum Inhalt des beanstandeten Fernsehbeitrags getroffen. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob dessen Ausstrahlung den postmortalen Schutzbereich der Verstorbenen verletzt hat. Dies bedarf auch keiner Entscheidung, da selbst in diesem Fall kein Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung bestünde. Denn auch dann könnte lediglich eine Verletzung von ideellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts vorliegen, die jedoch eine Geldentschädigung nur zu Lebzeiten des Trägers des Persönlichkeitsrechts rechtfertigen kann.

c) Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH stehen dem Wahrnehmungsberechtigten bei einer postmortalen Verletzung dieses Schutzbereichs lediglich Abwehransprüche, nicht aber Schadensersatzansprüche zu (BGH, Urt. v. 5.3.1974 - VI ZR 89/73, VersR 1974, 758 [759] - Todesgift; Urt. v. 4.6.1974 - VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080 - Fiete Schulze; v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 [223 f., 228] = MDR 2000, 1147 - Marlene Dietrich; Urt. v. 1.12.1999 - I ZR 226/97, MDR 2000, 1146 = VersR 2000, 1160 [1161] - Der blaue Engel; ebenso OLG Düsseldorf v. 21.10.2000 - 15 U 232/97, AfP 2000, 574). Diese Auffassung wird auch im Schrifttum weitgehend geteilt (Rixecker in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 12 Anh. Rz. 25, m.w.N.; Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rz. 13.10; Götting, GRUR 2004, 801 [802]; Gregoritza, Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten Verstorbener, 2002, S. 67; Müller, Die Ausbeutung fremder Persönlichkeitsrechte in Rufausbeutung nach dem Tode: Wem gebührt der Profit?, S. 63 f.).

Die hiergegen vorgebrachte Kritik, dass insb. bei Bildveröffentlichungen ein unzureichender Schutz gewährt werde (OLG München v. 9.8.2002 - 21 U 2654/02, OLGReport München 2002, 416 [417]; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 9 Rz. 37; Beuthien, ZUM 2003, 261 [262]; krit. Koos, WRP 2003, 202 [203]), kann jedenfalls im Streitfall nicht dazu führen, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen.

aa) Die Zuerkennung einer Geldentschädigung ggü. einem Angehörigen bei Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes wäre - anders als die Revision im Anschluss an die Entscheidung des OLG München meint - mit der Funktion des Anspruchs auf immaterielle Entschädigung unvereinbar. Bei der Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung steht nämlich regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung für das Opfer im Vordergrund (BGH, Urt. v. 15.11.1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1 [15] = MDR 1995, 804; Urt. v. 5.10.2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298 [302] = MDR 2005, 393 = BGHReport 2005, 450; Urt. v. 4.6.1974 - VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080 - Fiete Schulze; Urt. v. 5.12.1995 - VI ZR 332/94, MDR 1996, 366 = VersR 1996, 339 [340]; BVerfG v. 8.3.2000 - 1 BvR 1127/96, MDR 2000, 829 = VersR 2000, 897 [898]; Körner, NJW 2000, 241 [244]; Micheli, GRUR 1969, 429). Dem Verstorbenen selbst kann jedoch keine Genugtuung für die Verletzung seiner Persönlichkeit mehr verschafft werden (Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearb., § 823 Rz. C 47, m.w.N.; Fischer, Die Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004, S. 185; Gregoritza, Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten Verstorbener, 2002, S. 69, 74; Ernst-Moll, GRUR 1996, 558 [563 f.]; Götting, GRUR 2004, 801 [802]; Schack, GRUR 1985, 352 [358]; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2005, 571 [572]; i.E. unter Hervorhebung des Ausgleichsgedankens ebenso Rixecker in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 12 Anh. Rz. 222; Bender, VersR 2001, 815 [818]). Deshalb kann eine an Angehörige fließende Entschädigung wegen eines verletzenden Angriffs auf das Ansehen eines Verstorbenen die Genugtuungsfunktion nicht erfüllen (BGH, Urt. v. 4.6.1974 - VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080 - Fiete Schulze; LG Berlin AfP 2002, 540 [541]; LG Heilbronn ZUM 2002, 160 [161]; Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rz. 32.18; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14 Rz. 139). Auch ein Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts kommt bei einem Verstorbenen nicht mehr in Betracht. Unter beiden Gesichtspunkten liefe also eine Geldentschädigung ins Leere.

Der von der Revision herangezogene Gedanke der Prävention kann im Ergebnis nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Der Präventionsgedanke allein vermag die Gewährung einer Geldentschädigung nach dem Tod einer Person nicht zu tragen (BGH, Urt. v. 5.3.1974 - VI ZR 89/73, VersR 1974, 758 [760] - Todesgift; ebenso für die juristische Person OLG München AfP 2003, 359 [360]; Fischer, Die Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004, S. 184 f.; Rixecker in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 12 Anh. Rz. 222; Götting, GRUR 2004, 801 [802]; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2005, 571 [572]; Gregoritza, Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten Verstorbener, 2002, S. 75, m.w.N.; a.A. Seifert, NJW 1999, 1889 [1895 f.]). Zwar trägt der erk. Senat der Prävention als Bemessungsfaktor bei der Zubilligung von Geldentschädigungen Rechnung (BGH, Urt. v. 15.11.1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1 [15] = MDR 1995, 804, m.w.N.; Urt. v. 5.10.2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298 [303] = MDR 2005, 393 = BGHReport 2005, 450; Urt. v. 5.12.1995 - VI ZR 332/94, MDR 1996, 366 = VersR 1996, 339 [340]; Urt. v. 12.12.1995 - VI ZR 223/94, MDR 1996, 365 = VersR 1996, 341 [342]; BVerfG v. 8.3.2000 - 1 BvR 1127/96, MDR 2000, 829 = VersR 2000, 897 [898]; K. W. Lange, VersR 1999, 274 [277]; Göbel, Geldentschädigung und Schmerzensgeld 2004, S. 35 f.; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2005, 571 [572]; Steffen, NJW 1997, 10 [13]), besonders in denjenigen Fällen, in denen es um den Schutz gegen unerwünschte Zwangskommerzialisierung einer Person geht (BGH, Urt. v. 15.11.1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1 [15 f.] = MDR 1995, 804; Urt. v. 5.12.1995 - VI ZR 332/94, MDR 1996, 366 = VersR 1996, 339 [340 f.]). Ob die vorliegende Berichterstattung - die nach Auffassung der Revision eine Sensationsberichterstattung zum Zweck einer Erhöhung der Einschaltquoten darstellt - einer solchen Zwangskommerzialisierung vergleichbar ist und ähnliche Konsequenzen haben müsste, kann aber letztlich dahinstehen, weil es jedenfalls an einem Rechtsträger für einen solchen Anspruch fehlt. Der Anspruch auf immateriellen Schadensersatz wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht nämlich nur dem Rechtsträger und nur zu dessen Lebzeiten zu (BGHZ 50, 133 [137] - Mephisto; BGH v. 8.6.1989 - I ZR 135/87, BGHZ 107, 384 [388 f.] = MDR 1989, 1076 - Emil Nolde; v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 [220] = MDR 2000, 1147 - Marlene Dietrich; Rixecker in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 12 Anh., Rz. 43; Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rz. 13.5; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl., Kap. 44 Rz. 43; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 7 Rz. 4; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearb., § 823 Rz. C 38, m.w.N.; Bender, VersR 2001, 815 [816 f., 822], m.w.N.; Fischer, Die Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004, S. 50 f., m.w.N.). Das unterscheidet ihn einerseits von dem vorstehend erörterten Abwehranspruch, den postmortal der Wahrnehmungsberechtigte geltend machen kann, und andererseits von dem materiellen Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, der auf den Erben übergehen kann.

bb) Um einen solchen Anspruch handelt es sich hier nicht. Die zum Schadensersatz bei Verletzung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts auch nach dem Tod entwickelten Grundsätze lassen sich entgegen der Auffassung der Revision auf den Streitfall nicht übertragen, da Schutzgut und Interessenlage zu unterschiedlich sind. Dieser von der Revision herangezogenen Rechtsprechung (BGH v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 ff. = MDR 2000, 1147 - Marlene Dietrich; Urt. v. 1.12.1999 - I ZR 226/97, MDR 2000, 1146 = NJW 2000, 2201 f. - Der blaue Engel) liegt die Überlegung zu Grunde, dass das Persönlichkeitsrecht auch vermögenswerte Bestandteile aufweist und dass deshalb bei einer unerlaubten Verwertung von Persönlichkeitsmerkmalen, etwa für Werbezwecke, Schadensersatz verlangt werden kann (BGHZ 20, 345 [350 f.] - Paul Dahlke; BGHZ 50, 133 [137] - Mephisto; BGH v. 26.6.1981 - I ZR 73/79, BGHZ 81, 75 [80] - Carrera; v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 [219 f.] = MDR 2000, 1147 - Marlene Dietrich).

Dieser Anspruch kann, wie der BGH entschieden hat, auf den Erben übergehen. Ein wirkungsvoller postmortaler Schutz der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ist nämlich nur gewährleistet, wenn der Erbe in die Rolle des Trägers des Persönlichkeitsrechts treten und ebenso wie dieser unter Wahrung der mutmaßlichen Interessen des Verstorbenen gegen eine unbefugte Nutzung vorgehen kann. Darüber hinaus erscheint es unbillig, den durch die Leistungen des Verstorbenen geschaffenen und in seinem Bildnis, seinem Namen oder seinen sonstigen Persönlichkeitsmerkmalen verkörperten Vermögenswert nach seinem Tode dem Zugriff eines jeden beliebigen Dritten preiszugeben, statt diesen Vermögenswert seinen Erben oder Angehörigen oder anderen Personen zukommen zu lassen, die ihm zu Lebzeiten nahe standen (BGH v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 [224] = MDR 2000, 1147 - Marlene Dietrich; Urt. v. 1.12.1999 - I ZR 226/97, MDR 2000, 1146 = VersR 2000, 1160 [1161] - Der blaue Engel). Bei einer solchen Konstellation erfährt der in den Persönlichkeitsmerkmalen des Verstorbenen liegende Vermögenswert mithin eine Verselbständigung und wird dem Vermögen des nach seinem Tod Wahrnehmungsberechtigten zugeordnet. Dass diesem bei unberechtigter Ausbeutung des ihm zustehenden Wertes ein Anspruch auf Geldentschädigung zugebilligt wird, ist folgerichtig.

Eine vergleichbare Interessenlage besteht im Streitfall nicht. Das LG hat festgestellt, dass derartige kommerzielle Interessen in der Person der Verstorbenen nicht bestanden. Sie sei der Öffentlichkeit nicht bekannt gewesen, ihrer Abbildung sei kein wirtschaftlicher Wert zugekommen. Hieran habe sich auch nach ihrem Tod, der im Hinblick auf die hiermit verbundene Familientragödie der Öffentlichkeit bekannt geworden sei, nichts geändert, wovon auch der Kläger selbst ausgehe. Dem tritt die Revision nicht entgegen. Soweit sie geltend macht, dass Abbildungen der Verstorbenen im Rahmen einer gewinnsteigernden Sensationsberichterstattung gezeigt worden seien, kann es sich schon vom Sachverhalt her nicht um eine kommerzielle Nutzung handeln, wie sie der Verstorbenen selbst möglich gewesen wäre. Deshalb kann, wie das LG im Ergebnis mit Recht annimmt, eine etwaige Rechtsverletzung nur ideelle Bestandteile des postmortalen Schutzbereichs betreffen. Hieraus folgt jedoch aus den oben dargelegten Gründen nur ein Abwehranspruch des Wahrnehmungsberechtigten, während ein Anspruch auf Geldentschädigung nach dem Tod des Rechtsträgers nicht mehr in Betracht kommt (BGHZ 50, 133 [137] - Mephisto; BGH v. 8.6.1989 - I ZR 135/87, BGHZ 107, 384 [388 f.] = MDR 1989, 1076 - Emil Nolde; v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 [220] = MDR 2000, 1147 - Marlene Dietrich; Rixecker in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 12 Anh. Rz. 43; Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rz. 13.5.; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl., Kap. 44 Rz. 43; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 7 Rz. 4; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearb., § 823 Rz. C 38, m.w.N.; Bender, VersR 2001, 815 [816 f., 822], m.w.N.; Fischer, Die Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004, S. 50 f., m.w.N.). Dessen postmortaler Schutz rechtfertigt sich allein aus der fortdauernden Menschenwürde des Verstorbenen, dem, wie bereits ausgeführt, eine Geldentschädigung keine Genugtuung für die Rechtsverletzung mehr verschaffen könnte. Die Zubilligung einer Geldentschädigung an Erben oder nahe stehende Personen für postmortale Verletzungen der Würde einer anderen Person wäre deshalb systemwidrig und zudem geeignet, einer Kommerzialisierung des Persönlichkeitsrechts im nicht kommerziellen Bereich Vorschub leisten (BVerfG v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, BVerfGE 101, 361 [385] = MDR 2000, 211; Beuthien, ZUM 2003, 261 [262]; Schack, JZ 2000, 1060 [1061]; BGH v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 [220] = MDR 2000, 1147 - Marlene Dietrich).

2. Eine Geldentschädigung aus der Verletzung des eigenen Persönlichkeitsrechts des Klägers, wie sie grundsätzlich in Betracht kommen könnte, hat das LG unter den Umständen des Streitfalls ohne Rechtsfehler abgelehnt.

a) Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet einen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwer wiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Ob eine so schwer wiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur auf Grund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insb. die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (st.Rspr., BGH, Urt. v. 15.11.1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1 [12] = MDR 1995, 804; Urt. v. 30.1.1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13 [27] = MDR 1996, 586; Urt. v. 5.10.2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298 [306] = MDR 2005, 393 = BGHReport 2005, 450; Urt. v. 25.2.1969 - VI ZR 241/67, VersR 1969, 519 [520] - Detektei; Urt. v. 5.3.1974 - VI ZR 89/73, VersR 1974, 758 [759] - Todesgift; Urt. v. 4.6.1974 - VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080 - Fiete Schulze; Urt. v. 5.12.1995 - VI ZR 332/94, MDR 1996, 366 = VersR 1996, 339 [340]; Urt. v. 12.12.1995 - VI ZR 223/94, MDR 1996, 365 = VersR 1996, 341 [342]; Urt. v. 1.12.1999 - I ZR 226/97, MDR 2000, 1146 = VersR 2000, 1160 [1161] - Der blaue Engel; BVerfG v. 26.8.2003 - 1 BvR 1338/00, NJW 2004, 591 [592]; Diederichsen, VersR 2005, 433 [437]; Müller, Die Ausbeutung fremder Persönlichkeitsrechte in Rufausbeutung nach dem Tode: Wem gebührt der Profit?, S. 55; Müller, VersR 2000, 797 [800]; Müller, VersR 2003, 1 [5]; Steffen, NJW 1997, 10 f.; krit. K. W. Lange, VersR 1999, 274 ff. [278]).

b) Ein Anspruch des Klägers würde voraussetzen, dass er selbst durch die Ausstrahlung des Filmbeitrags mit den Bildern seiner toten Mutter in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist.

aa) Gegen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht kann nur der unmittelbar Verletzte, nicht auch derjenige vorgehen, der von den Fernwirkungen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht eines anderen nur mittelbar belastet wird, solange diese Auswirkungen nicht auch als Verletzung des eigenen Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren sind. Insoweit kann für das Persönlichkeitsrecht unbeschadet seiner Ausbildung als ein erst durch Güterabwägung und Interessenabwägung im Einzelfall zu ermittelndes Schutzgut nichts anderes gelten als für die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter und absoluten Rechte (BGH, Urt. v. 25.2.1969 - VI ZR 241/67, VersR 1969, 519 [520] - Detektei; Urt. v. 15.4.1980 - VI ZR 76/79, MDR 1980, 746 = VersR 1980, 679 f.; Urt. v. 16.11.1982 - VI ZR 122/80, MDR 1983, 300 = VersR 1983, 139 f.).

bb) Zu Recht stellt das LG deshalb darauf ab, dass eine Verletzung des postmortalen Schutzbereichs Verstorbener für sich genommen noch nicht die Würde der Angehörigen verletzt, so dass allein die Abbildung der getöteten Mutter des Klägers in für Dritte identifizierbarer Weise nicht in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreift. Ebenso würde aus einer spezifischen Kränkung der Familie den zu diesem Kreis gehörenden Personen noch kein eigener Anspruch auf eine Geldentschädigung erwachsen (BGH, Urt. v. 25.2.1969 - VI ZR 241/67, VersR 1969, 519 [520] - Detektei; Urt. v. 5.3.1974 - VI ZR 89/73, VersR 1974, 758 [759] - Todesgift; Urt. v. 4.6.1974 - VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080 - Fiete Schulze; zust. Fischer, Die Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004, S. 186 f.; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl., Kap. 44 Rz. 41; Rixecker in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 12 Anh. Rz. 16; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14 Rz. 139). Erforderlich ist vielmehr, dass mit der Verletzung des Persönlichkeitsschutzes des Verstorbenen zugleich das Persönlichkeitsrecht des Angehörigen unmittelbar tangiert wird. In einem solchen Fall könnte für diesen bei Vorliegen der weiteren, unter 2. a) dargestellten Voraussetzungen ein Anspruch auf Geldentschädigung entstehen (BGH, Urt. v. 25.2.1969 - VI ZR 241/67, VersR 1969, 519 [520] - Detektei; v. 4.6.1974 - VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080 - Fiete Schulze; Urt. v. 15.4.1980 - VI ZR 76/79, MDR 1980, 746 = VersR 1980, 679 f.; LG Heilbronn ZUM 2002, 160 [161]; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl., Rz. 295; Fischer, Die Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004, S. 59, 186 f.; Rixecker in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 12 Anh. Rz. 29; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearb., § 823 Rz. C 36; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 9 Rz. 38; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14 Rz. 139). Eine solche unmittelbare Persönlichkeitsrechtsverletzung der Angehörigen hat der erk. Senat beispielsweise im Falle einer Berichterstattung über den Rauschgifttod eines erwachsenen Kindes bejaht, wenn unter ungenehmigter Beifügung eines Familienfotos suggeriert wird, für die Tragödie sei elterliches Versagen verantwortlich (BGH, Urt. v. 5.3.1974 - VI ZR 89/73, VersR 1974, 758 [759] - Todesgift).

cc) Eine derartige unmittelbare Betroffenheit hat das LG unter den Umständen des Streitfalls ohne Rechtsfehler verneint, weil in dem Filmbericht lediglich die von der Schwester getötete Mutter, nicht aber der Kläger gezeigt oder erwähnt wird (BGH, Urt. v. 4.6.1974 - VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080 - Fiete Schulze; Urt. v. 15.4.1980 - VI ZR 76/79, MDR 1980, 746 = VersR 1980, 679 f.; OLG Hamburg ZUM 2005, 168 f.).

Zwar kann durch eine Presse- oder Filmberichterstattung in seiner Persönlichkeit unmittelbar betroffen nicht nur sein, wer im Mittelpunkt der Veröffentlichung steht oder auf wen sie zielt. Ein Bericht über einen Straftäter und dessen Tat kann je nach Art und Inhalt der Darstellung durchaus auch andere Tatbeteiligte oder auch Angehörige des Täters oder Opfers in ihrem Persönlichkeitsrecht unmittelbar verletzen, wenn ihre eigenen persönlichen Verhältnisse in den Bericht einbezogen werden. Doch muss in solchen Fällen die Persönlichkeitssphäre des Dritten selbst als zum Thema des Berichts zugehörig erscheinen, damit das Erfordernis der Unmittelbarkeit noch gewahrt bleibt. Nicht genügen kann, wenn der Dritte sich wegen seiner engen Beziehung zum Dargestellten durch eine Berichterstattung, die ihn selbst weder ausdrücklich noch stillschweigend erwähnt, "persönlich" betroffen fühlt. Ebenso wenig reicht aus, dass Leser oder Zuschauer den beanstandeten Bericht über eine Straftat zum Anlass nehmen, Angehörige zu belästigen oder anzufeinden. Solche Ausstrahlungen auf die Person des Dritten, in denen sich gar nicht der Inhalt der Veröffentlichung, sondern nur noch die persönliche Verbundenheit zu der in die Öffentlichkeit gerückten Person ausdrückt, bleiben als bloße Reflexwirkungen schutzlos (BGH, Urt. v. 15.4.1980 - VI ZR 76/79, MDR 1980, 746 = VersR 1980, 679 f. [680]).

dd) Die Revision zeigt keine Umstände auf, aus denen sich nach diesen Grundsätzen eine unmittelbare Betroffenheit des Klägers ergibt. Feststellungen dazu, dass der Kläger in einer anderen Entscheidungen vergleichbaren Weise persönlich betroffen wäre (OLG Düsseldorf v. 21.10.2000 - 15 U 232/97, AfP 2000, 574; LG Berlin AfP 2002, 540 [541]; zust. Fischer, Die Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004, S. 186; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 9 Rz. 38), hat das LG nicht getroffen. Verfahrensrügen hierzu sind nicht erhoben und hätten im Verfahren der Sprungrevision auch nicht berücksichtigt werden können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1474839

BGHZ 2006, 203

NJW 2006, 605

BGHR 2006, 440

FamRZ 2006, 330

GRUR 2006, 252

JurBüro 2006, 275

ZAP 2006, 375

ZEV 2006, 270

AfP 2006, 67

JA 2006, 403

JuS 2006, 458

MDR 2006, 930

VersR 2006, 276

WRP 2006, 359

ZUM 2006, 211

ZFE 2006, 440

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge